Widerlegung aller Häresien

Von Hippolytus von Rom (um 235)

Buch I.

Inhalt

Der Inhalt des ersten Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

Die Namen und die Lehren der Naturphilosophen, die der Ethiker und die der Dialektiker.

Naturphilosophen sind Thales, Pythagoras, Empedokles, Heraklitus, Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Archelaos, Parmenides, Leukippos, Demokritus, Xenophanes, Elephantos und Hippo.

Ethiker sind Sokrates, der Schüler des Naturphilosophen Archelaos, und Plato, des Sokrates Schüler. Plato vereinigt die drei Fächer der Philosophie.

Dialektiker ist Aristoteles, Platos Schüler; er schuf ein System der Dialektik; Stoiker sind Chrysippos und Zeno.

Epikur arbeitete ein fast allen anderen Philosophen entgegen gesetztes Lehrsystem aus.

Der Akademiker Pyrrho; er lehrte die Unbegreiflichkeit aller Dinge.

Die Brahmanen bei den Indern, die Druiden bei den Kelten und Hesiodos.

Man darf keine von den Lehren, die bei den Griechen in Geltung sind, mißachten. Denn selbst ihre unwissenschaftlichen Anschauungen erscheinen noch wahrscheinlich, wenn man sie mit der grenzenlosen Tollheit der Häretiker vergleicht, die nur durch Verschweigung ihrer Geheimnisse sich den Ruf der Gottesfurcht erhalten. Ihre Lehrsätze haben wir schon früher dargelegt, sie aber, ohne in Einzelheiten einzugehen, nur obenhin widerlegt; denn wir hielten es nicht für angezeigt, ihre Geheimnisse ans Licht zu ziehen; wir hofften, sie würden sich schämen, wenn wir andeutungsweise ihre Anschauungen berührten, und würden ihre unvernünftigen Ansichten und ihr unrechtes Beginnen aufgeben aus Furcht, wir könnten ihre Geheimnisse ganz bloßlegen und sie so der Gottlosigkeit überführen. Doch sie achten meine Rücksicht nicht, noch bedenken sie, daß Gott nur darum ihre Lästerungen mit Langmut erträgt, damit sie sich schämen und bekehren oder damit sie als Verstockte ihr gerechtes Urteil erhalten. So gehe ich denn notgedrungen weiter und enthülle die Geheimnisse, die sie ihren Jüngern mit großer Überzeugungskraft anvertrauen; doch darf sie keiner inne werden, bevor sie ihn nicht lange Zeit in Spannung gehalten, zum Gotteslästerer herangebildet und sich ganz unterwürfig gemacht haben und er dann vor Neugierde nach ihren Aufschlüssen brennt. Wenn sie dann überzeugt sind, er sei in die Sünde verstrickt, eröffnen sie ihm den Abgrund der Verworfenheit, weihen ihn ein und verpflichten ihn eidlich, nichts auszusagen oder einem anderen mitzuteilen, wenn sich dieser nicht gleichfalls knechten läßt; ergibt er sich nur einmal, dann war der Eid freilich nicht nötig. Denn wer wirklich ihre tiefsten Geheimnisse über sich ergehen läßt und erlernt, der ist durch diese Tatsache selbst auf Grund seines Schuldbewußtseins gebunden, anderen gegenüber zu schweigen. Denn wenn er einem Menschen dies zügellose Treiben verriete, würde er nicht mehr zu den Menschen gerechnet werden und wert gehalten werden, das Licht zu schauen, [er stünde unter] dem unvernünftigen [Tier], das solche Frevel, von denen am einschlägigen Ort die Rede sein wird, nicht wagt. Da wir nun aus zwingenden Gründen in eine abgrundtiefe Untersuchung uns einlassen, so wollen wir nichts verschweigen, vielmehr die Lehren aller ausnahmslos darstellen. Wir wollen die Untersuchung, so lang sie auch dauern mag, nicht aufgeben. Wir können den Menschen einen guten Schutz gegen den Irrtum bieten dadurch, daß sie die geheim gehaltenen Kulthandlungen der Häretiker klar sehen, die diese wie einen Schatz hüten und nur den Eingeweihten offenbaren. Es wird sie aber niemand anderer des Irrtums überführen als der in der Kirche gespendete Hl. Geist, den zuerst die Apostel empfangen haben und den sie dann den Rechtgläubigen mitteilten. Da wir als deren Nachfolger an derselben Gnade, Hohenpriesterwürde und Lehre teilhaben und zu den Hütern der Kirche gehören, so halten wir die Augen offen und verkündigen die wahre Lehre. Wir wollen, auch wenn wir mit allen Leibes- und Seelenkräften arbeiten müssen, nicht ermüden, sondern in würdiger Weise Gott, unserm Wohltäter, zu vergelten suchen; können wir ihm doch nicht anders in geziemender Weise danken als dadurch, daß wir in der uns anvertrauten Arbeit fortfahren, die uns zugemessene Zeitspanne ausnützen und die Gaben des Hl. Geistes allen neidlos mitteilen. Wir wollen nicht nur Irriges feststellen; es soll auch all das, was die Wahrheit durch die Gnade des Vaters empfangen und den Menschen dargeboten hat, klar gemacht, aus der Schrift bewiesen und rückhaltlos verkündet werden. Wir wollen also die Gottlosigkeit der Häretiker in ihrer Denkart, ihrem Charakter und ihrer Handlungsweise aufzeigen, sowie die Quellen, aus denen sie ihre Erfindungen schöpften. Sie sind ans Erfinden gegangen ohne Anlehnung an die Hl. Schrift, und ohne sich auf einen Heiligen berufen zu können; ihre Lehren stammen aus der Griechenweisheit, aus philosophischen Anschauungen, aus Mysterien und aus der Irrwege gehenden Astrologie. Wir legen also zuerst die Lehren der griechischen Philosophen dar und werden unsern Lesern beweisen, daß diese Lehren älter und Gottes würdiger sind als die der Häretiker; dann wollen wir die einzelnen Sekten miteinander vergleichen und sehen, wie sich die Sektenstifter über die griechische Philosophie hermachten, deren Grundlagen für sich verwerteten und immer tiefer sinkend ihre Lehre zusammenschmiedeten. Freilich ist dies Beginnen mühevoll und bedarf eingehender Forschung; doch wollen wir nicht nachlassen; später wird es uns Befriedigung gewähren, wie dem Wettringer der mühsam errungene Kranz, dem Kaufmann der trotz gewaltiger Seenot erzielte Gewinn, dem Landmann die mit vielem Schweiße eingeheimsten Früchte oder wie dem Seher die Erfüllung seiner Weissagungen nach erlittener Schmähung und Mißhandlung.

Wir stellen nunmehr die Frage, wer bei den Griechen zuerst Naturphilosophie gelehrt hat. Denn gerade von den Naturphilosophen haben die Sektengründer ihre Lehren gestohlen, wie wir durch Vergleichung feststellen werden. Dadurch, daß wir jedem sein geistiges Eigentum zuteilen, werden wir die Häresiarchen in ihrer schamlosen Nacktheit an den Pranger stellen.

Thales aus Milet, einer der sieben Weisen, soll sich zuerst mit Naturwissenschaft befaßt haben. Er behauptete, Ursprung und Ende des Alls sei das Wasser; denn aus Wasser, sei es in festem, sei es in flüssigem Zustande, bestehe das Universum, und es schwebe auf dem Wasser; hievon kämen auch die Erdbeben, die Wechsel der Winde und die Bewegungen der Gestirne; alles sei in der Schwebe und im Flusse, wie es die Natur der ersten Werdensursache mit sich bringe; das, was weder Anfang noch Ende habe, sei Gott. Thales widmete sich auch der Lehre und der Forschung über die Gestirne und ist so für die Griechen der erste Begründer der diesbezüglichen Wissenschaft. Da er eines Tages zum Himmel hinaufschaute, um die Dinge oben genau beobachten zu können, wie er sagte, fiel er in einen Brunnen. Eine Magd, namens Thratta, lachte ihn aus und sagte: „Da er die Dinge am Himmel sehen will, übersieht er, was vor seinen Füßen ist.“ Thales lebte zur Zeit des Krösus.

Ungefähr um dieselbe Zeit begründete Pythagoras, der Samier, wie ihn einige nennen, eine andere philosophische Schule. Man nannte sie die Italische, weil Pythagoras auf der Flucht vor dem Tyrannen von Samos, Polykrates, sich in einer Stadt Italiens niederließ und dort sein Leben beschloß. Seine Schüler blieben im allgemeinen bei seinen Anschauungen. Auch er forschte über naturwissenschaftliche Fragen und verband Astronomie, Geometrie, Musik und Zahlenkunde. Er bezeichnete die Einheit (Monas) als Gott, und auf Grund seiner Forschungen über das Wesen der Zahl behauptete er, der Kosmos gebe Klänge von sich und beruhe auf Harmonie; als erster schrieb er die Bewegung der sieben Gestirne dem Rhythmus und der Musik zu. Er wollte, daß seine Schüler aus Ehrfurcht vor der Weltordnung im Anfang Stillschweigen übten, da sie zur Welt gekommen seien, um sich in die Geheimnisse des Alls einweihen zu lassen. Wenn sie dann anscheinend hinreichend Unterricht genossen hatten und mit Sachkenntnis über die Gestirne und die Natur Forschungen anstellten, so erklärte er sie für rein und gestattete ihnen zu reden. Er teilte seine Schüler in zwei Klassen und nannte die einen Esoteriker, die andern Exoteriker. Erstere führte er in die vollkommenere Wissenschaft ein, letztere in die gewöhnliche. Er soll auch Magie getrieben haben und erfand die Physiognomik.

Indem er Zahl und Maß zugrunde legte, behauptete er, das Prinzip der Arithmetik begreife die Philosophie synthetisch folgendermaßen in sich: Prinzip ist die Urzahl, das Unbegrenzte nämlich und Unfaßliche; sie begreift alle Zahlenfülle in sich, die bis zum Unendlichen fortschreiten kann. Die erste Einheit ist wesenhaft das Prinzip der Zahlen; sie ist männlich und erzeugt nach Vaterart alle anderen Zahlen. Dann kommt die Zweiheit, eine weibliche Zahl, die von den Zahlenkundigen auch gerade genannt wird. Hierauf folgt die Dreiheit, eine männliche Zahl, die bei den Zahlenkundigen auch eine ungerade heißt. Zu all diesen kommt die Vierzahl, eine weibliche Zahl, die wiederum als weibliche gerade genannt wird.

Die sämtlichen Zahlen, nach ihrem Genus genommen — die Urzahl ist ihrem Genus nach unbestimmt — sind also vier; aus ihnen besteht die vollkommene Zahl, die Zehnzahl; denn eins, zwei, drei und vier ergeben addiert zehn, wenn jede Zahl ihren eigenen wesenhaften Namen (Wert) behält. Diese heilige Vierzahl, sagt Pythagoras, ist „die Quelle, die die Wurzeln der ewigen Natur“ in sich „enthält“, und diese Zahl ist das Prinzip aller Zahlen; denn die Zahlen elf und zwölf usw. hätten ihr Daseinsprinzip aus der Zehnzahl. Die vier Bestandteile der Zehnzahl, der vollkommenen Zahl, heißen: Zahl, Einheit, Quadrat, Kubus. Durch deren Verbindungen erfolgt Vermehrung und wird in der Natur die zeugungskräftige Zahl gebildet. Denn wenn das Quadrat mit sich selbst multipliziert wird, wird es Quadrat im Quadrat; wenn das Quadrat mit dem Kubus, wird es Kubus im Quadrat; wenn aber der Kubus mit dem Kubus, so gibt es Kubus im Kubus. So entstehen alle sieben Zahlen, aus denen das Werden quillt: Zahl, Einheit, Quadrat, Kubus, Quadrat-Quadrat, Kubus-Quadrat, Kubus-Kubus.

Pythagoras lehrte auch die Unsterblichkeit der Seele und die Seelenwanderung; dementsprechend sagte er von sich, er sei vor der trojanischen Zeit Äthalides gewesen, in der trojanischen Zeit Euphorbus, hierauf Hermotimos aus Samos, dann Pyrrhus aus Delos und an fünfter Stelle Pythagoras. Diodoros aus Eretria und der Musiker Aristoxenos berichten, Pythagoras habe den Chaldäer Zaratas aufgesucht; dieser habe ihm dargelegt, das Seiende habe von Anbeginn zwei Ursachen, Vater und Mutter; der Vater sei das Licht, die Mutter die Finsternis, die Teile des Lichtes seien das Heiße, das Trockene, das Leichte und das Schnelle, die Teile der Finsternis das Kalte, das Flüssige, das Schwere und das Träge; daraus bestehe die ganze Welt, aus Weib und Mann. Die Welt sei wesenhaft musikalische Harmonie, deshalb vollführe auch die Sonne ihre Umdrehung nach harmonischen Gesetzen. Bezüglich der Erden- und Weltdinge soll Zaratas gelehrt haben, es gebe zwei Gottheiten, eine himmlische und eine irdische; die irdische verursache das Wachstum aus der Erde; sie sei das Wasser; die himmlische sei das Feuer; es sei mit der Luft verbunden, Warmes mit Kaltem. Somit beflecke oder vernichte keines dieser Dinge die Seele; denn sie seien das Wesen aller Dinge. Pythagoras hat, wie berichtet wird, verboten, Bohnen zu essen auf Grund des Ausspruches des Zaratas, daß die Bohne zu allererst, bei der Vermengung aller Dinge, beim Gerinnen und Zusammengären der Erdeentstanden sei. Zum Beweise führt er an, daß, wenn man die Bohne mit den Zähnen enthülst und eine Zeitlang an die Sonne legt — diese übe dann gleich ihre Wirkung aus —, sie den Geruch menschlichen Samens von sich gebe. Ein anderer Beweis sei noch überzeugender, meint er; wenn man eine Bohnenblüte nimmt, in einen Topf legt und diesen verpicht in den Boden vergräbt und nach einigen Tagen öffnet, so sieht man, wie sie auf den ersten Blick die Gestalt etwa einer weiblichen Scham hat; bei genauerem Zusehen zeigt sich die eines frisch gebildeten Kinderkopfes.

Pythagoras starb den Feuertod zu Kroton in Italien zugleich mit seinen Schülern. Bei ihm war es Brauch, daß, wer zu ihm kam, um sein Schüler zu werden, sein Hab und Gut verkaufte und das Geld versiegelt bei ihm hinterlegte. Ein solcher hatte dann bald drei, bald fünf Jahre Stillschweigen zu halten und zu lernen. Nach Ablauf dieser Probezeit durfte er entweder weiterhin Schüler bleiben, an der Gesellschaft der anderen und am gemeinsamen Tisch teilnehmen, oder aber er erhielt sein Eigentum zurück und wurde entlassen. Die Esoteriker hießen Pythagoreer, die anderen (die Exoteriker) Pythagoristen. Aus dem Brande entkamen des Pythagoras Schüler Lysis und Archippos sowie sein Diener Zamolxis, der die keltischen Druiden die pythagoreische Philosophie gelehrt haben soll. Die Kenntnis der Zahlen und der Maße soll Pythagoras von den Ägyptern gehabt haben. Er empfing von der gut begründeten, blendenden und schwer zugänglichen Weisheit der ägyptischen Priester einen tiefen Eindruck, führte nach ihrem Vorgang Stillschweigen bei seinen Schülern ein und ließ sie in unterirdischen Räumen ein zurückgezogenes Leben führen.

Auf die Schüler des Pythagoras folgte zeitlich Empedokles; er gab eine ausführliche Dämonologie, behauptete, die Dämonen seien sehr zahlreich und bewegten und lenkten die irdischen Dinge. Als Prinzipien des Alls bezeichnete er Haß und Liebe; dasvernunftbegabte Feuer der Monade sei Gott, und aus Feuer bestehe alles, und alles werde im Feuer aufgelöst werden. Auch die Stoiker erwarten in Übereinstimmung mit dieser Auffassung den Weltenbrand. Am nachdrücklichsten von allen verfocht Empedokles die Seelenwanderung; er sagte:

„Knabe und Mädchen und Strauch bin ich vor Zeiten gewesen.
Und auch Vogel, auch Fisch, der aus der Salzflut emportaucht.

Nach ihm verwandeln sich die Seelen in alle möglichen Lebewesen; so behauptete ja auch Pythagoras, das Haupt dieser Schule, von sich, er sei Euphorbos gewesen, der gegen Troja zu Felde zog, und gab an, er kenne dessen Schild. Soviel also von Empedokles.

Heraklitus, der Naturphilosoph, pflegte über alles zu weinen, klagte über die Rätselhaftigkeit des ganzen Lebens und die Unwissenheit der Menschen und war voll Mitleid mit dem Leben der Sterblichen. Von sich behauptete er, daß er alles wisse; die anderen wüßten nichts. Auch lehrte er ungefähr wie Empedokles, Zwietracht und Liebe seien das Prinzip aller Dinge, das vernunftbegabte Feuer sei Gott, alles sei in ständiger Bewegung und bleibe nie in Ruhe. Heraklitus teilte auch die Ansicht des Empedokles, all der Raum um uns sei voll des Bösen; es erstrecke sich aus den Erdenräumen bis zum Mond; weiter aber dringe es nicht, da der gesamte Raum über dem Mond ziemlich rein sei. Das waren die Ansichten des Heraklitus.

Es traten dann noch andere Naturphilosophen auf, deren Anschauungen nicht von denen der Vorgenannten abwichen, so daß es überflüssig ist, sie anzuführen. Doch ist diese Schule an sich nicht unbedeutend, und es sind später Naturforscher daraus hervorgegangen, die auseinandergehende Ansichten über die Natur des Alls vertraten. So wollen wir denn nach Darlegung der Pythagoreischen Philosophie der Reihenfolge nachbis auf die Ansichten der auf Thales folgenden Denker zurückgehen. Wenn wir dies erledigt haben, wollen wir auf Ethik und Logik zu sprechen kommen. Begründer der Ethik war Sokrates, Begründer der Dialektik Aristoteles.

Anaximander war also des Thales Schüler. Er war der Sohn des Praxiades aus Milet. Als Prinzip des Seienden bezeichnete er das Unendliche, aus dem die Himmel und die Welten in ihnen entstanden seien. Dies Unendliche sei ewig und nicht alternd und umfasse alle Welten. Er sagt, es sei allen Dingen die Zeit ihrer Entstehung, ihres Daseins und Untergangs bestimmt. Er hat also als Prinzip und Grundstoff des Seienden das Unendliche angegeben und zuerst die Bezeichnung „Prinzip“ gebraucht. Ewig ist auch die Bewegung, und durch sie sind die Himmel entstanden. Die Erde schwebt in der Mitte, durch nichts gestützt, und verharrt in dieser Lage wegen des gleichmäßigen Abstandes aller Dinge; sie ist gewölbt, rund, wie eine Säulentrommel. Auf der einen Kreisfläche stehen wir, die andere liegt dieser gegenüber. Die Sterne sind ein Feuerkreis, vom Feuer, das die Welt umschließt, geschieden, aber von Luft umgeben. Die Sterne werden durch röhrenförmige Öffnungen, Durchsichten sichtbar. Durch Verstopfung der Öffnungen entstehen die Finsternisse. Der Mond erscheint bald voll, bald verkleinert, je nachdem die Öffnungen verschlossen oder offen sind. Der Sonnenkreis ist siebenundzwanzigmal größer als der Mondkreis und ist zu oberst, zu unterst die Kreise der Fixsterne. Die Lebewesen entstehen [aus dem Feuchten] infolge der Ausdünstung durch die Sonnenwärme. Der Mensch ist ursprünglich einem anderen Lebewesen, nämlich dem Fische, ähnlich gewesen. Die Winde entstehen durch die Ausscheidung der ganz feinen Dünste aus der Luft und durch deren Bewegung, wenn sie zusammenströmen; der Regen entsteht aus dem Dunst, der von der Erde zum Himmel aufsteigt; es blitzt, wenn sich der Wind auf die Wolken stürzt und sie trennt. Anaximander ist im Jahr 3 der 42. Olympiade geboren.

Anaximenes, gleichfalls aus Milet, Sohn des Eurystratos, bezeichnete die unbegrenzte Luft als Prinzip. Ihr entstammten die gegenwärtigen, die vergangenen und die zukünftigen Dinge sowie die Götter und die göttlichen Wesen; die anderen Dinge kämen von diesen her. Die Eigenart der Luft bestehe in folgendem: Wenn sie ganz homogen ist, ist sie für das Auge unsichtbar; Kälte und Wärme, Feuchtigkeit und Bewegung macht sie sichtbar. Sie ist aber immer in Bewegung; denn ohne Bewegung wären die durch sie hervorgebrachten Veränderungen nicht möglich. Ihre Verdichtung und ihre Verdünnung ergeben verschiedene Phänomene. Wenn sie sich nämlich ausdehnt und verdünnt, wird sie zu Feuer; Winde hingegen sind verdichtete Luft; durch Verdichtung bilden sich aus der Luft auch die Wolken, bei noch stärkerer Verdichtung das Wasser; aus weiterer Verdichtung entsteht die Erde, aus der stärksten der Stein. Die Hauptbedingungen des Werdens sind also Gegensätze: Wärme und Kälte. — Die Erde ist eine auf der Luft schwebende Scheibe; Sonne, Mond und Sterne, die alle aus Feuer bestehen, schweben durch ihren Umfang gleichfalls auf der Luft. Die Sterne sind aus der Erde entstanden dadurch, daß Feuchtigkeit aus ihr aufgestiegen und dann verdünnt zu Feuer geworden ist. Aus diesem Feuer bestehen die Sterne. Es gibt aber auch erdartige Körper im Sternenraum, die sich mit den Sternen bewegen. Doch bewegen sich nach Anaximenes die Sterne nicht unter der Erde, wie andere angenommen haben, sondern rings um die Erde so, wie wenn ein Hut um unsern Kopf gedreht wird. Die Sonne wird nicht dadurch unsichtbar, daß sie unter der Erde verschwindet, sondern weil sie von den höheren Teilen der Erde verdeckt wird und weil ihr Abstand von uns sich vergrößert. Wegen des großen Abstandes, in dem sie sich von uns befinden, geben die Sterne keine Wärme. Die Winde entstehen durch Verdichtung und stoßweise Bewegung der Luft. Bei stärkeren Zusammenstößen und stärkerer Verdichtung der Luft entstehen Wolken und verwandeln sich in Wasser. Wenn das von den Wolken herabströmende Wasser gefriert, so hagelt es; wenn es, weil es zu flüssig ist, nur gerinnt, so schneit es; es blitzt, wenn gewaltige Stürme die Wolken teilen; denn wenn sich diese teilen, wird der Himmel licht und feurig. Der Regenbogen zeigt sich, wenn die Sonnenstrahlen auf angesammelte Luft fallen; es entsteht Erdbeben, wenn sich auf der Erde infolge von Erwärmung und Abkühlung stärkere Veränderungen ergeben. Soviel von Anaximenes. Er blühte um das Jahr 1 der 58. Olympiade.

Auf Anaximenes folgt Anaxagoras aus Klazomenä, des Hegesibulos Sohn. Er bezeichnete als Prinzip des Alls Geist und Stoff, den Geist als aktives, den Stoff als passives Prinzip. Der Geist hat die vorhandene Masse geordnet. Die Urstoffe sind unendlich zahlreich und unendlich klein. Alles wird vom Geist bewegt und Gleiches kommt zu Gleichem. Auch die Himmelskörper bewegen sich in geordneter, kreisförmiger Bewegung. Das Feste, das Flüssige, das Dunkle, das Kalte und alles Schwere sammelt sich in der Mitte und bildet einen festen Körper, die Erde. Was diesen entgegengesetzt ist, das Warme, das Lichte, das Trockene und das Weite, strebt in die Ätherferne. Die Erde hat eine platte Form und bleibt in der Schwebe infolge ihrer Größe und weil es keinen leeren Raum gibt. Und so erhält die Luft mit ihrer starken Tragfähigkeit die Erde in der Schwebe. Aus der Feuchtigkeit und aus dem Wasser auf der Erde ist das Meer entstanden; durch dessen Ausdünstungen und durch die niederströmenden Flüsse hat die Erdoberfläche ihre Gestalt erhalten. Die Flüsse haben sich durch die Regengüsse und durch das Erdwasser gebildet; die Erde ist nämlich hohl und enthält in den Höhlungen Wasser. Der Nil schwillt zur Sommerzeit an, wenn die Wasser aus dem antiarktischen Schneegebiet herabfließen. Sonne, Mond und Sterne sind feurige Steine, die die Umdrehung des Äthers mitmachen. Unterhalb der Sterne sind für uns unsichtbare Himmelskörper, die sich mit Mond und Sonne bewegen. Die Wärme der Sterne empfindet man wegen ihrer großen Entfernung von der Erde nicht, auch sind sie nicht ebenso heiß wie die Sonne, weil sie sich in einer kälteren Region befinden; der Mond befindet sich unterhalb der Sonne, in geringerem Abstand von uns. Die Sonne übertrifft den Peloponnes an Größe. Der Mond hat kein eigenes Licht, sondern er erhält es von der Sonne. Die Umdrehung der Gestirne erfolgt unter der Erde. Der Mond verfinstert sich, wenn sich die Erde oder ein anderer unter ihm befindlicher Himmelskörper (zwischen Sonne und Mond) stellt, die Sonne aber beim Neumond, wenn der Mond sich zwischen Sonne und Erde stellt. Die Sonnen- und Mondwenden treten dadurch ein, daß diese Gestirne durch die Luft zurückgestoßen werden. Der Mond wende sich oft, weil er der Kälte nicht Herr werden könne. Anaxagoras setzte zuerst die Lehre von den Verfinsterungen und der Helle fest. Er sagte, der Mond bestehe aus Erde und habe Täler und Schluchten. Die Milchstraße ist nach ihm eine Brechung des Lichtes der Sterne, die von der Sonne nicht belichtet werden. Die Wandelsterne bilden sich wie abspringende Funken infolge der Bewegung des Pols. Die Winde entstehen, wenn sich die Luft unter dem Einfluß der Sonne verdünnt und die erhitzten Teile zum Pole ziehen und in entgegengesetzter Richtung zurückströmen. Donner und Blitz entsteht durch die Wärme, die in die Wolken eindringt. Erdbeben entstehen, wenn die Luft oben auf die Luft unter der Erde stößt; denn wenn die Luft unter der Erde in Bewegung kommt, wankt auch die auf ihr schwebende Erde. Die Lebewesen sind aus der Feuchtigkeit, später durch Zeugung entstanden; männliche Individuen bilden sich, wenn sich der aus den rechtsliegenden Teilen abgesonderte Same mit dem rechten Teil des Muterschoßes verbindet, im anderen Fall weibliche. Dieser blühte…. [und starb] im Jahre 1 der 88. Olympiade, in welche Zeit auch die Geburt Platos fallen soll. Anaxagoras soll auch die Zukunft vorausgewußt haben.

Archelaos, ein Athener, Sohn, des Apollodoros, äußerte sich ähnlich wie Anaxagoras über die Mischung der Materie und die Prinzipien. Im denkenden Geist entsteht nach ihm sofort eine Art Mischung. Prinzip der Bewegung ist die Trennung des Warmen vom Kalten, das Warme bewegt sich, das Kalte bleibt in Ruhe. Das schmelzende Wasser strömt in der Mitte zusammen. Dort verdampft es und wird zu Luft und zu Erde; die Luft schwebt aufwärts, die Erde bleibt unten, ist unbeweglich und kühlt deswegen ab; sie liegt in der Mitte und ist sozusagen kein Teil des Alls; die Luft, die durch die Verdampfung entstanden ist, beherrscht das All. Durch deren Verbrennung entstehen die Sterne, deren größter die Sonne, deren zweitgrößter der Mond ist. Die anderen Sterne sind teils klein, teils ziemlich groß. Der Himmel ist über die Erde gespannt, und so kann die Sonne auf der Erde leuchten, die Luft durchsichtig und die Erde trocken machen; diese ist anfänglich ein See gewesen, da sie an der Peripherie erhöht, gegen die Mitte aber vertieft ist. Als Beweis für ihre Konkavität führt er an, daß die Sonne nicht überall zu gleicher Zeit untergeht, was der Fall sein müßte, wenn die Erde flach wäre. Er behauptet, daß bei der Erwärmung der Erde, die zuerst im tieferen Teil, wo sich Warm und Kalt vermischten, erfolgte, viele Lebewesen und unter ihnen auch Menschen entstanden seien, alle hätten die gleiche Nahrung, nämlich Schlamm gehabt; diese Wesen seien aber kurzlebig gewesen; späterhin seien die Lebewesen durch Zeugung entstanden. Die Menschen hätten sich dann abgesondert. Sie wählten sich Fürsten, gaben sich Gesetze, betrieben die Künste, bauten Städte usw. In allen Lebewesen waltet in gleicher Weise denkender Geist; auch das Tier betätigt Verstand, das eine denkt langsam, das andere schnell.

Die Epoche der Naturphilosophie reichte von Thales bis Archelaos; des letzteren Schüler war Sokrates. Freilich gibt es noch sehr viele, die mannigfaltige Meinungen über das Göttliche und das All vertraten. Wollte man alle diese Anschauungen widerlegen, so müßte man eine Unzahl Bücher verfassen. Nur die sind erwähnt, bei denen es nicht umgangen werden konnte, die einen Namen haben und sozusagen die geistigen Führer der anderen geworden sind, dadurch, daß sie dieselben zu Forschungen anregten. Nunmehr gehen wir weiter.

Auch Parmenides nimmt das All als Einheit an, als ewig, ungezeugt, kugelförmig; auch er lehnte die von sehr vielen Philosophen vertretene Anschauung nicht ab und erklärte Feuer und Erde als die Prinzipien des Alls, die Erde als Stoff, das Feuer als Ursache und Wirksamkeit. Er gab an, die Welt werde untergehen, ohne die Art und Weise des Untergangs anzugeben. Er behauptete, das All sei ewig, ungezeugt, kugelförmig, homogen, ohne (leeren) Raum, unbeweglich und begrenzt.

Leukippos, der Genosse Zenos‘, blieb dessen Lehre nicht treu, sondern behauptete, es gebe ein Unendliches, ewig Bewegtes, das fortwährend im Werden und in Veränderung sei. Das Volle und das Leere sind die Elemente. Die Welt ist nach ihm folgendermaßen entstanden: in der großen Leere sammeln sich aus dem Umkreis viele Körper, stoßen aneinander; das Gleichartige verbindet sich, und so entstehen die Sterne; sie wachsen und schwinden nach Naturgesetz. Was das für ein Naturgesetz ist, hat er nicht auseinandergesetzt.

Demokritos, ein Schüler des Leukippos, Sohn des Damasippos aus Abdera, hatte mit vielen Gymnosphisten bei den Indern , mit vielen ägyptischen Priestern, Astrologen und babylonischen Magiern Verkehr. Er äußert sich wie Leukippos über die Elemente, über das Volle und das Leere, und nennt das Volle existierend, das Leere nicht existierend. Er lehrt, daß sich die Dinge ständig im Leeren bewegen, daß es zahllose, verschieden große Welten gebe; in einigen Welten gebe es weder Sonne noch Mond, in anderen hätten sie einen größeren Umfang, in wieder anderen seien sie mehrfach vorhanden. Die Abstände der Welten voneinander seien ungleich, bald größer, bald kleiner; die Welten seien zum Teil im Wachsen, zum Teil stünden sie auf dem Höhepunkt, zum Teil seien sie am Vergehen, hier bildeten sich solche, dort verschwänden sie; ein Zusammenstoß vernichte sie. Es gebe Welten ohne Lebewesen, ohne Pflanzen und ohne jede Feuchtigkeit. In unserem Weltsystem sei die Erde vor den Sternen entstanden; der Mond habe die unterste Lage, dann komme die Sonne, dann die Fixsterne. Die Planeten hätten verschiedene Höhenlagen. Die Welt sei in der Entwicklung, bis sie nichts mehr von außen aufnehmen könne. Er lachte über alles, als ob alles Menschliche lächerlich wäre.

Xenophanes aus Kolophon, Sohn des Orthomenes, lebte bis zur Zeit des Cyrus. Er lehrte zuerst die Unbegreiflichkeit aller Dinge und sagte:

„Sagte auch einer das Allervollkommenste zufällig einmal,
Weiß er es selber doch nicht, denn Wahn nur ist allen beschieden“.

Er behauptet, nichts entstehe, nichts vergehe, nichts bewege sich, das All sei eine Einheit ohne jede Veränderung. Nach ihm ist Gott ewig, einer, durchaus homogen, begrenzt, kugelförmig und in all seinen Teilen empfindungsfähig. Die Sonne besteht aus einer Tag für Tag erfolgenden Ansammlung kleiner Feuerteilchen; die Erde ist unbegrenzt und wird weder von der Luft noch vom Himmel umschlossen; es gibt zahllose Sonnen und Monde, alles aber ist aus Erde. Das Meer ist salzig, weil viel Gemengsel darin zusammenfließt; nach Metrodoros kommt der Salzgehalt des Meeres davon, daß es durch die Erde sickere. Xenophanes aber glaubt, daß eine Vermischung der Erde mit dem Meere stattfinden werde und sie mit der Zeit sich im Flüssigen auflösen werde. Als Analogiebeweis führt er an, daß mitten im Lande und auf den Bergen sich Muscheln fänden; auch gebe es in den Steinbrüchen bei Syrakus Fisch- und Robbenabdrücke, auf Paros in der Tiefe des Marmorbruches den Abdruck einer Sardelle, in Malta Platten mit allen möglichen Meertieren. Dies komme daher, daß in der Urzeit alles verschlammt gewesen, die Abdrücke dann im Lehm festgeworden seien. Wenn die Erde ins Meer sänke und zu Lehm würde, würden die Menschen zugrunde gehen; dann beginne ein neues Werden, und eine solche Umwälzung träte in allen Welten ein.

Ein gewisser Ekphantos aus Syrakus stellte die Möglichkeit, eine wahre Erkenntnis der Dinge zu erlangen, in Abrede. Jeder bilde sich eine lediglich subjektive Auffassung. Die Körper seien von Anbeginn an unteilbar und sie hätten drei Wesensmerkmale: Ausdehnung, Gestalt und Kraft; hieraus entständen die wahrnehmbaren Dinge, deren Zahl begrenzt, nicht unendlich ist. Die Bewegung der Körper erfolge nicht durch das Schwergewicht noch durch Stoß, sondern durch göttliche Kraft, die Ekphantos als Vernunft und Seele bezeichnet. Deren Erscheinungsform sei der Kosmos, daher auch seine durch die göttliche Kraft verursachte Kugelform. Die Erde als Weltzentrum bewege sich um ihren Mittelpunkt ungefähr in östlicher Richtung.

Hippo aus Rhegion bezeichnete Kälte, Wasser, Wärme und Feuer als Prinzipien. Das Feuer, das aus dem Wasser entstanden sei, habe seinen Erzeuger trotz seiner Kraft überwunden und die Welt gebildet. Die Seele ist nach ihm bald Gehirn, bald Wasser. Auch der für uns sichtbare Same entstehe aus dem Flüssigen, aus dem die Seele stammt.

Dies alles dürfte ausführlich genug dargelegt sein. So wollen wir denn nach Erörterung der Ansichten der Naturforscher auf Sokrates und Plato zu sprechen kommen, die sich hauptsächlich mit der Sittenlehre beschäftigten.

Sokrates war des Naturforschers Archelaos Schüler. Sein Wahlspruch war das Wort: Erkenne dich selbst. Er gründete eine große Schule; Plato war sein fähigster Schüler; er selbst hinterließ keine Schriften. Plato bildete dessen gesamte Philosophie aus und verband in der von ihm gegründeten Schule Naturwissenschaft, Ethik und Dialektik. Platos Lehre ist folgende:

Er bezeichnet als Prinzipien des Alls Gott, Stoff und Urbild; Gott hat dies Weltall gebildet, geordnet und trägt dafür Sorge; der Stoff liegt allem zugrunde — er nennt ihn auch die Empfangende und die Amme —; aus dessen Teilung sind die vier Weltelemente Feuer, Luft, Erde, Wasser entstanden. Aus ihnen bestehen auch alle anderen, die sogenannten Mischwesen, Tiere und Pflanzen. Die Vernunft Gottes ist das Urbild, das Plato auch Idee nennt, gewissermaßen ein Bild, das Gott in seiner Seele schaute, da er das All schuf. Plato bezeichnet Gott als unkörperlich, unsichtbar und nur für weise Männer faßbar; der Stoff sei potentiell Körper, nicht aber aktuell, denn er sei gestalt- und eigenschaftslos und werde zum Körper erst, wenn er Gestalt und Eigenschaften annehme. — Der Stoff also sei ein Prinzip, und zwar ein mit Gott gleichzeitiges; in dieser Hinsicht sei auch die Welt ungeworden. Denn sie bestehe aus dem Stoff. Aus dem Nichtgewordensein folgt nach ihm auch durchweg die Unvergänglichkeit. Insofern aber der Körper aus vielen Eigenschaften und Ideen zusammengesetzt ist, insofern ist er geworden und vergänglich. Einige Platoniker haben beide Momente unter Anwendung folgenden Vergleiches verbunden: Wie ein Wagen, wenn Teil für Teil ersetzt wird, doch bestehen bleibt, und auch wenn ein Teil nach dem anderen zugrundegeht, doch selber als Ganzes weiterexistiert, ebenso vergeht die Welt immer in einzelnen Teilen, und doch bleibt sie ewig bestehen, da die verschwundenen Teile wieder ersetzt werden. Die einen sagen, Plato habe einen ungewordenen und unvergänglichen Gott anerkannt, wie er in den „Gesetzen“ sagt: „Gott hat also, wie auch der alte Spruch lautet, aller Wesen Anfang und Ende und Mitte in sich“; so nenne er ihn den einen Alldurchdringer. Andere sagen, er nehme eine unbestimmte Vielheit von Göttern an, denn er sage: „Ihr Götter der Götter, deren Schöpfer und Vater ich bin“; nach anderen wieder meint er bestimmte Gottheiten mit den Worten: „Der gewaltige Zeus im Himmel, der den geflügelten Wagen lenkt“, oder wenn er den Stammbaum der Kinder des Uranos und der Ge wiedergibt. Andere sind der Meinung, er habe angenommen, daß die Götter entstanden seien, und diese müßten wegen ihres Gewordenseins an und für sich vergehen; nach dem Willen Gottes seien sie aber unsterblich; dies habe er durch einen Zusatz zum Ausdruck gebracht: „Götter der Götter, deren Schöpfer und Vater ich bin, unvernichtbar, wenn ich es will“, als ob sie leicht der Vernichtung anheimfielen, wenn er es so wollte. Plato nimmt dämonische Wesen an, die teils gut, teils böse sind.

Er nennt, wie die einen meinen, die Seele ungeworden und unvergänglich, wenn er sagt: „Jede Seele ist unsterblich, denn was sich immer bewegt, ist unsterblich“, und wenn er sie als sich selbst bewegend, als Prinzip der Bewegung erweist. Nach anderen nennt er sie geworden, aber durch Gottes Willen unvergänglich, nach anderen zusammengesetzt, geworden und vergänglich; denn er nimmt einen Mischkrug für sie an, auch habe sie einen lichtartigen Leib; das, was geworden, gehe naturnotwendig unter. Diejenigen, die für die Unsterblichkeit der Seele sind, stützen ihre Ansicht auf alle jene Stellen, an denen Plato von einem Gericht nach dem Tode und von Gerichtshöfen in der Unterwelt, vom Lohn der Guten und von der Bestrafung der Bösen spricht. — Einige sagen, er nehme die Seelenwanderung an, und zwar gingen die abgeschiedenen Seelen in verschiedene Leiber ein, je nach Verdienst, und würden nach gewissen bestimmten Zeiträumen wieder in diese Welt hinaufgesandt, um eine Probe ihrer Gesinnung abzulegen. Andere stellen dies in Abrede und behaupten, jeder erhalte seinen (endgültigen) Platz nach Verdienst, und berufen sich zum Beweise dafür auf die Stelle, wo Plato sagt, von den Seelen der guten Männer weilten einige bei Zeus, andere bei den anderen Göttern; alle aber, die schlimme Frevel verübt hätten, erlitten ewige Strafen.

Plato, so lehrt man, bezeichnet die Dinge teils als solche ohne Mittelbegriff [amesa] (ἄμεσα), teils als solche mit Mittelbegriff [eumesa] (ἒυμεσα), teils als Mittelbegriffe [mesa] (μέσα). Wachsein und Schlaf und dergleichen bezeichnet er als mittelbegrifflos, Gut und Böse z. B. als einen Mittelbegriff habend und als Mittelbegriffe das Grau zwischen Weiß und Schwarz oder sonst eine Farbe. Gut im eigentlichen Sinne nennt er nur das Gute, das auf die Seele Bezug hat; das, was den Leib und die Außenwelt angeht, nennt er nicht eigentlich gut, sondern uneigentlich gut; vielfach auch soll er es als in der Mitte liegend bezeichnet haben, denn man könne einen guten und einen schlechten Gebrauch davon machen. Die Tugenden stehen dem Werte nach am höchsten, ihrem Wesen nach sind sie das richtige Mittelmaß. Es gibt ja nichts Wertvolleres als die Tugend. Im Exzeß oder im Defekt wird sie schließlich zum Laster. Er zählt vier Tugenden auf: Weisheit, Mäßigkeit, Gerechtigkeit, Starkmut. Jeder entsprechen nach der Seite des Zuviel oder des Zuwenig je zwei Laster: der Klugheit die Unklugheit nach der Seite des Defektes, Verschlagenheit als Übertreibung, der Mäßigkeit Unmäßigkeit als Defekt, Stumpfsinn als Übermaß, der Gerechtigkeit übertriebenes Verzichten als Defekt, Selbstsucht als Exzeß, der Starkmut Feigheit als Defekt, Tollkühnheit als Exzeß. Wer diese Tugenden hat, ist vollkommen und glücklich. Das Glück aber ist die größtmögliche Verähnlichung mit Gott; die Verähnlichung mit Gott besteht aber darin, daß einer heilig und gerecht und klug ist. Dies ist nach Plato das Ziel höchster Weisheit und Tugend. Die Tugenden stehen miteinander im Zusammenhang, sind wesensgleich und nie im Gegensatz zueinander; die Laster dagegen sind vielfältig, und bald entsprechen sie sich, bald sind sie einander entgegengesetzt.

Plato nimmt ein Fatum an, doch geschehe nicht alles nach dem Fatum, sondern manches hänge von unserer Entscheidung ab. So sagt er: „Ursache ist der Wollende; Gott ist nicht Ursache“, und: „Dies ist das Gesetz der Adrasteia“. So faßt er das Schicksal und die Selbstbestimmung auf. Die Sünden hielt er für unfreiwillige Taten; denn in das Beste, was wir haben, nämlich in die Seele, werde wohl keiner das Böse, d. i. die Ungerechtigkeit, einlassen. Nur aus Unwissenheit oder aus Irrtum in bezug auf das Gute, im Wahn, etwas Gutes zu tun, mache man sich an das Böse. Hierfür gibt es einen sehr klaren Beleg im „Staate“: „Ihr sagt wiederum, daß das Laster schändlich und gottverhaßt ist. Wie sollte nun einer ein solches Übel wählen? Wer den Gelüsten unterliegt, sagt Ihr. Also ist dies unfreiwillig, während der Sieg Sache des freien Willens ist. Somit beweist die Vernunft, daß Unrechttun aus was immer für einem Grunde unfreiwillig ist.“ Einer macht ihm nun den Einwurf: „Wenn sie unfreiwillig fehlen, warum werden sie gestraft?“ Er antwortet: „Damit ein solcher möglichst bald von seiner Schlechtigkeit befreit werde und Sühne tue.“ — Sühne zu tun, sei kein Übel, sondern etwas Gutes, wenn anders es eine Reinigung vom Bösen geben soll — und damit die anderen, die davon hören, nicht sündigten, sondern sich vor solchem Irrtum hüteten. Das Wesen des Bösen stamme nicht von Gott noch habe es ein selbständiges Dasein, sondern rühre aus der Gegensätzlichkeit und aus dem Zusammenhang mit dem Guten her, sei es nach der Seite des Zuviel oder nach der des Zuwenig, wie wir oben bezüglich der Tugenden sagten. Dies ist Platos Philosophie, der, wie erwähnt, die drei Teile der gesamten Philosophie verband.

Sein Schüler Aristoteles brachte die Philosophie in ein System und — schärferer Denker, der er war — nahm er als Grundlagen des Alls Substanz und Akzidens an. Die Substanz, die jedem Ding zugrunde liege, sei eine, Akzidenzien gebe es neun: Größe, Beschaffenheit, Beziehung, Ort, Zeit, Haben, Lage, Tun, Leiden. Substanz sei z. B. Gott, Mensch und alles, was unter einen und denselben Begriff fallen kann. Was die Akzidenzien anlangt, so kommt in Betracht die Beschaffenheit, z. B. weiß, schwarz; die Größe, z. B. zwei, drei Ellen lang; die Beziehung, z. B. Vater, Sohn, der Ort, z. B. in Athen, in Megara; die Zeit, z. B. in der zehnten Olympiade; das Haben, z. B. Besitzen; das Tun, z. B. Schreiben und überhaupt jede andere Tätigkeit; die Lage, z. B. auf dem Boden liegen; das Leiden, z. B. Geschlagenwerden. Auch er nimmt an, daß einige Dinge einen Mittelbegriff haben, andere nicht, wie wir es schon von Plato sagten. Er stimmt mit Plato meistens überein, die Seelenlehre ausgenommen. Plato hält die Seele für unsterblich, nach Aristoteles besteht sie eine Zeitlang nach dem Tode fort und verflüchtigt sich hiernach zum fünften Körper, den er neben den anderen vier annimmt; dieser Körper ist dünner als Feuer, Erde, Wasser und Luft, etwa wie ein Hauch. Während Plato als eigentliche, für die Glückseligkeit ausreichende Güter nur die seelischen anerkennt, spricht Aristoteles von drei Gattungen des Guten und behauptet, wer nicht auch die leiblichen und die äußeren Güter habe, sei kein vollkommener Weiser. Die leiblichen Güter seien Schönheit, Stärke, gesunde Sinne, gerade Glieder; die äußeren Reichtum, Adel, Ruhm, Macht, Friede, Freundschaft. Die inneren, seelischen Güter seien, wie auch Plato annahm, Klugheit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Starkmut. Auch er sagt, daß die Übel aus dem Gegensatz zum Guten entstünden. Übel gebe es nur im Raume unterhalb des Mondes, über dem Monde gebe es keine. Die Weltseele sei unsterblich und die Welt selbst ewig; die einzelne Seele aber verflüchtige sich, wie schon gesagt. Er hielt seinen philosophischen Unterricht im Lyzeum, Zeno in der bunten Halle. Von dieser Örtlichkeit erhielten Zenos Schüler ihren Namen, d. h. nach der Stoa (Halle) wurden sie Stoiker genannt; die Schüler des Aristoteles erhielten ihren Namen von ihrem Gehaben; da sie im Umhergehen im Lyzeum Wissenschaft trieben, wurden sie Peripatetiker genannt. Soviel von Aristoteles.

Die Stoiker bereicherten die Philosophie hinsichtlich des Schlußverfahrens und bestimmten ihren Umfang beiläufig durch Definitionen. Chrysippos und Zeno, die in ihren Lehren übereinstimmten, nahmen an, das Prinzip aller Wesen sei Gott, der der reinste Körper sei; seine Vorsehung walte überall. Auch sie versicherten, daß alles vom Schicksal abhänge und gebrauchten dabei folgenden Vergleich: Ein an einen Wagen gebundener Hund wird, wenn er folgen will, zu gleicher Zeit mitgezogen und läuft freiwillig mit; er setzt dabei den freiwilligen Akt mit Notwendigkeit, gleichsam nach Schicksalsschluß; will er nicht folgen, so wird er doch unter allen Umständen zum Mitlaufen genötigt. So geht es auch bei den Menschen; auch wenn sie nicht sich fügen wollen, werden sie doch jedenfalls gezwungen, sich dem Schicksalsschlusse zu unterwerfen. Weiter lehren sie, daß die Seele unsterblich sei; doch sei sie körperlich und entstehe aus abgekühlter Luft, weshalb sie auch Psyche heiße. Sie nehmen auch eine Seelenwanderung nach der Trennung der Seele vom Leibe, einen künftigen Weltbrand und eine künftige Weltreinigung an, die nach den einen eine vollständige, nach den anderen eine teilweise sein wird, wobei Teil um Teil gereinigt werde; auch pflegen sie das Vergehen eines Dinges wie sein Neuentstehen Reinigung zu nennen. Nach ihnen ist alles Körper; ein Körper kann den anderen nicht durchdringen, sondern sie liegen nebeneinander, so daß aller Raum erfüllt ist und es keinen leeren Raum gibt. So lehren die Stoiker.

Epikur hat in fast allem eine entgegengesetzte Ansicht. Prinzipien des Universums sind nach ihm die Atome und das Leere. Das Leere ist gleichsam der Raum für die künftigen Dinge, die Atome aber der Stoff, aus dem alles besteht. Aus der Vereinigung der Atome sind Gott, die Elemente, [die Welten] und alles, was darin ist, die Lebewesen und alles übrige entstanden, so daß jegliche Existenz aus den Atomen stammt. Die Atome sind die kleinsten Teile der Körper ohne Mittelpunkt, ohne jede Ausdehnung, ohne Teilungsmöglichkeit; deshalb nannte er sie auch Atome. Gott ist nach ihm ewig und unvergänglich, doch sorgt er für nichts, auch gibt es keine Vorsehung und kein Schicksal, sondern alles geschieht durch Zufall. Denn Gott thront in den Zwischenwelten, wie Epikur sie nennt; er nahm eine Wohnstätte Gottes, Zwischenwelt genannt, außerhalb der Welt an. Gott freut sich und ruht in höchster Seligkeit, hat selbst keine Sorgen und macht sie keinem anderen. Dementsprechend hat sich Epikur in philosophischen Erörterungen dahin ausgesprochen, daß die Lust das Ziel der Weisheit sei. Der Begriff Lust wurde verschieden aufgefaßt; die einen verstanden darunter die Lust, die den irdischen Begierden entspricht, die anderen die Lust an der Tugend. — Die menschlichen Seelen verfallen nach ihm der Auflösung mit den Leibern, wie sie auch mit ihnen erzeugt werden. Denn sie sind Blut; wenn dies austritt oder sich zersetzt, geht der ganze Mensch zugrunde. Hieraus folgt, daß es weder Urteil noch Gericht in der Unterwelt gibt; somit gibt es keine Rechenschaft für was immer für Taten, sofern sie nicht ans Tageslicht kommen. Dies lehrt Epikur.

Eine andere Philosophenschule hieß die Akademische, weil ihre Anhänger ihre Untersuchungen in der Akademie anstellten. Ihr Haupt Pyrrho, nach dem sie Pyrrhonische Philosophen heißen, lehrte als erster die Unbegreiflichkeit aller Dinge in der Art, daß er zwei entgegengesetzte Anschauungen entwickelte, ohne eine von ihnen mit Bestimmtheit zu vertreten. Denn weder eine geistige noch eine sinnliche Wahrnehmung sei wahr; sie scheine nur den Menschen so. Alles sei im Fluß, in der Veränderung, und nichts bleibe in demselben Zustand. Ein Teil der Akademiker lehrt, man solle bezüglich keines Dinges ein Prinzip feststellen, sondern es einfach untersuchen und dann die Untersuchung aufgeben. Andere fügten das „Nicht mehr“ bei und sagten, das Feuer sei nicht mehr Feuer als irgend etwas anderes. Sie definierten nicht die Wesenheit, sondern die Beschaffenheit.

Bei den indischen Brahmanen gibt es eine Schule von Philosophen, die ein einfaches Leben führen, sich tierischer und am Feuer bereiteter Nahrung enthalten, mit Baumfrüchten vorlieb nehmen, aber auch diese nicht pflücken, sondern nur die zu Boden gefallenen sammeln und damit ihr Leben fristen und aus dem Flusse Tagabena trinken. Sie tragen keine Kleider mit der Begründung, der Leib sei zur Kleidung für die Seele von Gott geschaffen. Sie sagen, Gott sei Licht, nicht ein sichtbares, wie die Sonne oder das Feuer, sondern ihnen ist Gott Logos (Wort), nicht das artikulierte, sondern das Wort der Erkenntnis, durch das die Weisen die Geheimnisse der Natur schauen. Dies Licht kennen die Brahmanen allein, weil sie allein den eitlen Schein von sich getan haben, welcher das oberste Kleid der Seele ist. Sie achten den Tod für nichts. Unaufhörlich loben sie Gott unter dem schon erwähnten eigenartigen Namen und lassen Hymnen erklingen; sie haben keine Frauen und zeugen keine Kinder. Diejenigen, die ebenso leben wollen wie sie, kommen vom jenseitigen Flußufer herüber, bleiben bei ihnen, um nicht mehr zurückzukehren; auch sie heißen dann Brahmanen. Doch ist ihre Lebensführung nicht die gleiche. Denn es gibt auch Frauen in dem Lande, von denen die dortigen Bewohner stammen und durch die sie sich fortpflanzen. Der Logos, den sie Gott nennen, ist nach ihnen körperlich, außen von einem Körper umgeben, wie wenn einer eine Hülle aus Schaffell trägt; wenn er aber seine Körperhülle ablegt, wird er den Augen sichtbar. Die Brahmanen behaupten ferner, es finde ein Kampf in ihrem Leibe statt, ja daß ihre Leiber voller Kämpfe seien; sie müßten wie gegen Feinde in Reih und Glied kämpfen, wie wir es schon dargetan haben. Alle Menschen sind, wie sie sagen, Gefangene der ihnen angeborenen Feinde, des Bauches, der Scham, der Kehle, des Zornes, der Freude, des Schmerzes, der Begierde und dergleichen. Der allein kommt zu Gott, der den Sieg über sie davongetragen hat. Deshalb nennen die Brahmanen den Dandamis, zu dem Alexander, der Makedonier, kam, Gott, weil er in dem Kampf mit dem Körper Sieger geblieben ist, und setzen den Kalanos herab, weil er ruchlos ihrer Weisheit den Rücken gekehrt hat. Haben die Brahmanen den Leib von sich getan, so schauen sie, wie auftauchende Fische, die Sonne in ihrer Klarheit.

Die Druiden bei den Kelten verlegten sich mit Feuereifer auf die pythagoreische Philosophie. Den Anstoß zu diesen Bestrebungen gab Zamolxis, ein Sklave des Pythagoras, der Nationalität nach ein Thrazier. Er kam nach dem Tode des Pythagoras zu ihnen und ward für sie der Begründer dieser Philosophie. Die Kelten verehren die Druiden als Propheten und Seher, weil sie ihnen aus Steinchen und Zahlen mit Hilfe pythagoreischer Wissenschaft manches voraussagen. Wir werden die Anfangsgründe dieser Wissenschaft auch berühren, da einige bei ihrer Sektengründung von ihr ausgingen. Die Druiden geben sich auch mit Zauberei ab.

Auch der Dichter Hesiod redet von der Natur und will von den Musen Kunde erhalten haben. Die Musen sind Töchter des Zeus, so sagt er. Zeus verkehrte neun Tage und neun Nächte ununterbrochen in ausschweifender Leidenschaft mit Memnosyne, und diese ward in jeder Nacht schwanger und empfing diese neun in ihrem Schoße. Hesiodos rief also die neun Musen von Pieria, d. i. vom Olymp herbei und bat um Belehrung:

„Wie Götter und Erde zu Anfang geworden,
Ströme und unermeßliches Meer mit den brausenden Wogen,
Droben die leuchtenden Sterne, der weit sich dehnende Himmel,
Wie sie das Weltall geteilt und allen Ehren gegeben
Und verkündet uns, wie sie zuerst den Olympos gewannen.“
Das meldet mir, sagt er, ihr Musen,

„Gleich vom Beginn, und sagt, was zuerst von allem geworden.
Allererst ist das Chaos entstanden, es folgte nach diesem
Gaia mit breiter Brust, der Unsterblichen ewiger Wohnsitz,
Aller, welche das Haupt des beschneiten Olympos bewohnen,
Und die des Tartaros Dunkel umgibt tief unter der Erde.
Eros ferner, der schönste von allen unsterblichen Göttern,
Welcher die Glieder uns löst und allen, Göttern und Menschen,
Bändigt das Herz in der Brust und verständige Sinne betöret.
Erebos und das nächtliche Dunkel dem Chaos entsprossen:
Aber der Nacht entstammten das Licht und die Helle des Tages;
Gaia gebar nun zuerst den bunt gestirneten Himmel,
Welcher ihr gleich ist, auf daß er sie überall rings, umhülle,
Ihn, der seligen Götter in Ewigkeit dauernden Wohnsitz, —
Zeugte die hohen Gebirge, der Göttinnen liebliche Plätze,
Welche die Schluchten der Berge bewohnen und Nymphen genannt sind.
Ferner gebar sie das Meer, das öde mit brausenden Wogen,
Pontos genannt, nicht pflag sie der Liebe: und weiterhin gab sie,
Uranos‘ Lager genaht, Okeanos‘ Tiefen das Dasein
Kolos und Kreios sodann, Hyperion, Japetos ferner,
Theia weiter und Rheia, Mnemosyne ferner und Themis;
Phoibe im goldenen Schmuck und Tethys voll lieblicher Anmut.
Nach ihnen endlich, als jüngster, ward Kronos geboren, voll Arglist,
Weitaus der schrecklichste Sohn: ihn haßte der blühende Vater,
Auch die Kyklopen gebar sie, die Übermut hegen im Herzen.“

Dann zählt er alle anderen Nachkommen des Kronos auf, dann sei auch Zeus aus Rhea entsprossen. — Alle diese Männer haben sich also in der geschilderten Weise über Natur und Entstehung des Alls geäußert. Keiner von ihnen stieg bis zum wahren Gotte auf, sondern sie beschäftigten sich damit, das Wesen der gewordenen Dinge zu untersuchen und hielten, voll Staunen über die Größe der Schöpfung, diese selbst für die Gottheit,wobei der eine diesen, der andere jenen Teil der Schöpfung höher einschätzte; ihren Gott und Schöpfer erkannten sie nicht.

Die Ansichten der griechischen Philosophen dürften nunmehr genügend dargelegt sein. Von ihnen gingen die Häretiker aus, deren Lehren wir bald besprechen werden. Vorher will ich noch Geheimlehren und geschäftige Erdichtungen über die Sterne und die Größenverhältnisse darlegen. Auch von solchen nahmen die Häretiker ihre Ausgangspunkte, und so gelten sie in den Augen der Menge als Wunderlehrer; hernach werden wir der Reihenfolge nach ihre Lehren in ihrer Nichtigkeit dartun.

Buch IV.

Grenzen der Sterne aber nennen sie bei jedem Zeichen das Gebiet, worin der einzelne Stern von Abschnitt zu Abschnitt den stärksten Einfluß hat. Darüber herrscht bei ihnen große Meinungsverschiedenheit je nach ihrer Sternkarte. Ein Gefolge aber haben die Sterne, wie sie sagen, wenn sie mitten zwischen andern innerhalb der Sternbilder stehen; z. B, vom gleichen Zeichen hat der eine Stern die erste Stelle, ein anderer die letzte, ein dritter befindet sich in der Mitte, dann heißt es, der in der Mitte hat ein Gefolge, nämlich die Sterne, die am Rande stehen. Sie sehen aufeinander und stimmen miteinander überein, so diejenigen, welche im Dreieck oder Viereck erscheinen. Im Dreieck formieren sich die Sterne und schauen aufeinander, die einen Zwischenraum von drei, im Quadrat die einen solchen von zwei Tierkreiszeichen haben. Der Kopf zieht die unteren Teile in Mitleidenschaft und die unteren Teile den Kopf, ebenso auch die Teile über dem Monde die irdischen. Doch gibt es einen Unterschied darin und ein Nichtmitleiden, z. B. wenn sie nicht ein und dieselbe Einigung haben.

Der Peratiker Euphrates und Akembes aus Karystos und ihr übriger Reigen benützen diese Aufstellungen, benennen sie nach dem Worte der Wahrheit und reden vom Weltaufruhr und vom Abfall der guten Kräfte zum Bösen und von einer Eintracht des Guten mit dem Bösen; sie sprechen von Toparchen und Proastiern und von einer Menge anderer Namen. Ich will ihren ganzen Lehrversuch darlegen und zurückweisen, wenn wir zum Bericht darüber kommen. Für jetzt aber will ich, damit ja niemand die Meinungen der Chaldäer bezüglich der Astrologie für glaubwürdig und verlässig halte, sofort den Gegenbeweis in Kürze führen und dartun, daß ihre Lehre nichtig ist und den Geist eher in eitlem Hoffen in die Irre führt und zugrunde richtet als fördert. Da haben wir es nicht mit der theoretischen Wissenschaft zu tun, sondern es handelt sich um die Erkenntnis der praktischen Folgerungen. Die in dieser Wissenschaft gearbeitet haben und Schüler der Chaldäer geworden sind, nahmen Namensänderungen vor, als ob sie den Menschen fremde wunderbare Geheimnisse mitteilten, und begründeten so eine Häresie. Und da sie die Wissenschaft der Astrologen für bedeutungsvoll halten und mit dem Aufgebot ihrer Beweise ihre Lehren geglaubt wissen wollen, so werden wir vorläufig die Astrologie als unwissenschaftlich erweisen; wir beabsichtigen, später auch die peratische Lehre zu entkräften, als einen Sproß, der aus einer unwissenschaftlichen Wurzel hervorgegangen ist.

Der Ausgangspunkt also und sozusagen die Grundlage der Astrologie ist die Stellung des Horoskops. Denn hiervon werden die übrigen Hauptpunkte abgenommen, Deklinationen, Aszensionen, Dreiecke und Vierecke und die entsprechenden Stellungen der Sterne, aus all dem aber die Prophezeiungen. Wenn also dem Horoskop die Grundlage entzogen ist, dann kann unmöglich auch der Kulminationspunkt oder der Untergang oder das Gegenüber des Zeniths (bei einem Sternbild) erkannt werden; ist aber dies nicht erkennbar, so ist damit zugleich die ganze chaldäische Methode abgetan. Daß aber für sie das herrschende Sternbild des Horoskops unauffindbar ist, läßt sich mannigfach erweisen; denn damit es erfaßt werden kann, muß erstens die Entstehung des Objekts der Untersuchung sicher festgestellt werden, zweitens die horoskopische Bedeutung untrüglich sein, drittens das steigende Zeichen genau beobachtet werden. Denn bei der Geburt soll die Aszension des am Himmel aufgehenden Sternbildes beobachtet werden, da die Chaldäer bei Bestimmung des Horoskops auf Grund der Aszension die Sternkonstellation machen, die sie „Anordnung“ (Thema) nennen, auf Grund deren sie die Vorhersagungen machen. Nun ist es aber nicht möglich, die Entstehung (den Augenblick der Entstehung) des unter die Untersuchung fallenden Wesens zu erfassen, wie ich dartun will, noch steht das Horoskop untrüglich fest, noch wird das aufgehende Sternbild genau erfaßt. Wie unwissenschaftlich also die Methode der Chaldäer ist, wollen wir jetzt dartun. Die Entstehung der für die Untersuchung im voraus bestimmten Wesen können sie entweder von der Ablage des Samens und der Empfängnis her oder von der Geburt herleiten. Wenn man sie von der Empfängnis herzuleiten versucht, so ist die Feststellung dieses Augenblicks, der schnell vorübergeht, nicht möglich. Dies ist ganz natürlich; denn wir können nicht sagen, ob zugleich mit der Abgabe des Samens die Empfängnis stattfindet oder nicht. Denn sie kann mit der Schnelligkeit des Gedankens entstehen, wie ein in den geheizten Backofen gebrachter Teig sogleich fest wird; sie kann aber auch nach einiger Zeit vor sich gehen. Denn da von der Öffnung des Mutterschoßes bis zu dessen Grund, wo nach den Aussagen der Ärzte die Empfängnis stattfindet, ein gewisser Abstand ist, so braucht jedenfalls der hinabgesenkte Same Zeit, um diese Entfernung zurückzulegen. Da nun die Chaldäer diese Zeitspanne nicht genau kennen, können sie nie die Empfängnis feststellen. Da der Same bald in gerader Richtung fällt und sich insgesamt unmittelbar auf die [S. 46] zur Empfängnis befähigten Stellen des Mutterschoßes senkt, bald aber verteilt hineinfällt und von der im Mutterschoß selbst wirksamen Kraft auf eine Stelle gebracht werden kann, so kann man nicht wissen, wann das eine und wann das andere der Fall ist, wie groß die zu jener und wie groß die zu dieser Empfängnis nötige Zeit ist. Da aber dies unbekannt ist, so ist damit auch die genaue Feststellung der Empfängnis unmöglich. Wenn aber, wie einige Naturforscher gesagt haben, der Same zuerst im Mutterschoße verarbeitet und verwandelt wird, dann zu dessen aufgeschlossenen Gefäßen kommt, wie der irdische Same zur Erde, dann können sie, da sie die Zeitspanne der Verwandlung nicht kennen, auch nicht den Augenblick der Empfängnis wissen. Ferner, wie die Frauen hinsichtlich der Wirksamkeit und Ursächlichkeit der übrigen Körperteile voneinander verschieden sind, so sind sie es auch hinsichtlich der Wirksamkeit des Mutterschoßes; die einen empfangen schneller, die anderen langsamer. Und dies ist nicht auffällig, da man auch wahrnimmt, wie ein und dieselbe Frau bald leicht, bald gar nicht empfängt. Bei solcher Sachlage ist es ein Ding der Unmöglichkeit, genau zu sagen, wann der niedergefallene Same aufgenommen wird, und so können die Chaldäer das Geburtshoroskop nicht von diesem Zeitpunkt an aufstellen.

Aus diesem Grunde ist es nicht möglich, der Empfängnis entsprechend das Horoskop zu stellen, ebensowenig aber kann man es auch der Geburt entsprechend stellen. Denn vor allem ist man außerstande, anzugeben, wann die Geburt eintritt. Etwa wenn das Kind anfängt, sich an die kalte Luft vorzudrängen, oder wenn es ganz herausragt, oder wenn es zu Boden fällt? Auch bei jedem dieser Akte ist es nicht möglich, den genauen Augenblick der Geburt zu erfassen oder die Zeit zu bestimmen. Denn je nach der Geistesgegenwart, der Organisation des Leibes, der Wahl der Orte, der Kunst der Hebammen und anderer unzähliger Ursachen ist es nicht derselbe Zeitpunkt, zu dem nach dem Platzen der Häutchen das Kind heraussieht oder ganz herausragt oder zu Boden fällt, sondern in jedem Einzelfall ein verschiedener. Da die Chaldäer auch diesen nicht bestimmt und genau angeben können, sind sie außerstande, den Augenblick der Geburt richtig anzugeben. Daraus ergibt sich, daß sich die Chaldäer zwar anheischig machen, nach der Zeit der Geburt das Horoskop zu stellen, es aber doch nicht können. Daß aber auch ihr Horoskop selbst durchaus nicht untrüglich ist, kann man leicht erkennen. Denn wenn sie sagen, daß der, welcher bei der Kreißenden sitzt, im Augenblick der Geburt dem von der Hochwarte die Sterne beobachtenden Chaldäer ein Zeichen mit einer Scheibe gibt und (dann) der andere, der zum Himmel schaut, das steigende Zeichen beobachtet, so werden wir ihnen erstens zeigen, daß, da die Geburtszeit unbestimmbar ist, wie wir eben dargetan haben, es auch wohl nicht leicht ist, mit der Scheibe ein diesbezügliches Zeichen zu geben. Aber selbst gesetzt, daß die Geburtszeit feststellbar ist, so ist es doch keineswegs möglich, sie nach der genauen Zeit zu melden. Denn der Klang der Scheibe kann sich erst nach einer gewissen Zeit zur Wahrnehmung mitteilen; er muß sich ja zur Hochwarte bewegen. Beweis ist die Beobachtung derer, die in der Entfernung Bäume fällen. Denn erst geraume Zeit nach dem Axthieb hört man den Schall des Hiebes, als ob er erst nach längerer Zeit zum Hörenden komme. Deshalb ist es also den Chaldäern unmöglich, die Zeit des aufgehenden und wirklich das Horoskop beherrschenden Gestirnes zu erfassen. Es verfließt auch nicht nur eine längere Zeit nach der Geburt, bis der, der bei der Kreißenden sitzt, auf die Scheibe schlägt und dann nach dem Schlag der andere auf der Warte ihn hört, sondern auch, bis dieser umsieht und schaut, in welchem Sternbild der Mond steht und in welchem die anderen Sterne; es ergibt sich notwendig eine andere Konstellation, da sich die Bewegung um den Pol mit unsagbarer Schnelligkeit vollzieht, bevor man die Erscheinung am Himmel der Geburtsstunde in der Beobachtung angleicht.

So erweist sich die Chaldäerkunst als widersinnig. Wenn aber jemand sagte, auf Grund von Erkundigungen werde die Geburtskonstellation des Fragenden oder dessen, bezüglich wessen einer fragt, berechnet, so werden wir beweisen, daß sich auch auf diese Weise kein genaues Ergebnis erzielen läßt. Denn wenn sie, denen man eine solche Sorgfalt in ihrem Gewerbe nachrühmt, selber zu keinem genauen Ergebnis kommen, wie wir bewiesen haben, wie hätte der Laie den Augenblick der Geburt genau erfaßt, damit der Chaldäer sie von ihm erfahre und das Horoskop richtig stelle? Aber auch bei der Betrachtung des Horizontes zeigt sich nicht durchweg der Aufgang des gleichen Sternes, sondern an dem einen Ort ergibt sich für das Horoskop die Deklination, an den andern die Aszension, je nach der Aussicht der Beobachtungsorte, die bald niedriger, bald höher liegen, so daß auch in dieser Beziehung die Voraussage nicht genau wird, da viele auf der ganzen Welt im gleichen Augenblick geboren werden und der eine die Sterne so, der andere anders sieht. Nichtig ist auch die mittels der Wasseruhr übliche Beobachtung. Denn das unten angebohrte Gefäß hat nicht gleich starken Abfluß, wenn es voll ist, wie wenn es halb leer ist, während sich nach ihrer Ansicht das Himmelsgewölbe mit gleicher Kraft und gleicher Geschwindigkeit bewegt. Wenn sie sich aber dahin ausreden, sie nähmen die Zeit nicht genau, sondern nur approximativ, so werden sie gewissermaßen durch den Ausgang der vorhergesagten Ereignisse selber Lügen gestraft. Denn die Menschen, die in der gleichen Zeit geboren wurden, erlebten nicht das gleiche Los, vielmehr waren die einen beispielsweise Könige, die anderen wurden in Fesseln alt. So hatte der Makedonier Alexander keinen seinesgleichen, obwohl viele auf der Welt zu gleicher Zeit wie er geboren wurden, keinen seinesgleichen der Philosoph Plato. So wird der Chaldäer, der nur im allgemeinen die Geburtszeit kennt, nicht genau sagen können, ob der um dieselbe Zeit Geborene glücklich sein wird. Viele um dieselbe Zeit Geborene waren (werden) unglücklich, deshalb ist auch die Gleichheit der Konstellation ohne Bedeutung. Nachdem wir also von verschiedenen Gesichtspunkten aus in mannigfacher Weise die vergeblich sich bemühende Forschung der Chaldäer widerlegt haben, wollen wir auch darauf hinweisen, daß ihre Vorhersagungen zu unlösbaren Schwierigkeiten führen. Denn wenn nach der Redeweise der Mathematiker der unter der Pfeilspitze des Schützen Geborene unfehlbar gewaltsamen Todes stirbt, wie kam es, daß die vielen Tausend Barbaren, die bei Marathon oder Salamis gegen die Griechen kämpften, zu gleicher Zeit niedergemetzelt wurden? Sie hatten doch wohl nicht alle miteinander dasselbe Horoskop. Ferner, wenn der unter dem Eimer des Wassermannes Geborene Schiffbruch leidet, wie kam es, daß die von Troja zurückkehrenden Griechen an den Klüften Euböas mitsammen im Meer ertranken? Es ist doch nicht anzunehmen, daß sie alle mit ihren großen Altersunterschieden unter dem Eimer des Wassermannes geboren waren. Denn man kann nicht sagen, daß wegen eines Einzigen, dem es vom Schicksal bestimmt ist, auf dem Meere umzukommen, alle auf dem Schiffe mitumkommen müssen. Weshalb ist denn sein Schicksal stärker als das aller übrigen? Es werden doch nicht wegen des Einen, dessen Schicksal es ist, auf dem Lande zu sterben, alle gerettet!

Doch sie reden auch von der Wirksamkeit der Zeichen, insofern ihnen das Geborene angeglichen wird; so wollen wir denn auch darüber sprechen, daß einer, weil er etwa unter dem Löwen geboren, mutig sein, oder weil unter der Jungfrau geboren, lange Haare und weiße Hautfarbe haben, aber kinderlos und schamhaft sein soll. Dergleichen ist lächerlich und gewiß nicht ernst zu nehmen. Denn nach ihnen könnte kein Äthiopier unter der Jungfrau geboren werden; sonst müßten sie zugeben, daß ein solcher weiß, langhaarig u. dgl. sei. Ich bin der Meinung, daß die Alten Namen von vorkommenden Lebewesen den Sternen als Beinamen gegeben haben, eher weil diese (Namen) ihnen geläufig waren, nicht wegen irgendeiner Ähnlichkeit. Denn welche Ähnlichkeit haben die sieben in einem gewissen Abstand stehenden Sterne mit einem Bären? Oder mit einem Drachenkopf die fünf, wie Aratos sagt:

“Zwei doch bilden die Schläfen, die Augen zwei, und darunter
Zeichnet am Ungeheuer ein Stern die Ränder des Kinnes“.

So erweist sich auch dies so vieler Arbeit nicht wert in den Augen derer, die vernünftig denken wollen und auf die Prahlereien der Chaldäer nicht achten, welche durch die Zusicherung der Unverletzlichkeit den Tod von Königen verschulden und Untertanen zu großen Wagnissen ermutigen. Wenn aber selbst einer in schlimmen Irrtum gerät, dann wird der Irrende kein warnendes Beispiel; vielmehr versichern sie allen, die sie betören und durch Fehlschlüsse unaufhörlich beunruhigen wollen, nicht anders könnte die gleiche Konstellation derselben Sterne wieder statthaben als durch die Wiederkehr des „großen Jahres“ im Umlauf von 7777 Jahren. Wie wird nun menschliche Beobachtung innerhalb eines einzigen Menschenalters mit so großen Zeiträumen mitkommen können? Und hierin mußte nicht einmal, sondern oft…… durch gar vieles die chaldäische Kunst Lügen gestraft werden, wenn wir sie auch um anderer Dinge, nicht eigens um ihrer selbst willen erwähnten. Doch da wir uns wegen der vielstimmigen Verschlagenheit der Sekten entschlossen haben, keine ihrer Meinungen zu übergehen, wollen wir sehen, was die sagen, die sich mit den Größenverhältnissen beschäftigen, und die auf die eitle Mühe so vieler anderer herabsehen, von denen der eine dies und der andere jenes log und so zu Ansehen kam; sie wollen etwas Erhabeneres sagen, damit sie von denen, die schon kleine Lügen hochpreisen, noch höher verehrt würden. Diese nehmen Kreise und Maße, Dreiecke und Vierecke, Zweifaches und Dreifaches als Grundlage an. Darüber gäbe es vieles zu sagen, doch ist es nicht zu unserer Aufgabe nötig.

Es genügt wohl, ihre Wundermären zu besprechen. Ich gehe deswegen unter Benützung von Lehrkompendien nunmehr weiter. Sie sagen so: Der Weltschöpfer gab das Übergewicht dem Umkreis des Gleichen und Ähnlichen. Denn diese (Umwölbung) allein ließ er ungespalten, den inneren Umkreis dagegen spaltete er sechsmal in sieben ungleich große Umwölbungen, im Abstand von zwei zu drei voneinander. Es gibt drei zweifache und drei dreifache Zwischenräume. Er gebot den Kreisen, sich einander entgegenzudrehen, dreien nämlich mit gleicher, den vier übrigen aber mit einer unter sich selbst und mit der jener drei verschiedenen, aber im richtigen Verhältnis stehenden Geschwindigkeit. Dem Umkreis des Gleichen wurde das Übergewicht gegeben, nicht nur insofern er den Umkreis des Verschiedenen, das ist die Wandelsterne, umschließt, sondern auch weil er ein solches Übergewicht, das ist solche Kraft, hat, daß er auch die in entgegengesetzter Richtung, nämlich die sich von West nach Ost bewegenden Wandelsterne, durch seine eigene Kraft von Ost nach West mit sich selbst bewegen kann. Diese Bewegung allein ist ungespalten gelassen worden, so sagt er; denn erstens vollziehen sich die Umdrehungen aller Fixsterne in gleicher Zeit und sind nicht nach größeren und kleineren Zeiträumen verschieden, dann haben sie alle die gleiche Erscheinung, nämlich die der Bewegung an der äußersten Peripherie, während sich die Planeten durch mehrfache, verschiedene Bewegungszeiten und durch ungleiche Entfernungen von der Erde unterscheiden. Ferner sagen sie mit Recht, daß der (innere) Umkreis sechsmal in sieben Kreise gespalten ist. Denn bei jedem geschnittenen Gegenstand ist die Zahl der Teile um eines größer als die der Schnitte, z. B. wenn etwas durch einen Schnitt geteilt ist, so wird es zwei Teile geben, wenn durch zwei, drei Teile. So wird es offenbar auch, wenn etwas sechsmal geschnitten wird, sieben Teile geben. Dieser Umwölbungen Abstände sind nach dem Maßstab von zwei zu drei wechselweise verteilt, je drei nach der einen und drei nach der anderen Verhältniszahl. Dies hat er auch bezüglich der Zusammensetzung der Seele auf Grund der sieben Zahlen aufgezeigt. Denn es sind darin drei Doppelzahlen von der Einzahl: zwei, vier, acht; drei dreifache: drei, neun, siebenundzwanzig…… Der Durchmesser der Erde beträgt 80 108 Stadien, der Umfang der Erde aber 250 543 Stadien; die Entfernung von der Erdoberfläche zum Mondkreis bemißt Aristarchos von Samos auf…… , Apollonius auf 5 000 000, Archimedes auf 5 544 130, vom Mondkreis zum Sonnenkreis auf 50 262 065 Stadien, von da bis zum Kreis der Venus auf 20 272 065, von da bis zum Kreis des Merkur auf 50 817 165, von da bis zum Kreis des Mars auf 40 541 108, von da bis zum Kreis des Jupiter auf 20 275 065, von da bis zum Kreis des Saturn auf 40 372 065, von da bis zum Tierkreis und zur äußersten Peripherie auf 20 082 005 Stadien.

Die Entfernungen der Kreisbahnen und Sphären voneinander und ihre Tiefen werden von Archimedes angegeben. Als Umfang des Tierkreises nimmt er 447 310 000 Stadien an; daraus folgt, daß die Gerade vom Mittelpunkt der Erde bis zu deren Oberfläche der sechste Teil der genannten Zahl ist, die Gerade von der Oberfläche der Erde, auf der wir gehen, bis zum Tierkreis der sechste Teil der ebengenannten Zahl ist, weniger 40 000 Stadien, nämlich der Entfernung vom Erdmittelpunkte zu ihrer Oberfläche. Vom Kreis des Saturn aber bis zur Erde gibt er die Entfernung an auf 222 692 711, vom Kreis des Jupiter bis zur Erde auf 202 770 646, vom Kreis des Mars zur Erde 132 418 581, von der Sonne zur Erde 121 604 454, vom Merkur zur Erde 52 688 259, von der Venus zur Erde 50 815 160 Stadien.

Vom Mond war oben die Rede; Archimedes gibt die Entfernungen und Tiefen der Himmelskugeln so an, anders Hipparchos und wieder anders der Mathematiker Appollonius. Für uns aber reicht es aus, im Anschluß an Platos Meinungen die gegenseitigen Entfernungen der Wandelsterne als im Verhältnis von zwei zu drei anzunehmen. Denn bei diesen Entfernungen wird der Begriff der harmonischen Zusammensetzung des Weltalls in übereinstimmenden Verhältnissen gewahrt. Die von Archimedes angesetzten Zahlen dagegen und die von den anderen bezüglich der Entfernungen angenommenen Verhältnisse können, falls sie nicht in übereinstimmenden Verhältnissen, d. i. in den von Plato genannten Verhältnissen von zwei zu drei stehen, die harmonische Schöpfung des Alls nicht wahren. Denn es ist nicht wahrscheinlich und nicht möglich, daß die Entfernungen irrationell und ohne Übereinstimmung und Harmonie sind, außer vielleicht allein beim Mond wegen seiner Phasen und wegen des Erdschattens; bezüglich dessen Entfernung allein, d. i. bezüglich der Entfernung des Mondes von der Erde, dürfte man dem Archimedes glauben. Wer diese (Entfernung) annimmt, für den wird es leicht sein, unmittelbar nach Platos Gesetz die im Verhältnis von zwei zu drei wachsenden Abstände und die übrigen rechnerisch festzustellen. Wenn also nach Archimedes der Mond von der Erdoberfläche 5 544 130 Stadien entfernt ist, ist es leicht, durch Multiplikation dieser Zahl mit zwei und drei auch die Entfernungen der übrigen Gestirne zu finden, indem man als das eine Glied die Zahl der Stadien nimmt, die der Mond von der Erde entfernt ist. Daß aber die andern von Archimedes über die Abstände der Wandelsterne angegebenen Zahlen nicht harmonieren, ist leicht einzusehen, wenn man erwägt, wie sie sich zueinander verhalten und in welchen Verhältnissen sie stehen. Daß diese (Zahlen) aber als Teile der harmonisch geordneten Welt nicht in Harmonie und Übereinstimmung sich befinden, ist unmöglich. Wenn also die erste Zahl für den Abstand des Mondes von der Erde 5 544 130 ist, dann beträgt die nächste, die den Abstand der Sonne vom Monde angibt, 50 272 065, mehr als das Neunfache. Im Verhältnis zu letzterer ist die obengenannte Zahl 20 272 065 kleiner als die Hälfte. Im Verhältnis zu letzterer ist die obengenannte Zahl 50 817 165 größer als das Doppelte. Im Verhältnis zu letzterer ist die obengenannte Zahl 40 541 108 kleiner als das Fünfviertelfache. Im Verhältnis zu letzterer ist die obengenannte Zahl 20 275 065 größer als die Hälfte. Im Verhältnis zu dieser ist die letztgenannte Zahl 40 372 065 kleiner als das Doppelte.

Diese Verhältniszahlen nun, größer als das Neunfache und kleiner als die Hälfte, größer als das Doppelte und kleiner als das Eineinviertelfache, größer als die Hälfte und kleiner als das Doppelte, stehen außerhalb aller Übereinstimmung; daraus kann keine harmonische, übereinstimmende Ordnung bestehen. Nun aber ist die ganze Welt und ihre Teile durchaus in Übereinstimmung und Harmonie geordnet. Die harmonischen und übereinstimmenden Verhältnisse werden aber, wie gesagt, durch doppelte und dreifache Zwischenabstände gewahrt. Wenn wir also Archimedes bezüglich der einen, ersten Entfernung, der des Mondes von der Erde, für glaubwürdig halten, ist es leicht, auch die anderen Entfernungen durch Multiplikation mit zwei und drei zu finden. Ist also nach Archimedes der Abstand von der Erde zum Monde gleich 5 544 130 Stadien, dann wird die doppelte Zahl davon die der Stadien sein, welche die Sonne vom Monde entfernt ist, 11 088 260, die Sonne von der Erde 16 632 390 Stadien, die Venus von der Sonne 16 632 390, von der Erde aber 33 264 780 Stadien, der Merkur ist von der Venus entfernt 22 176 520, von der Erde aber 55 441 300 Stadien, der Mars vom Merkur 49 897 170, von der Erde 105 338 470 Stadien, Jupiter vom Mars 44 353 040, von der Erde 149 691 510 Stadien, Saturn vom Jupiter 149 691 510, von der Erde 299 383 020 Stadien.

Wer wird sich nicht über so viel auf eine solche Arbeit verwendete Mühe wundern? Aber vielleicht ist die Forschung des Ptolemäus auf diesem Gebiete nicht unnütz. Das eine nur ist bedauerlich, daß er, in später Zeit geboren, den Söhnen der Giganten nicht nützen konnte, die diese Maße nicht kannten und glaubten, die Himmelshöhe sei nahe, und so vergeblich einen Turm zu bauen versuchten. Hätte er damals gelebt und ihnen die Maße mitgeteilt, so hätten sie das eitle Wagnis nicht unternommen. Wenn aber einer behauptet, daß er diesen Berechnungen nicht traue, so messe er nach und lasse sich überzeugen, denn es gibt ja keinen einleuchtenderen Beweis für Ungläubige als diesen. O über die Aufgeblasenheit des sich eitel mühenden Geistes und den ungläubigen Glauben! Auf alle Fälle muß Ptolemäus bei denen, die die gleiche Wissenschaft bearbeiten, für einen Mann der Wissenschaft gelten.

Einige studierten dies nun nacheinander und gründeten, da sie es für etwas Großes, Beachtenswertes hielten, Sekten ohne Maß und Zahl. Einer von ihnen ist Kolarbasos, der versucht, die Religion durch Maß und Zahl darzulegen, und ähnlich andere, die wir schildern wollen, wenn wir an ihre Lehre kommen; sie halten sich an die pythagoreische Rechnung als an etwas Bedeutungsvolles, begründen die untrügliche Philosophie auf Zahlen und Buchstaben, die eitlen Propheten. Ähnliche Lehren haben andere sich angeeignet und täuschen die einfachen Leute mit dem Vorgeben, sie könnten die Zukunft im voraus erkennen; unter vielen Voraussagungen trifft dann einmal eine ein; da schämen sie sich der vielen Fehlschläge nicht, sondern sie prahlen mit der einen. Auch ihre unweise Weisheit will ich nicht übergehen, sondern sie darlegen und diejenigen, die darauf eine Religion zu begründen suchen, als Sprossen einer Wurzel voll Widerspruch und Trug erweisen.

Diejenigen also, welche glauben, mittels Rechensteinen und Zahlen, Buchstaben und Namen weissagen zu können, nahmen zum Ausgangspunkt der Untersuchung für ihre Lehre die Behauptung, es gebe eine Grundzahl für jede Zahl; bei den Tausendern geben so viele Einheiten, als es Tausender sind, die Grundzahl, z. B. bei Sechstausend ist die Grundzahl sechs Einheiten, bei Siebentausend ist sie sieben Einheiten, bei Achttausend ist sie acht Einheiten und bei den anderen ebenso, und bei den Hunderten ist die Grundzahl ebenso viele Einheiten als es Hunderter sind, z. B bei Siebenhundert sind es sieben Hunderter, die Grundzahl ist sieben Einheiten, bei Sechshundert sind es sechs Hunderter, die Grundzahl ist sechs Einheiten. Dasselbe gilt auch von den Zehnern, bei Achtzig sind es acht Einheiten, bei Sechzig sind es sechs Einheiten, bei Vierzig sind es vier Einheiten, bei Zehn ist es eine Einheit. Bei den Einern sind die Grundzahlen die Einheiten selbst, z. B. bei neun neun, bei acht acht, bei sieben sieben. So muß man es auch bei den Buchstaben machen, denn jeder Buchstabe hat einen bestimmten Zahlenwert, z. B. Ny hat fünfzig Einheiten; die Grundzahl von fünfzig ist fünf; ebenso ist vom Buchstaben Ny die Grundzahl fünf. Es sollen nunmehr aus irgendeinem Namen die Grundzahlen gezogen werden. Z. B. beim Namen Agamemnon hat Alpha eine Einheit, Gamma drei, das zweite Alpha eine, My vier, Epsilon fünf, My vier, Ny fünf, Omega acht, Ny fünf, zusammengestellt: 1, 3, 1, 4, 5, 4, 5, 8, 5; dies addiert gibt sechsunddreißig. Man nimmt davon wiederum die Grundzahlen; von dreißig ist die Grundzahl drei, von sechs die Grundzahl sechs. Drei und sechs gibt zusammengerechnet neun, von neun ist die Grundzahl neun. Das Wort Agamemnon beruht also auf der Grundzahl neun. Nun wollen wir es mit einem anderen Namen versuchen, mit Hektor. Das Wort Hektor hat die Buchstaben Epsilon, Kappa, Tau, Omega, Rho; die Grundzahlen davon sind fünf, zwei, drei, acht, eins; diese addiert gibt neunzehn; von zehn ist die Grundzahl eins, von neun die Grundzahl neun, diese addiert gibt zehn; von zehn aber ist die Grundzahl eins. Rechnerisch also ergibt das Wort Hektor als Grundzahl eins. Schneller noch führt folgendes Verfahren zum Ziel: Die aus den Buchstaben gefundenen Grundzahlen, wie wir jetzt beim Wort Hektor neunzehn gefunden haben, teile durch neun und nimm den Rest als Grundzahl; z. B. wenn ich neunzehn durch neun teile, bleibt als Rest eins, denn neunmal zwei ist gleich achtzehn, und eins bleibt übrig; denn wenn ich von neunzehn achtzehn subtrahiere, bleibt eins, daher muß die Grundzahl von Hektor eins sein. Die Grundzahlen des Wortes Patroklos sind folgende: acht, eins, drei, eins, sieben, drei, sieben, zwei; addiert geben sie vierunddreißig, der Rest davon ist sieben; von dreißig nämlich drei und von vier vier, die Grundzahl des Wortes Patroklos ist also sieben. Die nach dem Neunersystem rechnen, nehmen aus der Summe der Grundzahl das durch neun Teilbare weg und bestimmen den Rest als Grundzahl; die aber nach dem Siebenersystem rechnen, das Vielfache von sieben; so ergibt sich als Summe der Grundzahlen beim Worte Patroklos 34; dieses dividiert durch sieben gibt vier, das ergibt 28, und übrig bleibt sechs; Grundzahl des Wortes Patroklos ist sechs nach dem Siebenersystem. Wenn die Zahlensumme aber dreiundvierzig ist, ist das Vielfache von sieben zweiundvierzig, denn siebenmal sechs ist gleich zweiundvierzig, und als Rest bleibt eins. Eins ist also Grundzahl von dreiundvierzig nach dem Siebenersystem. Man muß aber achtgeben, wenn die erhaltene Zahl bei der Division restlos aufgeht. Z. B, wenn ich aus einem Namen beim Zusammenzählen als Grundzahl sechsunddreißig finde. Die Zahl sechsunddreißig, geteilt durch neun, gibt gerade vier Neuner, denn neunmal vier macht sechsunddreißig, und es bleibt kein Rest. Also ist offenbar die Grundzahl neun. Und wiederum, wenn es sich zeigt, daß bei der Division mit neun die Zahl 45 restlos aufgeht — denn neunmal fünf ist fünfundvierzig, und nichts bleibt übrig —, gilt bei solchen Zahlen neun selber als Grundzahl. Ähnlich ist es beim Siebenersystem, wenn wir beispielsweise die Zahl achtundzwanzig durch sieben restlos dividieren — denn siebenmal vier ist achtundzwanzig, und es bleibt kein Rest —, heißt die Grundzahl sieben. Wenn man nun die Namen berechnet und zweimal denselben Buchstaben findet, zählt dieser nur einmal, z. B. der Name Patroklos hat das o zweimal; man rechnet also o nur einmal, darnach sind die Grundzahlen acht, eins, drei, eins, sieben, zwei, drei, zwei und addiert siebenundzwanzig, und Grundzahl des Namens ist nach dem Neunersystem neun und nach dem Siebenersystem sechs. So gibt Sarpedon nach dem Neunersystem gerechnet zwei als Grundzahl, Patroklos gibt aber neun; Patroklos ist Sieger. Denn da die eine Grundzahl ungerade, die andere gerade ist, siegt die ungerade, wenn sie größer ist. Bei acht und fünf siegt, da acht gerade und fünf ungerade ist, acht, denn es ist die größere Zahl. Wenn aber zwei Zahlen, z. B. beide Gerade oder beide Ungerade sind, siegt die kleinere. Wie aber ergibt Sarpedon nach dem Neunersystem zwei? Es wird nämlich der Buchstabe Omega ausgelassen. Wenn nämlich in einem Worte der Buchstabe Omega und Eta vorkommt, lassen sie Omega aus und zählen nur einen Buchstaben, denn sie sagen, beide (Buchstaben) bedeuten dasselbe; dieselbe Zahl aber wird, wie schon gesagt, nicht zweimal gerechnet. Der Name Aias ergibt vier Einheiten, Hektor nach dem Neunersystem eine Einheit; vier ist eine gerade, eins eine ungerade Zahl. In solchen Fällen, sagten wir, siege die größere Zahl, es siegt Aias; Wie steht es mit Alexandros und Menelaos? Alexandros hat als eigentlichen Namen Paris. Paris aber zählt nach dem Neunersystem vier, Menelaos nach dem Neunersystem neun; neun siegt über vier; denn es heißt, wenn eine Zahl ungerade ist, die andere gerade, siegt die größere; wenn beide gerade oder beide ungerade, die kleinere. Nun zu Amykos und Polydeukes. Amykos zählt nach dem Neunersystem zwei und Polydeukes sieben; es siegt Polydeukes. Aias und Odysseus kämpften beim gleichen Wettkampf. Aias ergibt nach dem Neunersystem vier, Odysseus acht nach demselben System. Ist also der Name Odysseus etwa nur ein Zuname, nicht der eigentliche? Er siegte ja. Nach den Zahlen siegt Aias, die Geschichte nennt Odysseus als Sieger. Achilleus und Hektor: Achilleus gibt nach dem Neunersystem vier, Hektor eins; Achilleus siegt. Ferner Achilleus und Asteropaios: Achilleus ergibt vier, Asteropaios drei; Achilleus siegt. Weiters Menelaos und Euphorbos: Menelaos hat neun Einheiten, Euphorbos acht; Menelaos siegt. Manche rechnen nach dem Siebenersystem nur mit den Vokalen, andere gruppieren Vokale, Halbvokale, Muten eigens, bilden drei Gruppen, nehmen für Vokale, Halbvokale und Konsonanten eigene Grundzahlen an und behandeln jede gesondert. Andere rechnen auch nicht mit den gewöhnlichen Zahlen, sondern mit anderen; so sagen sie beispielsweise, der Buchstabe Rho habe als Grundzahl nicht acht, sondern fünf, der Buchstabe Xi habe als Grundzahl vier. Sie haben alle möglichen Variationen und finden doch nichts Vernünftiges. Wenn manche zum zweitenmal miteinander kämpfen, nehmen sie von beiden Namen den ersten Buchstaben weg, wenn zum drittenmale, zwei auf beiden Seiten, berechnen das übrige und entscheiden dann.

Ich meine, die Anschauung der Arithmetiker, die durch Zahlen und Namen das Leben beurteilen zu können glauben, sei klar dargelegt. Da sie Muße haben und im Rechnen dadurch, daß ihnen diese Kunst von Kindheit an gelehrt wird, geübt sind, möchten sie sich wohl gerne berühmte Weissager nennen lassen. Sie rechnen die Buchstaben kunterbunt durcheinander, und so kann bei ihnen nur Geschwätz herauskommen. Wenn sie Mißerfolg haben, schützen sie eine Schwierigkeit vor und sagen, der Name sei kein angestammter, sondern ein angenommener, wie sie es auch bei Odysseus und Aias sagen, wo sie Fiasko machten. Wie sollte einer nicht gefeiert werden, der, von dieser wunderlichen Philosophie ausgehend, sich als Sektenstifter einen Namen machen will? Doch gibt es noch eine andere tiefsinnige Wissenschaft bei den allweisen griechischen Forschern, deren Schüler zu sein sich die Häretiker rühmen, weil sie sich deren Lehrsätze für ihre Erfindungen bedienen, die bald dargelegt werden sollen — es ist das die auf die Stirnfalten sich gründende Weissagung oder besser gesagt der Unsinn —; auch darüber wollen wir nicht schweigen. Manche schreiben den Sterngruppen bestimmte Gestalt zu und berechnen mit diesen Bildern nach dem Sternenstande die Anlagen der Menschen mit Beziehung auf deren Geburtsstunde. Sie behaupten: Die im Widder Geborenen sind so: länglicher Kopf, rotes Haar, zusammengewachsene Brauen, schmale Stirn, bläuliche, unstete Augen, Hängebacken, große Nase mit offenen Nasenlöchern, dünne Lippen, spitzes Kinn, länglicher Mund. Sie haben folgenden Charakter: Sie sind vorsichtig, verschlagen, feig, klug, einschmeichelnd, ruhig, geschäftig, mit ihren Absichten hinterhältig, zu allem fähig, mehr durch Klugheit als Kraft die augenblickliche Lage meisternd, wegwerfend, gebildet, zuverlässig, händelsüchtig, reizbar im Kampf, begierlich, an Knabenliebe krankend, dem eigenen Haus entfremdet, gegen alles abstoßend, Querulanten, beim Wein toll, blasiert, auf ein Wort hin etwas verwerfend, wegen ihrer Güte zur Freundschaft brauchbar; zumeist sterben sie in der Fremde.

Die im Stier Geborenen haben folgenden Typus: runder Kopf, dichtes Haar, breite, viereckige Stirn, große schwarze Augen und Augenbrauen, das Weiß des Auges zart geädert, blutunterlaufen, lange Wimpern, fleischige große Ohren, runder Mund, dicke Nase, runde Nasenlöcher, dicke Lippen; die oberen Glieder kräftig, schwache Beine. Ihr Charakter: gefällig, verständig, gut begabt, fromm, gerecht, bäuerisch, entgegenkommend, vom zwölften Jahre an arbeitsam, streitsüchtig, stumpfsinnig. Ihr Magen ist klein; sie sind schnell satt, überlegen viel, sind besonnen, sparsam für sich, freigebig gegen andere, wohltätig, langsamen Leibes. Teilweise sind sie mißmutig, gleichgültig gegen Freundschaft, ihres Verstandes wegen nützlich, Pechvögel.

Unter dem Zeichen der Zwillinge werden die Menschen so: rötliches Gesicht, nicht eben groß, gleichmäßige Glieder, schwarze wie triefende Augen, Hängebacken, dicker Mund, zusammengewachsene Brauen; sie scharren alles zusammen und halten es fest, steinreich, knickerig, sparsam mit ihrem Eigenen, verschwenderisch für Liebesgenüsse, bescheiden, musikalisch, verlogen. Dieselben sind in bezug auf ihren Charakter: gelehrt, verständig, geschäftig, eigensinnig, leidenschaftlich, [sparsam im Eigenen, verschwenderisch,] ruhig, besonnen, listig, pläneschmiedend, Rechner, Querulanten, zudringlich, nicht glücklich, Lieblinge der Weiber, kaufmännisch, zur Freundschaft nicht besonders brauchbar.

Im Zeichen des Krebses wird die äußere Erscheinung: mäßige Größe, blauschwarzes Haar, rötliche Haut, kleiner Mund, runder Kopf, spitze Stirn, bläuliche Augen, recht hübsch, etwas ungleiche Glieder. Dieselben sind in bezug auf Charakter: bös, verschlagen, zu Ränken geneigt, unersättlich, sparsam, undankbar, unedel, nichtsnutzig, vergeßlich; sie geben Fremdes nicht zurück noch verlangen sie ihr Eigenes zurück, zur Freundschaft brauchbar.

Im Zeichen des Löwen wird die äußere Erscheinung: runder Kopf, rötliches Haar, große, faltige Stirn, fleischige Ohren, starknackig, zum Teil etwas kahl, rötlich, blaue Augen, starke Backenknochen, dicker Mund, die oberen Gliedmaßen dick, große Brust, die unteren Gliedmaßen dünn. Dieselben sind in bezug auf Charakter: eigensinnig, launenhaft, selbstgefällig, zornig, mutig, wegwerfend, verwegen, unüberlegt, witzlos, Müßiggänger, gesellig, Liebesgenüssen ergeben, ehebrecherisch, schamlos, unzuverlässig, bettelhaft, waghalsig, knickerig, räuberisch, angesehen, zum Zusammenleben brauchbar, für Freundschaft unbrauchbar.

Unter dem Zeichen der Jungfrau wird die äußere Erscheinung: hübsches Aussehen, nicht große, liebreizende, gerade blickende, nah aneinanderstehende, lebhafte, feuchte Augen. Die unteren Extremitäten sind zart; sie sind hübsch, schön geordnetes Haar, große Stirne, vorspringende Nase. Sie sind in bezug auf Charakter: gelehrig, mäßig, nachdenklich, scherzhaft, klug, langsam im Reden, viel überlegend, leicht günstig zu stimmen, gerne alles beobachtend und begabte Schüler; was sie gelernt haben, halten sie fest; maßvoll, blasiert, der Knabenliebe ergeben, gesellig, hochherzig, wegwerfend, keine Geschäftsleute, bildungsdurstig, bessere Verwalter fremden als eigenen Gutes, zur Freundschaft brauchbar.

Im Zeichen der Wage wird die äußere Erscheinung: dünnes, blondes, halblanges, wallendes Haar, spitze, faltige Stirn, schöne, verwachsene Brauen, schöne Augen, schwarze Pupille, große, zarte Ohren, geneigter Kopf, großer Mund. Dieselben sind in bezug auf Charakter: bedächtig, ehrfurchtsvoll gegen die Götter, einander verleumdend, Kaufleute, verdrossen, ihre Einnahmen nicht behaltend, lügnerisch, nicht gern in Geschäften sich mühend, wahrhaft, freimütig, wohltätig, nicht bildungsfähig, lügnerisch, gesellig, nachlässig. Ungerechter Erwerb stört sie nicht. Sie sind Verächter, Spötter, scharf, berühmt, Horcher, auch geht ihnen nichts von der Hand, zur Freundschaft brauchbar.

Im Zeichen des Skorpions wird die äußere Erscheinung: mädchenhaftes, wohlgebildetes, weißes1 Gesicht, schwärzliches Haar, wohlgebildete Augen, schmale Stirn und spitze Nase, anliegende kleine Ohren, faltige Stirn, schmale Brauen, Hängebacken. Dieselben sind in bezug auf Charakter: listig, zielbewußt, verlogen, die eigenen Absichten keinem mitteilend, doppelzüngig, Übeltäter, blasiert, in Ehebruch verstrickt, begabt, bildungsfähig, zur Freundschaft unbrauchbar.

Im Zeichen des Schützen wird die äußere Erscheinung: beträchtliche Länge, viereckige Stirn, volle, zusammengewachsene Brauen, geordnetes, wallendes Haar, rötlich. Dieselben sind in bezug auf Charakter: freundlich wie Gebildete, einfach, wohltätig, Knabenliebhaber, gesellig, verdrossen, Liebhaber, geliebt, beim Wein heiter, lauter, zornig, gleichgültig, böse, zur Freundschaft unbrauchbar, Verächter, hochherzig, übermütig, knechtisch gesinnt, zum Zusammenleben brauchbar.

Im Zeichen des Steinbocks wird die äußere Erscheinung: rötlicher Leib, lichtes, wallendes Haar, runder Mund, Adleraugen, zusammengewachsene Brauen, offene Stirn, etwas kahl, die unteren Gliedmaßen des Körpers ziemlich stark. Sie sind in bezug auf Charakter: Philosophen, Verächter und die Gegenwart ins Lächerliche ziehend, jähzornig, nachgiebig, schön, wohltätig, Musikliebhaber, beim Wein jähzornig, zum Lachen geneigt, gesellig, geschwätzig,Knabenliebhaber, heiter, entgegenkommend, Liebhaber, reizbar, fürs Zusammenleben brauchbar.

Im Zeichen des Wassermannes wird die äußere Erscheinung: vierschrötig, kleiner Mund, scharfe, zarte, finstere Augen, herrisch, undankbar, hitzig, erfinderisch, zur Freundschaft und zum Zusammenleben brauchbar. Sie verschaffen sich aus dem Nassen ihr Einkommen und gehen im Nassen zugrunde. Dieselben sind in bezug auf Charakter: verschwiegen, geschämig, gesellig, ehebrecherisch, knauserig in Geschäften, ängstlich, lärmend, lauter, begabt, schön, große Augenbrauen; oft lassen sie sich in Kleinigkeiten ein und üben mannigfaches Gewerbe. Keiner dankt es ihnen, wenn sie Wohltaten erweisen.

Im Zeichen der Fische wird die äußere Erscheinung: mittlerer Wuchs, spitze Stirn wie bei Fischen, dichtes Haar, sie werden häufig früh grau. Dieselben sind in bezug auf Charakter: hochherzig, einfach, zornig, sparsam, geschwätzig, im jugendlichen Alter verschlafen, sie wollen selbständig handeln, berühmt, verwegen, eifersüchtig, Kritiker, nicht seßhaft, Liebhaber, Tänzer, zur Freundschaft brauchbar.

Nachdem wir auch die wunderliche Weisheit dieser Leute auseinandergesetzt und ihre unsinnig vieldeutige Weissagekunst nicht verschwiegen haben, wollen wir auch zeigen, inwiefern sie sich betrügen und Eitles treiben; denn, wenn sie mit den Namen der Sternbilder Gestalt und Eigenart von Menschen vergleichen, wie blamieren sie sich da! Wir wissen ja, daß diejenigen, die zuerst den Sternbildern ihre Namen gaben, nach ihren eigenen Einfällen die Namen gegeben haben, damit jene leicht zu bezeichnen und zu kennen seien. Wo ist denn eine Ähnlichkeit zwischen ihnen und dem Tierbilde? Wo ähnliches Tun und Wirken, so daß man den im Löwen Geborenen jähzornig, den in der Jungfrau Geborenen mäßig, oder den im Krebs Geborenen böse, aber die in…..

….nachdem er Schreibtinte genommen hat, fordert er den Befragenden auf, aufzuschreiben, was er von den Dämonen……. allein. Dann faltet er das Blatt, gibt es einem Knaben und läßt es verbrennen, damit der Rauch den Brief zu den Dämonen forttrage. Hat der Knabe den Befehl vollführt, reißt der Zauberer zuerst ein Blatt in gleiche Teile, tut, als ob er mit hebräischen Buchstaben einige Dämonennamen darauf schreibe, dann opfert er ein Rauchwerk ägyptischer Zauberer, das sogenannte Kyphi, nimmt diese (Stücke Papier) und bringt sie an das Rauchwerk. Was aber der Fragende geschrieben hatte, hat er auf den Kohlen verbrannt. Dann scheint (der Knabe) in Ekstase zu geraten, fällt in einen Winkel, stößt ein lautes, wirres, allen unverständliches Geschrei aus……undwenn die Anwesenden unter Anrufung des Phren oder eines anderen Dämons eintreten und dabei stehen, legt er den Knaben auf eine Matratze, spricht längere Zeit über ihn, teils auf griechisch, teils wie auf hebräisch die bei den Magiern üblichen Beschwörungen. Der andere aber beginnt zu fragen. Auch gießt er drinnen in eine Schale voll Wasser Kupfervitriol und löst den Stoff auf. Damit befeuchtet er das Blatt mit der schon erloschenen Schrift und zwingt die verborgenen geheimen Buchstaben, wieder ans Licht zu kommen, aus dem er erfährt, was der Fragende aufschrieb. Auch kann, wenn einer etwas mit Kupfervitriol geschrieben hat und es dem Rauch von zerstoßenen Galläpfeln aussetzt, die verborgene Schrift sichtbar werden. Ebenso werden, wenn einer mit Milch schreibt, dann verbranntes Papier zerreibt, es darüber streut und an die mit Milch geschriebenen Buchstaben reibt, diese sichtbar. Auch Harn, Fischlake, Saft von Wolfsmilch und die Feige hat dieselbe Wirkung. Nachdem aber er so die Frage erfahren hat, sieht er voraus, auf welche Weise er sie beantworten soll. Er heißt die Anwesenden hineingehen, Lorbeerzweige in der Hand schwenken und dabei schreien und den Dämon Phren anrufen. Denn diesem ziemt diese Anrufung, und es ist billig, von den Dämonen zu erbitten, was sie sich selber nicht geben wollen, weil sie den Verstand verloren haben. Das unanständige Schreien und der Lärm hindert, dem zu folgen, was der Zauberer im geheimen zu tun gedenkt. Darüber soll jetzt gesprochen werden. Es ist dichtes Dunkel; denn er sagt, sterbliche Natur sei nicht imstande, Göttliches zu sehen, es reiche ja aus, mit ihm zu verkehren. Er beugt den Knaben vornüber, legt ihm an jedes Ohr je eines jener Blättchen, die schon mit hebräischen Buchstaben, angeblich mit Götternamen, beschrieben sind, und sagt, das weitere werde ihm (der Dämon) ins Ohr raunen. Gerade diese Prozedur ist notwendig, weil er dadurch an die Ohren des Knaben ein Instrument bringt, um ihm alles nach Belieben suggerieren zu können. Erst verursacht er einen Schall, dann schlägt er die Pauke dazu, hernach sagt er dem Knaben durch das Instrument, was er sagen soll; auch den vermutlichen Ausgang der Angelegenheit. Dann müssen die Anwesenden schweigen, und er befiehlt ihm, anzugeben, was er von den Dämonen gehört hat. Das an die Ohren gelegte Instrument aber ist ein Naturprodukt, die Luftröhre der langhalsigen Kraniche, Störche oder Schwäne; wenn nichts solches zu haben ist, so gibt es noch andere künstliche Instrumente, eine Art kleiner eherner Pfeifen, zehn an Zahl, die ineinandergehen, in ein enges Schalloch münden, durch die man leicht ins Ohr alles Beliebige sagen kann. Der Knabe hört es nun und verkündet es voll Furcht befehlsgemäß als Wort der Dämonen; oder wenn einer feuchtes Leder um einen Stab legt, es trocknen läßt, zusammenzieht und zusammennäht, dann den Stab herauszieht und das Leder wie ein Pfeifchen bearbeitet, so tut es denselben Dienst. Wenn solches nicht zu haben ist, nimmt der Zauberer eine Buchrolle, zieht sie auseinander, dehnt sie zu beliebiger Länge aus und so erreicht er dasselbe Resultat. Wenn er im vorhinein weiß, wer da ist, um zu fragen, ist er besser auf alles präpariert. Wenn er auch noch die Frage vorher erfahren hat, schreibt er sie mit dem Zauberstoff und gilt für einen noch tüchtigeren Meister, weil er orientiert erscheint, da er die Frage genau aufgeschrieben hat. Wenn er aber nichts weiß, so verlegt er sich aufs Raten und sagt etwas, das eine doppelte und vielfache Deutung zuläßt, damit die Weissagung, die in sich unbestimmt ist, auf vieles zutreffen und am Ende bei allem, was geschieht, als Vorausverkündigung auf das Geschehene gelten kann. Auch füllt er ein Becken mit Wasser, legt das Blatt hinein, als wäre es unbeschrieben, und wirft Kupfervitriol mit hinein. Denn so kommt das beschriebene Blatt mit der Antwort herauf. Der Knabe hat oft fürchterliche Erscheinungen. Der Zauberer schlägt ihn und erschreckt ihn natürlich dadurch. Wenn er Weihrauch ins Feuer wirft, so macht er es so: Er bedeckt einen Klumpen von sogenanntem Steinsalz ringsum mit etruskischem Wachs, schneidet einen Weihrauchklumpen entzwei, legt ein Salzkorn hinein, fügt ihn dann wieder zusammen, legt beides auf glühende Kohlen und läßt es stehen. Wenn es nun zusammengebrannt ist, springen die Salze auf und bilden eine Erscheinung wie ein ungewöhnliches Schaustück. Er erzeugt blutige Flammen, indem er indisches Schwarz in den Weihrauch legt, wie wir gesehen haben. Eine blutige Flüssigkeit bringt er hervor, wenn er Wachs mit Anchusa vermischt und, wie ich sagte, das Wachs in den Weihrauch legt. Die Kohlen aber bewegt er dadurch, daß er zerkleinerten Alaun darunterlegt. Wenn sich dieser löst und eine Art Blasen wirft, bewegen sich die Kohlen.

Verschiedenfarbige Eier erzielt man auf folgende Weise. Man durchbohrt die Schale oben und unten, nimmt das Weiße heraus, färbt es mit Zinnober oder mit Schreibtinte und tut es wieder hinein; dann verschließt man die Löcher mit feinem Pulver von Eierschalen und verklebt sie mit Feigensaft.

Wenn man Lämmer sich selbst den Kopf abschneiden lassen will, verfährt man auf folgende Weise: Man bestreicht heimlich deren Kehle mit einem ätzenden Giftstoff und läßt in der Nähe ein Schwert liegen. Das Tier will sich reiben, stürzt zum Schwerte, reibt sich daran und tötet sich so und schneidet sich fast den Kopf ab. Das Mittel aber ist Zaunrübe, Adarka und Meerzwiebel zu gleichen Teilen. Um aber unbemerkt den Giftstoff herbeizuschaffen, benützt man eine Doppelbüchse aus Horn. Davon enthält der sichtbare Teil Weihrauch, der, den man nicht wahrnehmen kann, den Giftstoff. Auch träufelt man einem Lamme, das verenden soll, Quecksilber ins Ohr; das ist ein tödliches Gift.

Wenn man den Ziegen mit Wachsbalsam die Gehörgänge verschließt, verenden sie bald, da sie im Atmen behindert sind. Denn das ist bei ihnen der Weg für die beim Atmen eingezogene Luft. Der Widder aber soll verenden, wenn man ihn gegen die Sonne zurückbeugt. Ein Haus bringen sie zum Abbrennen, indem sie es mit dem Blut eines Seetieres, des sogenannten Daktylos bestreichen. Überhaupt ist das, was mit Meerwasser gemacht wird, recht interessant. Es gibt einen Schaum im Meer, der, im irdenen Topf mit Süßstoffen gesotten, Feuer fängt, wenn man ihm beim Sieden ein brennendes Licht nahe bringt, und aufflammt; doch brennt man sich gar nicht, wenn man ihn sich auf den Kopf gießt. Wenn man ihn aber auf siedende Manne sprengt, fängt er weit stärker zu brennen an.Man tut gut daran, etwas Schwefel dazu zu nehmen.

Donner kann man auf mehrfache Weise erzeugen. Nämlich: Eine Anzahl ziemlich großer Steine läßt man über einen abschüssigen Bretterboden her abrollen und auf getriebenes Erz fallen. Sie machen dann ein donnerähnliches Getöse. Auch umwindet man ein dünnes Brett, wie es die Walker zum Tuchpressen brauchen, mit einem dünnen Strick; dann zieht man den Strick unter Pfeifen an und läßt das Brett herumwirbeln; dies gibt beim Umdrehen einen donnerähnlichen Schall. Diese Scherze werden gemacht. Ich will noch anderes, was die, welche damit zum Besten gehalten werden, gleichfalls für wunderbar ansehen, darlegen. Man stellt einen Kessel Pech über brennende Kohlen, und wenn er siedet, steckt man die Hände hinein, ohne sie zu verbrennen; ja man geht sogar barfuß auf glühenden Kohlen, ohne sich zu brennen; man setzt eine Steinpyramide auf einen Holzstoß und bringt sie in Brand und bläst viel feurigen Rauch aus dem Munde; auch legt man Leinwand in ein Becken, wirft viel brennende Kohlen darauf und die Leinwand bleibt unverbrannt. Man macht im Hause dunkel und verspricht, Götter oder Dämonen einzuführen, und wenn einer etwa Asklepios sehen will, ruft man ihn an mit folgenden Worten:

„Zeus, den längst gestorbenen, unsterblichen Sohn des Apollo,
Ruf ich mit Opfern an; so komm meinen Opfern zu Hilfe,
Der du dereinst unzählige Scharen entkräfteter Toten
In des düsteren Tartaros Haus, voll ewiger Tränen,
Da sie den Rückkehr hemmenden Strom, des Kokytos Gebrause
Hinter sich hatten — so ist’s das gemeinsame Schicksal der Menschen —
Sie, die seufzen am See und klagen ohne Erhörung,
Aus Persephones Hand befreitest, die nimmermehr lächelt,
Ob du den heiligen Sitz von Trike bewohnst, ob das holde
Pergamon oder auch Epidauros, Joniens Stätte
Hieher, Heiliger, ruft dich der erste der Magier, komme!“

Sobald der Magier mit seinem leeren Geschwätz zu Ende ist, erscheint auf dem Estrich Asklepios im Feuer. Auch stellt jener ein Becken voll Wasser in die Mitte, ruft alle Götter an, und sie erscheinen. Denn jeder Anwesende, der in das Becken schaut, sieht sie alle, auch die Artemis mit ihren bellenden Hunden. Nun wollen wir aber auch noch berichten, wie sie es anstellen. Der Magier taucht nämlich die Hände in den Kessel mit scheinbar siedendem Pech. Er hat aber Essig und Soda samt dem flüssigen Pech hineingetan und den Kessel gewärmt. Der Essig, mit Soda gemischt, bringt, sobald er ein wenig Wärme aufnimmt, das Pech in Bewegung, daß es an der Oberfläche Blasen wirft, und, wenn auch nur scheinbar, siedet. Oft wäscht er sich auch zuvor die Hände mit Salzwasser. Deshalb brennt er sich nicht, selbst wenn das Pech wirklich siedet. Einreiben der Hände mit einer Essiglösung von Myrthe, Soda und Myrrhe schützt gegen Verbrennen, ebenso Salben der Füße mit Hausenblase und Salamander. Daß die Pyramide wie eine Fackel brennt, obwohl sie aus Stein ist, hat folgende Ursache. Sie ist aus Kreide in Pyramidenform geschnitten, in der Färbung wie ein milchweißer Stein, und wird in folgender Weise präpariert. Der Magier durchtränkt den Klumpen reichlich mit Öl, setzt ihn auf Kohlen, trocknet ihn, durchtränkt ihn noch einmal, erhitzt ihn ein zweites und drittes Mal und macht ihn so brennbar, auch wenn er ins Wasser getaucht wird. Er hat ja viel Öl in sich. Der Opferherd entzündet sich aber von selbst, wenn der Magier opfert; es liegt statt der Asche gelöschter Kalk und viel zerkleinerter Weihrauch darauf. Den Rauch von pechgetränkten Fackeln und von leeren, inwendig Feuer bergenden Galläpfeln bläst er während geraumer Zeit aus dem Munde; er hat Feuer in einen Gallapfel getan, ihn mit Werg umwickelt und im Munde angeblasen. Das Linnentuch über dem Becken, in das er die Kohlen wirft, brennt wegen des darunter befindlichen Salzwassers nicht, auch ist es selbst vorher mit Salzwasser getränkt worden, dann mit Eiweiß samt Alaunlösung eingerieben. Wenn man damit noch Saft der Hauswurz mit Essig mischt und es lange Zeit vorher tüchtig aufträgt, dann bleibt es, hiermit durchtränkt, gänzlich unverbrennbar.

Nachdem wir also die Kräfte ihrer Geheimwissenschaften kurz dargelegt und die leichte Methode, sie zu durchschauen, gezeigt haben, will ich es notgedrungen auch nicht verschweigen, wie sie nach Lösung der Siegel die Briefe mit unbeschädigten Siegeln abliefern. Sie machen Pech, Harz und Schwefel, dazu Asphalt in gleichen Teilen flüssig, machen eine Art Salbe daraus und heben sie auf. Wenn ein Brief aufzumachen ist, befeuchten sie die Zunge mit Öl und belecken mit ihr das Siegel; dann erwärmen sie jene Salbe bei mäßigem Feuer und bringen sie an das Siegel und lassen sie daran, bis sie fest wird; dann benützen sie diese Masse als Stempel. Es heißt auch, daß das Wach selber mit Fichtenharz und zwei Teilen Mastix mit einem Teil trockenen Asphalts dieselben Dienste tue. Aber auch Schwefel allein genügt; auch mit Wasser geseihter Gips und Gummi; letzterer ist das wirksamste, um geschmolzenes Blei zu prägen. Ein Gemenge von etruskischem Wachs, gefärbtem Harz, Pech, Asphalt, Mastixbaumharz und Marmorstaub, alles zu gleichen Teilen gekocht, ist noch besser als die vorerwähnten Mittel und kommt dem mit Gips bereiteten gleich. So also versuchen sie die Siegel zu lösen, wenn sie den Inhalt eines Briefes erfahren wollen. Ich trug an und für sich Bedenken, diese Mittel in mein Buch aufzunehmen, da ich mir dachte, es könnte einmal ein Bösewicht dies benützen und ausprobieren. Nun aber hat mich die Sorge für viele junge Leute und ihren Schutz bewogen, es anzugeben und es zu ihrem Besten allgemein mitzuteilen. Denn wie einer es anwendet, um Böses zu erlernen, so wird sich ein anderer, der dies gelesen hat, in acht nehmen, und die Magier, diese Verderber des Lebens, werden sich schämen, ihre Kunst auszuüben. Wenn sie erfahren, daß wir diese Weisheit schon verraten haben, lassen sie sich vielleicht in ihrem sinnlosen Treiben stören. Damit aber das Siegel nicht auf diese Art gelöst werde, siegle man, indem man Schweinefett und Haare mit dem Wachse mischt.

Doch will ich auch ihre Gaunerstreiche, die Weissagung aus dem Becken, schildern. Sie richten nämlich ein verschlossenes Zimmer her und bestreichen die Decke mit Lazurfarbe. Dann rücken sie gewisse lazurfarbene Gegenstände zum Gebrauche herbei und stellen in die Mitte ein Becken voll Wasser auf den Boden, welches die Spiegelung der Lazurfarbe wie Himmelsbläue widergibt. Der Estrich hat aber eine geheime Öffnung und das darauf liegende steinerne Becken einen gläsernen Boden; darunter ist ein geheimes Gemach. Hier ist das Stelldichein der Mitspieler; sie maskieren sich als Götter und Dämonen,die der Zauberer vorführen will, und zeigen sich so. Wenn der Genasführte sie sieht, dann staunt er den Magiertrug an und glaubt auf das hin alles, was sie sagen.

Der Magier läßt einen Dämon in Feuer erscheinen, indem er auf der Wand irgendeine Zeichnung anbringt und sie hernach heimlich mit einem folgendermaßen bereiteten Zaubermittel bestreicht: mit lakonischem Purpur und zakyetischem Asphalt…… Dann bringt er, wie um zu beleuchten, die Lampe an die Wand. Das Zaubermittel aber glänzt auf und brennt. Die Erscheinung Hekates in Feuer, wie sie durch die Luft eilt, erzielt er so: er verbirgt einen Mitspieler an einem beliebigen Orte, nimmt diejenigen, die sich täuschen lassen, mit sich und redet auf sie ein, er wolle ihnen die Göttin zeigen, wie sie im Feuer durch die Luft reitet. Er befiehlt ihnen, ihre Augen sofort zu schützen, wenn sie in der Luft Feuer sehen, das Gesicht zu verhüllen und niederzufallen, bis er ruft. Wenn er ihnen das beigebracht hat, ruft er in mondloser Nacht in gebundener Sprache:

„Unterirdische, irdische, himmlische Bombo, erscheine,
Göttin des Wegs, des Dreiwegs, o nachtwandelnde Leuchte,
Feindin des Lichts, doch Freundin der Nacht und traute Genossin,
Die sich erfreut am Hundegebell und vergossenem Blute,
Die durch Leichen hinwandelt und über die Gräber der Toten,
Dürstend nach Blut, und Grauen einjagt den sterblichen Menschen,
Gorgo, Mormo, Mene, du vielgestaltige Göttin,
Komme, wir flehen, und gnädig erscheine bei unserem Opfer.“

Nachdem er so gesprochen, sieht man Feuer durch die Luft hinfahren; voll Schauder beim unerwarteten Anblick bedecken die Anwesenden ihre Augen und werfen sich stumm zu Boden. Das große Kunststück aber verläuft folgendermaßen: Sobald der versteckte Mitspieler, von dem ich sprach, hört, daß die Beschwörung zu Ende ist, läßt er einen mit Werg umwickelten Habicht oder Geier, den er bei sich hat, los, nachdem er ihn in Brand gesetzt hat. Der Vogel, den das Feuer rasend macht, hebt sich in die Höhe und schießt dahin. Die unverständigen Zuschauer verbergen sich, als ob sie etwas Göttliches geschaut hätten. Der vom Feuer herumgejagte Vogel läßt sich am nächsten besten Ort nieder und steckt Häuser und Höfe in Brand. Das ist die Zauberei der Magier.

Mond und Sterne lassen sie auf folgende Weise auf der Decke erscheinen. Im Mittelteil der Decke befestigt der Zauberer einen Spiegel, stellt gerade darunter auf den Boden ein Becken mit Wasser; eine düster brennende Kerze stellt er mitten über das Becken, und so erzielt er durch den Widerschein im Spiegel das Mondbild. Oft wird auch eine Pauke unter der Decke aufgehängt, mit Tuch umhüllt und ein Licht dahinter gestellt; der Mitspieler darf sie nicht sehen lassen, damit der Mond nicht zu früh erscheint. Wenn der Magier dem Mitspieler das Zeichen gibt, wird von der Hülle so viel weggenommen, als jener braucht, um das Abbild der augenblicklichen Mondsgestalt erscheinen zu lassen. Er bestreicht auch die verschiedenen Teile der Pauke mit Zinnober und Gummi. Auch schneidet er von…… Flasche Hals und Boden ab, steckt das Licht hinein, bringt in der Nähe einen Reflektor an, der von einem der Mitspieler heimlich an der Decke oben gehalten wird. Nachdem dieser das Zeichen erhalten hat, senkt er die Vorrichtungen aus der Höhe nieder, so daß es aussieht, als lasse sich der Mond nieder. Dasselbe macht man auch mittels eines Topfes und Glasformen. Es wird auch mittels eines Topfes zu Hause aufgeführt. Hinter einem Altar nämlich liegt der Topf mit dem brennenden Licht. Wenn mehrere Lichte brennen, kann nichts dergleichen aufgeführt werden. Wenn also der Zauberer den Mond beschwört, läßt er alle Lichter auslöschen, und nur ein düster brennendes bleibt übrig; er läßt dann das Licht aus dem Topfe auf der Decke Widerscheinen und verschafft den Anwesenden den Anblick des Mondes; die Mündung des Topfes bleibt bedeckt, bis der Augenblick gekommen ist, an dem das Mondbild auf der Decke erscheinen soll.

Schuppen von Thrissen und Hippuren, die mit Wasser und Gummi an der Decke in Abständen angeklebt sind, ergeben den Anblick von Sternen.

Das Gefühl eines Erdbebens, so daß alles in Bewegung erscheint, bewirken sie, indem sie die Exkremente des Ichneumons zugleich mit Magnet auf Kohlen erwärmen….

Sie lassen auch eine scheinbar mit einer Inschrift versehene Leber sehen. In die linke Hand schreibt der Magier etwas Beliebiges, der Frage Entsprechendes; die Buchstaben sind mit Galle und scharfem Essig geschrieben; dann nimmt er die Leber und läßt sie eine Zeitlang in der linken Hand ruhen; diese zieht die Schrift an, und man glaubt, sie sei beschrieben.

Daß ein auf den Boden gelegter Schädel spricht, bringen sie auf folgende Weise zustande. Er wird aus tyrrhenischem Wachs und Gips geformt; dann, mit der inneren Haut des Rindes überzogen, sieht er wie ein wirklicher Schädel aus, der anscheinend mit allen spricht. Dies geschieht mittels eines Instrumentes, das wir schon bei dem Knaben geschildert haben. Der Zauberer hat den Kehlkopf eines Kranichs oder sonst eines langhalsigen Tieres präpariert; ein Mitspieler bringt ihn unbemerkt in die Nähe des Schädels und sagt dann, was er will. Wenn der Zauberer den Schädel verschwinden lassen will, legt er rings herum eine Menge Kohlen und tut, als ob er räuchern wolle; durch die Wärmeentwicklung schmilzt das Wachs, und so glaubt man, der Schädel sei unsichtbar geworden.

Eine Menge dergleichen Zauberstücke täuscht die Unerfahrenen durch das Zusammentreffen der Worte und durch den Schein glaubhaft vollzogener Handlungen. Die Sektenstifter bewundern diese Kunst und machen sie nach, indem sie diese Lehren bald im Geheimen und Dunkeln überliefern, bald auch als ihre eigenen ausschmücken. Deswegen wollten wir das Publikum darauf aufmerksam machen und sind so etwas weitschweifig geworden, um denen, die sich leicht täuschen lassen, die Möglichkeit hiezu zu nehmen. Wir haben uns nicht ohne Grund auf eine Anzahl Magiergeheimnisse eingelassen, die allerdings für unser Thema nicht eben notwendig, die aber wohl zur Bewahrung vor der trugvollen, albernen Kunst der Magier nützlich sind. Da wir also wohl aller Meinungen dargelegt und viel Sorgfalt darauf verwendet haben, um klar zu zeigen, daß das, was von den Sektenstiftern als neue Errungenschaft vorgeführt wird, in bezug auf religiösen Gehalt Talmiware ist und unter ihnen selbst möglichenfalls als nicht der Rede wert gilt, so scheint es angemessen, in Kürze das Gesagte zu wiederholen.

Unter den vielen forschenden Philosophen kam es in bezug auf das Wesen und die Eigenschaften Gottes zu keiner Übereinstimmung. Denn die einen sagen, er sei Feuer, andere, er sei Luft, andere, er sei Wasser, andere, er sei Erde. Jedes Element aber hat einen Mangel, und das eine wird vom andern übertroffen. Die Weisen der Welt (dies ist den Verständigen klar) ließen sich beim Anblick der Größe der Schöpfung in bezug auf das Wesen des Alls verwirren und glaubten, daß es zu groß sei, als daß es durch jemand anderen geschaffen sein könne, daß aber auch das ganze Universum selber nicht Gott sei. Sie nahmen bei ihrer theologischen Forschung als Ursache eines der sichtbaren Wesen an, und zwar das, welches sie für das erste hielten. Da sie so den Werken Gottes und dem, was im Vergleich zu seiner überragenden Größe winzig ist, ihre Aufmerksamkeit schenkten, ohne die Größe des wahren Gottes erfassen zu können, haben sie diese Dinge für Gott angesehen. Die Perser, die in das Innerste der Wahrheit gedrungen zu sein wähnten, sagten, Gott sei etwas Lichtes, das in der Luft enthaltene Licht. Die Babylonier hingegen sagten, Gott sei Dunkel, das Dunkel zeigt sich als Folge aus dem ersteren; denn der Nacht folgt der Tag, dem Tage die Nacht. Die Ägypter aber, die die allerältesten zu sein glaubten, meinten, die Macht Gottes sei……. Sie nehmen an, diese Entfernungen der Teile stammten aus dem göttlichsten Hauche, und sagten, Gott sei eine unteilbare, sich selbst erzeugende Monas (Einheit), und aus ihr sei das All geschaffen. Denn, sagen sie, da sie unerzeugt ist, zeugt sie die folgenden Zahlen, z. B. die Einheit, zu sich selbst gezählt, erzeugt die Zweiheit, ebenso nochmals dazu gezählt die Dreiheit, und die Vierheit bis zur Zehnheit, die Anfang und Ende der Zahlen ist, so daß die Einheit an erster und zehnter Stelle ist; denn auch die Zehnheit gilt und zählt gleichviel wie die Einheit. Sie gibt verzehnfacht die Hundertzahl, und diese ist wiederum eine Einheit, und die Hundert verzehnfacht gibt die Tausendzahl; auch sie ist eine Einheit. Da tausendmal Zehn eben die Zehntausendzahl ergeben, so ist diese gleichfalls eine Einheit. Mit der Einzahl verwandt in bezug auf Unteilbarkeit sind drei, fünf, sieben, neun. Eine andere Zahl ist mit der Einzahl noch näher verwandt gemäß der Wirkweise des sechsfachen Kreises, nämlich die Zweizahl, gemäß der Zusammenstellung und Teilung der Zahlen. Verwandt ist die Zahl vier mit acht. Diese Zahlen, die spekulativ aus der Einheit ihren Ursprung erhalten haben, verursachen eine Teilung in die Grundstoffe, nämlich Luft und Feuer, Wasser und Erde. Und daraus bildete der Weltschöpfer die Welt als Mannweibliches; zwei Elemente wies er der oberen Halbkugel zu, Luft und Feuer, und diese, die Halbkugel der Einheit, heißt wohltuend, emporhebend und männlich. Denn da die Einheit feiner Natur ist, fliegt sie nach dem feinsten und reinsten Teil des Äthers. Die beiden anderen Elemente, die dichter sind, wies er der Zweizahl zu, Erde und Wasser, und diese Halbkugel heißt herabziehend, weiblich und übeltuend. In der Verbindung der beiden oberen Elemente liegt auch das Männliche und das Weibliche zur Fruchtbarkeit und zum Wachstum des Alls. Und zwar ist das Feuer männlich, die Luft weiblich, und wiederum ist das Wasser männlich, die Erde weiblich. Und so hat seit Anbeginn Feuer mit der Luft, mit der Erde Wasser Gemeinschaft. Denn wie das Feuer eine Potenz der Luft ist, so das Wasser eine Potenz der Erde…….

Auch die Elemente selber gehen, wenn sie gerechnet und aufgelöst werden, durch die Subtraktion der Neunzahl nach ihrer Eigenart teils in die männliche, teils in die weibliche Zahl auf. Die Neunzahl wird aus diesem Grunde subtrahiert, weil die 360 Teile des Weltalls aus Neunzahlen bestehen und deswegen die vier Weltgegenden neunzig vollständige Teile umfassen. Der Einzahl ist das Licht zugeeignet. Der Zweizahl die Finsternis und dem Lichte in der Natur das Leben, der Zweizahl der Tod und dem Leben das Recht, dem Tod das Unrecht. Deshalb ist alles, was in den männlichen Zahlen geboren ist, wohltuend, und was in den weiblichen, übeltuend; sie rechnen: Einzahl, um damit anzufangen, wird 361, was, wenn die Neunzahl subtrahiert ist, auf die Einzahl aufgeht. Ähnlich rechnen sie: Zweizahl wird 605, subtrahiere die Neunzahl; es geht in die Zweizahl auf, und jedes kehrt in das Seine zurück.

Der Einzahl als einer Wohltäterin…… legen sie Namen bei, die auf die ungerade ausgehen, und sagen, darauf achtend, sie seien emporhebend, wohltuend; was aber auf die gerade Zahl ausgeht, gilt als herabziehend, weiblich und übeltuend. Denn sie sagen, die Natur bestehe aus Gegensätzen. Gut und bös, wie rechts und links, Licht und Finsternis, Tag und Nacht, Leben und Tod. Ferner sagen sie noch dies, als ob……. Was ungerade ist, was sie aufgeschrieben und umgehängt haben und womit sie Heilungen machen. So ist auch eine Pflanze, die auf diese Zahl ausgeht, ebenso umgehängt, wirksam wegen des gleichen Zahlenwertes. Aber auch ein Arzt kann durch einen solchen Zahlenwert Kranke heilen; wenn aber der Zahlenwert entgegengesetzt ist, ist die Heilung schwierig. Auf diese Zahlen achten sie und berechnen alles, was gleich ist, nach diesem Verfahren, die einen bloß nach den Vokalen, die andern nach jeder Ziffer. Derartig ist die Weisheit der Ägypter, durch die sie die Gottheit zu preisen und zu erkennen glauben.

Wir haben dies nun wohl ausreichend dargelegt. Auch glaube ich keine Meinung der irdischen niederen Weisheit übergangen zu haben und sehe, daß meine darauf verwandte Mühe nicht unnütz ist. Denn wir sehen, daß diese Erörterung nicht nur zur Widerlegung der Häresien dienlich ist, sondern auch für diejenigen selbst, die solche Meinungen haben; wenn sie auf unsere vielseitige Arbeit stoßen, werden sie unseren Ernst anerkennen, unsere Arbeitsliebe nicht verachten und die Christen nicht für Toren halten, sondern einsehen, wie töricht ihre Meinungen sind. Ferner wird diese Erörterung die Bildungsdurstigen, die nach Wahrheit streben, klüger machen; sie können den Ausgangspunkt der Sekten erfahren und diejenigen leicht widerlegen, die sie zu täuschen wagten; auch werden sie die sogenannten Lehrmeinungen der Philosophen kennen lernen; wenn sie damit vertraut sind, werden sie von diesen nicht wie Anfänger verwirrt werden, oder von Leuten, diescheinbar über eine gewisse Kraft verfügen, getäuscht werden. Sie werden im Gegenteil noch die Irregeführten warnen können.

Nachdem wir also diese Ansichten hinlänglich dargelegt haben, wollen wir nunmehr an die Durchführung unserer Aufgabe gehen, damit wir das, was wir uns bezüglich der Häresien vorgenommen haben, durchführen, die Sektenstifter zwingen, jedem das Seine zurückzugeben, und sie so in ihrer Nacktheit an den Pranger stellen. Ihre Schüler werden wir des Unverstandes zeihen und sie bereden, zu dem ruhigen Hafen der Wahrheit zurückzueilen. Damit aber den Lesern deutlicher werde, was gesagt werden soll, erscheint es zweckmäßig, auch über die Forschungsergebnisse des Aratos in bezug auf die Lage der Gestirne zu berichten, da einige (diese Forschungen) auf die Worte der Schrift beziehen und so deren Sinn verfälschen, indem sie die Aufmerksamkeit williger Zuhörer anzulocken suchen und sie durch bestechende Beweise nach ihrem Belieben beeinflussen; sie weisen nämlich auf die befremdliche Wundererscheinung hin, daß ihre Worte angeblich in den Sternen geschrieben seien; jene schauen auf das sonderbare Wunder und lassen sich fangen, über Nichtigkeiten verblüfft wie ein gewisser Vogel, die sogenannte Ohreule, die hier passend als Exempel anzuführen ist. Dies Tier, das hinsichtlich der Größe und Gestalt sich nicht viel vom Adler unterscheidet, wird auf folgende Weise gefangen. Wenn der Vogelsteller irgendwo eine Kette niederfliegen sieht, patscht er von weitem in die Hände, tut, als ob er tanze, und kommt so allmählich den Vögeln nahe. Durch den sonderbaren Anblick verblüfft, haben sie für alles Sonstige im Umkreis keine Augen. Die anderen Jäger aber schleichen sich von hinten heran und fangen die Vögel leicht, während diese den Tänzer anstarren. So wünsche ich denn, daß sich niemand durch die Wundergeschichten derer, die den Sternenhimmel deuten, verblüffen und wie eine Ohreule fangen lasse. Denn Tanz und Geschwätz ist ihre Gaunerei und keine Wahrheit. Aratos sagt also folgendermaßen:

„Diese vielen zumal, hier einer, dorten ein anderer,
Drehen alltäglich am Himmel sich um, beständig und immer (d. i. die Sterne);
Aber die Achse wendet sich nicht ein bißchen, an gleichem
Ort ist immer sie festgefügt, und nach jeglicher Seite
In der Mitte trägt sie die Erde, den Himmel bewegt sie.“

Er redet von vielen Sternen am Himmel, d. i. von beweglichen, weil sie von Osten nach Westen und von Westen nach Osten unaufhörlich im Kreise herumgehen. Ferner sagt er, daß sich der gewaltige, wunderbare, riesige Drache in der Richtung nach dem Bären wie eines Flusses Strömung drehe, und das soll es sein, was im Buche Job der Teufel zu Gott sprach: „Ich ging um die Erde unter dem Himmel und umwanderte sie“, d. i. wendete mich um und schaute ringsum, was geschah. Denn sie glauben, der Drache, die Schlange liege gegen den Pol der Bären zu und schaue genau von der Polhöhe auf alles, daß ihm nichts, was geschieht, entgeht. Denn alle Sterne am Himmel gehen unter; dieser Polarstern geht nie unter, sondern er wandelt über demHorizont und schaut alles ringsum genau an, und nichts von dem, was getan wird, kann ihm verborgen bleiben.

„Wo sich am meisten
Eint mit dem Untergange der Aufgang aller Gestirne“.

Offenbar spricht er hier von der Stellung seines (des Drachen) Kopfes. Denn nach dem Aufgang und dem Untergang der beiden Halbkugeln zu liegt der Kopf des Drachen so, daß dort nichts vor ihm verborgen bleibt weder im Westen noch im Osten, sondern das Tier alles zu gleicher Zeit wahrnimmt. Gerade am Kopf des Drachen ist eine Menschengestalt in Sternbildern erkennbar; Aratos nennt sie „Müden Schatten“ und „Eine Mühevollen vergleichbar“. Sie heißt auch „Der Kniende“. Aratos freilich sagt, er wisse nicht, was das für eine Mühe sei und was dies Wunderding, das sich am Himmel dreht. Aber die Irrlehrer, die sich mit der Sternkunde befassen und ihre Lehre aufbauen wollen, richten ihr Augenmerk besonders darauf und nennen den Knienden Adam, der, wie Moses berichtet, auf Gottes Befehl den Kopf der Schlange belauert, während die Schlange seiner Ferse (nachstellt). Denn so sagt Aratos:

„Haltend des rechten Fußes Spur auf dem geringelten Drachen.“

Neben ihm, dem Knienden nämlich, befindet sich, wie er sagt, auf beiden Seiten die Lyra und die Krone; er selbst aber beugt das Knie und hält beide Hände ausgestreckt, als ob er Sünden bekennte. Die Lyra ist ein Musikinstrument, erfunden vom Logos in seinem frühesten Kindesalter; der Logos aber ist der Hermes der Griechen. Aratos nun sagt von der Verfertigung der Lyra:

„Sie hat, als Kind in der Wiege,
Hermes gebohrt und geboten, man solle Lyra sie heißen.“

Sie hat sieben Saiten und bedeutet durch ihre sieben Saiten die ganze Harmonie und den vom Einklang beherrschten Bau der Welt. In sechs Tagen war die Welt geschaffen, und am siebenten ward geruht. Wenn nun Adam bekennt und den Kopf des Untiers nach Gottes Gebot beobachtet, ahmt er die Lyra nach, d. i. er gehorchte dem Worte (Logos) Gottes, d. i. gehorsam dem Gesetze wird er die neben ihm liegende Krone erhalten. Wenn er aber sich nicht darum kümmert, wird er mit dem Untier unter ihm hinabgeworfen werden und seinen Anteil mit dem Untier haben. Es scheint ferner der Kniende nach beiden Seiten seine Hände auszustrecken und sowohl die Lyra als auch die Krone zu fassen und zu bekennen, wie man es an der Figur selbst sehen kann. Seine Krone wird jedoch zu gleicher Zeit von einem anderen Untier bedroht und an sich gezogen, einem kleineren Drachen, dem Jungen dessen, der vom Knienden mit dem Fuße bewacht wird. Ein Mensch aber steht dort, der die Schlange mit beiden Händen kräftig würgt und von der Krone zurückreißt und das gewaltig drängende Untier nicht den Kranz berühren läßt. Schlangenhalter nennt ihn Aratos, weil er die anstürmende Schlange zurückhält, die zum Kranz zu kommen sucht. Der Logos aber in Menschengestalt ist es, der das Untier hindert, zum Kranz zu kommen, aus Barmherzigkeit gegen den, der vom Drachen und dessen Jungen zugleich Nachstellungen erfährt. Die Bärinnen aber, die aus sieben Sternen bestehen, sind zwei Siebenzahlen, Gleichnisse der beiden Schöpfungen. Die erste Schöpfung nämlich ist die nach Adam, die in Mühen; sie deutet der Kniende an. Die zweite Schöpfung aber, die nach Christus, durch die wir wiedergeboren werden, das ist der Schlangenhalter, der mit dem Untier kämpft und es nicht zu der Krone kommen läßt, die dem Menschen bereitet ist. Der große Bär aber, die Schnecke, ist ein Sinnbild der großen Schöpfung; nach ihr richten sich die Griechen bei der Seefahrt, d. h. nach ihr unterweisen und richten sie sich auf ihrer Fahrt durch die Wogen des Lebens; diese Schöpfung oder Lehre oder Weisheit sei spiralförmig und bringt diejenigen, die dieser Schöpfung folgen, rückwärts; denn eine Art Umkehr und Zurückdrehung nach demselben Ausgangspunkt scheint das Wort Schnecke zu bedeuten. Der andere Bär aber ist etwas Kleines, gleichsam ein Abbild der zweiten nach Gott geschaffenen Schöpfung; denn wenige sind es, die durch den engen Weg gehen; eng aber ist die Kynosuris (Hundeschweif), nach der dem Aratos zufolge die Sidonier ihre Fahrt richten. Sidonier aber nennt synekdochisch Aratos die Phönikier, weil die Weisheit der Phönikier bewundert wird. Die Phönikier aber sollen sich vom Roten Meer her nach den Erzählungen der Griechen in dem Lande angesiedelt haben, in dem sie jetzt noch wohnen; so nimmt Herodot an. Kynosuris aber ist dieser Bär, die zweite Schöpfung, die Kleine, der enge Weg und nicht die Schnecke. Denn sie bringt nicht rückwärts, sondern führt, die ihr folgen, gerade vorwärts, da sie zu einem Hunde gehört. Denn der Logos ist ein Hund, der einerseits die von den Wölfen bedrohte Herde behütet und bewacht und seit der Schöpfung die Untiere jagt und vernichtet, andererseits das Weltall erzeugt und davon schwanger ist, d. i. es erzeugt. Deshalb hat Aratos, da er vom Aufgang des Hundssternes redet, gesagt: „Bei des Hundssterns Aufgang haben die Saaten nicht mehr getäuscht.“ Seine Meinung ist aber diese: die in die Erde gelegten Samen haben bis zum Aufgang des Hundssternes oft, ohne Wurzeln zu schlagen, Blätter hervorgebracht; auch lassen sie die Betrachter ihre zukünftige Fruchtbarkeit vermuten und scheinen lebendig, ohne wurzelhaftes Leben in sich zu haben; wenn aber der Aufgang des Hundssternes erfolgt, wird vom Hunde das Lebende vom Toten geschieden, denn wirklich welkt dann alles, was keine Wurzeln geschlagen hat. Dieser Hundsstern nun, der ein göttlicher Logos ist, ist zum Richter der Lebendigen und der Toten bestellt; wie der Hundsstern auf die Schöpfung der Pflanzen sieht, so sieht der Logos auf die himmlischen Pflanzen, die Menschen. Aus diesem Grunde nun ist die zweite Schöpfung, die Kynosuris, ein Abbild der Schöpfung des Logos am Himmel; in der Mitte der beiden Schöpfungen dehnt sich die Schlange aus, die das, was von der großen Schöpfung herkommt, hindert, zur kleinen Schöpfung zu kommen, und das, was wie der Kniende in der Schöpfung ist, bewacht und beobachtet, welcher Art jedes Ding in der kleinen Schöpfung ist. Sie wird aber auch selbst am Kopfe vom Schlangenhalter beobachtet. Dies Abbild steht am Himmel und ist eine Lehre für die, welche sehen können. Sollte es aber in dieser Hinsicht dunkel sein, lehrt die Schöpfung durch ein anderes Sinnbild Weisheit; von ihm sagt Aratos:

„Auch nicht des Kepheus, des Jasiden bekümmerte Tochter“.

Kepheus ist nahe dabei, dann Kassiopeia, Andromeda und Perseus, eine große Schrift in der Schöpfung für alle, die sehen können. Kepheus soll nämlich Adam sein, Kassiopeia Eva, Andromeda dieser beiden Seele, Perseus, der geflügelte Sohn des Zeus, der Logos, Ketos der nachstellende Drache. Nur auf Andromeda geht der Töter des Tieres, der Logos, d. i. Perseus, zu und nimmt sie, die gefesselt dem Tier ausgeliefert ist, zu sich und befreit sie. Perseus ist die beflügelte Achse, die durch beide Pole mitten durch die Erde geht und die Welt bewegt. Der in der Welt waltende Geist ist der Vogel, der Schwan neben dem Bären, das musikalische Tier, Sinnbild des göttlichen Geistes, weil er allein berufen ist, hart am Ziel des Lebens angelangt, zu singen und, mit guter Hoffnung von der bösen Schöpfung befreit, Loblieder zu Gott sendet. Krebse aber und Stiere, Löwen, Widder, Ziegen, Böcke, und was es sonst für Tiere gibt, die durch Sternbilder am Himmel bezeichnet werden, sind eben Bilder und Gleichnisse, von denen die veränderungsfähige Schöpfung die Urbilder erhält und durch die sie von solchen Lebewesen angefüllt wird.

Sie pflegen mittels solcher Beweise gar manche zu täuschen, die sich allzu eifrig mit Sternkunde befassen, und versuchen damit die Religion zu stützen, die sich doch von ihrer Auffassung gar sehr unterscheidet. Deshalb, Geliebte, wollen wir uns vor dem ohreulenhaften Anstaunen von Nichtigkeiten hüten; derlei ist nämlich Tanz, nicht Wahrheit. Diese Sterne zeigen nichts, vielmehr haben die Menschen für ihren eigenen Bedarf zur genaueren Bezeichnung gewisser Sterne die Namen so festgesetzt, damit sie ihnen so kenntlich seien. Denn was haben die am Himmel zerstreuten Sterne für eine Ähnlichkeit mit den Bären, Löwen, Bock, Wassermann, Kepheus, Andromeda, oder wie die Schatten im Hades heißen, da diese Menschen und diese Namen weit späteren Datums sind als die Entstehung der Sterne? Und doch bemühen sich die Irrlehrer, durch die Wundererscheinung verblüfft, gar sehr, durch derlei Beweise ihre eigenen Lehren zu stützen!

Indes, da fast jede Irrlehre mittels der Rechenkunst die Masse der Siebenzahlen und gewisse Entwicklungen der Äonen erfand, und da die einen so, die andern so die Wissenschaft verzerrten und sich nur in der Namengebung unterschieden, da ferner Pythagoras ihr Lehrer ist, der zuerst aus Ägypten diese Zahlenlehre zu den Griechen brachte, dürfte es angezeigt sein, kurz davon zu sprechen und dann zur Lösung der gesuchten Probleme zu gehen. Es gab Rechenmeister und Meßkünstler, denen anscheinend zuerst und hauptsächlich Pythagoras die Grundlehren gegeben hat. Und diese haben aus den Zahlen, die stets ins Unendliche durch Vervielfältigung weiter gehen können, und aus den Figuren Grundlagen erhalten, die sozusagen nur durch die Vernunft erkennbar sind. Der Ausgang der Geometrie ist nämlich, wie man sehen kann, der unteilbare Punkt; von diesem Punkt an aber wird durch die Wissenschaft das Werden der unbegrenzten Figuren vom Punkt aus gefunden. Der Punkt, der Länge nach bewegt, wird durch die Bewegung eine Linie; sie hat als Grenze den Punkt; die Linie, der Breite nach bewegt, erzeugt die Fläche. Die Grenzen der Flächen sind Linien. Die Fläche, der Tiefe nach bewegt, wird ein Körper. Er wird fest, und so beruht auf dem unendlich kleinen Punkt das Wesen des großen Körpers, und das drückt Simon so aus: „Das Kleine wird groß sein, gewissermaßen als Punkt, das Große aber unendlich“, indem er dem geometrischen Punkt folgte. Bei der Rechenkunst aber, die sich mit der Philosophie verbindet, ist der Ausgangspunkt die Zahl, die etwas Unbegrenztes, Unerfaßliches ist, da sie in sich alle Zahlen, die ins Unendliche gehen können, in ihrer Fülle in sich schließt. Das Prinzip der Zahlen ist in substantieller Weise die erste Monas. Diese Einheit ist männlich und erzeugt nach Vaterart alle anderen Zahlen. Da zweite ist die Zweiheit, eine weibliche Zahl, die von den Zahlenkundigen auch gerade genannt wird. Das dritte ist die Dreiheit, eine männliche Zahl, die nach der Bestimmung der Zahlenkundigen auch ungerade heißt. Zu all diesen kommt die Vierzahl, eine weibliche Zahl, die gleichfalls gerade heißt, weil sie weiblich ist. Es sind also die sämtlichen Zahlen, nach ihrem Genus genommen, vier (die Zahl ist ihrem Genus nach unbestimmt), aus denen ihre vollkommene Zahl besteht, die Zehnzahl. Denn eins und zwei und drei und vier ist gleich zehn, wie vorher gezeigt wurde, wenn jeder Zahl ihr eigener Name (Wert) gelassen wird. Dies ist die nach Pythagoras heilige Vierzahl, die die Wurzeln der ewigen Natur in sich hat, d. i. alle anderen Zahlen. Denn elf und zwölf erhalten ihr Seinsprinzip von der Zehnzahl. Von dieser Zehnzahl, der vollkommenen Zahl, werden vier Bestandteile genannt: Zahl, Einheit, Quadrat, Kubus. Ihre Komplexe und Mischungen zur Erzeugung der Vermehrung bilden in der Natur die zeugungskräftige Zahl. Denn wenn das Quadrat mit sich selbst multipliziert wird, ist es Quadrat-Quadrat. Wenn es zur dritten Potenz erhoben wird, Quadrat-Kubus. Wenn der Kubus zum Kubus, Kubus-Kubus. So entstünden alle Zahlen, nämlich sieben, so daß das Werden der werdenden Dinge aus der Siebenzahl stammt, die heißt: Zahl, Einheit, Quadrat, Kubus, Quadrat-Quadrat, Quadrat-Kubus, Kubus-Kubus. Simon und Valentinus, die nur die Namen änderten, redeten Wunderdinge von dieser Siebenzahl, von der sie für sich die Grundlagen nahmen. Simon nennt sie so: Nus, Epinoia, Onoma, Phone, Logismos, Enthymesis, der, welcher steht, gestanden hat und stehen wird, und Valentinus: Nus, Aletheia, Logos, Zoe, Mensch, Kirche, dazu wird der Vater gerechnet. — Sie gehen ebenso vor wie die, welche die Zahlenwissenschaft betreiben, bewundern sie als etwas, das der Menge unbekannt ist, und folgen ihr, wenn sie die von ihnen ersonnenen Irrlehren aufstellen. Einige nun versuchen auch von der Arzneikunst aus die Siebenzahlen aufzustellen, verblüfft über die Anatomie des Gehirns, und sagen, das Wesen und die Kraft des Alls und die Vatergottheit werde aus der Gruppierung des Gehirns erwiesen. Denn das Gehirn, das der beherrschende Teil des ganzen Körpers ist, liegt fest und unbeweglich und enthält in sich den Geist. Solche Forschung ist nicht ohne Fundament, liegt aber fernab von ihrer Untersuchung. Das aufgeschnittene Gehirn hat im Innern den sogenannten Gehirnbogen, an dessen Seiten sich zarte Häutchen befinden, die man Flügel nennt; sie werden sanft vom Atem bewegt und drücken ihn dann zum Kleinhirn. Er zieht durch ein rohrähnliches Gefäß zur Zirbeldrüse; bei dieser liegt die Öffnung des Kleinhirns, das den durchströmenden Atem aufnimmt und weiter an das sogenannte Rückenmark gibt. Von hier empfängt der ganze Leib das Geistige, da alle Adern wie Zweige an dies Gefäß gefügt sind; dessen Ende läuft in die Zeugungsteile aus; der Same geht aus dem Gehirn durch die Hüfte und wird in den Zeugungsteilen ausgeschieden. Auch gleicht die Gestalt des Kleinhirns einem Drachenkopfe, worüber die Anhänger der fälschlich sogenannten Gnosis (Wissenschaft) viel Gerede machen, wie wir zeigen werden. Noch sechs andere paarweise Organe entstehen aus dem Gehirn, die sich rings um den Kopf ausdehnen und in ihm zu Ende gehen und die Körper zusammenhalten, das siebente geht vom Kleinhirn den Leib abwärts. Davon wird viel geredet; von da gingen auch Simon und Valentinus aus, wenn sie es jetzt auch nicht Wort haben wollen, da sie in erster Linie Lügner und dann Ketzer sind. Da wir dies nun wohl genugsam dargelegt haben und alle die von der irdischen Weisheit aufgestellten Lehrsätze in vier Büchern enthalten sind, so wollen wir zu ihren Schülern oder besser gesagt zu ihren Plagiatoren übergehen.

Buch V.

Inhalt

(1.) Der Inhalt des fünften Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

2. Die Lehre der Naassener, die sich selbst Gnostiker nennen; sie ist dieselbe wie die der griechischen Philosophen und der Lehrer der Geheimwissenschaften; diese legten die Naassener ihrer Häresie zugrunde.

3. Die Meinungen der Peraten, die ihre Ansicht nicht aus den heiligen Schriften, sondern aus der Sternkunde geschöpft haben.

4. Die Lehre der Sethianer, die aus den griechischen Weisen Musaios, Linos und Orpheus gestohlen und zusammengestückelt ist.

5. Die Meinungen des Justinus, der seine Lehre nicht aus den heiligen Schriften, sondern aus den Wunderberichten des Geschichtschreibers Herodot geschöpft hat.

Die Lehren aller Denker bei Griechen und Barbaren in bezug auf das Göttliche und die Weltschöpfung dürften mit viel Sorgfalt in den vier vorausgegangenen Büchern behandelt worden sein; da ich dabei auch ihre mehr abseits liegenden Arbeiten nicht überging, habe ich eine für den Leser interessante Arbeit geleistet und viele zu wissenschaftlichem Streben und sicherer Wahrheitserkenntnis gebracht. Nun heißt es, an die Widerlegung der Irrlehren gehen; die vorhergehenden Untersuchungen dienen auch schon diesem Zweck; denn von den Alten gingen die Sektenstifter aus und setzten wie Trödler deren Irrtümer nach eigener Phantasie als neue Errungenschaft denen vor, die der Täuschung zugänglich waren, wie wir im folgenden zeigen werden. Es drängt die Zeit, an die Behandlung des Themas zu gehen und mit denen zu beginnen, die sich unterfingen, die Schlange, die Urheberin des Irrtums, mit Worten, die sie selbst erfand, zu feiern. Die ersten Priester und die Hauptvertreter dieser Lehre waren die sogenannten Naassener; sie heißen so nach dem hebräischen „Naas“, Schlange. Später nannten sie sich Gnostiker, da sie behaupteten, allein die Tiefen (der Weisheit) zu kennen. Von ihnen zweigten viele ab, und die einheitliche Irrlehre wurde vielspältig, indem mit verschiedenen Worten dasselbe dargelegt wurde, wie sich im Verlauf der Erörterung zeigen wird. Als (Prinzip) des Alls verehren sie den „Menschen“ und den „Menschensohn“. Dieser Mensch ist mannweiblich; sie nennen ihn Adam; es gibt viele mannigfaltige Loblieder auf ihn; diese Loblieder lauten kurz gefaßt ungefähr so: „Von dir Vater und durch dich Mutter, die zwei unsterblichen Namen, der Welten Eltern, du Himmelsbürger, hochgepriesener Mensch.“ Sie nehmen in bezug auf ihn, wie in bezug auf Geryones, eine Dreiteilung an. Denn an ihm, sagen sie, ist ein rationeller, ein psychischer und ein stofflicher Teil. Sie glauben, ihn zu erkennen sei der Anfang der Gotteserkenntnis und sagen: „Anfang der Vollkommenheit —Kenntnis des Menschen, Gotteserkenntnis — vollkommene Vollendung.“ All dies aber, das Rationelle, das Psychische und das Stoffliche ist vereint auf einen Menschen, Jesus, den Sohn Mariens, herabgekommen. Und diese drei Menschen sprachen zugleich, jeder aus seinem eigenen Wesen heraus, zu den Seinigen. Denn es gibt dreierlei Wesen im Weltall: engelhafte, psychische, stoffliche, und drei Kirchen: die engelhafte, die psychische und die stoffliche; ihre Namen sind: die Auserwählte, die Berufene und die Gefangene.

Das ist der Kernpunkt ihrer zahlreichen Lehren die Jakobus, der Bruder des Herrn, der Mariamne überliefert haben soll. Damit aber diese Gottlosen nicht Mariamne, Jakobus und den Heiland selbst verleumden können, so kommen wir jetzt auf die heidnischen Mysterien bei den Barbaren und Griechen zu sprechen; da sehen wir, wie sie von allen Seiten schändliche Geheimlehren zusammentragen, über Christus Lügen fabrizieren und die, welche diese heidnischen Mysterien nicht kennen, betrügen. Den Mittelpunkt ihres Systems bildet der Mensch Adamas; sie behaupten, von ihm stehe geschrieben: „Wer wird sein Geschlecht verkünden?“ Und nun paßt auf, wie sie die heidnische Lehre von der Unauffindbarkeit und der Unbestimmbarkeit der menschlichen Abstammung teilweise übernehmen und Christo andichten! „Die Erde“, so sagen die Griechen, „gebar den Menschen, die neu entstandene gewann sich herrliche Zier, nicht fühlloser Pflanzen noch vernunftloser Tiere, sondern eines bildungsfähigen, gottliebenden Wesens Mutter wollte sie werden. Es ist aber schwer festzustellen, ob Alalkomeneus in Böotien jenseits des Kephisissees als erster Mensch erstand, ob das göttliche Geschlecht der Kureten vom Ida oder ob Phrygiens Korybanten die ersten waren, die die Sonne wie Bäume aufsprießen sah, ob Arkadia den vor dem Mond entstandenen Pelasgos oder Eleusis den Diaulos, Rharias Besiedler, oder Lemnos den schönen Kabiros in geheimer Orgie gebar oder Pellene den ältesten Giganten, den Alkyoneus von Phlegrä, zur Welt brachte. Die Libyer sagen, Garamas sei als erster Sproß aus schlammigen Gründen emporgetaucht und habe zuerst des Zeus süße Eichel genossen. Der Nilstrom, der Ägyptens Schlamm befruchtet, bringt bis auf den heutigen Tag, durch feuchte Wärme Leben erzeugend, mit Fleisch bekleidete Wesen hervor.“ Die Assyrier sagen, bei ihnen sei der Fischesser Oannes entstanden, die Chaldäer sagen es von Adam. Ihn allein, so behaupten sie, hat die Erde hervorgebracht; er liegt atemlos, bewegungslos, ganz starr da wie eine Bildsäule und ist das Abbild des oberen Menschen, des besungenen Adamas, der von vielen Kräften erzeugt wurde, über die sich mannigfaltige Angaben bei ihnen finden.

Damit der große obere Mensch gänzlich überwältigt werde, „von dem“, wie sie sagen, „jede Vaterschaft ihren Namen hat auf Erden und im Himmel“, ward dem Menschen auch eine Seele (Psyche) gegeben, auf daß das Gebilde des großen, schönen, vollkommenen Menschen, unterjocht durch die Seele, leide und gestraft würde. So nennen sie ihn. Sie forschen weiter, was, woher und welcher Art die Seele sei, die, nachdem sie in den Menschen eingegangen sei und ihn bewegungsfähig gemacht habe, das Bild des vollkommenen Menschen knechte und strafe. Sie suchen das aber nicht aus der Schrift zu erforschen, sondern von den Geheimlehrern. Die Seele ist, so sagen sie, sehr schwer zu konstatieren und zu begreifen. Denn sie verharrt nicht immer in derselben Beschaffenheit oder Erscheinung oder in ein und demselben Zustand, so daß man sie nach ihrer Eigenart beschreiben oder nach ihrem Wesen erfassen könnte. Ihre mannigfachen Veränderungen sind in dem sogenannten Ägypterevangelium niedergelegt. Sie wissen also ebensowenig wie die anderen Heiden alle, ob etwa die Seele vom Proon oder vom Autogenes oder aus dem ausgegossenen Chaos stammt. Sie nehmen bei der Annahme der Dreiteilung des Menschen zu den Mysterien der Assyrier ihre Zuflucht; denn diese vertraten zuerst die Auffassung von der Dreiheit und Einheit der Seele. Nach der Seele, sagen sie, strebt jedes Wesen auf seine Art. Die Seele ist ja die Ursache alles Werdens. Alles, was sich nährt und wächst, bedarf der Seele; ohne Seele kann es keine Nahrung und kein Wachstum geben; auch die Steine sind beseelt; sie haben ja Wachstum. Doch kann es kein Wachstum ohne Nahrung geben; denn, was wächst, wächst auf dem Wege der Zunahme. Die Zunahme ist aber die Nahrung des Sichnährenden. Es trachtet als jegliche Wesenheit der himmlischen, irdischen und unterirdischen Dinge nach der Seele. Die Assyrier nennen sie Adonis oder Endymion. Wenn Adonis genannt wird, begehrt und liebt Aphrodite die Seele, die so genannt wird. Aphrodite aber bedeutet bei ihnen die Zeugung. Wenn aber Persephone, auch Kore genannt, den Adonis liebt, dann ist es eine dem Tod geweihte, von der Aphrodite, d. i. vom Werden getrennte Seele. Wenn aber Selene Endymions Gestalt sehnsüchtig begehrt, dann bedarf auch die höhere Schöpfung der Seele. Wenn aber die Göttermutter den Attis, ihren eigenen Liebhaber, verstümmelt, so beruft die obere selige Natur der überweltlichen ewigen Dinge die männliche Kraft der Seele zu sich. Der Mensch ist mannweiblich. Deswegen gilt der Verkehr eines Weibes mit einem Mann nach ihrer Lehre als etwas ganz Schlechtes und Verbotenes. Denn Attis ward verstümmelt, d. h. der stofflichen Teile der niederen Schöpfung beraubt und gelangte zum ewigen höheren Sein, wo weder Weib noch Mann ist, sondern eine neue Schöpfung, ein neuer Mensch, der mannweiblich ist. Wohin sie das Höhere verlegen, werde ich an der einschlägigen Stelle berichten.

Ihre Lehre, so sagen sie, bezeugt nicht einfach nur Rhea, sondern sozusagen die ganze Schöpfung. Auch was vom Logos gesagt wird, hat diesen Sinn: „Denn das Unsichtbare an ihm wird seit der Erschaffung der Welt in seinen Werken durch das Denken erkannt: seine ewige Kraft und Gottheit, so daß sie unentschuldbar sind, denn sie erkannten Gott und verehrten ihn doch nicht als Gott und dankten ihm nicht; ihr unverständiges Herz ward vielmehr eitel; sie gaben sich für Weise aus und wurden Toren und vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit dem Abbild eines vergänglichen Menschen und dem von Vögeln und von Vierfüßlern und Kriechtieren. Darum gab sie Gott auch schimpflicher Leidenschaft hin. Denn ihre Weiber verkehrten die natürliche Übung zuwidernatürlicher.“ — Was aber nach ihnen die natürliche Übung ist, wollen wir später sagen. — „Ebenso gaben auch die Männer den natürlichen Umgang mit den Weibern auf und entbrannten in Begierde zueinander, Mann zu Mann in schamlosem Tun“. Schamlosigkeit ist aber bei ihnen die erste, selige, gestaltlose Wesenheit, die Ursache jeglicher Gestaltung für das Gestaltete. „Auch erhielten sie an sich selber den gebührenden Lohn für ihre Verirrung“. In diesen Paulusworten liegt angeblich ihr ganzes Geheimnis und das unsagbare Mysterium der seligen Lust. Denn die Verheißung der Taufe ist nichts anderes als die Einführung des bei ihnen in lebendigem Wasser Getauften und mit unaussprechlicher Salbung Gesalbten in die ewige Lust.

Nicht nur die Mysterien der Assyrier und der Phrygier, sondern auch die der Ägypter zeugen, so sagen sie, für ihre Lehren in bezug auf die selige, verborgene und zugleich offenbare Wesenheit des Vergangenen, Gegenwärtigen und noch Zukünftigen, die das innerhalb des Menschen zu suchende Himmelreich heißt; hierüber lehren sie wörtlich in dem nach Thomas genannten Evangelium: „Wer mich sucht, wird mich finden in Kindern vom siebten Jahre an, denn dort im vierzehnten Äon verborgen offenbare ich mich“. Dies Wort stammt aber nicht von Christus, sondern von Hippokrates, der sagt: „Ein siebenjähriges Kind ist halb so groß wie sein Vater“. So verlegen sie die Urnatur des Alls in den Ursamen und sagen, auf das Hippokratische Wort hin, daß ein siebenjähriges Kind halb so groß sei wie sein Vater, es offenbare sich nach Thomas in (den) vierzehn Jahren. Das ist ihre unaussprechliche und geheimnisvolle Lehre. Sie sagen, die Ägypter, die nach den Phrygern die ältesten Menschen sind und bekanntermaßen zuerst den anderen Menschen alle Riten und Götterkulte und Ideen und Kräfte mitgeteilt haben, besäße die heiligen, ehrwürdigen und den Uneingeweihten nicht mitteilbaren Geheimnisse der Isis. Und diese seien nichts anderes als das geraubte, von der siebenfach gekleideten, schwarzgewandeten Isis gesuchte Glied des Osiris. Osiris nennen sie das Wasser. Die Natur in ihren sieben Gewändern, sie, die sieben ätherische Gewänder trägt — so nennen sie allegorisch die Planeten und bezeichnen diese als ätherisch — wird von ihnen als das veränderliche Werden, als die vom Unsagbaren, Unabbildbaren, Unbegreiflichen und Gestaltlosen verwandelte Schöpfung dargetan. Und das bedeutet das Wort der Schrift: „Siebenmal wird der Gerechte fallen und aufstehen“. Diese Fälle nämlich sind die durch den Beweger des Weltalls hervorgebrachten Veränderungen der Sterne.

Sie sagen vom Wesen des Samens, der die Ursache aller werdenden Dinge ist, er habe mit diesen nichts gemein, erzeuge aber alles Werden und führen folgendes an: „Ich werde, was ich will, und bin, was ich bin.“ „Deshalb ist unbewegt, was das All bewegt.“ Denn es bleibt, was es ist, indem es das All schafft und wird nichts von dem Werdenden. Dies ist der Gute, von dem das Wort des Heilands gilt: „Was nennst du mich gut? Einer ist gut, mein Vater im Himmel“, „der seine Sonne aufgehen läßt über Gerechte und Ungerechte und regnen läßt über Heilige und Sünder“. Wer aber die Heiligen sind, über die er regnen läßt wie über die Sünder, das wollen wir unter anderem später sagen. Dies ist das große, verborgene, unbekannte Geheimnis des Weltalls, das bei den Ägyptern verhüllt und enthüllt ist. Osiris nämlich steht im Tempel vor der Isis, und das, was an ihm zu verhüllen ist, ist unbedeckt, von unten nach oben gerichtet und mit allen werdenden Früchten bekränzt; dies steht aber nicht nur als erstes Götterbild in den hochheiligen Tempeln, sondern alle können es sehen, wie ein Licht, das nicht unter dem Scheffel, sondern auf dem Leuchter steht, eine Predigt, gehalten auf den Häusern, in allen Straßen und in allen Gassen und hart neben den Häusern, zu einer Art Grenze und Markstein des Hauses bestimmt; dies ist das, was von allen das Gute genannt wird. Sie nennen es Gutes tragend, verstehen aber nicht, was sie sagen. Dies Geheimnis lernten die Griechen von den Ägyptern und bewahren es bis auf den heutigen Tag. Die Hermessäulen werden ja, wie wir sehen, bei ihnen in Ehren gehalten. Den Kyllenischen (Hermes) aber, den sie besonders verehren, [nennen sie] Logios. Denn Hermes ist der Logos, der als Erklärer und Schöpfer des Gewordenen, Werdenden und Künftigen bei ihnen in Ehren steht. Er wird unter folgendem Bilde dargestellt: Die Scham eines Menschen, die von unten nach oben gerichtet ist.

Daß gerade dieser Hermes der Seelenführer, Seelengeleiter, und Seelenurheber ist, ist selbst den heidnischen Dichtern nicht entgangen; sie sagen:

„Aber Hermes, der Gott der Kyllenier, nahte sich jetzo,
Rief den Seelen der Freier“.

Nicht den Freiern der Penelope, ihr Unseligen, sondern (den Seelen) der vom Schlaf Erwachten und zum Bewußtsein Gekommenen.

„Aus welchem Range und aus welcher Glückesfülle“, d. h. sie wurden vom seligen Menschen aus der Höhe oder vom Urmenschen oder vom Adamas in das irdene Gebilde hinabgeführt, damit sie dem Schöpfer dieser Welt, dem Esaldaios, dienten, einem feurigen Gott, der Zahl nach dem vierten; so nennen sie den Schöpfer und Vater der besonderen Welt.

„Er hielt in der Rechten den schönen,
Goldenen Herrscherstab, mit dem er die Augen der Menschen
Zuschließt, welchen er will, und sie wieder vom Schlummer erwecket“.

Dieser ist es, der allein über Leben und Tod Gewalt hat. Von ihm steht geschrieben: „Du wirst sie lenken mit eiserner Rute“. Der Dichter aber, der die unbegreifliche selige Natur des Logos verherrlichen wollte, gab ihm nicht eine eiserne, sondern eine goldene Rute. Er schließt die Augen der Toten und weckt sie wiederum auf aus dem Schlafe, die vom Schlummer erwachten, zum Bewußtsein gekommen. Von ihnen sagt die Schrift: „Erwache, der du schläfst, und werde wach, und Christus wird dich erleuchten“. Er ist der Christus, der in allen Geborenen als Menschensohn vom Logos, der ohne Kennzeichen ist, gekennzeichnete. Dies ist das große, unaussprechliche Geheimnis der Eleusinier: Hye Kye; daß ihm alles unterworfen ist, das liegt in den Worten: „In die ganze Welt erging ihr Schall“, wie auch in jenem Satz: den Stab bewegend leitet Hermes, schwirrend aber folgen die Seelen in einem Zuge, wie es der Dichter im Bilde zeigte:

„So wie die Fledermäuse im Winkel der gräulichen Höhle
Schwirrend flattern, wenn eine des angeklammerten Schwarmes
Nieder vom Felsen sinkt, und darauf aneinander sich hängen“.

Mit dem Felsen ist Adamas gemeint. Dieser Adamas ist der Eckstein, der zum Hauptstein des Eckes geworden ist — im Haupte ist nämlich das Kennzeichen schaffende Gehirn, die Wesenheit, aus der jede Vaterschaft ausgeprägt wird, —

„Den ich als Adamas in Sions Grundfeste lege“.

Er spricht allegorisch vom Menschengebilde. Der eingefügte Adamas ist der innere Mensch, die Grundfesten Sions die Zähne, wie Homer sagt: „Gehege der Zähne“, d. i. Mauer und Wall, in denen der innere Mensch sich befindet, vom Urmenschen aus der Höhe, von Adamas herabgefallen, „der Geschnittene ohne schneidende Hände“, und in das stoffliche Scherbengebilde des Vergessens herabgebracht. Auch sagt Homer, daß die Seelen ihm schwirrend folgen:

„Also waren sie schwirrend vereint, er aber ihr Führer“,
d. h. er ging voran,

„Hermes, der Retter in Not, durch dumpfe, modrige Pfade,
d. h. zu den von jeder Not befreiten ewigen Gefilden. Wohin kamen sie denn?

„Und sie gingen an Okeans Flut, am leukadischen Felsen
Gingen am Sonnentor und am Lande der Träume vorüber“.

Dieser Ozean ist das Werden der Götter und das Werden der Menschen, der in wechselndem Fluß sich bald aufwärts, bald abwärts wendet. Wenn also der Ozean abwärts strömt, so ist er das Werden der Menschen, wenn aufwärts wider die Mauer und den Wall und den leukadischen Felsen, dann ist er das Werden der Götter. Das bedeutet das Schriftwort: „Ihr seid Götter und Söhne des Höchsten alle“, wenn ihr eilig aus Ägypten flieht und über das Rote Meer in die Wüste kommt, d. i. aus der unteren Mischung nach dem Jerusalem in der Höhe, zur Mutter der Lebendigen. Wenn ihr aber wieder nach Ägypten zurückkehrt, d. i. zur unteren Mischung „Werdet ihr wie Menschen sterben“; denn sterblich ist alles Werden in der Tiefe, unsterblich aber das in der Höhe geborene Werden. Denn der Geistige wird aus Wasser und Geist allein geboren, nicht der Fleischliche; der aus der Tiefe ist aber fleischlich. Das bedeutet das Schriftwort: „Was geboren ist aus demFleische, ist Fleisch, und was geboren ist aus dem Geiste, ist Geist“. Das ist nach ihnen das geistige Werden. Das ist der große Jordan; da er abwärts floß und die Kinder Israels hinderte, aus dem Ägypterlande zu ziehen — das ist aus der Mischung in der Tiefe, denn Ägypten ist ihnen zufolge der Leib —, staute ihn Jesus zurück und machte ihn aufwärts fließen.

Derartigen Lehren folgend, rühmen die absonderlichen Gnostiker, Erfinder einer neuen Literaturkunde, ihren Propheten Homer, der solches in wunderbarer Weise offenbare, und harmonisieren in ihrer Verwegenheit die unheiligen mit den heiligen Schriften bezüglich dieser Anschauungen. Sie sagen; Wer sagt, daß das All aus Einem besteht, irrt; wer sagt, aus dreien, der hat die Wahrheit und gibt die (richtige) Erklärung vom Weltall. Denn eine ist die selige Natur des seligen Menschen aus der Höhe, des Adamas, eine die sterbliche in der Tiefe, eine das königslose Geschlecht, das emporstrebt, wo Mariam, die Gesuchte, weilt und Jothor, der große Weise, und Sepphora, die Seherin, undMoses, dessen Geschlecht nicht in Ägypten ist; denn Kinder sind ihm in Madian geboren. Auch das entging den Dichtern nicht:

„Dreifach ward alles geteilt und jeder erloste die Herrschaft“.

Denn die Größen müssen verkündet werden, aber so überall von allen verkündet, daß die Hörenden nicht hören und die Sehenden nicht sehen. Denn wenn die Größen nicht ausgesprochen würden, könnte die Welt nicht bestehen. Es sind die drei gewaltigen Worte: Kaulakau, Saulasau, Zeesar. Kaulakau in der Höhe, Adamas, Saulasau in der Tiefe, der sterbliche, Zeesar der aufwärts fließende Jordan. Dies ist der in allem seiende, mannweibliche Mensch, den die Unwissenden den dreileibigen Geryones nannten, Geryones, den aus der Erde fließenden; gemeiniglich nennen ihn die Griechen das himmlische Mondhorn, weil er allen alles durcheinandermischte. Denn alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist nichts geworden. Was aber in ihm geworden ist, ist Leben. Dies ist das Leben, das unaussprechliche Geschlecht der vollkommenen Menschen, das den früheren Geschlechtern unbekannt war. Das Nichts, das ohne ihn geworden ist, ist die besondere Welt. Denn sie ist ohne ihn durch den dritten und vierten geworden. Dies ist der Becher, das Kondy, aus dem der König beim Trinken weissagt. Nachdem der Becher versteckt worden war, ward er unter Benjamins schönen Samenkörnern gefunden. So sprachen auch die Griechen mit trunkenem Munde:

„Bring Wasser, bring Wein, o Knabe,
Berausche mich, betäube mich.
Mein Becher mir sagt,
Wer ich soll werden,
In stummem Schweigen beredt“.

Die Kenntnis von dem Becher Anakreons, der im Schweigen unaussprechliches Geheimnis kündet, genügte den Menschen allen. Anakreons Becher ist nämlich stumm; er sagt von ihm, er künde ihm in ungesprochenem Worte, wer er werden solle, d. i. ein Geistiger, nicht ein Fleischlicher, wenn er das im Schweigen verborgene Geheimnis erlausche; dies Geheimnis sei das Wasser, das Jesus bei jener schönen Hochzeit verwandelte und zu Wein machte. Das ist der große wahre „Anfang der Zeichen“, den Jesus zu Kanna in Galiläa machte und wobei er das Himmelreich offenbarte. Dies ist das Himmelreich, das in uns liegt wie ein Schatz, wie ein unter drei Maß Mehl verborgener Sauerteig.

Das ist das große unaussprechliche Geheimnis der Samothraker, das allein die Auserwählten, nämlich wir so sagen sie, wissen dürfen. Die Samothraker lehren in dem bei ihnen gefeierten Geheimdienst ausdrücklich, Adam sei der Urmensch. Es stehen zwei Statuen nackter Menschen im Heiligtum der Samothraker; sie strecken beide Hände zum Himmel empor, und ihre Scham ist aufwärts gerichtet, wie es bei der Hermesstatue in Kyllene der Fall ist. Diese Statuen stellen den Urmenschen und den ihm durchaus wesensgleichen, wiedergeborenen, geistigen Menschen dar. Das bedeutet das Wort des Heilands: „Wenn ihr nicht mein Blut trinket und mein Fleisch esset, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen; aber auch wenn ihr den Kelch trinket, den ich trinke, könnt ihr dahin nicht kommen, wohin ich gehe“. Denn er wußte, aus welcher Wesenheit jeder seiner Jünger stammte und daß jeder in die eigene Wesenheit eingehen müsse. So wählte er sich zwölf Jünger aus den zwölf Stämmen und sprach durch sie zu jedem Stamme; nicht alle hörten die Predigten der zwölf Jünger, oder, wenn sie sie hörten, konnten sie sie nicht verstehen. Denn was nicht ihrer Natur entsprechend ist, ist wider ihre Natur.

Diesen Urmenschen nennen die um den Haimos wohnenden Thraker Korybas und ebenso die Phryger, weil er von der Höhe oben und vom merkmallosen Gehirn aus seinen Abstieg beginnt und alle Prinzipien der darunterliegenden Dinge auf eine uns unbegreifliche Weise durchschreitet. Dies bedeutet das Wort: „Seine Stimme hörten wir, doch seine Gestalt sahen wir nicht“. Seine Stimme nämlich, die des Beschriebenen und Gekennzeichneten hört man, welcher Art aber die aus der Höhe vom Nichtgekennzeichneten herniedergekommene Gestalt ist, hat niemand gesehen. Sie befindet sich in dem stofflichen Gebilde, doch kennt sie niemand. Dies ist nach dem Psalm „der Gott, der die Flut bewohnt“ und ruft und schreit „von vielen Wassern her“. Die vielen Wasser bedeuten das vielfältige Geschlecht der Menschen, von dem er zu dem nichtgekennzeichneten Menschen ruft und schreit: „Rette meine Eingeborene vor den Löwen“. Auf ihn geht das Wort: „Du bist mein Kind, Israel, fürchte dich nicht, wenn du durch Ströme gehst, sie werden dich nicht überfluten; wenn du durch Feuer gehst, es wird dich nicht verbrennen“. Die Ströme sollen das feuchte Zeugungselement, Feuer der Zeugungstrieb und die Zeugungsbegierde sein. „Du bist mein, fürchte dich nicht“. Und wieder heißt es: „Wenn eine Mutter ihrer Kinder vergißt, so daß sie sich nicht erbarmt und ihnen nicht die Brust reicht, werde auch ich euer vergessen?“ Adamas sagt zu seinen Menschen: „Aber wenn auch ein Weib darauf vergißt, so werde ich doch euer nicht vergessen. In meine Hände habe ich euch geschrieben“. Über seine Wiederkunft, d, i. über seine Wiedergeburt, um geistig, nicht fleischlich zu werden, sagt die Schrift: „Erhebet die Tore, ihr Fürsten, und erhebt euch, ewige Tore, und der König der Herrlichkeit will einziehen!“, d. i. das Wunder der Wunder. „Wer ist denn dieser König der Herrlichkeit?“ „Ein Wurm und kein Mensch; der Spott der Menschen und der Auswurf des Volkes“. „Er ist der König der Herrlichkeit, der Starke im Kampfe“. Er meint aber den Kampf im Leibe, weil dieser aus streitbaren Elementen gebildet ist, wie geschrieben steht: „Gedenke des Kampfes, der im Leibe vor sich geht“. Diesen Einzug und dieses Tor sah Jakob, da er nach Mesopotamien reiste, als er nämlich aus einem Knaben schon zum Jüngling und zum Manne heranwuchs, d. h. der, der nach Mesopotamien reiste, tat dies kund. Mesopotamien aber ist der Strom des großen Ozeans, der aus der Mitte des vollkommenen Menschen fließt. Auch bewunderte Jakob das Himmelstor und sprach; „Wie ehrfurchtgebietend ist dieser Ort, das ist nichts anderes als das Haus Gottes und das ist das Tor des Himmels“. Deswegen sagt Jesus: „Ich bin das wahre Tor“. Der dies sagt, ist aber der vom Unbezeichneten aus der Höhe gezeichnete vollkommene Mensch. Der vollkommene Mensch kann nicht gerettet werden, wenn er nicht wiedergeboren wird und durch das Tor eintritt.

Die Phryger nennen ihn auch Papas, weil er alles zum Stehen brachte, was vor seinem Auftreten in ungeordneter und zweckloser Bewegung war. Denn der Name Papas ist allen himmlischen, irdischen und unterirdischen Dingen gemeinsam, die rufen: Hemme, hemme die Unordnung der Welt und schaffe Frieden denen, die ferne, d. i. den stofflichen und irdischen, und denen, die nahe sind, d. i. den geistigen und vernünftigen vollkommenen Menschen. Die Phryger nennen ihn auch den Toten, den im Leibe wie in Grab und Gruft bestatteten. Dies bedeutet das Wort: “Ihr seid übertünchte Gräber, innen voll Totengebeinen“, weil in euch der lebendige Mensch nicht ist. Auch heißt es wiederum: „Den Gräbern werden die Toten entsteigen“, d. i. aus den irdischen Leibern die wiedergeborenen geistigen, nicht die fleischlichen. Das ist die Auferstehung, die durch das Himmelstor erfolgt; alle, die nicht durch dieses eingehen, bleiben tot. Nach der Umwandlung nennen ihn die Phryger Gott. Denn er wird Gott, wenn er von den Toten auferstehen und durch dies Tor in den Himmel eingehen wird. Dies Tor kennt der Apostel Paulus, der es geheimnisvoll öffnete und sprach, „er sei von einem Engel entrückt worden und bis zum zweiten und dritten Himmel ins Paradies selbst gekommen und habe gesehen, was er gesehen, und unaussprechliche Worte gehört, die ein Mensch nicht sagen darf“. Dies sind die von allen unaussprechlich genannten Geheimnisse, „die wir auch reden nicht in gelehrten Worten menschlicher Weisheit, sondern in vom Geist gelehrten, indem wir mit Geistigem Geistiges vergleichen; der natürliche Mensch aber faßt nicht, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm Torheit“. Und dies sind die unaussprechlichen Geheimnisse des Geistes, die wir allein kennen. Von diesen sagte der Heiland: „Niemand kann zu mir kommen, wenn ihn nicht mein himmlischer Vater zieht“. Denn es ist gar schwer, die großen und unaussprechlichen Geheimnisse aufzunehmen und zu fassen. Und wiederum sprach der Erlöser: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist“. Diesen muß man tun, nicht bloß hören, um ins Himmelreich einzugehen. Und wiederum sprach er: „Die Zöllner und Buhlerinnen werden vor euch in das Himmelreich eingehen. Denn die Zöllner sind diejenigen, die von allem das Letzte empfangen, wir aber sind die Zöllner, zu denen das Letzte der Welt gelangt ist. Das Letzte sind nämlich die vom Nichtbezeichneten in die Welt gestreuten Samen, durch die die ganze Welt zur Vollendung kommt. Denn durch sie hat das Werden auch den Anfang genommen. Und dies bedeutet das Wort: „Der Sämann ging aus zum Säen, und ein Teil (des Samens) fiel neben den Weg und ward zertreten, ein Teil auf steinigen Grund und ging auf, und weil er keine Tiefe hatte, verdorrte er und ging zugrunde; ein Teil aber fiel auf guten und rechten Boden und trieb Frucht, teils hundert-, teils sechzig-, teils dreißigfältig. Wer Ohren hat, zu hören, der höre“.Das bedeutet, es gibt keinen Hörer dieser Geheimnisse außer die vollkommenen Gnostiker. Diese sind der gute und rechte (Boden), von dem Moses sagt: „Ich will euch in das schöne und gute Land führen, in das Land, das von Milch und Honig fließt“. Milch und Honig ist das, durch dessen Genuß die Vollkommenen königslos werden und an der Fülle (Pleroma) teilhaben. Das ist die Fülle, durch die alle gewordenen Wesen vom Ungewordenen geschaffen und von der sie erfüllt sind.

Derselbe aber heißt bei den Phrygern auch der Unfruchtbare, denn unfruchtbar ist er, wenn er fleischlich ist und der Begierde des Fleisches frönt; dies bedeutet das Wort: „Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird ausgehauen und in das Feuer geworfen“. Denn diese Früchte sind nur die vernünftigen, die lebendigen Menschen, die durch das dritte Tor eingehen. Sie sagen wenigstens: „Wenn ihr Totes aßet, tatet ihr doch Lebendiges; was werdet ihr tun, wenn ihr Lebendiges esset?“ Lebendig aber nennen sie Worte und Gedanken und Menschen, die Perlen jenes Unbezeichneten, die in die Schöpfung herabgeworfen sind. Das bedeutet das Wort: „Werfet nicht das Heilige den Hunden und die Perlen nicht den Schweinen vor“; dabei sagen sie, eines Weibes Umgang mit einem Manne sei der Schweine und Hunde wert. Ihn nennen die Phryger auch den Aipolos (Ziegenhirten), nicht weil er Ziegen und Böcke hütete, wie die Psychiker sagen, sondern weil er Aipolos ist, d. i. der immer umhergeht und die ganze Welt wandelt und im Wandel umdreht. Denn πολειν [polein] bedeutet die Dinge wandeln und ändern. Daher nennen alle auch die beiden Endpunkte der Himmelsachse Pole. Aber auch der Dichter sagt:

„Hier am Gestade schaltet ein greiser Bewohner des Meeres,
Proteus, der wehrhafte Gott aus Ägypten”.

Nicht „wird verkauft“ heißt es, sondern bewegt sich und geht herum. Ferner heißen auch die Städte, in denen wir wohnen, weil wir uns darin bewegen und herumgehen, πολεις [poleis]. In diesem Sinne nennen die Phryger ihn, der immer überall alles bewegt und zumeignen wendet, Aipolos. Sie nennen ihn auch fruchtreich, „weil die Kinder der Einsamen mehr sind als die der Vermählten“, d. i. die unsterblichen und ewig bleibenden Wiedergeburten sind zahlreich, auch wenn die Geburten wenig sind. Das Fleischliche aber ist alles vergänglich, auch wenn es gar vielfach geboren wird. Deshalb „beweinte Rachel ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen“, da sie darüber weinte; sie wußte ja, „daß sie nicht mehr sind“. Aber auch Jeremias beweint das Jerusalem in der Tiefe, nicht die Stadt in Phönizien, sondern die vergängliche Schöpfung unten; Jeremias kannte ja den vollkommenen, „aus Wasser und Geist“ wiedergeborenen nicht fleischlichen Menschen. Jeremias sagt freilich auch: „Er ist Mensch, und wer wird ihn kennen?“ So ist die Erkenntnis des vollkommenen Menschen gar tief und schwerzu fassen. Der Anfang der Vollkommenheit ist ja Menschenkenntnis, Gotteskenntnis aber ist unbedingte Vollkommenheit.

Die Phryger nennen ihn aber auch die grüne geschnittene Ähre und nach den Phrygern die Athener, wenn sie die eleusinischen Mysterien feiern und den Eingeweihten das große wunderbare und vollkommenste Geheimnis der Einweihung im Stillschweigen zeigen, die geschnittene Ähre. Diese Ähre ist auch bei den Athenern der vom Unbezeichneten stammende vollkommene große Glanz; der Hierophant selbst, kein verschnittener zwar wie Attis, aber durch Schierling entmannt und jeder fleischlichen Zeugung abhold, feiert nachts in Eleusis bei großem Feuer die heiligen unaussprechlichen Mysterien und schreit laut auf: „Den Heiligen gebar die hehre Brimo den Knaben Brimos“, d. i. die Starke den Starken. Hehr ist die geistige, himmlische Geburt in der Höhe, stark aber ist der so geborene. Das Mysterium heißt ja Eleusin und Anaktoreion. Eleusin, weil wir, die Geistigen, aus der Höhe kame und von Adamas niederflossen. Denn ἐλεύσεσθαι [eleusesthai] ist gleich ἐλθεῖν [elthein, Anaktoreion heißt es wegen des Aufwärtssteigens. Dies nennen die Teilnehmer an den Eleusinien die großen Geheimnisse. Es besteht aber die Satzung, daß sich solche, die in die kleinen eingeweiht sind, auch in die großen einweihen lassen. Denn „größerer Tod empfängt größere Belohnung“. Die kleinen Mysterien sind die der unterirdischen Persephone; von diesen Mysterien und dem Weg, der dahin führt, der breit und geräumig ist und die dem Verderben Geweihten zur Persephon bringt, [spricht der Erlöser] und auch der Dichter singt:

„Aber ein Pfad ist darunter, ein schauriger lehmiger Hohlweg,
Dieser doch ist der beste, dich hin zum lieblichen Haine
Aphroditens zu führen, der Weitverehrten.

Das sind die kleinen Mysterien der fleischlichen Geburt; die Menschen, die darin eingeweiht sind, sollen die kleinen aufgeben und sich in die großen, himmlischen einweihen lassen. Denn „die in diesen den Tod gefunden haben, erlangen größere Belohnung“. Dies ist ja „das Himmelstor“ und dies „das Haus Gottes“, wo der gute Gott allein wohnt, in das kein Unreiner eingehen wird, kein Psychischer, kein Fleischlicher, sondern es ist einzig den Geistigen vorbehalten; wer dahingekommen ist, muß die Kleider abwerfen, und alle müssen durch den jungfräulichen Geist entmannte Bräutigame werden. Denn das ist die Jungfrau, die gesegneten Leibes ist und einen Sohn empfängt und gebiert, nicht einen psychischen, nicht einen leiblichen, sondern den seligen Äon der Äonen.Ausdrücklich sagt der Erlöser, daß „eng und schmal der Weg ist, der zum Leben führt, und daß eswenige sind, die ihn betreten; daß breit und weit aber der Weg ist, der zum Verderben führt, und daß es viele sind, die auf ihm gehen“.

Ferner nennen die Phryger den Vater des Alls Amygdalos; sie meinen damit nicht den Baum, sondern der Proon sei Amygdalos, der in sich die vollkommene, gleichsam heftig wallende und in der Tiefe bewegte Frucht hatte, seinen Busen aufbrechen ließ und seinen unsichtbaren, unnennbaren und unaussprechlichen Sohn erzeugte, von dem wir sprechen. Denn άμύξαι [amyxai] bedeutet etwa brechen und durchschneiden; so wie die operierenden Ärzte bei entzündeten und krampfigen Leibern von [amychai] άμυχαί [Rissen] reden, so nennen die Phryger (den Proon) Amygdalos, weil aus ihm der Unsichtbare hervorging und erzeugt ward, durch den das All „ward und ohne den nichts ward“. Das daraus Entstandene nennen die Phryger Syriktas, weil das Entstandene ein musikalischer Hauch ist. Denn „ein Geist ist Gott. Deshalb werden die wahren Anbeter weder auf diesem Berge noch in Jerusalem anbeten, sondern im Geiste“. Denn die geistige Anbetung ist Sache der Vollkommenen, nicht die fleischliche. Der Geist aber ist dort, wo auch der Vater ist; er heißt auch der Sohn, der von diesem Vater stammt. Dieser ist der vielnamige, tausendäugige, unfaßbare, nach dem jedes Wesen auf seine Art begehrt. Dies ist das Wort Gottes, das ein Wort der Offenbarung der großen Kraft ist. Deshalb ist es versiegelt, verborgen und verhüllt und liegt in dem Raume, wo die Wurzel des Alls gründet, die Wurzel aller Welten, Kräfte, Gedanken, Götter, Engel, abgesandten Geister, des Seienden, Nichtseienden, des Gewordenen, Ungewordenen, des Unfaßbaren, Faßbaren, der Jahre, Monate, Tage, Stunden, des unteilbaren Punktes, aus dem die allmähliche Vergrößerung des Kleinsten entspringt; der Punkt, der nichts ist und aus nichts besteht, der unteilbar ist, wird durch sich selbst zu einer für seine eigene Erkenntnis unfaßbaren Größe werden. Dieser ist das Himmelreich, das Senfkörnlein, der unteilbare Punkt, der im Körper ist, den niemand kennt als allein die Geistigen, dies bedeutet das Wort: „Es sind nicht Worte, es sind nicht Reden, deren Laute nicht vernommen werden“. Das schwätzen sie so ins Leere und legen das, was alle Menschen sagen und tun, in ihrem Sinne aus und behaupten, alles werde geistig. Deshalb erklären sie, daß die, welche sich im Theater sehen lassen, gleichfalls nichts ohne tieferen Sinn tun oder sagen. Wenn also das Volk im Theater zusammenkommt und einer auftritt in einem auffallenden Gewande mit einer Zither und spielt, dann singt er die großen Mysterien, ohne zu wissen, was er sagt, indem er so spricht:

„Ob du des Kronos Sproß bist, oder des seligen Zeus,
oder der großen Rhea, sei gegrüßt,
betrübter Verstümmelter der Rhea, Attis.
Dich nennen die Assyrier den dreifach geliebten Adonis,
nennt Ägypten Osiris,
das himmlische Mondhorn die griechische
Weisheit, die Samothraker ehrwürdiges Adamna,
die Hämonier Korybas und
die Phryger bald Papas, bald
den Toten oder Gott oder den Unfruchtbaren oder
Aipolos, oder die geerntete grüne Ähre,
oder den, den der fruchtreiche Mandelbaum
zeugte, den Pfeifenbläser.“

Ihn nennt man den vielgestaltigen Attis, zu dessen Preis sie singen:

„Attis will ich besingen, den Sohn der Rhea,
ohne Trompetenschall,
ohne den Flötenklang
der Kureten
vom Ida,
vielmehr zum Harfenklang des Phöbos: Euoi,
Euan, gleich wie Pan, gleich wie Bakcheus,
gleich wie der Hirt der lichten Sterne.“

Um solcher Worte willen sitzen sie bei den sogenannten Mysterien der großen Mutter und glauben am ehesten durch das, was dabei getan wird, das ganze Geheimnis zu schauen. Von dem, was dort geschieht, haben sie keinen Gewinn, außer daß sie, ohne verschnitten zu sein, sich wie Verschnittene verhalten. Denn gar ernst und streng schreiben sie vor, sich des Umgangs mit einem Weibe zu enthalten, als ob sie verschnitten wären. Im übrigen handeln sie, wie wir weitläufig klarlegten, wie Verschnittene; sie ehren aber nichts anderes als den Naas und heißen Naassener. Naas aber bedeutet die Schlange, nach der alle Tempel unter dem Himmel den Namen haben, (nämlich) von Naas. Auch sei dem Naas allein jedes Heiligtum, jegliche Weihe und jegliches Geheimnis geweiht, und es lasse sich überhaupt keine Weihe unter dem Himmel finden, bei der nicht ein Tempel sei und der Naas darin, wovon der Tempel den Namen erhielt. Sie sagen, die Schlange sei die feuchte Wesenheit, ebenso wie Thales aus Milet, und ohne ihn (den Naas) könne überhaupt kein Wesen bestehen, weder von den Unsterblichen noch von den Sterblichen, von den Beseelten oder den Seelenlosen. Ihm unterstehe das All, und er sei gut und habe alles in sich wie im Horne des einhörnigen Stieres, so daß er allen seienden Dingen die Schönheit und Anmut nach ihrer Natur und Eigenart gebe, indem er gleichsam durch alle wandle, „wie was aus Eden ausging und sich in vier Ursprünge spaltete“. Eden aber ist das Hirn, das gleichsam in den umgebenden Hüllen eingebunden und eingezwängt ist, wie in den Himmeln. Das Paradies aber, meinen sie, ist der Mensch bloß in bezug auf den Kopf. „Der Strom also, der aus Eden ausgeht“, d. i. vom Gehirn, „scheide sich in vier Ursprünge; der Name des ersten Flusses aber sei Phison; dieser umgibt das ganze Land Evilat, dort wo das Gold ist; das Gold jenes Landes ist gut. Auch gibt es dort den Rubin und den Smaragd“. Dies ist das Auge, das durch seinen Wert und seine Färbung diese Behauptung bezeugt. „Der Name des zweiten Flusses ist Gehon; er umgibt das ganze Land Äthiopien“. Dieser ist das Gehör, das ungefähr wie ein Irrgarten aussieht. „Und der dritte heißt Tigris; dieser fließt Assyrien gegenüber“. Dieser ist der Geruch; er hat die stärkste Strömung. Er fließt Assyrien gegenüber, weil nach dem Ausatmen der Luft beim Einatmen die von außen aus der Luft eingezogene Luftströmung stärker und mächtiger eindringt. Denn darin besteht das Atmen. „Der vierte Fluß ist der Euphrat“. Diesen nennen sie den Mund, durch den das Gebet ausgeht und die Nahrung eingeht, die den geistigen vollkommenen Menschen erfreut, nährt und kennzeichnet. Dieser ist das Wasser über dem Firmament, von dem der Heiland sagt: „Wenn du wüßtest, wer der Bittende ist, du würdest ihn bitten und er gäbe dir lebendiges, quellendes Wasser zu trinken“. Zu diesem Wasser geht jedes Wesen und sucht sich sein eigenes Wesen aus. Und aus diesem Wasser drängt zu jedem Wesen seine Eigenart, mehr als das Eisen zum Magneten und das Gold zum Röhrknochen des Seeadlers und die Spreu zum Bernstein. Wenn aber einer von Geburt blind ist und „das wahre Licht“ nicht sieht, „das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt“, der soll durch uns das Gesicht erhalten und sehen, wie sozusagen aus einem mannigfach bepflanzten und samenreichen Paradies Wasser alle Pflanzen und Samen durchdringt, und er wird erkennen, daß aus einem und demselben Wasser der Ölbaum das Öl und der Weinstock den Wein auswählt und an sich zieht, und so jedes Gewächs nach seiner Art. Es ist aber jener Mensch ungeehrt in der Welt und hochgeehrt [im Himmel], denen, die ihn nicht kennen, [verraten] durch die, dieihn nicht kennen, beurteilt wie ein Tropfen am Eimer. Wir aber sind die Geistigen, die wir uns vom lebendigen Wasser des mitten durch Babylon fließenden Euphrat unsere Eigenart auswählen, indem wir durch das wahre Tor eingehen, das der selige Jesus ist. Und von allen Menschen sind wir die einzigen Christen, die am dritten Tor das Geheimnis vollbringen und dort mit unsagbarem Salböl aus dem Horne gesalbt werden wie David, nicht aus dem Tongeschirr wie Saul, der mit dem bösen Dämon der fleischlichen Begierde zusammenlebte.

Dies Wenige haben wir aus vielem erwähnt. Die Versuche der Torheit sind unselig, nichtig und toll. Doch, nachdem wir nach bestem Können ihre unwissende Weisheit dargelegt haben, wollen wir noch Folgendes mitteilen. Dieser Psalm ist von ihnen improvisiert, sie glauben darin alle Geheimnisse des Irrtums zu besingen:
Gesetz des Werdens für das All ist der erstgeborene Geist,
Das zweite ist des Erstgeborenen ausgegossenes Chaos,
Als drittes erhielt es die Seele, die das Gesetz vollzieht.
Deshalb umhüllt mit des Hirsches Gestalt,
Müht sie, vom Tode bewältigt, ihr Werk,
Bald hat sie die Herrschaft und sieht das Licht,
Bald trauert sie, ins Elend gestoßen,
Bald wird sie beweint, ist froh,
Bald weint sie, wird gerichtet,
Bald wird sie gerichtet, stirbt,
Bald wird die Rückkehr, die unselige, zum Unheil,
Sie betrat irrend ein Labyrinth,
Es sprach aber Jesus: Sieh Vater,
Ein Suchen der Übel auf Erden,
Von deinem Hauche brandet es heran,
Sie sucht zu entrinnen dem bitteren Chaos,
Und weiß nicht, wie sie hindurchkommen wird,
Dazu sende mich, Vater,
Mit Siegeln will ich niedersteigen,
Alle Äonen will ich durchwandern,
Alle Geheimnisse will ich erschließen,
Die Gestalten der Götter will ich zeigen,
Und das Verborgene des heiligen Weges
Gnosis nennen und lehren.

So treiben es die Naassener, die sich selbst Gnostiker nennen. Doch da der Irrtum vielköpfig und vielgespalten ist, wie die Hydra der Sage, wollen wir seine Köpfe einzeln durch die Widerlegung abschlagen und mit dem Stocke der Wahrheit das ganze Tier töten. Denn die anderen Ketzereien unterscheiden sich nicht viel von dieser; ein und derselbe Geist des Irrtums eint sie. Doch da sie die Worte und die Namen der Schlange wechseln und der Schlange viele Köpfe geben wollen, so lassen auch wir nicht von der Widerlegung ab, wie sie es gerne sähen.

Es gibt eine andere Sekte, die peratische, deren Lästerung wider Christus lange Jahre unbemerkt blieb; jetzt aber wollen wir deren Geheimnisse ans Licht ziehen. Die Peraten sagen, die Welt sei eine, dreifach geteilt. Von dieser bei ihnen angenommenen Dreiteilung ist der eine Teil wie ein einziges Prinzip, gleichsam wie eine große Quelle, die durch den Gedanken in unendliche Schnitte geschnitten werden kann. Der erste und der nach ihnen vorzüglichste Schnitt bildet die Trias und [der erste Teil] heißt vollkommenes Gut, väterliche Größe. Der zweite Teil ihrer Dreiheit ist sozusagen die unendliche Menge der daraus hervorgegangenen Kräfte, der dritte ist etwas Bestimmtes. Der erste Teil ist unerzeugt, das Gute nämlich; der zweite das selbsterzeugte Gute, der dritte das Erzeugte. Deshalb reden sie ausdrücklich von drei Göttern, drei Logos‘, drei Gedanken, drei Menschen. Denn jedem Teil der Welt weisen sie nach vollzogener Teilung Götter und Logos‘ und Gedanken und Menschen usw. zu. Aus der Höhe aber von der Nichterzeugung und dem ersten Schnitt der Welt sei, da im übrigen die Welt vollendet war, aus Gründen, die wir später nennen werden, in den Tagen des Herodes herabgestiegen ein dreiwesenhafter Mensch mit drei Leibern und drei Kräften, namens Christus, der in sich all die Differenzierungen und Kräfte von den drei Teilen der Welt hatte. Und dies bedeutet das Wort: „Es gefiel, daß alle Fülle in ihm leibhaft wohne“ und „in ihm ist alle Gottheit“ der so geteilten Trias. Sie sagen nämlich, von den übergeordneten zwei Welten, von der nichterzeugten und der selbsterzeugten, seien Samen aller Kräfte in unsere Welt herabgeschwebt. Über die Art dieser Herabkunft werden wir später reden. Es heißt also, Christus sei aus der Höhe von der Unerzeugtheit herabgekommen, um durch seine Herabkunft alles dreifach Geteilte zu erlösen. Denn das von oben Herabgekommene wird durch ihn zurückkehren. Was aber dem von oben Herabgekommenen nachstellt, wird fortgewiesen, gezüchtigt und verworfen. Dies bedeutet das Wort: „Denn der Menschensohn ist nicht in die Welt gekommen, um die Welt zu vernichten, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde“. Welt nennt die Schrift die zwei übergeordneten Teile, den Unerzeugten und den Selbsterzeugten. Wenn sie aber sagt: „Damit wir nicht mit der Welt verurteilt werden“, so meint sie den dritten Teil, den der eigentlichen Welt. Denn der dritte Teil, den sie Welt nennt, muß zugrunde gehen, die zwei übergeordneten Teile aber vom Verderben gerettet werden.

Wir wollen nun zuerst sehen, wie sie, die diese Lehre von den Astrologen übernommen haben, Christus schmähen und denen Verderben bringen, die ihnen in diesem Irrtum folgen. Die Astrologen nämlich sagen, die Welt sei eine, und teilen sie in die zwölf unbeweglichen Teile des Tierkreises und nennen die Welt der unbeweglichen Tierbilder die eine unbewegliche Welt. Eine andere, die bis zum Mond reicht, sei die der Planeten; sie sei nach Kraft, Stellung und Zahl eine Welt. Nun erhalte Welt von Welt eine gewisse Kraft und Gemeinschaft, und das Untergeordnete habe am Übergeordneten Teil. Damit nun das Gesagte deutlich werde, will ich eben jene Ausdrücke der Astrologen einzeln gebrauchen, um die Leser an das früher bei Gelegenheit Gesagte zu erinnern, da wir die ganze Wissenschaft der Astrologen darlegten. Was sie also annehmen, ist folgendes:

Durch den Umlauf der Gestirne werden die darunter liegenden Dinge hervorgebracht. Allzu vorwitzig blickten die Chaldäer zum Himmel auf und lehrten, daß das Siebengestirn den Grund der Wirkursachen zu allem, was unter uns zufällig geschieht, enthalte, daß aber die Teile des Tierkreises mitwirkten. Den Tierkreis nun teilen sie in zwölf Teile, jedes Zeichen aber in dreißig Teile, jeden Teil in sechzig Minuten. Denn so nennen sie die kleinsten unteilbaren Teile. Von den Zeichen nennen sie die einen männlich, die anderen weiblich, die einen zweileibig, die anderen nicht, die einen wandelbar, die anderen fix. Männlich oder weiblich sind sie, je nachdem sie zur Erzeugung von Männlichem oder Weiblichem mitwirken. Der Widder ist ein männliches Zeichen, der Stier ein weibliches, und die anderen sind analog teils männlich, teils weiblich. Von ihnen gingen nach meiner Meinung die Pythagoreer aus, die die Einheit männlich nennen, die Zweizahl weiblich, die Dreizahl wieder männlich, und in dieser Art die übrigen geraden und ungeraden Zahlen. Einige aber teilen auch jedes Zeichen in zwölf Teile und gehen fast ebenso vor, z. B. nennen sie beim Widder sein erstes Zwölftel Widder und männlich, das zweite Stier und weiblich, das dritte Zwillinge und männlich, und so geht es weiter bei den anderen Teilen.Zweileibige Zeichen nennen sie die Zwillinge und deren Gegenüber, den Schützen, Jungfrau und Fisch; Nichtzweileibige aber die anderen. Und ebenso nennen sie tropisch diejenigen, in die die Sonne tritt, wenn sie sich wendet und eine Wendung am Horizont beschreibt, z. B. das Sternbild Widder und sein diametrales Gegenbild, die Wage, den Steinbock und den Krebs. Im Widder geschieht nämlich die Frühlingswende, im Steinbock die des Winters, im Krebs die des Sommers, in der Wage die des Herbstes. Den Bericht darüber haben wir ausführlich im vorausgehenden Buche dargelegt, woraus der Wissenschaftsbeflissene ersehen kann, wie die Urheber der peratischen Sekte, Euphrates der Peratiker und Kelbes aus Karystos, ihre Entlehnungen nur den Bezeichnungen nach verändert haben, der Bedeutung nach aber dasselbe annehmen (wie die Astrologen) und dieser Kunst sich bis zum Überdruß widmen. Denn auch die Astrologen reden von Sterngebieten, innerhalb deren sie den Hauptsternen größere Macht zuschreiben. Z. B.: In einigen richten sie Schaden an, in anderen aber stiften sie Nutzen. Einige Sterne nennen sie daher schädliche, andere nützliche. Angeblich schauen die Sternbilder aufeinander und stimmen zueinander, z. B. die, die im Dreieck oder Viereck sichtbar sind. Im Dreieck treten die Sterne, die aufeinander schauen, zusammen, wenn sie einen Zwischenraum von drei Tierkreiszeichen haben, im Viereck aber mit einem solchen von zwei Tierkreiszeichen. Wie aber beim Menschen mit dem Kopfe die unteren Glieder leiden, der Kopf aber auch mit den unteren Gliedern leidet, so leidet auch das Irdische mit dem, was über dem Mond ist. Doch gibt es bei ihnen einen Unterschied und ein Nichtmitleiden, wenn sie nicht ein und dieselbe Einigung haben. Diesen Zusammentritt und diesen Unterschied der Sterne, wie das chaldäisch ist, haben die Vorgenannten für sich verwendet und lügen auf den Namen der Wahrheit; sie verkünden den Zustand der Welt als Christi Wort und benennen den Abfall der guten Kräfte zum Bösen und die Übereinstimmungen des Guten mit dem Bösen, indem sie ihnen die Namen Toparchen und Proastier geben; sie bilden eine Menge anderer Namen, die nicht für sie da sind, ja sie machen die ganze Vorstellung der Astrologen von den Sternen systemlos zu einem System und schaffen so die Grundlage zu einem großen Irrtum. Sie sollen von uns mit Fleiß widerlegt werden. Ich will nämlich dem vorgenannten chaldäischen System der Astrologen einige Lehren der Peratiker gegenüberstellen, auf Grund deren man durch Vergleich sehen kann, wie die Aufstellungen der Peratiker mit denen der Astrologen übereinstimmen, nicht mit denen Christi.

Wir wollen also eines der von ihnen hochgehaltenen Bücher anführen, worin es heißt: „Ich bin die Stimme des Erwachens in der Welt der Nacht. Fürderhin will ich beginnen, die von Chaos stammende Kraft bloßzulegen. Die Kraft des abgründlichen Gewölbes, die des Unvergänglichen, Unermeßlichen, Doppeltfeuchten Masse emporhebt, die ganze wasserfarbige, stets bewegte Kraft des Erdbebens, die das Bleibende trägt, das Zitternde zusammenhält, das Kommende entbindet, die das Bleibende erleichtert, das Vermehrende hinwegnimmt, die treue Verwalterin der Spur der Lüfte, die den Ausfluß der zwölf Augen des Gesetzes genießt, die das Siegel offenbart der mit ihr waltenden Kraft der schwebenden unsichtbaren Wasser. Sie ward Thalassa genannt. Diese Kraft nannte die Unwissenheit Kronos, den mit Fesseln bewachten, da er die Umarmung des dichten und nebeligen, unkenntlichen, dunkeln Tartaros umfaßt hatte. Nach ihrem Bilde wurden Kepheus, Prometheus, Japetos geschaffen; die Kraft, die Thalassa anvertraut ist, ist mannweiblich, die das aus den zwölf Mäulern kommende Zischen zu den zwölf Flötchen stimmen läßt und verbreitet; sie ist klein und nimmt den hemmenden heftigen Auftrieb hinweg und versiegelt seiner Spuren Weg, auf daß er nichts bekriege oder verändere. Typhonika, ihre Tochter, ist die treue Hüterin aller Wasser und heißt Chorzar; die Unwissenheit nannte sie Poseidon; nach ihrem Ebenbild ward Glaukos, Melikertes, Ino, Nebroe geschaffen. Ihn, der rund herum die zwölfkantige Pyramide umschließt, das Torzur Pyramide mit dunkeln Farben verdunkelt und sie ganz nachtfarbig macht, nannte die Unwissenheit Kronos; sein sind fünf Diener, der erste U, der zweite Aoei, der dritte Uo, der vierte Uoab, der fünfte….., andere treue Verwalter seines Machtgebietes des Tages und der Nacht, die in ihrer Macht ruhen. Diese nannte die Unwissenheit Planeten, von denen die vergängliche Schöpfung abhängt. Des Sternaufgangs Verwalter sind Karphakasemeocheir, Ekkebbakara; sie nannte die Unwissenheit Kureten. Der dritte der Herrscher der Winde ist Ariel; nach dessen Bild ward Aiolos, Briares. Und der Herrscher der zwölfstündigen Nacht ist Soklan, den die Unwissenheit Osiris nannte. Nach seinem Bild ward Admetos, Medea, Hellen, Aithusa. Der Herrscher des zwölfstündigen Tages ist Euno. Dieser ist der Verwalter des himmlischen Erstgewölbes im Osten, den die Unwissenheit Isis nannte. Sein Zeichen ist der Hundsstern; nach seinem Bilde wurden geschaffen Ptolemäus, der Arsinoe Sohn, Didyme, Kleopatra, Olympia, Die rechte Kraft Gottes nannte die Unwissenheit Rhea. Nach ihrem Bilde wurden Attis, Mygdon, Oinone. Die linke Kraft herrscht über die Nahrung. Die Unwissenheit nannte sie Demeter; sie heißt Bena. Nach ihrem Bild wurden Keleos, Triptolomos, Misyr, Apraxia. Die rechte Kraft herrscht über die Früchte. Die Unwissenheit nannte sie Men. Nach ihrem Bilde wurden Bumegas, Ostanos, Hermes Trismegistos, Kurites, Petosiris, Zodarion, Berosos, Astrampsuchos, Zoroaster. Die linke Kraft ist die des Feuers. Die Unwissenheit nannte sie Hephästos. Nach seinem Bilde wurden Erichthonios, Achilleus, Kapaneus, Phlegon, Meleager, Tydeus, Enkelados, Raphael, Suriel, Omphale. Drei Kräfte, die inmitten der Luft schweben, sind die Ursachen des Geschehens. Die Unwissenheit nannte sie Mören. Nach ihrem Bilde entstanden das Haus des Priamos, das Haus des Laios, Ino, Autonoe, Agave, Athamas, Prokne, die Töchter des Danaos, die Töchter des Pelias. Die mannweibliche Kraft ist immer jung, nicht alternd, Ursache der Schönheit, Lust, Kraft, Begierde, Sehnsucht; die Unwissenheit nannte sie Eros. Nach ihrem Bilde entstanden Paris, Narkissos, Ganymedes, Endymion, Tithonos, Ikarios, Leda, Amymone, Thetis, die Hesperiden, Jasion, Leander, Hero. Das sind die Proastier bis zum Äther.“ So betitelt sich ja auch das Buch.

Allen ist leicht ersichtlich, daß die Sekte der Peraten die der Astrologen bloß den Ausdrücken nach umgeformt hat. Denselben Inhalt haben auch ihre anderen Bücher, für den Fall, daß einer darnach verlangte, alle zu lesen. Sie halten, wie ich sagte, für die Ursache der Entstehung alles Gewordenen das Ungewordene und das Übergeordnete. Unsere Welt, die sie die besondere nennen, ist durch Abfluß entstanden, und all die Sterne zusammen, die man am Himmel sieht, sind die Urheber dieser Welt. Dabei änderten sie deren Namen, wie man durch Vergleich mit den Proastiern sehen kann. Weiterhin haben, ebenso wie die Welt durch den Abfluß von oben, die Dinge in ihr ihr Werden und Vergehen durch den Ausfluß der Sterne und werden von ihnen regiert. Da nun die Astrologen das Horoskop und die Himmelshälfte und den Untergang und die entgegengesetzte Himmelshälfte kennen, und da sich die Sterne bald so und bald anders bewegen infolge der beständigen Wendung des Alls, so ergeben sich bald diese und bald jene Deklinationen gegen den Mittelpunkt und Rückwendungen zum Mittelpunkt. Indem sie nun die Ordnung der Astrologen allegorisch deuten, machen sie den Mittelpunkt zum Gott, zur Einheit und zum Herrn allen Werdens, die Deklination zur Linken, die Rückwendung zur Rechten. Wer nun ihre Schriften liest und auf die sogenannte rechte oder linke Kraft stößt, der soll auf den Mittelpunkt und die Deklination und die Rückwendung kommen und wird deutlich merken, wie ihr ganzes Treiben astrologische Lehre ist.

Sie nennen sich selbst Peraten und nehmen an, nichts von dem, was im Werden begriffen ist, könne dem von seiner Entstehung an bestimmten Schicksal entgehen. Wenn etwas geworden ist, geht es auch völlig zugrunde, wie auch die Sibylle meint. Wir allein, so sagen sie, haben den Zwang des Entstehens erkannt und sind über die Wege, auf denen der Mensch in die Welt gekommen ist, genau unterrichtet und können allein den Untergang durchschreiten und hinübergelangen. Der Untergang ist das Wasser, und durch nichts ist die Welt schneller zugrunde gegangen als durch das Wasser; das Wasser ist aber das, was die Proastien umfließt, nämlich der Kronos; er ist eine wasserfarbige Kraft, welcher keiner der im Werden Befindlichen entfliehen kann; Kronos ist nämlich der Grund dafür, daß jede Kreatur dem Untergang verfällt, und keine Kreatur mag entstehen, ohne daß Kronos hemmend im Wege steht. Hiervon reden die Dichter, und es setzt selbst die Götter in Schrecken.

„Wissen soll’s nämlich (heißt es) Gaia und Uranos oben, der weite,
Und das rinnende Wasser des Styx; und das ist der größte
Und der gewaltigste Schwur für alle seligen Götter“.

Das sagen nicht nur die Dichter, sondern schon die Weisesten der Griechen, zu denen Heraklitus gehört, der behauptet: „Für die Seelen ist es Tod, zu Wasser zu werden“; so ergreift der Tod die Ägypter mit ihren Wagen im Roten Meer; alle die Unwissenden aber sind Ägypter. Der Auszug aus Ägypten bedeutet den Auszug aus dem Leibe — Ägypten sei der Körper, glauben sie —, und das Rote Meer überschreiten, das bedeutet das Wasser des Untergangs, den Kronos nämlich, überschreiten und über das Rote Meer gelangen, das bedeutet über das Entstehen hinüber gelangen, und in die Wüste kommen, das bedeutet aus dem Werden herausgelangen, dorthin, wo alle Götter des Verderbens und der Gott der Erlösung zusammen sind. Die Götter des Verderbens sind die Sterne, die dem Entstehenden die Notwendigkeit der Veränderung auferlegen. Moses nannte sie die Schlangen der Wüste, die jene beißen und verderben, die meinen, das Rote Meer durchschritten zu haben. Den Söhnen Israels, die gebissen worden waren, zeigte Moses in der Wüste die wahre Schlange, die vollkommene; die, welche auf sie vertrauten, wurden in der Wüste, d. i. von den Kräften nicht gebissen. Niemand also kann die aus Ägypten, d. i. aus diesem Leib und aus dieser Welt Ausziehenden, retten und bewahren, außer die vollkommene, die jede Fülle in sich schließende Schlange allein. Wer auf sie hofft7, wird von den Schlangen der Wüste, d. i. von den Göttern des Werdens, nicht zugrunde gerichtet. Im Buche Moses steht geschrieben: Diese Schlange ist die Kraft, die Moses begleitete, der Stab, der in eine Schlange sich verwandelte. Der Kraft des Moses stellten sich in Ägypten die Schlangen der Magier entgegen, die Götter des Verderbens, aber sie alle überwand und vernichtete der Stab des Moses. Diese allgemeine Schlange ist die weise Rede der Eva. Dies ist das Geheimnis Edem, dies der Fluß aus Edem, dies das dem Kain gegebene Zeichen, auf daß jeder, der ihn finde, ihn nicht töte. Dies ist Kain, dessen Opfer der Gott dieser Welt nicht annahm; das blutige des Abel aber nahm er an; an Blut hat der Herr dieser Welt Wohlgefallen. Das Schlangentier erschien in den letzten Tagen in Menschengestalt zur Zeit des Herodes, es war nach dem Bilde Josephs geschaffen, welcher durch Bruderhand verkauft wurde und der allein ein buntes Gewand hatte. Dieses ist nach dem Bilde Esaus geschaffen, dessen Gewand auch in seiner Abwesenheit gesegnet wurde, der den Segen des Blinden nicht empfing, aber nach außen reich wurde, nichts von dem Schwachgesichtigen erhielt, dessen Antlitz Jakob sah „wie ein Mensch das Antlitz Gottes sehen mag“. Von ihm steht geschrieben: „Wie Nebrod der riesige Jäger vor Gott“. Es gibt aber so viele Nachäffer des Schlangentieres, als beißende Schlangen von den Söhnen Israels in der Wüste gesehen wurden; jenes vollkommene, das Moses aufstellte, rettete die Gebissenen vor ihnen. Dies bedeutet das Wort: „Wie Moses die Schlange in der Wüste erhöhte, so muß der Menschensohn erhöht werden“. Nach dessen Bilde ward die eherne Schlange, die Moses in der Wüste aufstellte, gemacht. Deren Bild allein ist am Himmel immerwährend im Lichte sichtbar. Das ist der große Anfang, von dem in der Schrift steht. Über ihn ist gesagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dieses war im Anfange bei Gott, alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts geschaffen worden; was in ihm geschaffen ist, ist Leben“. In ihm ward die Eva geschaffen, Eva, das Leben. Dies ist die Eva, die Mutter aller Lebendigen, die gemeinsame Wesenheit, d. i. die der Götter und der Engel, der Unsterblichen und der Sterblichen, der vernunftlosen und der vernünftigen Dinge. Denn wer „aller“ sagte, der sagte „aller“; und wenn einer „selige Augen“ hat, der blickt zum Himmel auf und sieht der Schlange schönes Bild, das sich im großen Anfange des Himmels wendet und Anfang aller Bewegung für alles Werdende wird, und er erkennt, daß ohne sie nichts von den himmlischen und irdischen und unterirdischen Dingen entstanden ist; weder die Nacht, noch der Mond, noch Früchte, noch Entstehen, noch Reichtum, noch Wanderschaft, noch überhaupt etwas von dem Existierenden ist ohne deren Leitung. Hierin liegt „das große Wunder, das am Himmel von denen gesehen wird, die sehen können“. An der Spitze ihres Kopfes nämlich vermischen sich, was den Nichtwissenden unglaublich erscheint, Aufgang und Untergang miteinander. Dies ist es, worüber die Unwissenheit gesagt hat: Am Himmel

„Windet sich ein gewaltiges Wunder, ein riesiger Drache“.

Auf beiden Seiten schließen sich ihm an der Kranz und die Lyra, und oben am Kopfe selbst sieht man den erbarmungswürdigen Menschen, den Knienden,

„Haltend des rechten Fußes Spur auf dem geringelten Drachen“.

Am Rücken des Knienden aber liegt die unvollkommene Schlange, die vom Schlangenhalter mit beiden Händen zusammengeschnürt und abgehalten wird, zum Kranz, der neben der vollkommenen Schlange liegt, zu gelangen.

Das ist die buntschillernde Weisheit der peratischen Sekte; es ist peinlich, sie ganz darzustellen, denn sie ist widersinnig, da sie offenbar von der Sekte der Astrologen hergeleitet ist. So weit als möglich haben wir mit wenig Worten ihren ganzen Kern herausgeschält. Um aber kurz gedrängt ihre ganze Lehre darzustellen, möchten wir noch folgendes beifügen. Nach ihnen ist das All Vater, Sohn, Stoff; von diesen dreien hat jeder unendliche Kräfte in sich. Mitten zwischen der Materie und dem Vater hat der Sohn seinen Sitz, der Logos, die Schlange, die sich immer zum unbewegten Vater und zur bewegten Materie wendet; bald wendet sie sich zum Vater und nimmt die Kräfte in sich auf; wenn sie aber die Kräfte aufgenommen hat, wendet sie sich zur Materie, und die eigenschafts- und gestaltlose Materie prägt in sich die Ideen des Sohnes aus, die der Sohn vom Vater her in sich ausgeprägt hatte. Der Sohn wird nun nach dem Vater auf unaussprechliche, tonlose und unveränderliche Weise ausgeprägt, so wie nach den Worten des Moses von den Stäben in den Tränkrinnen die Färbung der Lämmer im Mutterschoße gekommen sei. Ebenso seien vom Sohne die Kräfte zur Materie geflossen gleich der Befruchtung durch die Kraft, die von den Stäben auf die Lämmer im Mutterschoße kam. Der Unterschied in der Färbung und die Ungleichheit, die von den Stäben durch das Wasser zu den Schafen kam, bedeutet den Unterschied des vergänglichen und des unvergänglichen Entstehens. Wie aber der Tierzeichner nichts von den Tieren nimmt, sondern mit dem Stifte alle Merkmale auf die Tafel überträgt, so überträgt der Sohn durch seine eigene Kraft die väterlichen Merkmale vom Vater auf die Materie. Es ist nun alles vom Vater Stammende dort und doch nichts. — Wenn nun einer zu erkennen vermag, daß die irdischen Dinge das von oben herabgekommene väterliche, verkörperte Merkmal haben, gänzlich gleich dem Vater im Himmel, so wie ein Lamm weiß wie der Stab wurde, der kommt dort hinauf; wer aber dieser Lehre nicht teilhaft wird und die Notwendigkeit des Werdens nicht erkennt, wird, wie eine Fehlgeburt, in der Nacht zur Welt gebracht, in der Nacht untergehen. Wenn also der Erlöser sagt: „Euer Vater im Himmel“, so meint er jenen, von dem der Sohn die Merkmale übernommen und hieher gebracht hat; wenn er aber sagt: „Euer Vater ist der Mörder von Anbeginn“, so meint er den Archon und Demiurgen der Materie, der die vom Sohn übergebenen Merkmale aufnahm und hier erzeugte; der ist der Mörder von Anbeginn, sein Werk zeugt nämlich Verderben und Tod. Niemand also kann gerettet werden und hinauf gelangen ohne den Sohn; und dieser ist die Schlange. Wie er von oben die väterlichen Merkmale herabgebracht hat, so trägt er sie von dort wieder hinauf, wenn sie aus dem Schlaf erweckt und wesenhafte väterliche Merkmale aus dem Nichtwesenhaften geworden sind. Dies bedeutet das Wort: „Ich bin die Türe“. Er bringt es aber hinüber, heißt es….. ….. wie das Naphta das Feuer von allen Seiten an sich zieht, ja mehr noch, wie der Magnet das Eisen und nichts anderes (an sich zieht), oder wie der Röhrknochen des Seeadlers das Gold und nichts anderes (an sich zieht), oder wie die Spreu vom Bernstein angezogen wird, so wird von der Schlange das ausgeprägte, vollkommene, wesensgleiche Geschlecht aus der Welt wiederangezogen, nichts anderes aber, als was von ihr herabgebracht wurde. Zum Erweise dieser Sache führen sie die anatomische Beschaffenheit des Gehirnes an und vergleichen das Gehirn selbst mit dem Vater wegen seiner Unbeweglichkeit, das Kleinhirn mit dem Sohn wegen seiner Beweglichkeit und seiner Schlangenähnlichkeit; dieses zieht, wie sie sagen, auf geheimnisvolle und dunkle Art durch die Eichel die aus dem Gehirnbogen fließende Geistes- und Zeugungskraft an sich; nachdem es sie aufgenommen, gibt es sie weiter, wie der Sohn lautlos der Materie die Ideen mitteilt, d. i. in das Rückenmark fließen die Samen und die Geschlechter der dem Fleische nach Entstehenden. Unter Benützung dieses Beispiels meinen sie geschickt ihre geheimnisvollen, schweigend überlieferten Mysterien einführen zu können, die auszusprechen für uns nicht angängig ist, die aber auf Grund des Gesagten leicht zu durchschauen sind.

Aber da ich nun wohl die peratische Ketzerei klar auseinandergesetzt und ans Tageslicht gebracht habe, sie, die sich immer versteckt, alles untereinandermengt und das eigene Gift verbirgt, so will ich keine weiteren Widerlegungen vorbringen, da sie sich durch ihre Lehren genugsam selbst richten.

Nun wollen wir sehen, was die Sethianer sagen. Sie meinen, das All habe drei gesonderte Prinzipien, von denen jedes unendliche Kräfte habe. Wenn sie aber von Kräften sprechen, so möge jeder Hörer daran denken, daß sie folgendes meinen: Alles, was du im Denken erkennst, oder auch, ohne daran zu denken, übergehst, das kann zu jedem dieser Prinzipien werden, wie in der menschlichen Seele jede gelehrte Kunst; wie z. B. dieses Kind, das eine Zeitlang Flötenunterricht genossen, ein Flötenspieler wird, oder es wird durch Geometrieunterricht ein Geometer, oder durch Grammatikunterricht ein Sprachgelehrter, oder durch Architekturunterricht ein Architekt, oder durch nähere Bekanntschaft mit irgendeiner sonstigen Kunst etwas Dementsprechendes. Die Wesenheiten dieser Prinzipien sind Licht und Dunkel, mitten zwischen ihnen ist das unvermischte Pneuma. Das Pneuma, das zwischen dem Dunkel in der Tiefe und zwischen dem Licht in der Höhe seine Lage hat, ist nicht ein Hauch, wie die Kraft des Windes oder eine fühlbare feine Luft, sondern wie der Duft einer Salbe oder eines zusammengestellten Räucherwerkes, eine feine durchdringende Kraft, mit einem ungeahnten, unaussprechlich starken Wohlgeruch. Da nun das Licht oben und das Dunkel unten ist und mitten zwischen diesen auf die eben beschriebene Art der Hauch, das Licht aber wie ein Sonnenstrahl seiner Natur nach von oben in das darunter liegende Dunkel leuchtet, der Wohlgeruch des Hauches aber wiederum in seiner Mittellage sich ausdehnt und überallhin kommt, wie wir die allseitige Verbreitung des Geruches beim Räucherwerk, das auf dem Feuer liegt, wahrnehmen. Da also solcher Art die Kraft der dreifach geteilten (Prinzipien) ist, so ist die Kraft des Pneuma und des Lichtes zugleich (auch) in dem darunter liegenden Dunkel. Das Dunkel ist aber ein furchtbares Wasser, in welches mit dem Pneuma das Licht herabgezogen und zu gleicher Wesenheit verwandelt wird. Das Dunkel ist aber nicht vernunftlos, sondern durchaus verstandbegabt, und es weiß, daß, wenn das Licht vom Dunkel genommen wird, das Dunkel einsam, lichtlos, glanzlos, kraftlos, energielos, schwach zurück bleibt. Deshalb trachtet es mit jedem Gedanken und jeder Überlegung, in sich den Glanz und den Funken des Lichtes mit dem Wohlgeruch des Pneuma zu behalten. Das Bild dieser Wesenheiten kann man im Antlitz des Menschen sehen, die Pupille des Auges, dunkel durch die darunter liegenden Wasser, erhellt durch das Pneuma. Wie nun das Dunkel nach dem Glanz strebt, auf daß es den leuchtenden Funken zu seinen Diensten habe und sehen könne, so strebt das Licht und das Pneuma nach ihrer eigenen Kraft; sie bemühen sich, ihre mit dem darunter liegenden Dunkel und dem furchtbaren Wasser vermischten Kräfte zu heben und zu sich zurückzubringen. Jede einzelne der gesamten Kräfte der drei Prinzipien, die unendliche Male unendlich an Zahl sind, ist ihrer Natur nach verstand- und vernunftbegabt. Unzählig an Menge, verstand- und vernunftbegabt, sind sie in Ruhe, wenn sie für sich allein bleiben. Wenn aber eine Kraft der anderen nahe kommt, so bewirkt die Ungleichheit bei der Nebeneinanderstellung eine Bewegung und eine Tätigkeit, die durch den Zusammenstoß der Kräfte entsteht. Der Zusammenstoß der Kräfte erfolgt in der Art, wie das Siegelbild sich durch Berührung mit dem Siegel dem vorliegenden Stoffe einprägt. Da nun die Kräfte der drei Prinzipien unzählig sind und durch die unzähligen Kräfte unzählige Zusammenstöße erfolgen, so entstehen notwendig unendlich vieler Siegel Bilder. Diese Bilder sind nun die Ideen der verschiedenen Lebewesen. Aus dem ersten großen Zusammenstoß der drei Prinzipien entsteht ein großes Siegelbild, Himmel und Erde. Himmel und Erde aber haben eine Gestalt, die dem Mutterschoße mit dem Nabel in der Mitte ähnlich ist, und wenn einer diese Gestalt sich vor Augen bringen will, der untersuche kunstgerecht den schwangeren Schoß eines beliebigen Lebewesens, und er wird das Bild des Himmels und der Erde und aller Dinge finden, die dazwischen unveränderlich liegen. Die Gestalt des Himmels und der Erde ist durch den ersten Zusammenstoß dem Mutterschoße ähnlich geworden. Mitten zwischen Himmel und Erde erfolgten dann wiederum unzählige Zusammenstöße von Kräften. Und jeder Zusammenstoß hat immer wieder das Siegelbild des Himmels und der Erde nach Art eines Mutterschoßes hervorgebracht und ausgeprägt. Auf der Erde aber entstanden aus unzähligen Siegeln unzählige Mengen von verschiedenen Lebewesen. In diese ganze Unendlichkeit verschiedener Lebewesen unter dem Himmel ist mit dem Lichte der Wohlgeruch des Pneuma von oben hineingestreut und verteilt worden. Aus dem Wasser ist als erstgezeugtes Prinzip ein ungestümer, heftiger, jedes Werden verursachender Wind entstanden. Er bringt die Wasser in Wallung und erregt in ihnen Wogen. Die Bewegung der Wellen, die wie ein Drang ist….. , sie sei mit dem Menschen oder mit dem Nus schwanger geworden, wenn sie schwellend vom Ansturm des Windes getrieben wird. Wenn nun diese Woge, vom Wind aus dem Wasser getrieben und geschwängert, als Weibchen fortpflanzungsfähig geworden ist, so hält sie das herabgestreute Licht von oben mit dem Duft des Pneuma fest, d. i. den Nus in seinen verschiedenen Gestalten. Dieser ist der vollkommene Gott, aus dem ungezeugten Licht von oben und aus dem Pneuma in die menschliche Natur herabgebracht, wie in einen Tempel, durch die Kraft der Natur und die Bewegung des Windes aus Wasser gezeugt, mit den Körpern vermengt und vermischt wie Salz in den Dingen und Licht in der Finsternis; er strebt darnach, sich von den Körpern zu lösen und kann die Loslösung und seinen Ausgang nicht finden; es ist nämlich ein ganz kleiner Funke hineingemengt….. ,

wie er im Psalme sagt. Alles Sinnen und Sorgen des Lichtes von oben geht dahin, wie und auf welche Weise der Nus vom Tode des bösen, dunklen Körpers befreit würde, vom Vater unten, welcher der Wind ist, der in ungestümem Brausen die Wogen erregt und der den Nus, seinen vollkommenen Sohn, erzeugt hat, der ihm aber nicht wesensgleich ist. Von oben stammte er, ein Strahl jenes vollkommenen Lichtes, im dunkeln, furchtbaren, bitteren, fauligen Wasser überwältigt; dies ist der leuchtende Geist, der über den Wassern schwebt…… , wie man es bei allen Lebewesen sieht. Der heftige, in seiner Wucht furchtbare Wind ist in seinem Ungestüm einer Schlange ähnlich, ist geflügelt. Von diesem Wind, d. i. von dieser Schlange, stammt das Prinzip des Werdens auf die besprochene Art, indem alles zugleich das Entstehungsprinzip erhielt. Nachdem also das Licht und das Pneuma in dem unreinen, leidvollen, wüsten Mutterschoß gefangen worden sind, geht die Schlange, der Wind des Dunkels, der Erstgeborene der Wasser, in ihn ein und erzeugt den Menschen, und der unreine Mutterschoß liebt und erkennt kein anderes Gebilde an. Es machte sich nun der von oben kommende vollkommene Logos des Lichtes der Bestie, der Schlange, ähnlich und ging in den unreinen Mutterschoß ein, indem er ihn durch seine Ähnlichkeit mit der Bestie täuschte, auf daß er die Fesseln löse, die den vollkommenen Nus umstricken, der in der Unreinheit des Mutterschoßes vom Erstgeborenen des Wassers, von der Schlange, dem Winde, der Bestie erzeugt wurde. Dies ist die Knechtsgestalt und dies die Notwendigkeit, warum der Logos Gottes in den Schoß der Jungfrau herabstieg. Aber das Eingehen des vollkommenen Menschen, des Logos, in den Schoß der Jungfrau und das Lösen der Geburtswehen in jenem Dunkel genüge nicht; sondern, nachdem er in die scheußlichen Geheimnisse im Mutterschoß eingegangen war, wurde er abgewaschen und trank den Becher des lebendigen, sprudelnden Wassers, den unbedingt der trinken muß, der die Knechtsgestalt ablegen und das himmlische Gewand anziehen will.

Das ist’s, was die Wortführer der Sethianerlehre sagen, wenn man es kurz zusammenfaßt. Ihre Lehre ist ein Konglomerat aus den Äußerungen der Physiker, die in anderem Belang gemacht wurden, die sie dann auf die eigene Lehre übertragen und so erklären, wie wir es angegeben. Sie behaupten, auch Moses stütze ihre Lehre, wenn er sagt: „Dunkel und Finsternis und Sturm“ — diese drei Worte —, oder wenn er sagt, im Paradies habe es drei gegeben, Adam, Eva, die Schlange, oder wenn er von dreien spricht, Kain, Abel, Seth, und wiederum von dreien, Sem, Cham, Japhet, oder wenn er drei Patriarchen nennt, Abraham, Isaak, Jakob, oder wenn er sagt, es habe drei Tage vor Sonne und Mond gegeben, oder wenn er von drei Gesetzen spricht, dem verbietenden, dem erlaubenden und dem Strafgesetz. Ein verbietendes Gesetz ist: „Von jedem Baum im Paradiese magst du verzehren und essen, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollt ihr nicht essen“. In den Worten: „Zieh hinweg aus deinem Lande und deiner Verwandtschaft und geh hin in ein Land, das ich dir zeigen werde“ liegt ein erlaubendes Gesetz; denn der, der willens ist, kann hinwegziehen, wer nicht willens ist, bleiben. Ein Strafgesetz ist: „Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen“. Es ist für jedes dieser Vergehen eine Strafe festgesetzt.

Es stammt aber ihre ganze Lehrunterweisung von den alten Theologen Musäos und Linos und von Orpheus, der hauptsächlich die Weihen und Mysterien einführte. Ihre Lehre über den Mutterschoß, die Schlange und den Nabel, der Mannhaftigkeit bedeutet, findet sich klar in den Bacchischen Mysterien des Orpheus. Diese wurden in Phlius in Attika vor den Weihen des Keleos, Triptolemos, der Ceres, der Kore und des Dionysos in Eleusis gefeiert und überliefert; die Feste der sogenannten Megale in Phlius liegen vor den eleusinischen Mysterien. Es befindet sich dort eine Säulenhalle, in diese Säulenhalle sind die Bilder aller der erwähnten Dinge bis auf den heutigen Tag eingeritzt. Über vieles von dem, was in diese Säulenhalle eingeritzt ist, handelt Plutarch in den zehn Büchern gegen Empedokles. In die Türen ist auch ein kahler Greis mit Flügeln eingeritzt, dessen Scham in Erregung ist und der ein fliehendes, hundeähnliches Weib verfolgt. Beim Greise steht: [phaos rhyentēs] φάος ῥυέντης, bei dem Weib: [pereēphikola] περεηφικόλ. Nach der Lehre der Sethianer scheint der [phaos rhyentēs] φαός ῥυέντης das Licht, die [phikola] φικόλα das dunkle Wasser zu sein, der zwischen ihnen liegende Raum die Harmonie des dazwischen liegenden Pneumas. Der Name des [phaos] φαός[rhyentēs]ῥυέντης bedeutet, wie sie sagen, den Fluß des Lichtes von oben nach unten, so daß man dementsprechend sagen könne, die Sethianer feierten ungefähr die Feste der Megale der Phliasier. Eine Dreiteilung scheint auch der Dichter zu bezeugen mit den Worten:

„Dreifach ward alles geteilt, und jede erloste die Herrschaft“.

Das heißt, jedes der dreifach geteilten Dinge hat Kraft erhalten. Und vom darunter befindlichen Wasser, in dem das Licht unterging, das den von ihm herabgekommenen Funken an sich nehmen und hinauf bringen muß, scheinen die allwissenden Sethianer zu reden, wenn sie aus Homer entlehnen:

„Wissen soll’s nämlich Gaia und Uranos oben, der weite,
Und das rinnende Wasser des Styx; und das ist der größte
Und der gewaltigste Schwur für alle seligen Götter“.

Das heißt, die Götter halten nach Homer das Wasser für etwas Verabscheuenswertes und Gräuliches, das nach der Lehre der Sethianer dem Nus furchtbar ist.

Dergleichen lehren sie in unzähligen Abhandlungen; sie raten ihren Schülern, die Lehre über Vermischung und Vermengung kennen zu lernen, mit welcher sich viele beschäftigt haben, insbesondere aber der Peripatetiker Andronikos. Die Sethianer nun sagen, die Lehre von der Vermischung und Vermengung habe folgenden Aufbau: Der leuchtende Strahl von oben und der kleinste Funke seien in die dunklen Wasser unten ganz fein hineingemengt und mit ihnen verbunden und bilden ein Gemenge, wie ein Duft aus vielem auf dem Feuer zusammengemischten Räucherwerk besteht; und es muß der Kenner, wenn er einen feinen Geruchsinn hat, aus dem einen Geruch des Räucherwerkes genau jeden der auf dem Feuer gemischten Wohlgerüche herausfinden, wie z. B. Gummiharz, Myrrhe, Weihrauch oder was sonst beigemischt ist. Sie verwenden noch andere Beispiele und sagen: dem Gold ist Erz beigemischt, und es ist ein Verfahren erfunden, womit man das Erz vom Golde scheiden kann. Ebenso auch, wenn sich im Silber die Beimischung von Zinn oder Erz oder von einem verwandten Stoffe findet, so wird durch ein noch kunstvolleres Mischungsverfahren auch dies ausgeschieden. Es kann einer schon die Beimischung von Wasser im Wein bemerken. So wird nach ihnen alles, was zusammengemischt ist, geschieden. Ja, lerne, so sagen sie, von den Tieren. Wenn ein Tier verendet ist, so scheidet sich alles, und während alles sich auflöst, verschwindet das Tier. Dies bedeutet das Wort: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden auf die Erde zu bringen, sondern das Schwert“, d. h. das Vermengte zu trennen und zu scheiden. Alles Vermischte wird nämlich getrennt und geschieden, wenn es an den ihm zustehenden Ort kommt. Wie es nämlich für alle Lebewesen einen Ort der Vermischung gibt, so besteht auch einer für die Sonderung; niemand weiß ihn als nur wir, die wir als Geistige wiedergeboren sind, nicht als Fleischliche, deren „Bürgerschaft im Himmel“ oben ist. So verderben sie auf Schleichwegen ihre Hörer, indem sie Worte mißbrauchen und richtigen Aussprüchen einen beliebigen schlechten Sinn unterschieben, und mit willkürlichen Vergleichen verbergen sie ihr Verbrechen. Alles Vermischte aber hat, wie gesagt, den ihm eigentümlichen Ort und drängt dahin, wohin es gehört, wie das Eisen zum Magneten und die Spreu in die Nähe des Bernsteins und das Gold zum Sporn des Seeadlers. So eilt der Strahl des mit dem Wasser vermischten Lichtes, nachdem er den ihm zustehenden Ort durch Unterricht und Lehre erfahren hat, zum Logos, der von oben in Knechtsgestalt gekommen ist, und weilt mit dem Logos als Logos dort, wo der Logos ist, (er drängt) mit mehr Gewalt (dorthin) als das Eisen zum Magneten. Erkenne, daß dies so ist und alles Vermischte an den ihm eigentümlichen Orten gesondert wird. In Persien in der Stadt Ampe am Tigris liegt ein Brunnen; neben der Brunnenöffnung ist ein Reservoir errichtet, das außerdem noch drei Behältnisse hat. Es schöpft nun einer aus dem Brunnen, befördert das Geschöpfte, was immer es ist, mit einem Eimer herauf und gießt es in das danebenliegende Reservoir. Das Ausgegossene fließt nun in die anderen Behältnisse und zersetzt sich und sammelt sich in je einem, und zwar zeigt sich im ersten kristallisiertes Salz, im zweiten Behältnisse Asphalt und im dritten Öl. Das Öl ist aber schwarz, wie auch Herodot erzählt, und strömt einen schweren Geruch aus; die Perser nennen es Rhadinake. Zum Erweis des Vorgelegten, sagen die Sethianer, dient die Ähnlichkeit mit dem Brunnen weit mehr als alles, was vorher gesagt worden ist.

Uns scheint nun die Lehre der Sethianer genügend erklärt zu sein. Wenn aber jemand ihr ganzes Tun und Treiben kennen lernen will, der lese das Buch, das den Titel trägt: Paraphrasis Seth; alle ihre Geheimnisse wird er dort niedergelegt finden. Aber nachdem wir das die Sethianer Betreffende auseinandergesetzt haben, wollen wir sehen, was die Ansichten des Justinus sind.

Justinus ist durchweg gegen die Lehre der heiligen Schriften, insbesondere gegen das schriftliche Wort der heiligen Evangelisten; es unterwies ja der Logos seine Jünger mit den Worten: „Geht nicht auf den Weg der Heiden“, was doch bedeutet, man solle der nichtigen Lehre der Heiden kein Gehör geben. Justinus freilich trachtet, seinen Hörern die Wundermären und Unterweisungen der Heiden nahe zu bringen; er legt mit seinen eigenen Worten die Fabeln der Griechen aus, sein vollkommenes Geheimnis lehrt und übergibt er aber nicht eher, bevor er nicht den Genasführten mit einem Eide gebunden hat. Er gibt dann der Kurzweil halber Fabeln drein, damit die, welche das endlose Büchergeschwätz durchgemacht haben, die Fabeln als Trost hätten — so wie wenn einer auf einem großen Marsch sich im Wirtshaus ausruhen will —, sich dann wieder zur Vielwisserei der Bücher wendeten und nicht überdrüssig würden, bis sie, durch vielerlei Mätzchen umgarnt, sich auf den von ihm fabrizierten Unsinn ganz benebelt stürzen; er bindet sie nun zuerst mit furchtbaren Eiden, zwingt sie zu versprechen, weder etwas auszusagen noch abzufallen, und dann teilt er (ihnen) die von ihm gottlos ausgedachten Mysterien mit, unter Benützung, wie gesagt, zum Teil von griechischen Mythen, zum Teil von gefälschten Büchern, die einigermaßen die vorerwähnten Häresien andeuten. Sie alle werden von einem Geist miteinander in einen Abgrund gedrängt und getrieben, indem die einen so, die anderen so ein und dieselbe Sache darlegen und darüber fabulieren. Alle diese nennen sich mit Vorzug Gnostiker (Wissende), da sie allein die wunderbare Wissenschaft vom Vollkommenen und Guten eingeschlürft haben.

So schwöre denn, sagt Justinus, wenn du erkennen willst, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen“, den über alles Guten, den Oberen, das Geheimnis der Lehre unausgesprochen zu bewahren. Denn auch unser Vater, nachdem er den Guten gesehen und ihm zur Seite eingeweiht wurde, hat das zu Verschweigende unausgesprochen bewahrt und hat geschworen, wie geschrieben steht: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht reuen“. Wenn Justinus dies so hat bekräftigen lassen, so ergötzt er die Anfänger mit mancherlei Fabeln in mancherlei Büchern und führt sie so zu dem „Guten“, indem er sie in die unaussprechlichen Mysterien einweiht. Um aber nicht all zu vieles durchgehen zu müssen, wollen wir die Geheimnisse aus einem seiner Bücher, das nach seiner Meinung ein Meisterwerk ist, vorlegen. Das Buch ist Baruch betitelt; eine der zahlreichen darin enthaltenen Fabeln wollen wir als von Herodot stammend nachweisen; er gibt sie umgestaltet als etwas Neues seinen Zuhörern wieder und macht sich aus ihr die ganze Grundlage seines Lehrgebäudes.

Herodot also erzählt, Herakles habe die Rinder des Geryon von Erythrea weggetrieben und sei nach Skythien gekommen; vom Marsch ermüdet sei er, an einen einsamen Ort gelangt, etwas eingeschlafen; während er schlummerte, sei das Pferd verschwunden, auf dem er die große Reise gemacht hatte. Erwacht stellte er in der öden Gegend eine lange Nachsuche an, um das Pferd zu finden. Er konnte seiner nicht habhaft werden, fand aber ein Mädchen, halb Jungfrau, in der einsamen Gegend und fragte es, ob es vielleicht das Pferd gesehen habe. Das Mädchen gab an, es gesehen zu haben, es werde ihn das Pferd aber nicht eher finden lassen, als bis er in Liebesgemeinschaft mit ihr verkehrt habe. Es waren aber, sagt Herodot, die oberen Teile bis zur Weiche die einer Jungfrau, der ganze Unterleib unterhalb der Weiche bot den furchtbaren Anblick einer Natter. Voll Verlangen, wieder in den Besitz des Pferdes zu kommen, war Herakles der Bestie zu Willen; er erkannte sie, schwängerte sie und kündete ihr hernach, daß sie von ihm drei Knaben zugleich im Schoße habe, die berühmt werden sollten. Er gebot der Mutter, ihnen nach ihrer Geburt die Namen Agathyrsos, Gelonos und Skythe zu geben. Als Lohn erhielt er von der Tierjungfrau das Pferd und entfernte sich mit den Rindern. Herodot schließt hieran noch eine lange Erzählung; das hier Gesagte soll genügen. Über die Ansichten des Justinus, der diese Fabel auf die Entstehung des Alls übertragen hat, wollen wir nun handeln.

Er sagt: Es gab drei unerzeugte Prinzipien des Alls, zwei männliche und ein weibliches. Von den männlichen heißt eines der Gute, und zwar wird dieses allein so genannt, er ist Vorauswisser aller Dinge; das andere heißt Vater alles Erzeugten, es ist ohne Vorherwissen, ohne Erkenntnis, ohne Sehvermögen. Das weibliche ist ohne Vorherwissen, zornmütig, hat zwei Seelen und zwei Leiber, ist in allem dem Mädchen der Herodotischen Fabel ähnlich, bis zur Scham Jungfrau, unterhalb Schlange, wie Justinus behauptet; dieses Mädchen heißt Edem und Israel. Dies sind die Prinzipien des Alls, Wurzeln und Quellen, aus welchen das Existierende entstand; etwas anderes gab es nicht. Da nun der Vater, der Nichtvorauswisser, jene Halbjungfrau Edem sah, überkam ihn Begierde nach ihr. Dieser Vater aber heißt Elohim; ebensosehr aber begehrte Edem nach Elohim, und die Begier vereinigte sie in einem Liebeserweis. Aus diesem Verkehr erzeugt sich der Vater mit der Edem zwölf Engel. Die Namen der väterlichen Engel sind: Michael, Amen, Baruch, Gabriel, Esaddaios….. und die Namen der mütterlichen Engel, die Edem zur Welt brachte, folgen gleichfalls. Es sind die folgenden: Babel, Achamod, Naas, Bel, Bellas, Satan, Sael, Adonaios, Kauithan, Pharaoth, Karkamenos, Lathen. Von diesen vierundzwanzig Engeln haben die väterlichen Gemeinschaft mit dem Vater und vollführen in allem seinen Willen, die mütterlichen mit Edem. Die Gesamtzahl all dieser Engel ist das Paradies, von dem Moses sagt: „Gott pflanzte das Paradies in Edem gegen Osten“, d. h. gegen das Angesicht Edems, auf daß Edem das Paradies, d. i. die Engel, für immer sehe. Die Engel dieses Paradieses werden allegorisch Bäume genannt, und der Baum des Lebens ist der dritte der väterlichen Engel, Baruch; der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen ist der dritte der mütterlichen Engel, Naas. Dies sollen nach ihm die Worte des Moses bedeuten; Moses habe dies verdeckt gesagt, weil nicht alle zur Wahrheit gelangten. Nachdem aber das Paradies aus der gemeinsamen Liebe Elohims und Edems entstanden war, nahmen die Engel Elohims etwas von der schönsten Erde, d. i. nicht vom tierischen Teil Edems, sondern von den menschlichen und edlen Teilen der Erde über der Scham und bildeten den Menschen. Aus den tierischen Teilen entstehen die Tiere und die übrigen Lebewesen. Den Menschen also machten (Elohim und Edem) zum Sinnbild ihrer Einheit und Liebe und legten ihre eigenen Kräfte in ihn, Edem die Psyche, Elohim das Pneuma. Und der Mensch Adam wird zum Siegel und zum Denkmal der Liebe und zum ewigen Sinnbild der Ehe Edems und Elohims. Auf gleiche Weise ist auch Eva, wie von Moses aufgezeichnet ist, Abbild und Sinnbild, ewig zu hütendes Siegel der Edem geworden; in gleicher Weise ward auch in Eva, dem Abbilde, die Psyche von Edem, das Pneuma von Elohim gelegt. Und es wurden ihnen Weisungen gegeben: „Wachset und vermehret euch und erbet die Erde“, d. i. die Edem; nach Justinus soll es so geschrieben stehen. Edem hat nämlich ihre ganze Kraft wie eine Mitgift bei der Hochzeit dem Elohim zugebracht. Und so, sagt er, bringen bis heute die Frauen in Nachahmung jener ersten Ehe den Männern eine Mitgift in Befolgung eines göttlichen und väterlichen Gesetzes, das zwischen Elohim und Edem Geltung hatte. Nachdem nun alles geschaffen war, wie es bei Moses steht, der Himmel, die Erde und was darin ist, wurden die zwölf Engel der Mutter „in vier Ursprünge“ geteilt, und jedes dieser Viertel heißt Fluß, Pheison, Geon, Tigris und Euphrat, wie Moses sagt; diese zwölf Engel umwandeln in vier Abteilungen die Welt und verwalten sie und haben von Edem eine Befehlsgewalt über die Welt. Sie bleiben aber nicht immer an den gleichen Stellen, sondern umwandeln wie in einem zyklischen Reigen die ihnen zugeteilten Räume, indem sie sich von Ort zu Ort begeben und nach Zeiten und Zwischenräumen ihren Platz wechseln. Wenn nun Pheison über die Räume herrscht, so entsteht in diesem Teil der Erde Hunger, Bedrängnis und Elend. Karg ist die Konstellation dieser Engel. Ebenso entstehen aus jedem der vier Teile nach der Kraft und Natur des einzelnen schlimme Zeiten und Epidemien; und so geht es für immer, ohne Unterbrechung, rund um die Welt gemäß der Herrschaft jener Viertel, wie ein Strom von Bosheit nach dem Willen der Edem. Das notwendige Böse hat folgenden Grund: Da Elohim in wechselseitiger Liebe die Welt hergestellt und gebildet hatte, wollte er in die oberen Schichten des Himmels aufsteigen und sehen, ob nicht etwas an seiner Schöpfung mangelhaft sei; er nahm die eigenen Engel bei seinem Aufstieg mit sich und ließ Edem unten zurück; da sie Erde war, wollte sie ihrem Gatten nicht hinauf folgen. Da nun Elohim oben an das Ende des Himmels kam und ein helleres Licht als das, das er geschaffen, sah, sprach er: „Öffnet mir die Tore, auf daß ich eingehe und dem Herrn bekenne; ich meinte nämlich, ich sei der Herr.“ Antwort ward ihm vom Lichte mit den Worten: „Dies ist das Tor des Herrn, Gerechte treten durch dasselbe ein“. Und sofort ward das Tor geöffnet und der Vater trat ohne Engel zum Guten ein und sah „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen“. Dann sprach der Gute zu ihm: „Setze dich zu meiner Rechten!“ Der Vater aber sprach zum Guten: „Laß mich, Herr, die Welt, die ich geschaffen, vernichten; mein Pneuma ist an die Menschen gebunden, und ich will es wieder zu mir nehmen.“ Darauf sprach der Gute zu ihm: „Du kannst nichts Böses tun, da du bei mir bist; aus gemeinsamer Liebe habt ihr die Welt gemacht, du und Edem; lasse also Edem die Schöpfung besitzen, so lange sie will, du aber bleibe bei mir.“ Da erkannte Edem, daß sie von Elohim verlassen sei; voll Trauer ließ sie die eigenen Engel neben sich stehen und schmückte sich sorgfältig, ob vielleicht Elohim von Begierde ergriffen zu ihr herabkäme. Da aber Elohim, von dem Guten bezwungen, nicht mehr zu Edem herabkam, befahl Edem der Babel, die Aphrodite ist, Ehebrüche und Scheidungen bei den Menschen anzustiften; es sollte, so wie sie von Elohim geschieden war, auch das Pneuma Elohims, das in den Menschen ist, durch solche Scheidungen gequält und betrübt werden und dasselbe leiden, wie Edem in ihrer Verlassenheit. Und Edem gab ihrem dritten Engel Naas große Macht, damit er mit allen Strafen das in den Menschen befindliche Pneuma Elohims züchtige, um durch das Pneuma Elohim selbst zu strafen, der gegen die zwischen ihnen geschlossenen Verträge seine Gattin verlassen hat. Da der Vater Elohim dies sah, schickte er Baruch, seinen dritten Engel, aus, um dem in allen Menschen befindlichen Pneuma zu helfen. Baruch ging also und stellte sich mitten unter die Engel Edems, d. i. mitten in das Paradies — das Paradies sind nämlich die Engel, in deren Mitte er sich stellte — und verkündete dem Menschen: „Von jedem Baume, der im Paradiese ist, wirst du essend genießen, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen“. Dieser ist Naas; das bedeutet, den elf anderen Engeln Edems solle man gehorchen; sie haben zwar Leidenschaften, aber sie haben keine Ungerechtigkeit; Naas hatte aber Ungerechtigkeit; er machte sich an Eva heran, täuschte sie und trieb Ehebruch mit ihr, was Unrecht ist; er machte sich aber auch an Adam heran und mißbrauchte ihn wie einen Knaben, was gleichfalls Unrecht ist. Daraus entstand der Ehebruch und die mannmännliche Unzucht. Seit der Zeit beherrschte das Böse und das Gute, die beide zugleich vom Vater verursacht sind, die Menschen; da der Vater nämlich zu dem Guten hinaufstieg, zeigte er denen, die hinaufkommen wollen, den Weg; indem er Edem verließ, bewirkte er für sein in den Menschen befindliches Pneuma den Beginn von Übeln. Es wurde also Baruch zu Moses gesandt, und durch ihn sprach er zu den Söhnen Israels, daß sie sich zu dem Guten bekehren sollten. Der dritte……. verdunkelte durch die von Edem her in Moses wie in allen Menschen wohnende Psyche die Weisungen Baruchs und brachte die seinigen zu Gehör; deswegen ist die Psyche gegen das Pneuma gerichtet und das Pneuma gegen die Psyche. Die Psyche nämlich ist Edem, das Pneuma Elohim, beide wohnen in sämtlichen Menschen, den weiblichen wie den männlichen. Wiederum ward Baruch zu den Propheten gesandt, auf daß das in den Menschen wohnende Pneuma durch die Propheten zum Gehorsam komme und Edem und das verderbte Gebilde fliehe, wie der Vater Elohim geflohen ist; ebenso und mit derselben Absicht lockte Naas durch die mit dem Pneuma des Vaters im Menschen wohnende Psyche die Propheten an sich, und alle ließen sich verlocken und folgten den Worten Baruchs nicht, die Elohim aufgetragen hatte. Schließlich wählte Elohim aus der Vorhaut Herakles als Propheten und schickte ihn, um die zwölf Engel Edems niederzukämpfen und den Vater von den zwölf verderbten Engeln der Schöpfung zu befreien. Das sind die zwölf Arbeiten des Herakles, die er der Reihe nach ausführte, von der ersten bis zur letzten, den Löwen, die Hydra, den Eber und so fort; das sind die heidnischen Namen; diese Namen sind, wie er sagt, von der Kraft der mütterlichen Engel übertragen. Da nun Herakles meinte, alles vollbracht zu haben, schloß sich ihm Omphale, die Babel oder Aphrodite ist, an, verlockte ihn und nahm ihm seine Kraft, die Weisungen des Baruch, die Elohim aufgetragen hatte, und gab ihm ihr eigenes Gewand, d. i. die Kraft der Edem, der Kraft von unten, und so blieben die Prophezeiung und die Werke des Herakles ergebnislos. Schließlich aber, „in den Tagen des Königs Herodes“, ward Baruch wieder von Elohim herabgeschickt und kam nach Nazareth. Dort fand er Jesus, den Sohn Josephs und Marias, Schafe hütend, als zwölfjährigen Knaben, und verkündete ihm alle Ereignisse von Edem und Elohim von Anfang an und alle späteren und sprach: „Alle Propheten vor dir ließen sich verlocken; bemühe dich, Jesus, Menschensohn, dich nicht verlocken zu lassen, sondern verkünde diese Lehre den Menschen und tue ihnen die Angelegenheiten des Vaters und die des Guten kund und steige auf zu dem Guten und nimm dort Platz mit Elohim, dem Vater von uns allen.“ Und Jesus sprach: „Herr, ich werde alles tun“ und folgte dem Engel und kündete. Auch ihn wollte Naas verführen, konnte es aber nicht; Jesus blieb nämlich Baruch treu. Naas ergrimmte nun, weil er ihn nicht verführen konnte, und ließ ihn kreuzigen; er aber ließ Edems Leib am Holze und stieg zu dem Guten auf. Er sprach zu Edem: „Weib, nimm dir deinen Sohn“, d. i. den physischen und stofflichen Menschen, er aber gab das Pneuma in die Hände des Vaters und stieg zu dem Guten auf. Der Gute aber ist Priapos, der schuf, bevor etwas existierte. Deswegen heißt er Priapos, weil er zuerst das All erschuf. Deswegen wird er von der ganzen Schöpfung geehrt, in jedem Tempel und auf den Wegen aufgestellt, die herbstlichen Früchte an sich tragend, d. i. die Früchte der Schöpfung, deren Urheber er ward, indem er die Schöpfung zuerst erschuf, die vorher nicht existierte. Wenn ihr nun die Menschen sagen hört, daß ein Schwan zur Leda kam und mit ihr Kinder erzeugte, so ist der Schwan Elohim und Leda Edem. Und wenn die Menschen sagen, daß ein Adler zur Ganymed gekommen sei, so ist der Adler Naas, Ganymed Adam. Und wenn sie sagen, das Gold sei zu Danae gekommen und habe mit ihr Kinder gezeugt, so ist das Gold Elohim, Danae ist Edem. Ebenso legen sie alle derartigen Erzählungen aus, indem sie ähnliche Mythen zusammenstellen. Wenn die Propheten sagen: „Höre, Himmel, und leihe das Ohr, Erde, der Herr hat gesprochen“, so nennt der Prophet Himmel das Pneuma Elohims im Menschen, Erde die im Menschen mit dem Pneuma befindliche Psyche, Herr den Baruch, Israel Edem. Edem wird ja nach Justinus auch Israel, die Gattin Elohims, genannt. „Israel erkannte mich nicht“. Wenn es nämlich erkannt hätte, daß ich bei dem Guten bin, hätte es das Pneuma, das durch die väterliche Unwissenheit in den Menschen ist, nicht gestraft……

In dem ersten Buch, das „Baruch“ betitelt ist, steht auch ein Eid, den diejenigen schwören müssen, die diese Mysterien kennen lernen und bei dem Guten eingeführt werden wollen; diesen Eid, so sagt Justinus, schwor unser Vater Elohim, da er zum Guten kam, und es gereute ihn sein Schwur nicht, von dem geschrieben steht: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht gereuen“. Der Schwur aber lautet so: „Ich schwöre bei dem über alles Erhabenen, dem Guten, diese Geheimnisse zu hüten und niemand mitzuteilen und mich nicht von dem Guten zur Schöpfung zurückzuwenden.“ Wenn einer diesen Eid geschworen hat, geht er zu dem Guten ein und sieht, „was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und was in keines Menschen Herz gedrungen ist“, und trinkt vom lebendigen Wasser, das für sie Reinigung ist, die Quelle des strömenden lebenden Wassers, wie sie meinen. Es ist Wasser von Wasser geschieden, und das Wasser unterhalb des Firmamentes ist das der verderbten Schöpfung, in dem die stofflichen und psychischen Menschen abgewaschen werden, und das Wasser oberhalb des Firmamentes ist das lebende Wasser des Guten, in dem sich die geistigen (pneumatischen) lebendigen Menschen abwaschen und in dem sich Elohim abwusch, den diese Waschung nicht gereute. Und wenn der Prophet sagt: „Nimm dir ein Weib der Unzucht, denn buhlend treibt die Erde Buhlerei, fern vom Herrn, d. i. Edem fern von Elohim, so drückt er hierin klar das ganze Geheimnis aus, und man hört nicht auf ihn wegen der Bosheit des Naas. Auf dieselbe Weise exegesieren sie in mehreren Büchern die anderen prophetischen Aussprüche. Ihr Hauptbuch ist aber das „Baruch“ betitelte, aus dem der Leser ihre ganze Behandlung des Mythos ersehen kann. Ich habe schon viele Häresien kennen gelernt, Geliebte, ich bin aber niemals auf etwas so Schlechtes gestoßen. Wahrhaftig, man sollte….. seinen (Justinus‘) Herakles nachahmen und den Augiasstall, besser noch die Kloake, ausräumen; die ihm anhangen, fallen hinein und werden nimmer gereinigt, ja sie können nicht einmal mehr den Kopf herausstrecken.

Nachdem wir auch des Afterweisen Justinus Unterfangen geschildert haben, sollen nun die Lehren der verwandten Häresien in den folgenden Büchern dargestellt werden und keine davon unwiderlegt bleiben; es sollen die charakteristischen Aussprüche angeführt werden, um das kundzutun, was sie verbergen und verschweigen, und in was mit vieler Mühe und Not sich die Dummen einführen lassen. Nun wollen wir also sehen, was Simon lehrt.

Buch VI.

Inhalt [1-5]

1. Der Inhalt des sechsten Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

2. Das Unterfangen Simons; seine Lehre stützt sich auf die Magier und die Dichter.

3. Die Lehre des Valentinus; seiner Lehre liegen nicht die heiligen Schriften zugrunde, sondern die Lehren der Platoniker und Pythagoreer.

4. Die Ansichten des Sekundus, des Ptolemaios und des Herakleon; sie vertreten die gleichen Ansichten wie die griechischen Weisen, nur mit anderen Worten.

5. Die Meinungen des Markus und des Kolarbasos; einige ihrer Schüler hielten sich an Magie und an pythagoreische Zahlen.

Die Ansichten derer, die ihre Grundsätze dem Schlangenkult entnahmen und schließlich aus freien Stücken ihre Meinungen ans Tageslicht brachten, habe ich in dem vorhergehenden Buche, dem fünften der Widerlegung aller Häresien, auseinandergesetzt. Nun möchte ich aber auch die Meinungen ihrer Nachfolger nicht mit Schweigen übergehen, vielmehr will ich keine einzige unwiderlegt lassen, wenn es nur möglich ist, alle aufzuzählen; dazu kommen noch ihre geheimen Orgien, die mit Recht Orgien heißen; denn die, welche solches treiben, sind nicht weit vom göttlichen Zorn; ich will mich auch einmal der Etymologie bedienen.

Es erscheint also angebracht, die Meinungen des Simon aus Gitta, einem Dorf in Samaria, auseinanderzusetzen; er hatte auch Nachfolger, wie wir noch zeigen werden, die unter anderer Flagge ähnlich verfuhren. Dieser Simon, der Magie kundig, täuschte viele durch die Kunst des Thrasymedes, wie wir es oben auseinandergesetzt haben, und verübte Schlimmes mit Hilfe von Dämonen; er ging daran, sich selbst zum Gott zu machen; ein Schwindler, voller Narrheiten, den nach den Acta die Apostel überführten. Nicht viel weiser und gemäßigter ging in Libyen Apsethos, der Libyer, ans Werk, der darnach strebte, für Gott gehalten zu werden; dessen Beginnen, das sich nicht viel von dem Gebaren des Narren Simon unterscheidet, wollen wir erzählen; es ist der Mühe wert.

Apsethos, der Libyer, wollte Gott werden; da er trotz aller Versuche sein Ziel nicht erreichte, so trachtete er darnach, es zum Schein zu werden, und in der Tat schien es, als ob er im Laufe der Zeit Gott geworden wäre. Es brachten ihm tatsächlich die dummen Libyer Opfer dar und meinten, einer göttlichen Stimme vom Himmel zu folgen. Apsethos schloß nämlich eine Menge Papageien in ein Vogelhaus ein; nun gibt es in Libyen eine Menge Papageien, die gar genau die menschliche Stimme nachmachen. Er fütterte die Vögel lange Zeit und lehrte sie sprechen; Apsethos ist Gott. Nachdem die Vögel abgerichtet worden waren, sprachen sie es nach; jener glaubte nun, er könne hierdurch den Leuten den Glauben an seine Gottheit beibringen, öffnete das Vogelhaus und ließ die Papageien nach allen Richtungen fliegen. Da die Vögel nun ausflogen, verbreitete sich der Spruch in ganz Libyen, und ihre Worte gelangten bis ins griechische Land, und so hielten die Libyer, durch das Wort der Vögel tief beeindruckt und ohne den durch Apsethos vollbrachten Betrug zu durchschauen, den Apsethos für einen Gott. Ein Grieche durchschaute genau den Schwindel des mit Hilfe jener Papageien in den Augen der Leute zum Gott gewordenen Menschen und widerlegte diesen unverschämten Prahlhans nicht nur, sondern verursachte auch seinen Tod. Der Grieche sperrte nämlich viele von diesen Papageien ein und lehrte sie sprechen: Apsethos sperrte uns ein und zwang uns zu sagen, Apsethos ist Gott. Da die Libyer den Widerruf der Papageien hörten, so rotteten sie sich alle zusammen und verbrannten den Apsethos.

So muß man auch Simon den Magier beurteilen, den man eher mit dem Libyer vergleichen kann als mit einem wirklichen Gott, der Mensch geworden ist. Wenn der Vergleich stimmt und wenn der Magier ein ähnliches Leiden durchgemacht hat wie Apsethos, so werden wir daran gehen, die Papageien des Simon umlernen zu lassen, daß Simon nicht Christus war, der steht, gestanden hat, stehen wird, sondern daß er ein Mensch war aus Samen, Frucht eines Weibes, vom Geblüte und von fleischlicher Begierde wie die übrigen gezeugt; daß sich dies so verhält, werden wir im Verlauf der Erzählung leicht erweisen. Simon deutet das Gesetz Mosis sinnlos und böswillig um: Wenn Moses sagt, daß „Gott ein verbrennendes und verzehrendes Feuer ist“, so behauptet Simon unter falscher Übernahme des Wortes des Moses, Feuer sei das Prinzip des Alls, und bedenkt dabei nicht, daß von Gott nicht gesagt ist, er sei Feuer, sondern ein verbrennendes und verzehrendes Feuer, und zerreißt so nicht nur das Gesetz des Moses selbst, sondern holt auch noch den dunklen Heraklitus zu sich herüber. Simon sagt weiter, das Prinzip des Alls sei eine unendliche Kraft, mit folgenden Worten: „Dies ist das Buch der Offenbarung der Stimme und des Namens aus der Erkenntnis der großen unendlichen Kraft. Deswegen wird es versiegelt, verborgen, verhüllt werden und in dem Raume liegen, wo die Wurzel des Alls sich gründet.“ Er sagt, der Raum sei dieser Mensch, aus Geblüt erzeugt, und in ihm wohne die unendliche Kraft, die die Wurzel des Alls ist. Diese unendliche Kraft ist das Feuer; nach Simon ist es nicht etwas Einfaches; die meisten anderen, die behaupten, die vier Elemente seien einfach, sind auch der Ansicht, das Feuer sei einfach; er aber meint, das Feuer habe gewissermaßen eine zweifache Natur, und einen Teil dieser Doppelnatur nennt er den verborgenen, den anderen den in Erscheinung tretenden; das Verborgene sei in dem, was am Feuer in Erscheinung tritt, verborgen, und das in Erscheinung Tretende des Feuers stamme aus dem Verborgenen. Es ist das, was Aristoteles Kraft (Potenz) und Wirkung (Aktualität) nennt, oder Plato das Erkennbare und das Fühlbare. Das, was vom Feuer in Erscheinung tritt, schließt alles in sich, was immer einer an sichtbaren Dingen wahrnimmt oder vielleicht übersieht; das Verborgene schließt alles in sich, was einer als geistig erkennbar und sich der sinnlichen Wahrnehmung entziehend wahrnimmt oder was er, ohne es wahrzunehmen, übersieht. Abschließend kann man sagen: Die Schatzkammer für alles Bestehende, sinnlich oder geistig Wahrnehmbare, das Simon verborgen oder in Erscheinung tretend nennt, ist das überhimmlische Feuer; es ist gleich dem großen Baum, den Nabuchodonosor im Traum geschaut, von dem alles Fleisch ernährt wird. Simon glaubt, das, was am Feuer in Erscheinung tritt, sei der Stamm, die Äste, die Blätter und die ihn umgebende Rinde. All diese Bestandteile des großen Baumes werden von der alles verzehrenden Flamme des Feuers vernichtet. Die Frucht des Baumes aber wird, wenn sie ausgeprägt worden ist und ihre Gestalt erhalten hat, in den Speicher gelegt, nicht ins Feuer. Es entsteht nämlich die Frucht, damit sie in den Speicher gelegt werde, die Spreu aber, um dem Feuer übergeben zu werden, und das ist der Stamm, der nicht um seiner selbst willen, sondern um der Frucht willen entstanden ist.

Das soll das Schriftwort bedeuten: „Der Weinberg des Herrn Sabaoth ist das Haus Israels, und der Mann von Juda ist sein vielgeliebter Sproß“. Wenn aber der Mann von Juda ein vielgeliebter Sproß ist, so ist damit bewiesen, daß das Holz nichts anderes wie der Mensch ist. Über dessen Ausscheidung und Unterscheidung hat sich die Schrift hinlänglich geäußert, und zur Unterweisung für die, welche die Kennzeichnung erhallten haben genügt das Wort: „daß alles Fleisch Gras und alle Herrlichkeit des Fleisches wie die Blume des Grases. Das Gras trocknete aus, und seine Blume fiel ab; aber das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit“. Das Wort des Herrn ist aber der Ausspruch und das Wort, das im Munde entsteht; sonst gibt es keinen Zeugungsort.

Da nun, um uns kurz zu fassen, nach Simon das Feuer so geartet ist, und da es alles Sichtbare und Unsichtbare, wie auch alles Hörbare und Unhörbare, alles Zählbare und Unzählbare ist, nennt er es in der „Großen Offenbarung“ das Vollkommene, Vernünftige, das jegliches der Dinge, die unzählige Male mit Gedanken erfaßt werden können, ausspreche, verstehe und ausführe, so wie Empedokles sagt:

„Durch die Erde seh’n wir die Erd‘, durch das Wasser das Wasser,

Durch den Äther den göttlichen Äther, durch das Feuer das Feuer,

Durch die Freundschaft die Freundschaft, die Zwietracht durch traurige Zwietracht“.

Empedokles glaubte, so sagt Simon, daß alle Teile des Feuers, die sichtbaren und die unsichtbaren, „Gefühl und einen Anteil Verstand“ haben. Die gezeugte Welt kommt vom ungezeugten Feuer. Ihr Werden begann auf folgende Weise: Die Erzeugte nahm die ersten sechs Wurzeln des Zeugungsprinzips vom Prinzip jenes Feuers. Die Wurzeln sind durch Verbindungen aus dem Feuer entstanden; diese Wurzeln nennt er Nus und Epinoia, Phone und Onoma, Logismos und Enthymesis. In diesen sechs Wurzeln ist die gesamteunendliche Kraft vereinigt als Möglichkeit (Potenz), nicht als Wirkung (Aktualität). Diese unendliche Kraft nennt er den, der steht, gestanden ist, stehen wird. Wenn dieser, der in den sechs Wurzeln sich befindet, ausgeprägt sein wird, so wird er im Wesen, in der Kraft, in der Größe und Vollendung ein und dasselbe wie die unerzeugte und unendliche Kraft sein, in nichts hinter der unerzeugten, unvergleichlichen, unendlichen Kraft zurückstehend. Wenn er aber nur als Potenz in den sechs Wurzeln bleibt und nicht ausgeprägt wird, so verschwindet er und geht zugrunde, so wie die grammatische oder geometrische Befähigung in der Menschenseele. Wenn nämlich die Fähigkeit zur Kunst geworden ist, wird sie zum Licht der existierenden Dinge; wenn nicht, wird sie zur Unfähigkeit und zur Finsternis und stirbt mit dem Tode des Menschen, als wenn sie nicht existiert hätte.

Die erste Verbindung dieser sechs Kräfte und der noch dazu kommenden siebenten nennt er Nus und Epinoia, Himmel und Erde; das Männliche blicke von oben herab und sorge für die Gefährtin, die Erde aber nehme unten die vom Himmel zur Erde gebrachten vernunftbegabten stammesgleichen Früchte auf. Deswegen spricht der Logos, da er oft auf die von Nus und Epinoia, d. i, von Himmel und Erde erzeugten Dinge herabblickt: „Höre, Himmel, und vernimm, o Erde, was der Herr gesprochen hat: Söhne habe ich erzeugt und erhöht, sie aber haben mich verachtet“. Dies sagt die siebente Kraft, er, der steht, gestanden ist und stehen wird; er selbst ist nämlich der Urheber dieser Güter, die Moses lobte und sehr gut nannte. Phone und Onoma sind Sonne und Mond, Logismos und Enthymesis Luft und Wasser. Zu allem diesem ist die große Kraft, die unendliche, er, der steht, gemischt und gemengt.

Die Stelle, an der Moses gesagt hat: „Sechs Tage, an denen Gott den Himmel und die Erde schuf, und am siebenten ruhte er von allen seinen Werken“ deutete Simon auf die besprochene Art um und machte sich zum Gott. Wenn es also heißt, daß drei Tage vor Sonne und Mond geworden sind, so weisen (die Simonianer) auf Nus und Epinoia, d. i, Himmel und Erde, und auf die siebente unendliche Kraft hin. Diese drei Kräfte sind vor allen anderen entstanden. Wenn es heißt: „Vor allen Zeiten erzeugt er mich“, so soll dies auf die siebente Bezug haben. Diese siebente Kraft ist eine in der unendlichen Kraft weilende Kraft, die vor allen Zeiten geworden ist; sie ist jene siebente Kraft, über die Moses sagt: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“, d. i. der Geist, der alles in sich hat, das Abbild der unendlichen Kraft; über sie sagt Simon: „Ein Bild aus unverderbter Form, die allein alles ordnet.“ Die Kraft nämlich, die über dem Wasser schwebt, aus unverderbter Form entstanden, ordnet allein alles. Da nun die Welt nach ihnen in dieser Weise eingerichtet worden war, „so bildete Gott den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm“; er bildete ihn nicht einfach, sondern zweifach „nach Bild und nach Gleichnis“. Das Bild ist der über dem Wasser schwebende Geist, der, wenn er nicht abgebildet wird, mit der Welt zugrunde geht, da er nur als Potenz bleibt und nicht zur Wirklichkeit wird. Das bedeutet das Wort: „Auf daß wir nicht mit der Welt verdammt werden“. Wenn er aber abgebildet wird und aus dem ungeteilten Punkt entsteht, so wird, wie es in der „Offenbarung“ geschrieben steht, das Kleine groß werden. Das Große wird in alle Ewigkeit auch unverändert sein, da es nicht mehr entsteht. Wie und auf welche Art, frägt Simon, bildet Gott den Menschen? Im Paradiese, so meint er. Es soll das Paradies der Mutterschoß sein, und, daß dies wahr ist, dürfte die Schrift lehren, wenn sie sagt: „Ich bin es, der dich im Schoße deiner Mutter bilde“. Nach Simon nämlich steht es so geschrieben. Moses nennt allegorisch den Mutterschoß Paradies, wenn man dem Worte glauben darf. Wenn nun Gott den Menschen im Mutterschoße bildet, d. i. im Paradiese, wie ich sagte, so muß das Paradies der Mutterschoß sein, Edem das Bauchfell, „der Fluß, der aus Edem entspringt, das Paradies zu bewässern“, der Nabel. Dieser Nabel wird in vier Hauptströme geteilt; auf beiden Seiten des Nabels liegen zwei Arterien, Geisteskanäle, und zwei Venen, Blutkanäle. Wenn aber vom Bauchfell Edem ausgehend der Nabel dem Fötus um das Epigastrium einwächst, das man allgemein Nabel nennt….. die zwei Venen, durch die das Blut von dem Bauchfell Edem durch die sogenannten Pforten der Leber, die den Embryo nähren, fließt und getrieben wird; die Arterien, von denen wir gesagt haben, daß sie Kanäle des Geistes sind, umfassen auf beiden Seiten die Blase um die große Öffnung und vereinigen sich an der großen Arterie, an der sogenannten Aorta am Rücken, und so bewirkt der Geist, durch die Öffnungen ins Herz gelangend, die Bewegung der Embryonen. Das sich im Paradies bildende Kind nimmt weder mit dem Munde die Nahrung noch atmet es durch die Nasenlöcher ein; denn, da es von Flüssigkeiten umgeben ist, stünde ihm der Tod bevor, wenn es einatmete; es würde nämlich Flüssigkeit einsaugen und zugrunde gehen. So ist es mit einer Umhüllung umwickelt; ernährt wird es durch den Nabel und erhält durch die Arterie am Rücken, wie ich schon gesagt, die Geistessubstanz.

Der Fluß also, der aus Edem entspringt, teilt sich in vier Hauptströme, vier Kanäle, d. i. in die vier Sinne des Erzeugten, Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Gefühl. Diese Sinne allein hat das im Paradies gebildete Kind. Dies ist das Gesetz, das Moses gegeben, und für dieses Gesetz selbst sind die einzelnen Bücher geschrieben, wie es die Aufschriften kundtun. Das erste Buch Genesis; zur Kenntnis des ganzen Inhalts genügte die Überschrift des Buches. Diese Genesis nämlich ist das Gesicht, in das der eine Teil des Flusses geteilt wird. Es wurde nämlich die Welt durch das Gesicht erschaut. Die Überschrift des zweiten Buches Exodos. Es sollte nämlich das, was geboren war, das Rote Meer durchreisen und in die Wüste kommen — das Rote Meer nennt er das Blut — und bitteres Wasser kosten. Bitter ist nämlich das Wasser hinter dem Roten Meer, und zwar ist dies der Weg der mühseligen und bitteren Lebenserfahrungen, der durchschritten wird. Von Moses, d. i. vom Logos, verwandelt, wird jenes Bittere süß. Daß sich dies so verhält, kann man gemeiniglich von allen hören, die, den Dichtern folgend, sagen:

„Schwarz an der Wurzel es war, der Milch die Blüte doch ähnlich;
Moly benennen’s die Götter; es auszugraben ist schwierig
Sterblichen Menschen, die Götter jedoch vermögen ja alles“.

Was von den Heiden gesagt worden ist, genügt zur Erkenntnis des Alls denen, welche Ohren haben zu hören; denn der allein, welcher diese Frucht gekostet hat, ist nicht von der Kirke in ein Tier verwandelt worden, ja er hat auch die schon in Tiere Verwandelten mit Hilfe dieser Frucht in ihre eigene erste Gestalt zurückgebildet und zurückgeformt. Der treue, von jener Giftmischerin geliebte Mann wird durch jene milchige, göttliche Frucht gefunden. Ähnlich verhält es sich mit dem dritten Buche, dem Levitikus, welches Geruch oder Einatmung bedeutet. Das ganze Buch handelt von Opfern und Opfergaben. Wo immer aber Opfer ist, da entsteht Geruch von etwas Wohlduftendem durch die Brandopfer; für diesen Duft ist der Geruchsinn das Prüfungsmittel. Numeri ist das vierte Buch; er nennt es Geschmack, weil dort das Wort wirksam ist. Weil es alles bespricht, wird es mit dem Wort Zahl (Numerus) benannt. Der Titel Deuteronomium hat Bezug auf das Betasten eines ausgebildeten Kindes. Wie nämlich der Tastsinn die Wahrnehmungen der anderen Sinne durch Befühlen wiederholt und bestätigt, etwas als hart oder heiß oder feucht erweisend, so ist das fünfte Buch des Gesetzes die Wiederholung der vor ihm geschriebenen vier Bücher. Alles nicht Erzeugte also existiert in uns als Potenz, nicht als Wirkung, wie die grammatische oder geometrische Kunst. Wenn es nun passende Belehrung und Unterricht erhält und das Bittere in Süßes verwandelt wird, d. h. „die Lanzen in Sicheln und die Schwerter in Pflugscharen“, so wird das, was entsteht, nicht Spreu und Holz für das Feuer sein, sondern, wie ich sagte, die vollkommene, ausgeprägte Frucht, ganz gleich der unerzeugten und unendlichen Kraft. Wenn aber der Baum ohne Frucht, ohne Ausprägung bleibt, wird er vernichtet. „Nahe ist die Axt an den Wurzeln; jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen“.

Nach Simon ist jenes heilige, unzerstörbare Etwas überall als Potenz verborgen, nicht als Wirkung, und das ist der, welcher steht, gestanden ist, stehen wird; er steht oben in der ungezeugten Kraft, er stand unten im Fluß der Wasser im Bild erzeugt, er wird oben stehen bei der seligen unendlichen Kraft, wenn er ausgeprägt ist. Drei sind es nämlich, die stehen, und ohne das Dasein der drei Äonen, die stehen, wird der Erzeugte nicht ausgestattet, der nach ihnen über dem Wasser schwebt, der nach dem Gleichnis wiedergebildete, vollkommene Himmlische, der in keiner Hinsicht der ungezeugten Kraft nachsteht; das sagen sie mit den Worten: Ich und du eines, vor mir du, was nach dir ist, ich. Dies ist die eine Kraft, nach oben und nach unten geteilt, sich selbst erzeugend, sich selbst vermehrend, sich selbst suchend, sich selbst findend, ihre eigene Mutter, ihr eigener Vater, ihre eigene Schwester, ihre eigene Gattin, ihre eigene Tochter, ihr eigener Sohn, Mutter, Vater, eines, des Alls Wurzel.

Daß das Zeugungsprinzip der werdenden Dinge aus dem Feuer stamme, versteht er ungefähr auf folgende Weise. Die Zeugungslust aller zeugungsfähigen Wesen entstammt dem Feuer. Denn die Begier nach Umwandlung nennt man vom Feuer ergriffen werden. Obwohl es nur ein Feuer gibt, unterliegt es zwei Wandlungen. Im Mann wandelt sich das heiße, rötliche, feuerähnliche Blut in den Samen, im Weibe in Milch. Die Wandlung im Männlichen ergibt Zeugung, die Wandlung im Weiblichen Nahrung. Dies ist „das flammende Schwert, das gezückt ist, um den Weg zum Holz des Lebens zu bewachen“. Es wandelt sich nämlich das Blut in Samen und Milch, und diese Kraft wird Vater und Mutter, Vater der Entstehenden und Nahrung derer, die genährt werden, keiner Sache bedürfend, sich selbst genügend. Das Holz des Lebens wird durch das gezückte flammende Schwert, wie wir gesagt, behütet, d. i. die siebente Kraft, die aus sich selbst entstammt, die alle in sich hat, die in den sechs Kräften liegende. Wenn nämlich das flammende Schwert nicht gezückt wird, wird jenes schöne Holz zerstört und vernichtet; wenn es aber in Samen und Milch verwandelt wird, so wird der, welcher der Potenz nach darin liegt, den ihm zustehenden Ruhm und den hervorragenden Platz, in dem das Wort erzeugt wird, erhalten und wie aus dem allerkleinsten Funken entstehend, größer werden und zunehmen, und er wird eine unendliche Kraft werden, unveränderlich, ganz ähnlich dem unveränderlichen Äon, der in Ewigkeit nicht mehr entsteht.

Es ist also Simon für die Dummen offenbar nach dieser Auffassung Gott, wie jener Libyer Apsethos, erzeugt und leidensfähig, solange er potentiell besteht, leidensunfähig, wenn er aus dem Gezeugten ausgeprägt ist und vollkommen aus den zwei ersten Kräften hervorkommt, d. i. aus Himmel und Erde. Simon spricht nämlich ausdrücklich hierüber in der „Offenbarung“: Ich rede zu euch, was ich rede, und schreibe, was ich schreibe. Die Schrift ist dies. Zwei Sprossen gibt es unter den gesamten Äonen, die weder Anfang noch Ende haben, aus einer Wurzel. Diese Kraft ist die unsichtbare, unfaßbare Sige. Der eine von ihnen erscheint oben und ist die große Kraft, der Nus des Alls, alles verwaltend, männlichen Geschlechts; der andere unten, die große Epinoia, weiblichen Geschlechts, alles erzeugend. Daher haben sie Gemeinschaft, sich gegenseitig ergänzend, und lassen den Zwischenraum in Erscheinung treten, unfaßbare Luft, die weder Anfang noch Ende hat. In dieser weilt der Vater, der alles trägt und nährt, das Anfang und Ende hat. Dieser ist es, der steht, gestanden ist, stehen wird, eine männlich-weibliche Kraft, gemäß der vorher existierenden unendlichen Kraft, die weder Anfang noch Ende hat, in Einzigheit bestehend. Von ihr ausgehend verzweifachte sich die in Einzigheit bestehende Epinoia. Auch der Vater war einzig; die Epinoia in sich habend war er allein, zwar nicht der erste, doch vorherexistierend; indem er sich selbst erschien, verzweifachte er sich durch sich selbst. Aber er wurde nicht Vater genannt, bevor die Epinoia ihn nicht Vater nannte. So, wie er sich selbst durch sich hervorbrachte und sich selbst die eigene Epinoia zeigte, machte es die in Erscheinung getretene Epinoia nicht, sondern da sie den Vater gesehen, verbarg sie den Vater, d. i. die Kraft in sich, und so ist Epinoia auch männlich-weibliche Kraft; daher ergänzen sie sich gegenseitig — die Kraft unterscheidet sich nicht von der Epinoia — da sie eines sind. In dem, was oben ist, findet sich die Kraft, in dem, was unten ist, die Epinoia. Ihre Erscheinungsform ist nun folgender Art: obwohl eins, werden sie als zwei erfunden, der Männlich-Weibliche das Weibliche in sich habend. So ist der Nus in der Epinoia, die, voneinander getrennt, obwohl eins, als zwei erfunden werden.

Mit solchen Erfindungen hat Simon nicht nur die Worte Mosis böswillig entstellt, sondern auch die der Dichter. Denn auch über das hölzerne Pferd redet er allegorisch und fabuliert über Helena mit der Lampe und über eine Menge anderer Dinge, die er auf die sich und die Epinoia betreffenden Dinge überträgt. Helena sei das verirrte Schaf; sie verwirre, in den Frauen wohnend, durch ihre wunderbare Schönheit die Kräfte in der Welt; so sei auch durch sie der trojanische Krieg entstanden. In der damaligen Helena wohnte die Epinoia und, da alle Mächte sie für sich beanspruchten, so entstand Zwist und Krieg, bei welchen Völkern immer sie sich zeigte. So wurden dem Stesichoros, der sie in Liedern geschmäht hatte, die Augen geblendet, dann schrieb er reuig Gesänge, in denen er sie verherrlichte, und erhielt das Gesicht wieder. Durch die Engel und die unteren Mächte, die die Welt gemacht, habe auch sie einen Leib bekommen und habe sich in einem Hurenhause in der phönizischen Stadt Tyrus aufgehalten, und er (Simon) habe sie dort bei seiner Herabkunft gefunden. Er sagt, er sei in erster Linie sie zu suchen gekommen, auf daß er sie von ihren Ketten löse, und er führte sie befreit mit sich herum und sagte, sie sei das verlorene Schaf, sich selbst nannte er die Kraft über alles. Der Lügner aber, in das Weibsbild, das Helena hieß, verliebt, hatte sie gekauft und hielt sie aus, und erfand diese Fabel, weil er sich vor seinen Schülern schämte. Sie aber traten in die Fußstapfen des Schwindlers und Zauberers Simon, führten sich ebenso auf und behaupteten, man solle unterschiedslos geschlechtlich verkehren: Jegliche Erde sei Erde, und es komme nicht darauf an, wo einer säe, wenn er nur säe; ja sie preisen sich selig wegen des allgemeinen Geschlechtsverkehrs, indem sie sagen, das sei die vollkommene Liebe, und: Der Heilige der Heiligen…… wird geheiligt; sie ließen sich nicht von einem eingebildeten Übel beherrschen; sie seien ja doch erlöst. Nachdem Simon nun so Helena erlöst hatte, bot er den Menschen Heil durch seine eigene Weisheit an. Da die Engel die Welt wegen ihrer Herrschsucht schlecht regierten, sei er zur Abhilfe gekommen, in anderer Gestalt, den Mächten, den Gewalten und den Engeln ähnlich, so daß er auch wie ein Mensch erschiene und es doch nicht sei, und in Judäa scheinbar gelitten habe und doch nicht gelitten habe; den Juden sei er als Sohn erschienen, in Samaria als Vater, bei den übrigen Völkern als Heiliger Geist, er lasse es aber über sich ergehen, mit welchem Namen immer ihn die Menschen benennen wollten. Die Propheten hätten ihre Weissagungen, von den weltschaffenden Engeln inspiriert, gemacht. So machen sich die, die an Simon und Helena glauben, bis auf den heutigen Tag kein Gewissen, als Freie zu tun, was immer sie wollen; durch seine Gnade, sagen sie, würden sie gerettet. Wenn einer Böses tue, so sei dies nichts Strafwürdiges, es sei nicht natürlich böse, sondern nach Gesetz. Es haben nämlich die Engel, die die Welt geschaffen, willkürlich Gesetze gemacht in der Meinung, die, welche auf sie hören, so knechten zu können. Sie lehren auch den Weltuntergang zur Erlösung der Menschen, die zu ihnen gehören.

Seine Schüler gebrauchen Zauberei und Beschwörungen, Liebestränke und Verführungsmittel, senden sogenannte traummachende Dämonen denen, die sie verwirren wollen. Sie veranstalten auch sogenannte Paredren und haben Bildnisse des Simon in Gestalt des Zeus und der Helena in Gestalt der Athene, und beten diese an, indem sie Simon Kyrios und Helena Kyria nennen. Wenn aber einer, der bei ihnen die Bildnisse Simons oder Helenas sieht, sie mit dem richtigen Namen nennt, so wird er ausgeschlossen als einer, der die Mysterien nicht kennt. Simon täuschte durch Zauberei viele in Samaria und wurde von den Aposteln überführt und verflucht, wie es in den Acta geschrieben steht. Er fiel später ab und verlegte sich auf diese Dinge. Ja er kam bis nach Rom und widerstand den Aposteln; da er viele durch Zaubereien verführte, stellte sich ihm Petrus des öfteren entgegen. Schließlich ging er….. und lehrte, unter einer Platane sitzend. Und als es am Ende nahe daran war, daß er, weil er dasselbe Geschäft allzu lange betrieb, überführt würde, sagte er, er würde, wenn er lebend eingegraben würde, am dritten Tage wieder auferstehen. Und nachdem von seinen Schülern auf sein Geheiß eine Grube ausgehoben worden war, befahl er, daß er eingegraben würde. Sie taten nun, wie ihnen befohlen; er blieb aber bis auf den heutigen Tag aus; er war eben nicht der Messias. Dies ist nun des Simon Historia, von der ausgehend Valentinus dasselbe mit anderen Worten sagt. Der Nus und die Aletheia und der Logos und die Zoe und der Mensch und die Kirche, die Äonen des Valentinus, sind offenbar die sechs Wurzeln des Simon, Nus, Epinoia, Phone, Onoma, Logismos und Enthymesis. Da wir wohl des Simon Fabelmachwerk genügend auseinandergesetzt haben, wollen wir sehen, was Valentinus von sich gibt.

Die Häresie des Valentinus enthält die pythagoreische und die platonische Lehre. Plato hat nämlich im Timäus den Pythagoras vollständig nachgebildet; so ist ihm auch Timäus selbst ein pythagoreischer Gastfreund. Es dürfte sich somit empfehlen, erst einiges Wenige von der pythagoreischen und platonischen Lehre in Erinnerung zu rufen und dann mit der Darstellung der Sätze des Valentinus zu beginnen. Denn wenn auch in den vorher von uns verfaßten Büchern die Lehrmeinungen des Pythagoras und Plato niedergelegt sind, so werde ich doch auch jetzt mit gutem Grund ihre Ansichten auszugsweise und summarisch in Erinnerung bringen; so treten dann durch die nähere Zusammenstellung und Vergleichung die Meinungen des Valentinus gut hervor; jene haben einst ihre Lehre von den Ägyptern übernommen und für die Griechen zugeschnitten; dieser nahm sie von ihnen, aber er unterschlug diese Tatsache. Denn er versuchte eine eigene Lehre zusammenzusetzen….. , er änderte die Lehre jener in bezug auf Namen und Zahlen, führte eigene Benennungen und Maße ein, so daß er eine zwar schillernde, aber systemlose und nicht mit Christus übereinstimmende griechische Häresie ins Leben rief.

Die Grundlage für Platons Lehre im Timaios ist die Weisheit der Ägypter; von dorther hat nämlich Solon die ganze Lehre von der Entstehung und dem Untergang der Welt in einer alten und prophetischen Sage, wie Plato sagt, erhalten und die Griechen gelehrt, die (damals) kleine Kinder waren und keine ältere auf Gott bezügliche Kunde besaßen. Um den Lehren folgen zu können, die Valentinus zugrunde gelegt hat, will ich vorher auseinandersetzen, was Pythagoras aus Samos mit Hilfe jener bei den Griechen berühmten Sige sich ausgedacht hat, und dann weiterhin alles, was Valentinus von Pythagoras und Plato nimmt und mit großen Worten Christus zuschreibt und vor Christus dem Vater des Alls und der mit dem Vater verbundenen Sige.

23. Pythagoras also gab als ungezeugtes Prinzip des Alls die Monas (Einheit) an, die Dyas (Zweiheit) aber und alle übrigen Zahlen als gezeugt. Er sagt, der Vater der Dyas sei die Monas, aller Dinge aber, die erzeugt werden, Mutter die Dyas, der Gezeugten die Gezeugte. Und Zaratas, der Lehrer des Pythagoras, nennt das Eins Vater, die Zwei Mutter. Nach Pythagoras ist nämlich aus der Monas die Dyas erzeugt worden, und die Monas ist männlichen Geschlechts und das erste, die Dyas weiblich. Von der Dyas hinwiederum, wie Pythagoras sagt, (kommt) die Trias und hierauf die Zahlen bis zu den Zehn. Diese Zahl Zehn erkannte Pythagoras als die allein vollkommene; die Elf und Zwölf seien ein Anhängsel und eine Wiederholung der Dekade; das, was hinzugefügt werde, sei nicht die Erzeugung einer anderen Zahl. Die Dekade erzeugt alle festen Körper aus Körperlosem. Das Element und Prinzip der Körper und der körperlosen Dinge zugleich ist der Punkt, der ungeteilt ist; aus dem Punkt aber entsteht die Linie, aus der Linie die Fläche, die Fläche, die sich in die Tiefe senkte, bildete den festen Körper. Daher gilt bei den Pythagoreern der Zusammenklang der vier Elemente als Eidschwur; er lautet so:

„Wahrlich, bei dem, der gab die Vierzahl unserem Haupte,
Sie, die Quell‘, die umfaßt der Natur, der ewigen, Wurzeln.“

Die Vierzahl ist das Prinzip der physischen und festen Körper, wie die Monas das der gedanklichen. Daß auch die Vierzahl die vollkommene Zahl erzeugt, wie bei den gedanklichen Dingen die Monas, nämlich die Zehn, lehren sie auf folgende Weise. Wenn einer beim Beginn der Rechnung Eins sagt und zwei hinzuzählt, und dann wieder drei, so sind das sechs. Zu dem noch vier, so ist ebenso das ganze zehn. Eins, zwei, drei, vier wird zehn, die vollkommene Zahl. So hat die Vierzahl durchaus die gedankliche Monas nachgeahmt, die die vollkommene Zahl zu erzeugen imstande ist.

Nach Pythagoras gibt es also zwei Weiten, eine geistige, die als Prinzip die Monas hat, eine sinnlich wahrnehmbare, mit der Vierzahl als Prinzip, die Vierzahl enthält das Jota, den „einen Punkt“, die vollkommene Zahl; nach den Pythagoreern ist das Jota, der eine Punkt, die erste und hauptsächlichste Substanz der geistig und sinnlich wahrnehmbaren Dinge, die mit dem Verstand und mit den Sinnen erfaßt wird. Hierzu neun körperlose Akzidenzien, die außerhalb der Substanz nicht bestehen können: Beschaffenheit, Größe, Zweck, Ort, Zeit, Lage, Haben, Tun, Leiden. Es gibt also neun Akzidenzien für die Substanz, die, wenn sie zu ihnen gerechnet wird, die vollkommene Zahl, das Jota (die Zehn) enthält. Da nun das All, wie wir sagten, in die geistig und sinnlich wahrnehmbare Welt geschieden ist, so haben wir von der geistigen den Verstand, um mit dem Verstand der geistig wahrnehmbaren und unkörperlichen und göttlichen Dinge Wesenheit zu schauen, Sinne aber haben wir fünf, Geruch, Gesicht, Gehör, Geschmack und Tastsinn, durch die wir zur Kenntnis der sinnenfälligen Dinge gelangen; und so ist die sinnlich wahrnehmbare Welt von der geistigen geschieden. Und daß wir für beide je ein Erkenntnisorgan besitzen, sehen wir aus folgendem: Nichts Geistiges können wir durch die sinnliche Wahrnehmung erkennen; denn kein „Auge hat es gesehen und kein Ohr gehört“ noch irgendeiner der anderen Sinne erkannt. Andererseits ist es dem Verstand nicht möglich, zur Erkenntnis irgendeines sinnenfälligen Dinges zu kommen, sondern man muß eben sehen, daß etwas weiß ist, und schmecken, daß es süß ist, und durch das Gehör erkennen, ob etwas melodisch oder unmelodisch ist, und (zu erkennen), ob ein Geruch gut oder schlecht ist, ist Sache des Geruchsinnes, nicht des Verstandes. Ebenso verhält es sich auch mit dem Gefühl. Ob etwas hart oder weich, warm oder kalt ist, kann einer nicht durch das Gehör erkennen, sondern das Urteil darüber steht dem Gefühl zu.

Da sich die Dinge so verhalten, so stellt sich die Organisation der entstandenen und entstehenden Dinge als eine zahlenmäßige dar. Denn, so wie wir von der Einheit ausgehend durch Hinzufügung von Einheiten und Dreiheiten und der sich weiterhin bildenden Zahlen ein großes Zahlensystem erhalten, dann wieder aus der durch Zusammenzählen gebildeten Zahl durch Abziehen und Zurückbilden die Auflösung der zusammengesetzten Zahlen rechnerisch bewirken, so wird die Welt durch ein zahlenmäßiges und harmonisches Band gehalten und durch Anspannen und Nachlassen, Hinzuzählen und Abziehen immer und ewig unzerstört bewahrt.

So lassen sich die Pythagoreer über die Einrichtung der Welt ungefähr folgendermaßen vernehmen:
„Denn in der Tat sie bestand und wird besteh’n und ich meine,
Niemals wird die unendliche Welt dieser beiden entraten“.

Was sind nun diese beiden? Zwietracht und Liebe. Die Liebe macht die Welt unzerstörbar und ewig; Substanz und Welt sind nämlich eines, wie sie meinen; die Zwietracht aber zerstreut und trennt und versucht, die Welt vielfach zu teilen und dadurch zu bilden. Gleichwie wenn einer rechnerisch die Myriade (Zehntausend) in Tausender und Hunderter und Zehner, und die Drachmen zu Obolen und zu kleinen Quadranten in Stücke schneidet, so teilt die Zwietracht die Weltsubstanz in Tiere, Pflanzen, Metalle und so fort; die Zwietracht ist die Ursache des Entstehens aller Dinge, die Liebe Verwalterin und Hüterin des Alls, auf daß es bestehe; sie führt das Zerteilte und vom Ganzen Losgerissene zur Einheit und indem sie es aus dem Leben hinwegnimmt, verknüpft und verbindet sie dasselbe mit dem Ganzen, auf daß es bestehe, und es wird Eins. Die Zwietracht zerteilt also in einem fort das All, und die Liebe teilt die losgetrennten Dinge immerwährend dem All zu. Dies ist anscheinend das pythagoreische Weltgesetz. Pythagoras behauptet, die Sterne seien Sonnensplitter, und die Seelen der Lebewesen kämen von den Sternen; die Seelen seien sterblich, solange sie im Leibe wie in einem Grabe begraben seien, sie stünden aber auf und würden unsterblich, wenn wir von den Leibern befreit würden. Daher antwortete Plato auf die Frage: Was ist die Philosophie?: Die Trennung der Seele vom Körper.

Er folgte darin dem Pythagoras, der in Rätselsprüchen folgendermaßen lehrt: „Wenn du aus dem Eigenen weggezogen bist, so kehre nicht zurück; wenn aber, so werden dich die Erinnyen, die Helferinnen der Dike, verfolgen“; das Eigene nennt er den Leib, die Erinnyen die Leidenschaften. Wenn du also wegziehst, d. i. den Körper verlässest, so verlange nicht nach ihm; wenn du aber nach ihm verlangst, so werden dich die Leidenschaften wieder in den Körper zwingen. Sie glauben nämlich, es gebe eine Seelenwanderung, wie auch Empedokles, pythagorisierend, behauptet. Es müssen nämlich die wohllüstigen Seelen, wie Plato sagt, wenn sie als Menschen keine Liebe zur Weisheit hatten, durch alle Tiere und Pflanzen hindurch wieder in einen menschlichen Leib eingehen, und, wenn sie in einem und demselben dreimal Liebe zur Weisheit geübt haben, zu einem ihnen verwandten Stern aufsteigen; wenn sie keine Liebe zur Weisheit gehabt, müssen sie in dieselben Dinge zurückkehren. Die Seele kann auch sterblich werden, wenn sie von den Erinnyen, d. i. von den Leidenschaften, überwältigt wird; wenn sie den Erinnyen, d. h. den Leidenschaften, entflieht, wird sie unsterblich.

Doch, da wir angefangen haben, auch das, was Pythagoras dunkel in Vergleichen zu seinen Schülern gesprochen hat, darzulegen, so wollen wir es bis zum Schluß tun, weil die Häresiarchen daran gegangen sind, gleichfalls Vergleiche zu gebrauchen, freilich nicht ihre eigenen, sondern der Lehre des Pythagoras entnommene. Pythagoras gibt also seinen Schülern folgende Lehre: „Du sollst dein Bündel geschnürt haben“; wie diejenigen, die eine Reise tun wollen, ihre Kleider in ein Fell schnüren zum Reisegebrauch, so will er, daß seine Schüler bereit seien, mit allen Kenntnissen wohl versehen, weil in jedem Augenblick der Tod kommen könne. Daher lehrte er die Pythagoreer, sich regelmäßig bei Tagesanbruch selbst zu ermahnen, „das Bündel zu schnüren“, d. h. zum Sterben bereit zu sein. „Untersuche das Feuer nicht mit dem Schwert“, reize den Zornigen nicht durch Reden; dem Feuer gleicht der Zornige, dem Schwert die Rede. „Tritt nicht auf ein Riegelchen“, verachte Kleinigkeiten nicht. „Pflanze keine Palme ins Haus.“ Bringe keinen Streit ins Haus. Die Palme ist nämlich des Kampfes und des Zwistes Sinnbild. „Iß nicht vom Schemel.“ Befasse dich nicht mit einem Handwerk, auf daß du nicht dem hinfälligen Leibe dienest, sondern schaffe dir deinen Lebensunterhalt durch die Wissenschaft; dann wird es dir möglich sein, den Leib zu ernähren und die Seele besser zu machen. „Beiß nicht vom ganzen Brotlaibe ab.“ Nimm nicht vom Kapital, sondern lebe von deinen Einkünften, erhalte dein Vermögen wie ein unangebrochenes Brot. „Iß keine Bohnen.“ Nimm die Stadtverwaltung nicht an. Zu jener Zeit wurden die Beamten mittels Bohnen gewählt.

Dergleichen lehren die Pythagoreer, und nach ihrem Vorbild künden die Häretiker große Dinge, wie manche meinen. Die pythagoreische Lehre sagt weiterhin, daß die Sonne, der große Geometer und Rechner, der Demiurg aller entstandenen Dinge sei und daß sie in dem ganzen Weltall feststehe, wie nach der Ansicht Platos in den Leibern die Seele. Die Sonne ist nämlich Feuer wie die Seele, Körper die Erde. Ohne Feuer nun könnte nichts sichtbar werden, noch irgend etwas greifbar ohne etwas Festes, nichts Festes könnte entstehen ohne Erde. Daher hat Gott, indem er mitten hinein Luft setzte, aus Feuer und Erde den Universumskörper gebildet. Die Sonne zählt und mißt die Welt ungefähr auf folgende Weise. Die sichtbare Welt, von der wir sprechen, ist eine; die Sonne hat sie wie ein Rechner und Geometer in zwölf Teile geteilt. Die Teile heißen; Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Wage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische. Jeden der zwölf Teile teilt sie wieder in dreißig Teile, nämlich in die Monatstage. Jeden der dreißig Teile teilt sie weiter in sechzig Teilchen und diese Teilchen in weitere und in noch kleinere Teilchen. Und dies schafft sie immerfort und hört nicht auf, sondern sammelt die getrennten Teilchen und macht aus ihnen ein Jahr, dann teilt und trennt sie das Verbundene wieder und erschafft das große Weltjahr.

Dies ist, in aller Kürze dargestellt, die Lehre des Pythagoras und Plato; aus ihr, nicht aus den Evangelien, stellte Valentinus seine Häresie zusammen, wie wir noch beweisen werden; er dürfte also mit Recht als Pythagoreer und Platoniker angesprochen werden. Valentinus, Herakleon, Ptolemäus und ihre ganze Schule begründeten, als Schüler des Pythagoras und des Plato und ihrer Führung folgend, ihre Zahlenlehre. Für sie ist das Prinzip des Alls die Monas, ungezeugt, unzerstörbar, unfaßbar, unbegreiflich, Erzeugerin und Daseinsursache aller existierenden Dinge; sie nennen diese Monas Vater. Es findet sich aber bei ihnen eine große Meinungsverschiedenheit; die einen nämlich halten dafür, daß der Vater nicht weiblich, gattinnenlos und allein sei, damit die Lehre des Valentinus durchaus rein pythagoreisch sei; die anderen aber halten es für unmöglich, daß aus einem männlichen Faktor allein alle Dinge entstanden seien, und teilen dem Vater des Alls, damit er Vater werde, notwendigerweise Sige als Gattin zu. Ob aber eben nun Sige Gattin ist oder nicht, darüber haben sie untereinander Streit. Wir selbst halten uns an das pythagoreische Prinzip und wollen unter Bezug auf deren Lehre aufzeigen, daß dieses, einzig und ohne Verbindung, nicht weiblich und nichts bedürfend ist. Es bestand gar nichts Erzeugtes, der Vater existierte allein, unerzeugt, ohne Ort, ohne Zeit, ohne Ratgeber, ohne irgendeine auf irgendeine Art denkbare Substanz; er war allein, einsam, wie sie sagen, und einzig in sich selbst ruhend. Weil er aber zeugungsfähig war, so beschloß er einmal, das Schönste und Vollkommenste, was er in sich hatte, zu erzeugen und hervorzubringen; er liebte die Einsamkeit nicht. Er war nämlich ganz Liebe, die Liebe ist aber nicht Liebe, wenn kein Objekt der Liebe existiert. Der Vater also, da er allein war, erzeugte den Nus und die Aletheia, d. i. die Dyas, welche Herrin, Prinzip und Mutter wurde aller Äonen, die innerhalb des Pleroma von ihnen aufgezählt werden. Nachdem der Nus und die Aletheia vom Vater hervorgebracht waren, der Zeugungsfähige vom Zeugungsfähigen, so brachte er selbst in Nachahmung des Vaters den Logos und die Zoe hervor. Der Logos und die Zoe bringen den Menschen und die Kirche hervor. Nachdem der Nus und die Aletheia gesehen hatten, daß ihre Nachkommen zeugungsfähig geworden waren, dankten sie dem Vater des Alls und brachten ihm die vollkommene Zahl, die zehn Äonen, dar. Der Nus und die Aletheia konnten dem Vater nichts Vollkommeneres als diese Zahl darbringen. Denn der Vater als vollkommenes Wesen sollte durch die vollkommene Zahl verherrlicht werden; vollkommen ist die Zehn, weil sie als erste von den aus mehr als einer Einheit bestehenden Zahlen vollkommen ist. Vollkommener noch ist der Vater, weil er, ungezeugt und einzig, durch die erste und einzige Verbindung des Nus und der Aletheia alle die Wurzeln der existierenden Dinge hervorzubringen vermochte.

Da nun der Logos und die Zoe selbst sahen, daß der Nus und die Aletheia den Vater des Alls durch die vollkommene Zahl verherrlicht hatten, so wollte der Logos selbst durch die Zoe seinen Vater und seine Mutter verherrlichen. Weil aber der Nus und die Aletheia erzeugt waren und nicht das vollkommene Väterliche, die Nichterzeugtheit, hatten, so verherrlichen der Logos und die Zoe ihren Vater, den Nus, nicht durch die vollkommene Zahl, sondern durch die unvollkommene; der Logos und die Zoe bringen nämlich dem Nus und der Aletheia zwölf Äonen dar. Nach Valentinus sind die ersten Wurzeln der Äonen der Nus und die Aletheia, der Logos und die Zoe, der Mensch und die Kirche, zehn gibt es vom Nus und von der Aletheia, zwölf von dem Logos und der Zoe, achtundzwanzig insgesamt; man benennt die zehn so: Bythios und Mixis, Ageratos und Henosis, Autophyes und Hedone, Akinetos und Synkrasis, Monogenes und Makaria. Dies sind jene zehn Äonen, welche die einen vom Nus und von der Aletheia, die anderen vom Logos und der Zoeherleiten. Andere wieder leiten die zwölf vom Menschen und der Kirche ab,andere vom Logos und der Zoe; es werden ihnen diese Namen beigelegt: Parakletos und Pistis, Patrikos und Elpis, Metrikos und Agape, Aeinus und Synesis, Ekklesiastikos und Makariotes, Theletos und Sophia.

Da der zwölfte von den zwölf und der jüngste der achtundzwanzig Äonen, ein weiblicher, Sophia genannt, überdachte, wie zahlreich und mächtig die Äonen seien, die gezeugt hatten, eilte sie hinauf in die Tiefe des Vaters und erkannte, daß die anderen Äonen alle, erzeugt, durch Paarung zeugen, daß der Vater allein ohne Verbindung erzeugt hat. Sie wollte es dem Vater nachtun und für sich ohne Gatten zeugen, auf daß sie ein Werk setze, das dem des Vaters nicht nachstehe; sie wußte eben nicht, daß der Unerzeugte, der da Prinzip und Wurzel und Tiefe und Höhe des Alls ist, allein imstande sei, zu zeugen, daß sie, die Sophia aber, da sie erzeugt und später als mehrere andere (Äonen) entstanden ist, die Kraft des Unerzeugten nicht haben könne. In dem Unerzeugten nämlich ist alles vereinigt, in den erzeugten Dingen ist das Weibliche das Substanzhervorbringende, das Männliche das, was der vom Weiblichen hervorgebrachten Substanz die Form gibt. Die Sophia vermochte also nur etwas ihrem Vermögen Entsprechendes hervorzubringen, eine formlose und ungeordnete Substanz. Und davon soll Moses sagen: „Die Erde aber war unsichtbar und ungeordnet“. Diese ist das gute, „das himmlische Jerusalem“, in das die Söhne Israels zu führen Gott mit den Worten versprochen hatte: „Ich will euch in ein gutes Land führen, das von Milch und Honig fließt“.

Da nun innerhalb des Pleromas Unwissenheit über die Sophia und Formlosigkeit über das Produkt der Sophia kam, entstand ein Aufruhr in dem Pleroma, (Furcht überkam) die Äonen in der Meinung, daß ihre Zeugungen ähnlich formlos und mangelhaft würden und daß Verderben in kurzer Zeit einmal die Äonen hinwegraffen würde. Es nahmen also alle die Äonen bittend ihre Zuflucht zum Vater, daß er die Trauer der Sophia beende; sie weinte und seufzte nämlich über die von ihr gezeugte sogenannte Fehlgeburt. Der Vater hatte mit den Tränen der Sophia Erbarmen, willfahrte der Bitte der Äonen und befahl eine nachträgliche Hervorbringung; er selbst nämlich brachte nicht hervor, sondern der Nus und die Aletheia erzeugten Christus und den heiligen Geist zur Formung und Gestaltung der Fehlgeburt, sowie zum Trost der Sophia und zur Stillung ihrer Klagen. Und es entstanden dreißig Äonen, Christus und den heiligen Geist miteingerechnet. Nach einigen nun soll dies die Dreißigzahl der Äonen sein, nach den anderen aber sollen die Äonen mit dem Vater und der Sige, die beide ein gemeinsames Dasein haben, zusammengerechnet werden. Christus und der heilige Geist, vom Nus und von der Aletheia durch Zeugung nachträglich hervorgebracht, trennen die gestaltlose Fehlgeburt der Weisheit, die einzig und ohne Verbindung erzeugt war, von allen Äonen, damit die vollkommenen Äonen nicht durch den Anblick ihrer Unförmigkeit erschüttert würden. Damit nun die vollkommenen Äonen der Unförmigkeit der Fehlgeburt keinesfalls ansichtig würden, brachte der Vater einen weiteren Äon, Stauros, hervor; als Sohn des großen, vollkommenen Vaters groß geworden, zur Hut und zum Schutz der Äonen hervorgebracht, wird er der Horos des Pleromas, da er in sich alle dreißig Äonen zugleich hat; so viele nämlich sind erzeugt worden. Er wird aber Horos genannt, weil er das Hysterema vom Pleroma scheidet, Metocheus, weil er auch am Hysterema teil hat, Stauros, weil er unbewegt und ohne Wanken feststeht, damit nichts den innerhalb des Pleromas befindlichen Äonen nahe kommen könne. Außerhalb des Horos, des Stauros, des Metocheus befindet sich die sogenannte Achtheit, und das ist die Sophia außerhalb des Pleromas, die Christus, vom Nus und von der Aletheia hervorgebracht, gestaltete und zum vollkommenen Äon machte, so daß in keinerlei Weise sie für geringer gilt als die innerhalb Befindlichen. Nachdem also die Sophia außerhalb (des Pleromas) gestaltet worden war, und da es nicht möglich war, daß Christus und der heilige Geist, vom Nus und von der Aletheia hervorgebracht, außerhalb des Pleromas blieben, so stiegen Christus und der heilige Geist nach der Gestaltung zum Nus und zur Aletheia innerhalb des Horos auf und verherrlichten mit den anderen Äonen den Vater.

Da nun ein Friede und eine Harmonie unter allen Äonen innerhalb des Pleromas bestand, so wollten sie ihn (den Vater) nicht nur durch Verbindung verherrlicht haben, sondern ihn auch durch Darbringung entsprechender Früchte verherrlichen. Alle dreißig Äonen kamen daher überein, einen Äon hervorzubringen als gemeinsame Frucht des Pleromas, damit er ihrer Einheit und Einträchtigkeit und ihres Friedens Zeichen sei. Dieser ist als einziger von allen Äonen für den Vater hervorgebracht und wird von ihnen die gemeinsame Frucht des Pleromas genannt. Innerhalb des Pleromas verhielt es sich folgendermaßen. Es wurde die gemeinsame Frucht des Pleromas hervorgebracht, Jesus — dies ist nämlich sein Name —, der große Hohepriester. Die Sophia außerhalb des Pleromas suchte Christus, der sie gestaltet, und den heiligen Geist und geriet in große Furcht, daß sie zugrunde gehe, wenn der, der sie gestaltet und der sie gestärkt, von ihr sich trennte. Und sie ward traurig und geriet in große Bestürzung, da sie überdachte, wer ihr Gestalter sei, wer der heilige Geist, wohin er gegangen, wer deren Anwesenheit verhinderte, wer wegen jenes schönen und seligen Schauspiels Neid gehegt habe. Von diesen Gefühlen erfüllt, geht sie daran, den, der sie verlassen, zu bitten und zu beschwören. Christus, der innerhalb des Pleromas sich befindet, und alle anderen Äonen erbarmten sich der Bittenden und schickten aus dem Pleroma die gemeinsame Frucht des Pleromas aus, als Gatten der außerhalb befindlichen Sophia und als Besserer der Leidenschaften, an denen sie, während sie nach Christus suchte, krankte. Die nun aus dem Pleroma hervorgekommene gemeinsame Frucht fand die Sophia in den ersten vier Gefühlen, in Furcht und Trauer und Bestürzung und Bitte, und besserte ihre Gefühle; dabei sah sie, daß es nicht gut wäre, diese Gefühle zu vernichten, da sie ewig und der Sophia eigentümlich seien, daß aber in diesen Gefühlen Weisheit (Sophia) nicht sei, in Furcht und Trauer, Beschwörung und Bestürzung. In seiner Eigenschaft als so großer Äon und als Produkt des ganzen Pleromas bewirkte er es, daß die Leidenschaften von ihr schieden und machte aus ihnen substantielle Wesen, aus der Furcht psychische Substanz, aus der Trauer stoffliche, aus der Bestürzung dämonische, aus der Hinneigung und der Bitte und der Beschwörung machte er die Umkehr und die Reue und die Kraft der psychischen Substanz, welche die rechte genannt wird. Der Demiurg (stammt) aus der Furcht; das ist es, behauptet er, was die Schrift sagt: „Der Anfang der Sophia (Weisheit) ist die Furcht Gottes“. Diese war nämlich der Anfang der Leidenschaften der Sophia; sie geriet in Furcht, dann in Trauer, dann in Bestürzung, und so nahm sie zur Bitte und Beschwörung ihre Zuflucht. Die psychische Substanz ist feurig und wird von ihnen auch der Ort der Mitte und die Siebenzahl und der Alte der Tage genannt. Und was immer sie Derartiges hierüber sagen, das gilt von dem Psychischen, von dem sie behaupten, es sei der Demiurg der Welt; er ist aber aus Feuer. Auch Moses sagt: „Der Herr, dein Gott, ist brennendes und verzehrendes Feuer“. Nach Valentinus soll das in diesem Sinn geschrieben stehen. Zweifach aber ist die Macht des Feuers; es ist nämlich ein allverzehrendes Feuer, das nicht gelöscht werden kann…. Von dieser Seite ist die Seele (Psyche) sterblich, da sie Mitte ist; sie ist nämlich Siebenzahl und Ruhe; sie ist unterhalb der Achtzahl, wo die gestaltete Sophia und die gemeinsame Frucht des Pleromas ist, oberhalb der Materie aber, deren Demiurg sie ist. Wenn sie nun jenen oberen Wesen sich angleicht, der Achtzahl, so wird sie unsterblich und kommt in die Achtzahl, welche, wie er sagt, „das himmlische Jerusalem“ ist; wenn sie sich aber der Materie, d. h, den materiellen Gefühlen angleicht, so wird sie vergänglich und geht zugrunde.

Wie nun die erste und größte Kraft der psychischen Substanz entstand….. Bild der Teufel, der Herrscher dieser Welt; von der Wesenheit der Dämonen, die aus der Bestürzung stammt, Beelzebub…… die Sophia von oben, von der Achtzahl wirkend bis zur Siebenzahl. Rein gar nichts, so sagen sie, weiß der Demiurg, sondern er ist unverständig und dumm, und weiß nicht, was er schafft und wirkt. Wegen seines Nichtwissens hat die Sophia alles bewirkt und gefestigt, und während jene tätig war, vermeinte er aus sich selbst die Welt zu erschaffen; daher fing er an zu sagen: „Ich bin Gott, und außer mir ist es keiner“.

Die valentinische Vierzahl ist „Quelle, die die Wurzeln der ewigen Natur hat“, und die Sophia, von der die psychische und stoffliche Schöpfung stammt. Die Sophia wird Pneuma genannt, der Demiurg Psyche, der Teufel der Herrscher der Welt, Beelzebub der Herrscher der Teufel. Sie lehren folgendes: Indem sie ihre ganze Lehre zahlenmäßig gestalten, wie ich früher gesagt, behaupten sie, daß die dreißig Äonen innerhalb des Pleromas nochmals für sich andere Äonen auf dieselbe Weise hervorgebracht hätten, auf daß das Pleroma in der vollkommenen Zahl bestehe. Wie nämlich die Pythagoreer Teilungen in zwölf und dreißig und sechzig vornahmen, so machen jene Unterteilungen an den im Pleroma befindlichen Wesen. Auch die Wesen in der Achtzahl werden abgeteilt; die Sophia, die nach ihnen „die Mutter aller Lebewesen“ ist, und die gemeinsame Frucht des Pleromas bringen siebzig Logos‘ hervor; diese sind himmlische Engel und wohnen im Jerusalem, das oben, das in den Himmeln ist. Dieses Jerusalem ist nämlich die Sophia, die außerhalb (des Pleromas) ist, und ihr Bräutigam, die gemeinsame Frucht des Pleromas. Auch der Demiurg hat Seelen (Psychen) hervorgebracht; dies ist die Wesenheit der Seelen. Der Demiurg ist nach ihnen Abraham und sie die Kinder Abrahams. Aus der stofflichen und diabolischen Substanz hat der Demiurg den Seelen die Leiber gemacht. Dies bedeutet das Wort: „Und Gott bildete den Menschen, indem er Lehm von der Erde nahm, und hauchte in sein Antlitz den Hauch des Lebens, und der Mensch wurde zur lebenden Psyche“. Dies ist nach ihnen der innere Mensch, der psychische, der in dem stofflichen Körper wohnt, dieser (Körper) ist der stoffliche, hinfällige, unvollkommene, aus diabolischer Substanz gebildete (Mensch). Dieser stoffliche Mensch ist nach ihnen gleichwie ein Gasthaus oder ein Aufenthaltsort bald für die Psyche allein, bald für die Psyche und die Dämonen, bald für die Psyche und die Logos‘. Diese Logos‘ sind von oben von der gemeinsamen Frucht und der Sophia in diese Welt gesät worden und wohnen in dem aus Erde gebildeten Leib mit der Psyche, wenn die Dämonen nicht mit der Psyche dort wohnen. Das bedeutet, sagt (Valentinus), was in der Schrift geschrieben steht: „Deswegen beuge ich meine Knie vor Gott, dem Vater und Herrn unseres Herrn Jesus Christus, auf daß euch Gott gewähre, daß Christus im inneren Menschen wohne“ d. i. im psychischen, nicht im körperlichen, „auf daß ihr zu erkennen vermöget, welches die Tiefe“ (dies ist der Vater des Alls) „und welches die Breite“ (dies ist der Stauros, der Horos des Pleromas) „und welches die Länge“ (dies ist das Pleroma der Äonen). Deswegen „nimmt der psychische Mensch nicht auf, was des Geistes (Pneuma) Gottes ist; denn es ist ihm Torheit“; Torheit ist die Kraft des Demiurgen, töricht nämlich war er und unverständig, und er vermeinte selbst die Welt zu bilden, und wußte (gar) nicht, daß die Sophia die Mutter, die Achtzahl, alles zur Schaffung der Welt für ihn, der nichts versteht, wirkt.

Alle Propheten und das Gesetz haben durch den Demiurgen, den törichten Gott, gesprochen, sind freilich selbst nichtswissende Toren. Deswegen sagt der Erlöser: „Alle, die vor mir gekommen sind, sind Diebe und Räuber“, und der Apostel: „Das Geheimnis, das den früheren Geschlechtern nicht bekannt wurde“. Denn kein Prophet, sagt (Valentinus), hat irgend etwas über das gesprochen, wovon wir reden; man wußte nichts davon; alles….., was ja vom Demiurgen allein gesagt worden ist. Als nun die Schöpfung beendet war, sollte „die Offenbarung der Söhne Gottes“ geschehen, d. i. (die Offenbarung) des Demiurgen, die verschleierte, durch die der psychische Mensch verschleiert war, und „einen Schleier auf dem Herzen“ hatte. Als nun der Schleier gehoben und diese Geheimnisse sichtbar werden sollten, ward Jesus aus Maria der Jungfrau geboren nach dem Schriftwort: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ — der Geist ist die Sophia — „und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten“ — der Allerhöchste ist der Demiurg — , „deswegen wird das aus dir Geborene heilig genannt werden“. Es wird nun nicht vom Allerhöchsten allein erzeugt, wie die nach Adam Erschaffenen von dem Allerhöchsten allein, d. i. vom Demiurgen, erschaffen wurden; Jesus aber, der neue Mensch, (stammt) aus dem Heiligen Geist, d. i. aus der Sophia und dem Demiurgen, auf daß der Demiurg die Körpergestalt und den Körperbau Jesu bilde, die Wesenheit Jesu aber der Heilige Geist erzeuge und so der himmlische Logos entstehe, gezeugt von der Achtzahl aus Maria. Hierüber wird bei ihnen viel nachgeforscht, und dies bietet Anlaß zu Zwistigkeiten und Meinungsverschiedenheiten. Hierdurch wurde ihre Anhängerschaft gespalten, die eine (Schule) heißt die orientalische, die andere die italische. Die Anhänger der italischen, zu denen Herakleon und Ptolemäus gehören, sagen, der Leib Jesu sei ein psychischer gewesen und so sei bei der Taufe der Geist (das Pneuma), d. i. der Logos der Mutter von oben, der Sophia, als Taube herabgekommen und in den psychischen Leib eingegangen, und der Geist habe ihn von den Toten erweckt. Das soll das Wort bedeuten: „Der Christus von den Toten erweckt hat, wird auch unsere sterblichen Leiber lebendig machen“, d. h. die psychischen. Der Lehm kam unter den Fluch. „Erde nämlich bist du und wirst zur Erde kommen“. Die Anhänger der orientalischen Schule hingegen, zu denen Axionikos und Ardesianes gehören, sagen, der Leib des Heilands sei pneumatisch; denn der Heilige Geist (Pneuma), d. i. die Sophia, und die Macht des Allerhöchsten, die demiurgische Kunst kam über Maria, auf daß das, was Maria vom Geiste (Pneuma) gegeben ward, gestaltet würde.

Diesen Fragen mögen nun die Valentinianer unter sich nachgehen oder wenn sonst noch jemand anderer daran Interesse haben sollte. (Valentinus) fügt noch hinzu: Es wurden die Schäden, welche die innerhalb (des Pleromas) befindlichen Äonen betrafen, gut gemacht, und auch die der Achtzahl, der Sophia, die außerhalb (des Pleromas) ist, und auch die der Siebenzahl; — der Demiurg wurde nämlich von der Sophia belehrt, daß er nicht der einzige Gott sei, wie er meinte, noch daß außer ihm kein anderer sei, vielmehr erkannte er den Mächtigeren, von der Sophia belehrt; er wurde nämlich von ihr eingeweiht und über das große Mysterium des Vaters und der Äonen unterrichtet und belehrt; er hat davon niemand Kunde gegeben. Das ist’s, was er zu Moses sagt: „Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, und den Namen Gottes habe ich ihnen nicht verkündet“, d. i. ich habe vom Geheimnis nicht gesprochen noch habe ich erklärt, wer Gott ist, sondern ich habe bei mir im Verborgenen das Geheimnis bewahrt, das ich von der Sophia gehört habe, — so mußte, nachdem die oberen Dinge in Ordnung gebracht worden waren, folgerichtig auch die hier befindlichen einer Besserung teilhaft werden. Deshalb ward Jesus, der Heiland, aus Maria geboren, auf daß die hiesigen Dinge gebessert würden, wie Christus, der von oben her vom Nus und von der Aletheia hervorgebracht worden ist, die Leidenschaften der außerhalb (des Pleromas) befindlichen Sophia, d. i. der Fehlgeburt, verbesserte; so kam der von Maria geborene Heiland, um die Leidenschaften der Psyche zu bessern. Es gibt nun nach ihnen drei Christusse: der vom Nus und der Aletheia mit dem Heiligen Geist hervorgebrachte, und die gemeinsame Frucht des Pleromas, Gemahl der außerhalb (des Pleromas) befindlichen Sophia, die selbst auch Heiliger Geist genannt wird, er ist aber dem ersteren untergeordnet; und der dritte der aus Maria zur Besserung unserer Schöpfung geborene.

Ich meine nun mehr als genügend die valentinische Ketzerei als pythagoreisch nachgewiesen zu haben. Nun dürfte es noch angebracht sein, die Darlegung ihrer Lehren durch Stichproben abzuschließen. Plato schreibt nämlich bei Darlegung der Mysterienbezüglich des Alls ungefähr folgendes an Dionysius: „Du sollst also in Rätseln sprechen, damit, wenn dem Täfelchen etwas zu Wasser oder zu Lande passierte, der Leser nichts erfahre; so nämlich verhält es sich: Um den König aller Dinge ist alles, und seinetwegen ist alles, und er ist Ursache alles Schönen. Um die zweiten Dinge ist das zweite, um die dritten das dritte. Um den König und die von mir genannten Dinge ist nichts Derartiges. Hernach sucht die Seele zu erfahren, welcher Art jene sind, indem sie auf das ihr Verwandte blickt, von dem sie nichts genügend hat. Sohn des Dionysius und der Doris, das ist die Frage, was der Grund allen Übels ist; ja die Sorge hierum ist in der Seele eingewurzelt, und wenn einer sich diese nicht zur seinigen macht, so kann er in der Tat der Wahrheit nie teilhaft werden. Höre, was Wunderbares darin liegt. Es gibt Menschen, die das gehört haben, bildsame, mit Gedächtnis begabte, gründliche Prüfer und Beurteiler, schon vorgerückten Alters, die sagen, daß das, was seinerzeit glaubwürdig geschienen habe, nun unglaubwürdig erscheine, das damals Unglaubwürdige nun im Gegenteil (glaubwürdig). Behalte das im Auge und nimm dich in acht, daß dich nicht einmal Reue ergreift über das, was dir ungeschätzt entfiel. Deswegen habe ich hierüber nichts geschrieben noch existiert irgendeine Schrift Platos noch wird sie je existieren. Was jetzt gesagt worden ist, stammt von Sokrates, der auch als Jüngling tugendhaft war.“ Da Valentinus darauf gestoßen war, so nahm er den König aller Dinge, von dem Plato gesprochen, zur Grundlage, der da ist Vater und Bythos und Sige aller Äonen. Da Plato sagte, das Zweite um das Zweite, so setzte Valentinus als Zweites sämtliche Äonen innerhalb des Horos und als Drittes um das Dritte machte er den ganzen Kosmos außerhalb des Horos und des Pleromas. Und Valentinus hat ihn ganz kurz in folgendem Psalm erklärt, indem er von unten anfing, nicht wie Plato von oben: „Am Äther sehe ich alles im Geiste hangen, alles erkenne ich im Geiste getragen; das Fleisch zwar an der Psyche hangend, die Psyche von der Luft hinausgetragen, die Luft am Äther hangend, aus dem Bythos die hervorgebrachten Früchte, aus dem Mutterschoß die kommende Frucht.“ Dies verstand er so: Das Fleisch ist nach ihnen die Materie, die an der Psyche des Demiurgen hängt; die Psyche aber wird aus der Luft hinausgetragen, d. i. der Demiurg aus dem Pneuma, das außerhalb des Pleromas ist. Die Luft wird aus dem Äther hinausgetragen, d. i. die Sophia, die außerhalb (des Pleromas) ist, aus der innerhalb des Horos befindlichen und aus dem ganzen Pleroma; aus dem Bythos entstehen die Früchte, das gesamte Hervorbringen der Äonen aus dem Vater. Die Ansichten des Valentinus sind hinreichend vorgetragen……, den Fortschritt der Schule darzustellen; der eine hat ihre Ansichten so dargestellt, der andere so.

Sekundus, ein Zeitgenosse des Ptolemäus, sagt folgendermaßen: es gebe eine rechte und eine linke Vierzahl und Licht und Dunkel; und die Kraft, die sich entferne und sich verspäte, stamme nicht von den dreißig Äonen, sondern von ihren Früchten. Ein anderer ihrer Lehrer, ein glänzender, stellt auf: Das Urprinzip war unbegreiflich und unaussprechlich und unnennbar, er nennt es Monotes; mit diesem zugleich existiert eine Kraft, er nennt sie Henotes. Diese Monotes und Henotes brachten, ohne hervorzubringen, das Prinzip aller Dinge hervor. Das, was erkennbar, ungezeugt und unsichtbar ist, nennt er Monas; zugleich mit dieser Kraft existiert eine ihr wesensgleiche Kraft, die er auch selbst das Hen nennt. Diese vier Kräfte brachten die übrigen Äonenprodukte hervor. Andere wieder nennen die erste und Urachtzahl mit folgenden Namen: erstens das Urprinzip, dann das Unbegreifliche, als drittes das Unaussprechliche und als viertes das Unsichtbare. Aus dem ersten Urprinzip sei an erster und fünfter Stelle das Prinzip hervorgebracht worden, aus dem Unbegreiflichen an zweiter und sechster Stelle das Unfaßliche, aus dem Unaussprechlichen an dritter und siebter Stelle das Unnennbare, aus dem Unsichtbaren das Ungezeugte, das Pleroma der ersten Achtzahl. Nach ihnen sollen die Kräfte dem Bythos und der Sige präexistieren. Über den Bythos selbst gibt es viele verschiedene Meinungen. Die einen sagen, er sei ungepaart, weder männlich noch weiblich, die anderen wieder, die weibliche Sige sei bei ihm, und dieses sei die erste Paarung. Die Schüler des Ptolemäus aber sagen, der Bythos habe zwei Gattinnen, die sie auch Zustände nennen, Ennoia und Thelesis; zuerst dachte er nämlich daran, etwas hervorzubringen, wie sie sagen, dann wollte er es. Daher wurden, da die beiden Zustände und Kräfte, Ennoia und Thelesis, sich gleichsam vermischten, der Monogenes und die Aletheia durch Paarung hervorgebracht. Diese Typen und Bilder der zwei Zustände des Vaters gingen sichtbar aus dem Unsichtbaren hervor, aus dem Thelema der Nus, aus der Ennoia die Aletheia, und deswegen ist das Bild des nachgeborenen Thelema männlich, das der ungezeugten Ennoia weiblich, weil das Thelema gleichsam die Kraft der Ennoia wurde. Die Ennoia nämlich stellte sich immer das Hervorbringen vor, konnte freilich, auf sich allein angewiesen, nicht hervorbringen, sondern es blieb bei der Vorstellung; da nun die Kraft des Thelema dazukam, da brachte sie hervor, was sie sich vorgestellt.

Ein anderer ihrer Lehrer, Markus, welcher, der Magie kundig, bald mit Gaukelei, bald mit Hilfe der Dämonen vorging, täuschte viele. Er behauptete, in ihm sei die größte, von den unsichtbaren und unnennbaren Orten kommende Kraft. Oft nahm er einen Kelch, als ob er die Eucharistie feiere, dehnte die Epiklese ziemlich weit aus und bewirkte, daß die Mischung bald purpurn und rot aussah, so daß es den Irregeführten erschien, als ob eine Gnade herabkomme und dem Tranke eine blutartige Kraft gebe. Der Schwindler wurde damals von vielen nicht durchschaut, jetzt aber überwiesen, wird er es aufgeben. Er ließ nämlich einen Stoff, der diese Färbefähigkeit hatte, heimlich in die Mischung fallen und wartete eine Zeitlang, Possen treibend, bis dieser, mit der Flüssigkeit in Verbindung gebracht, sich aufgelöst und durch die Mischung den Trank gefärbt hatte. Die Mittel, die das bewirken können, haben wir vorher in dem Buch über die Zauberer besprochen und auseinandergesetzt, daß sie durch Täuschung viele verführen; solche werden aber, wenn ihnen daran liegt, das Gesagte genauer zu studieren, den Betrug des Markus durchschauen.

Auch pflegte er einen kleineren Becher, mit einer Mischung gefüllt, einem Weibe zu geben, damit sie die Eucharistie feiere, stand selbst daneben und hielt einen größeren, leeren in der Hand; und nachdem die Genasführte Eucharistie gefeiert hatte, nahm er den kleineren und goß ihn in den größeren und sprach, während er noch öfters den einen in den anderen goß, folgendermaßen dazu: „Die Gnade, die vor allem existiert, die unbegreifliche und unaussprechliche, möge deinen innerlichen Menschen erfüllen und möge in dir die Kenntnis von sich vermehren, indem sie das Senfkorn in die gute Erde legt“. Mit solchen Worten machte er auf die Getäuschte und die Anwesenden Eindruck, und da nun der größere Becher sich aus dem kleineren füllte, bis er, übervoll, überlief, wurde er für einen Wundertäter gehalten. Dieses Kunststück haben wir gleichfalls in dem vorgenannten Buche beschrieben, indem wir zeigten, daß sehr viele Mittel, mit Flüssigkeiten vermischt, einen großen Zuwachs ergeben könnten, am meisten durch Mischung mit gewässertemWein. (Markus) bestrich heimlich einen leeren Becher mit der Salbe und wies ihn vor, als ob er nichts enthalte, goß aus dem kleineren Becher hinein und goß wieder zurück, während sich das Brausemittel durch Berührung mit der Flüssigkeit auflöste; so floß der Trank über und schwoll so lange, als die zugegossene Flüssigkeit bewegt wurde; so wirkte das Mittel. Wenn man nun einen solchen angeschwollenen Trank beiseite stellt, so wird er binnen kurzem auf sein natürliches Maß zurückgehen, da die Kraft des Mittels erlischt, während die Flüssigkeit zurückbleibt. Deswegen gab er den Anwesenden rasch zu trinken; die aber tranken es wie etwas Göttliches, wie eine Gottesgabe, mit Schaudern und Lust zugleich.

Solches und anderes noch unterfing sich der Schwindler zu tun; darob wurde er von den Betrogenen verehrt, ja man meinte, er könne auch die Zukunft vorhersagen; manchmal ließ er es andere tun, bald mit Hilfe der Dämonen, bald, wie schon erwähnt, durch Gaukeleien. Viele, die er in Irrtum führte, und viele solche, die seine Schüler wurden, brachte er dazu, es mit dem Sündigen nicht genau zu nehmen, da es nach seiner Lehre gefahrlos sei; denn sie gehörten zur vollkommenen Kraft und hätten an der unaussprechlichen Macht teil; seinen Anhängern wird nach der Taufe eine zweite versprochen, die sie Erlösung nennen, und hierdurch verderben sie die, welche auf die Erlösungshoffnung hin bei ihnen bleiben, in der Meinung, es könnten die, welche nach der einmaligen Taufe noch einmal fielen, Nachlassung erhalten. Durch solchen Betrug halten sie anscheinend die Schüler zusammen; wenn sie glauben, daß sie erprobt sind und daß sie ihr Glaubensgeheimnis bewahren können, so führen sie dieselben in dieses ein, geben sich aber damit noch nicht zufrieden, sondern versprechen ihnen noch etwas Weiteres, um sie durch diese Hoffnung untrennbar an sich zu ketten. Sie sagen nämlich etwas mit unartikulierter Stimme, indem sie dem, der die Erlösung erhalten, die Hand auflegen; sie könnten angeblich dies nicht gut aussprechen, außer wenn einer durch und durch erprobt sei oder wenn der Bischof es einem Sterbenden ins Ohr sage. Und dieser Betrug zielt dahin, daß die Schüler immer beim Bischof bleiben im Verlangen, zu erfahren, was denn endlich dieses im letzten Augenblick gesprochene Wort sei, durch das der Schüler unter die Vollkommenen gelange. Ich habe dies deswegen nicht erwähnt, um nicht in den Verdacht der Schmähsucht zu kommen; es ist ja nicht das unsere Aufgabe, sondern der Nachweis, woher sie ihren Ausgangspunkt für ihre Lehren nahmen.

Der selige Presbyter Irenäus hat sich mit großem Freimut an ihre Widerlegung gemacht und hat diese Waschungen und Erlösungen auseinandergesetzt, indem er ihr Tun ausführlich schilderte. Da nun einige von ihnen das lasen, leugneten sie, derartige Lehren überkommen zu haben; sie werden ja immer angeleitet, zu leugnen. Deswegen ist es uns ein Anliegen gewesen, genauer nachzuforschen und Stück für Stück nachzuprüfen, was sie in dem nach ihnen sogenannten ersten Bade und in dem zweiten, das sie Erlösung nennen, überliefern. Ja nicht einmal ihr Geheimnis blieb uns verborgen. Das soll Valentinus mit seiner Schule zugeben. Markus aber kopierte seinen Lehrer und erdichtete selbst eine Vision, in der Meinung, so werde er berühmt. Valentinus nämlich behauptet, er habe einen ganz jungen Knaben gesehen; er frug ihn aus, wer er sei; der aber gab zur Antwort, er sei der Logos; Valentinus fügte dann noch eine tragische Geschichte hinzu; sie sollte die Grundlage der von ihm gestifteten Häresie sein. Markus verlegte sich auf etwas Ähnliches und behauptete, zu ihm sei die Vierzahl in weiblicher Gestalt gekommen, da ihr Männliches die Welt nicht hätte tragen können, und habe ihm geoffenbart, wer sie sei, und ihm die Entstehung aller Dinge, die sie noch niemand, weder einem Gott noch einem Menschen, enthüllt hatte, mit folgenden Worten eröffnet: Als im Anfang der Vater, dessen Vater niemand war, der Unbegreifliche, Wesenlose und Geschlechtslose, wollte, daß seine Unaussprechlichkeit aussprechbar werde und seine Unsichtbarkeit Gestalt annehme, öffnete er den Mund und brachte ein Wort (Logos), das ihm gleich war, hervor; dieses trat vor ihn hin und zeigte ihm seine Wesenheit, indem es selbst als des Unsichtbaren Gestalt erschien. Die Aussprache des Namens aber geschah folgendermaßen: Der Vater sprach das erste Wort seines Namens: es war Arche. Das war die Zusammenfassung seiner vier Buchstaben, dann fügte er das zweite dazu, welches gleichfalls aus vier Buchstaben bestand; hierauf sprach er das dritte, welches zehn Buchstaben, und dann das vierte, welches zwölf Buchstaben enthielt. Es bestand also die Aussprache des ganzen Namens aus dreißig Buchstaben und vier Wortbildern. Jeder der Buchstaben hat eigene Zeichen, eigenen Charakter, eigene Aussprache, eigene Gestalt und eigenes Aussehen, und keiner nimmt die Gestalt dessen wahr, von dem er nur ein Buchstabe ist, noch kennt irgendeiner die Aussprache des ihm benachbarten, sondern jeder glaubt in dem, was er selbst ausspricht, das Ganze mit Namen zu nennen. Jeder, obwohl nur ein Teil des Alls, hält seinen Laut für das Ganze und hört nicht auf zu tönen, bis er zum letzten Schriftzeichen des letzten Buchstabens, jedes einzeln aussprechend, gelangt. Dann erfolgt nach Markus die Wiederherstellung des Alls, wenn alles zu dem einen Buchstaben gekommen, ein und denselben Laut gebe. Das Amen, das wir (alle) gleichzeitig sprechen, sei ein Bild dieses Lautes, die Laute aber gestalten den wesenlosen ungezeugten Äon und sind die Gestalten, die der Herr Engel genannt, die immerwährend das Antlitz des Vaters schauen.

Als aussprechbare Sammelnamen der Elemente gab Markus Äonen und Worte, Wurzeln, Samen, Pleromata und Früchte an; die besonderen Namen jedes einzelnen seien als im Namen der Ekklesia enthalten zu denken. Der Schlußbuchstabe des letzten Elementes brachte seinen Laut hervor, dieser Laut erzeugte durch seinen Widerhall eigene Urstoffe gleich den Elementen; aus diesen Urstoffen sind die irdischen Dinge gebildet worden und ist die zugrunde liegende Materie entstanden. Der Buchstabe selbst, dessen Echo nach unten drang, sei von seiner eigenen Silbe zur Vervollständigung des Universums hinauf genommen worden, der Widerhall sei aber, wie ausgestoßen, unten geblieben. Das Element, von dem der Buchstabe samt seiner Aussprache herabstieg, enthalte dreißig Buchstaben, und jeder einzelne jener dreißig Buchstaben habe andere Buchstaben in sich, durch welche der Name des Buchstaben gebildet werde, und die anderen Buchstaben würden durch weitere Buchstaben gebildet und diese letzteren wieder durch andere, so daß die Menge der einzelnen Schriftzeichen ins Unendliche gehe. Vielleicht könnte einem das Gesagte auf folgende Weise klarer gemacht werden. Der Buchstabe Delta hat in sich fünf Schriftzeichen: das Delta, das Ei, das Lambda, das Tau und das Alpha; diese Buchstaben werden wieder mit anderen Buchstaben geschrieben und diese letzteren wieder mit anderen. Wenn nun der Gesamtinhalt des Delta ins Unendliche geht, da immer die weiteren Buchstaben wieder andere hervorbringen und sich gegenseitig ablösen, um wieviel größer muß das Buchstabenmeer des Urelementes sein! Und wenn der eine Buchstabe so unendlich ist, so stellt euch den Abgrund von Buchstaben des ganzen Namens vor, aus welchen nach dem arbeitslustigen oder besser arbeitswütigen Markus der Urvater bestehen soll. Daher habe der Vater in der Erkenntnis seiner eigenen Unfaßbarkeit den Elementen, die er auch Äonen nennt, es gewährt, daß jedes mit dem ihm eigenen Laut sich vernehmlich mache, weil einer allein unfähig war, das All auszudrücken.

Nach dieser Aufklärung habe die Vierzahl ihm gesagt: „Nun will ich dir auch die Aletheia selbst zeigen: ich habe sie nämlich aus den Wohnungen oben herabgebracht, auf daß du sie nackt sehest und ihre Schönheit würdigest, daß du sie aber auch sprechen hörest und ihre Weisheit bewunderest. So betrachte zuerst das Haupt oben, Alpha Omega, den Nacken Beta Psi, die Schulter zugleich mit den Händen Gamma Chi, die Brust Delta Phi, das Zwerchfell Epsilon Ypsilon, den Bauch Zeta Tau, die Scham Etha Sigma, die Lenden Teta Ro, die Knie Jota Pi, die Schienbeine Kappa Omikron, die Knöchel Lambda Xi, die Füße My Ny.“ Dies ist nach Markus der Leib der Aletheia, dies die Gestalt des Urstoffes, dies der Charakter des Zeichens. Und diesen Urstoff nennt er Mensch; er sei die Quelle jeden Wortes und das Prinzip jeden Lautes und der Ausdruck jedwedes Unaussprechlichen und der Mund der verschwiegenen Sige. „So viel über ihren Leib. Du aber wecke des Geistes erhabenes Verständnis und höre das selbsterzeugende und vaterschaffende Wort der Aletheia!“

Nachdem die Vierzahl dieses gesagt, habe ihn die Aletheia angeblickt, den Mund geöffnet und ein Wort gesprochen; aus dem Wort sei ein Name geworden, und der Name sei der, den wir kennen und nennen: Christus Jesus; nachdem sie ihn genannt, sei sie gleich verstummt. Da Markus auf weitere Offenbarungen wartete, trat die Vierzahl wieder vor und sprach; „Für so einfältig hast du diese Rede gehalten, die du aus dem Munde der Aletheia gehört hast; das ist nicht der Name, den du kennst und von früher her innezuhaben vermeinst; du hörst nur seinen Klang, die Kraft verkennst du; Jesus ist ja ein besonderer Name, der aus sechs Buchstaben besteht, der von allen Berufenen angerufen wird; der andere Name, der bei den Äonen ist und mehrfache Bedeutung hat, ist von anderer Bildung und anderem Typ und wird von jenen Genossen erkannt, deren Hoheiten immerdar bei ihm weilen.“

Wisse, daß euere vierundzwanzig Buchstaben Emanationen und Gleichnisse der drei Kräfte sind, die die gesamte Zahl der oberen Elemente in sich begreifen. Die neun tonlosen Buchstaben (Konsonanten) erachte als dem Vater und der Aletheia zugehörend, weil sie selbst tonlos sind, d. h. unaussprechlich und unausdrückbar; die acht Halbvokale aber als dem Logos und der Zoe angehörend, weil sie gleichsam die Mitte halten zwischen den Konsonanten und den Vokalen und weil sie die Emanation der oberen und die Erhebung der unteren aufnehmen; die sieben Vokale, als dem Menschen und der Kirche angehörend, weil der vom Menschen ausgegangene Laut das Universum gestaltet hat. Der Widerhall seiner Stimme nämlich hat dem All Gestalt gegeben. Es haben also der Logos und die Zoe acht Buchstaben, der Mensch und die Kirche sieben, der Vater und die Aletheia neun. Da aber die Rechnung nicht aufging, so stieg der beim Vater überzählige Buchstabe herab, abgesandt zu dem, von welchem er getrennt ward, zur Richtigstellung dessen, was getan worden war, auf daß die Einheit der Pleromata, nunmehr hergestellt, als Frucht eine Kraft in allen und aus allen hervorbringe. Und so hat der mit sieben die Kraft von acht erhalten, und es wurden die drei Orte gleich an Zahl, nämlich Achtheiten; diese drei zueinander addiert ergeben die Zahl vierundzwanzig. Die drei Elemente aber paaren sich nach Markus mit den drei Kräften, so daß sechs existieren, aus denen die vierundzwanzig Buchstaben herstammen. Diese sechs ergeben mit der Zahl der unaussprechlichen Vierheit vervielfacht die Zahl, welche dem Unnennbaren zugehört. Die Elemente werden durch die sechs Kräfte zur Gleichheit mit dem Unsichtbaren gebracht; es gibt nämlich sechs Doppelbuchstaben als Bilder der Bilder dieser Elemente, und diese ergeben zu den vierundzwanzig Buchstaben hinzugezählt analog die Zahl dreißig.

Als Frucht dieser Berechnung und Ordnung erscheint, so sagt er, in Bild und Gleichnis jener, der nach sechs Tagen als Vierter auf den Berg gestiegen und der Sechste geworden sei, der herabgestiegen und in der Siebenzahl festgehalten wurde, der eine ausgezeichnete Achtheit war und in sich die gesamte Zahl der Elemente hatte; ihn zeigte, da er zur Taufe ging, die Taube, das Alpha und das Omega, bei ihrer Herabkunft durch ihre Zahl 801 an; deswegen sagt Moses, der Mensch sei am sechsten Tage erschaffen. Und gemäß des Leidensplanes ist an dem sechsten Tag, der Parasceve ist, der letzte Mensch zur Wiedergeburt des ersten erschienen. Dieses Planes Anfang und Ende liegt in der sechsten Stunde, in welcher er ans Kreuz geheftet wurde. Denn der vollkommene Nus, der begriff, daß die Sechszahl die Kraft der Schöpfung und der Wiedergeburt habe, hat den Kindern des Lichtes die durch ihn gemäß der erhabenen Zahl zu erfolgende Wiedergeburt geoffenbart. Deswegen hat die erhabene Zahl auch die Doppelbuchstaben in sich; zu den vierundzwanzig Elementen gezählt, macht sie den dreißigbuchstabigen Namen aus.

Als Gehilfin gebrauchte sie die Hoheit der sieben Zahlen, auf daß die Frucht ihres selbstgewollten Planes offenbar würde. Unter dieser erhabenen Zahl mußt du nun, so sagt er, jenen verstehen, der von der erhabenen Zahl gebildet wurde, der gleichsam zerteilt ist und draußen blieb, der in seiner Kraft und seinem Verstand durch seinen Sprößling diese nach dem Vorbild der siebenfachen Kraft aus sieben Kräften bestehende Welt beseelte und zur Seele des sichtbaren Alls machte. Nun benützt er dieses Werk, als wenn es spontan von ihm geschaffen worden wäre, jenes aber dient, da es nur Nachahmung des Unnachahmlichen, des Gedankens der Mutter ist. So läßt der erste Himmel das Alpha ertönen, der folgende das Ei, der dritte das Eta, der vierte und mittlere die Kraft des Jota, der fünfte das Omikron, der sechste das Ypsilon, der siebte, der zugleich der vierte von der Mitte aus ist, das Omega. Alle Kräfte, in eins zusammengefaßt, tönen und verherrlichen jenen, der sie hervorgebracht, und dieser Lobpreis steigt zum Vorvater hinauf. Der Wiederhall dieses Lobpreises ist zur Erde herabgekommen und Schöpfer und Bildner der Erdendinge geworden; den Beweis hierfür nimmt er von den neugeborenen Kindern, deren Seele, sobald sie aus dem Mutterleib hervorgehen, ebenso den Ton eines jeden dieser Buchstaben von sich gibt. Wie nun die sieben Kräfte den Logos verherrlichen, so auch die Seele, die in den Kindern weint. Deswegen habe auch David gesagt: „Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast du Lob bereitet“, und wiederum: „Die Himmel verkünden die Herrlichkeit Gottes“. Wenn aber die Seele in Not kommt, so ruft die Seele nichts anderes in ihrer Pein als Oh (Omega), auf daß die obere, ihr verwandte Seele es höre und ihr Hilfe herabschicke.

Hiervon so viel. — Über den Ursprung der vierundzwanzig Elemente lehrt Markus folgendes: Die Monotes bestand und mit ihr die Henotes; aus ihnen gingen zwei Sprossen hervor, die Monas und das Hen; es waren zweimal zwei, also vier, denn zweimal zwei sind vier. Und wiederum ergaben die Zwei und Vier, zusammengezählt, die Zahl sechs, und diese Sechs vervierfacht vierundzwanzig. Die Namen der ersten Vierzahl, die für das Allerheiligste gelten und nicht ausgesprochen werden können, werden vom Sohn allein erkannt; doch der Vater weiß, wer sie sind. In Schweigen und Glauben werden bei ihm folgende genannt: Arrhetos und Sige, Pater und Aletheia. Die Buchstabensumme dieser Vierheit ist vierundzwanzig. Arrhetos hat nämlich sieben Buchstaben, Sige fünf, Paterfünf und Aletheia sieben. In gleicher Weise ergab auch die zweite Vierheit: Logos und Zoe, Anthropos und Ekklesia, dieselbe Buchstabenzahl. Auch des Erlösers aussprechbarer Name Jesus besteht aus sechs Buchstaben, sein unaussprechlicher Name, Buchstabe für Buchstabe gerechnet, besteht aus vierundzwanzig. Hyios Chreistos aus zwölf, der unaussprechliche Name in Christus hat dreißig Buchstaben, wenn man nämlich zu den Buchstaben des Wortes die Buchstaben der Buchstabennamen zählt. Das Wort Chreistos hat acht Buchstaben, Chei drei, Rho zwei, Ei zwei, Jota vier, Sigma fünf, Tau drei, U [Ou] zwei und San drei. So hat das Unaussprechliche in Christus dreißig Buchstaben. Deswegen hat er gesagt: „Ich bin das Alpha und das Omega“, indem er auf die Taube hinwies, die diese Zahl, nämlich 801, hat.

Jesus aber hat folgenden unaussprechlichen Ursprung: Von der Mutter des Universums nämlich, von der ersten Vierheit, ging wie eine Tochter eine zweite Vierheit aus, und es entstand die Achtheit, aus der die Zehnheit hervorging; so entstand achtzehn. Die Dekade nun verzehnfachte die Achtheit und brachte die Zahl 80 hervor, und die achtzig wieder verzehnfacht erzeugte die Zahl 800, so daß die Gesamtsumme der Buchstaben, von der Achtzahl zur Dekade fortschreitend, 888 ist, was Jesus ist; der Name Jesus ist nämlich nach der in den Schriftzeichen enthaltenen Zahl 888. Das griechische Alphabet hat acht Einer, acht Zehner und acht Hunderter und zeigt so die Zahl 888 an, d. i. Jesum, der aus allen Zahlen besteht. Deshalb nennt er sich Alpha und Omega, um seinen Ursprung aus allen auszudrücken.

Über seine Entstehung lehrt (Markus) folgendes: Von der zweiten Vierheit sind Kräfte ausgegangen und haben den Jesus erschaffen, der auf Erden erschienen ist. Der Engel Gabriel hat die Stelle des Logos eingenommen, den der Zoe der Heilige Geist, den desMenschen die Kraft des Höchsten, den der Kirche die Jungfrau. So wird der Mensch gemäß dem Heilsplane ihm aus Maria geboren. Da er aber in das Wasser stieg, kam auf ihn als Taube der herab, der hinaufgestiegen war und die Zwölfzahl voll gemacht hatte; in ihm befindet sich der Samen jener, die gleichen Ursprungs mit ihm sind und mit ihm auf- und niedersteigen. Diese Kraft, die auf ihn herabkam, ist der Samen des Pleromas, der in sich sowohl den Vater wie den Sohn hat, sowie die durch diese erkannte unaussprechliche Kraft der Sige und die gesamten Äonen, Dies ist auch der Geist in ihm, der durch den Mund des Sohnes redete, der sich als Menschensohn bekannte, der den Vater offenbarte und auf Jesus herabkam, um sich mit ihm. zu vereinigen. Der Heiland der Heilsordnung habe den Tod gestürzt und den Vater Christus Jesus bekannt gemacht. Markus sagt nun, Jesus sei der Name des Menschen nach dem Heilsplane, er sei aber gesetzt als Bild und Gleichnis des Anthropos, der auf ihn herabkommen sollte, den er in sich aufnahm und besaß; und das sei der Anthropos, das der Logos, das der Vater und der Arrhetos, die Sige und die Aletheia und die Ekklesia und die Zoe.

Ich hoffe nun, daß es allen, die gesunden Verstandes sind, ganz klar ist, daß dies törichte und weit ab von der wahren Glaubenswissenschaft liegende Dinge sind, Bruchstücke astrologischer Erfindung und pythagoreischer Rechenkunst, wie ihr Lernbegierige wohl einseht. Diese Ansichten habe ich ja schon vorgelegt. Um aber noch gründlicher zu beweisen, daß sie nicht Christi, sondern des Pythagoras Schüler sind, so will ich, soweit es in einem Auszug möglich ist, auch was sie über Himmelserscheinungen sagen, darlegen. Sie sagen nämlich folgendes: Das Universum bestehe aus einerEinheit und einer Zweiheit, und von der Einheit bis zu vier zählend erhalten sie die Zehnheit. Die Zweiheit hinwiederum bis zum Haltezeichen ergibt die Zwölfzahl, was da ist zwei und vier und sechs. Und wenn wir wiederum von der Zweiheit bis zu zehn zählen, ergibt sich die Dreißigzahl, in der die Achtzahl und die Zehnzahl und die Zwölfzahl enthalten ist. Die Zwölfzahl, die das Haltezeichen als Begleiter gehabt habe, nennen sie die ausgezeichnete Leidenschaft, und deswegen sei, nachdem über die Zahl zwölf ein Irrtum geschah, das Schaf entlaufen und in die Irre gegangen, ebenso auch von der Dekade. Diesbezüglich sprechen sie auch von der Drachme, die das Weib verlor und mit brennender Lampe suchte, und vom Schaden, der an einem Schaf geschah und setzen die Zahl 99 zusammen und erdichten sich Zahlen, so daß die elf mit den neun vervielfacht die Zahl 99 ergibt, und um deswillen werde Amen gesagt, das die Zahl 99 enthalte. Von einer anderen Zahl sprechen sie so: Der Buchstabe Eta mit dem Haltezeichen ist eine Achtheit, weil es von Alpha an an achter Stelle steht; dann wiederum rechnen sie ohne das Haltezeichen die Zahl der Buchstaben selbst und setzen sie bis zum Eta zusammen und erhalten die Zahl 30. Wenn einer nämlich beim Alpha beginnt und bis zum Eta fortfährt, so erhält er, wenn er das Haltezeichen wegläßt, die Zahl 30. Nachdem nun aus den drei Kräften die Zahl dreißig sich ergibt, so macht sie, selbst verdreifacht, neunzig; dreimal dreißig sind nämlich neunzig. So bringt die Achtheit die Zahl neunundneunzig aus der ersten Achtheit und Zehnheit und Zwölfheit hervor. Hieraus errechnen sie addierend die Zahl dreißig, bald ziehen sie die zwölfte (Zahl) ab und erhalten elf; so machen sie auch aus zehn neun; durch Addition und Verzehnfachung kommen sie auf die Zahl neunundneunzig. Da der zwölfte Äon durch seinen Abfall elf zurückgelassen und sich nach unten begeben habe, so stimme die Sache. Der Typus der Buchstaben gebe Aufschluß: als elfter Buchstabe stehe nämlich das Lambda, das die Zahl dreißig bedeute, und das entspreche dem Bild der oberen Heilsordnung, da von Alpha an, ohne das Haltezeichen, der Zahlenwert der Buchstaben bis zum Lambda addiert die Zahl neunundneunzig ergibt. Daß das Lambda, das den elften Platz einnimmt, zur Suche des ihm gleichen herabkam, um die Zwölfzahl voll zu machen, und es fand und so voll wurde, ist aus dem Buchstabenbild selbst klar. Das Lambda nämlich, das gleichsam auf die Suche des ihm gleichen ausging, fand es, nahm es an sich und füllte so den Platz des zwölften, des Buchstabens My, aus; denn My besteht aus zwei Lambda. Die Anhänger des Markus meiden wegen dieser Erkenntnis den Ort der Zahl neunundneunzig, d. i. das Hysterema, das Abbild der linken Hand, sie streben nach dem Hen, das, zu den neunundneunzig gezählt, sie zu der rechten Hand hinüberführt.

Sie behaupten, die vier Elemente seien durch die Mutter geschaffen worden, nämlich Feuer, Wasser, Erde, Luft, als Bilder der oberen Vierzahl; dazu rechnen sie deren Wirkungen, das Heiße, das Kalte, das Feuchte, das Trockene, und behaupten, sie stellten genau die Achtheit dar. Dann rechnen sie zehn Kräfte auf folgende Weise zusammen: sieben kugelförmige Körper, die sie auch Himmel nennen, dann den Kreis (Kugelschale), der sie umschließt, den sie auch den achten Himmel nennen, und hierzu Sonne und Mond. Und diese zehn sind die Bilder der unsichtbaren Zehnheit, die von dem Logos und der Zoe stammt. Die Zwölfheit werde durch den sogenannten Tierkreis dargestellt. Diese zwölf Tierbilder geben ein ganz klares Schattenbild der Zwölfzahl, der Tochter des Anthropos und der Ekklesia. Weil aber der obere Himmel zu der überaus schnellen Bewegung des Alls in Gegenwirkung steht, indem er auf dessen Wölbung drückt und dessen Schnelligkeit durch seine Langsamkeit ein Gegengewicht bietet, so daß in dreißig Jahren der Umlauf von Zeichen zu Zeichen vor sich geht, so soll er ein Bild des Horos sein, der ihre dreißignamige Mutter umfängt; im Monde, der den Himmel in dreißig Tagen umwandelt, zeige sich die Zahl der Äonen, in der Sonne, die in zwölf Monaten ihre kreisförmige Bahn zurücklegt und vollendet, die Zwölfheit, und die Tage selbst, die das Zwölfstundenmaß haben, seien der Typus der berühmten Zwölfheit. Der Durchmesser des Tierkreises selbst betrage 360 Grade, jedes Tierbild habe also dreißig Grade. Dadurch werde im Tierkreis das Abbild der Beziehung der Zahl zwölf zur Zahl dreißig festgehalten. Überdies sei die Erde in zwölf Himmelsstriche abgeteilt und nehme in jedem einzelnen Himmelsstrich je eine aus den Himmeln herabgekommene Kraft auf und gebäre Kinder, die der Kraft, die ihre Emanation hinuntersandte, ähnlich sind, und sei so das Bild der oberen Zwölfheit.

Der Demiurg wollte hierzu noch das Unendliche, Ewige, Unbegrenzte, Zeitlose der oberen Achtheit nachbilden, er konnte aber ihr immerwährendes, ewiges Wesen nicht ausdrücken, da er ja eine Frucht des Hysterema ist; so setzte er Zeiten und Zeitabschnitte und Zahlen von vielen Jahren an Stelle ihrer Ewigkeit und vermeinte durch die Fülle der Zeiten ihre Unbegrenztheit darstellen zu können. So entfloh ihm die Aletheia, und er lief der Lüge nach, und deswegen muß sein Werk zerfallen, wenn sich die Zeiten erfüllt haben.

Das lehren die Schüler des Valentinus über die Schöpfung und das Universum und machen von Fall zu Fall Neues dazu; sie halten es für eine Errungenschaft, wenn einer immer größere Wundermären ausdenkt und verbreitet. Und indem sie die einzelnen Stellen der Schrift an die vorerwähnten Zahlen angleichen, bringen sie Moses und die Propheten in üblen Ruf mit der Behauptung, diese hätten auf die Masse der Äonen angespielt; es war nicht nötig, diese eitlen Possen anzuführen, da ja schon der selige Presbyter Irenäus gründlich und genau ihre Lehren untersucht hat; von ihm haben wir ihre Phantastereien übernommen und nachgewiesen, daß sie dieselben aus der pythagoreischen Philosophie und aus den fürwitzigen Astrologen überkommen und umgeändert haben, es aber auf Christus schieben, sie gelehrt zu haben. Nunmehr dürften ihre hohlen Lehren reichlich auseinandergesetzt und es klar nachgewiesen sein, welcher Leute Schüler Markos und Kolabarsos sind. Was sagt denn nun Basilides?

Buch VII.

Inhalt

1. Der Inhalt des siebenten Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

2. Die Lehre des Basilides; er hat unter dem Eindruck der Anschauungen des Aristoteles aus ihnen seine Häresie zusammengestellt.

3. Die Lehre des Saturneilos, eines Zeitgenossen des Basilides.

4. Das Unterfangen des Menandros, die Erschaffung der Welt durch die Engel zu lehren.

5. Der Wahnsinn des Markion, dessen Lehre zwar nicht neu ist, aber auch nicht aus den heiligen Schriften, sondern aus Empedokles stammt.

6. Der Unsinn des Karpokrates, der gleichfalls behauptet, das Bestehende sei von Engeln geschaffen worden.

7. Daß Kerinthos seine Lehre nicht aus der Schrift, sondern aus den Lehren der Ägypter zusammenstellte.

8. Die Ansichten der Ebionäer, die sich vielfach den Sitten der Juden anpassen.

9. Die Irrtümer des Theodotos, der einiges von den Ebionäern, einiges von Kerinthos entlehnte.

10. Die Auffassungen des Kerdon, der auch die Ansichten des Empedokles nachsprach und für Markion ein Schrittmacher im Bösen war.

11. Wie sich Lukianos, ein Schüler des Markion, erkühnte, Gott auf dieselbe Weise zu lästern.

12. Dessen Schüler wurde auch Apelles, lehrte aber nicht dasselbe wie der Meister, sondern er behandelte die Wesenheit des Alls, indem er von den Ansichten der Physiker ausging.

Wenn die Hörer die Ansichten der Häretiker kennen lernen, die einem von gewaltigem Sturme aufgepeitschten Meere gleichen, so sollten sie vorbeisegeln und den ruhigen Hafen aufsuchen. Denn ein solches Meer ist voll wilder Tiere und unpassierbar, wie zum Beispiel das sizilische, von dem die Sage geht, daß der Zyklop und die Charybdis und die Scylla und der Sirenenberg sich dort finden; Odysseus hat es nach den griechischen Dichtern durchsegelt, indem er die grausamen, bösen Bestien gar schlau behandelte; die Sirenen waren nämlich von ausnehmender Wildheit gegen die Vorüberfahrenden. Sie pflegten aber gar süß und lieblich zu singen, täuschten so die Vorübersegelnden und verlockten sie durch ihre liebliche Stimme, heranzufahren. Da er dies inne geworden, verstopfte Odysseus seinen Gefährten die Ohren mit Wachs; er selbst aber ließ sich an den Mast binden, fuhr so ungefährdet an den Sirenen vorbei und hörte ihren Gesang. Mein Rat für die, welche sich mit derlei beschäftigen, geht dahin, entweder wegen ihrer Schwachheit mit zugeklebten Ohren die Ansichten der Häresien zu durchsegeln und auch nicht auf das zu hören, was, wie der liebliche Gesang der Sirenen, leicht zur Wollust anreizen kann, oder aber sich an das Holz Christi zu binden und in Treuen zu lauschen und sich nicht verwirren zu lassen, sondern aufrecht stehen zu bleiben, im Vertrauen auf das, an das man gebunden ist.

Nachdem wir nun in den vorhergehenden sechs Büchern ältere Lehrmeinungen auseinandergesetzt haben, so wollen wir nun zu den Lehren des Basilides übergehen. Seine Lehre ist die des Aristoteles, des Stagiriten, nicht die Christi. Wenn nun auch schon früher die Meinungen des Aristoteles dargetan wurden, so sollen sie doch vorher noch einmal summarisch behandelt werden; denn so werden die Leser durch die unmittelbare Gegenüberstellung leicht erkennen, daß die Lehren des Basilides Klügeleien des Aristoteles sind.

Aristoteles teilt die Substanz in drei Teile; der eine ist das Genus (Art), der andere die Spezies (Gattung), wie sich jener ausdrückt, und der dritte das Individuum; Individuum heißt es nicht wegen der Kleinheit des Körpers, sondern weil es seiner Natur nach durchaus unteilbar ist. Das Genus ist gleichsam ein Haufen aus vielen und verschiedenen Samen zusammengesetzt; aus diesem Genus wie aus einem Haufen stammen alle die verschiedenen Spezies der existierenden Dinge her. Das Genus ist der genügende Daseinsgrund für alles Entstandene. Auf daß aber das, was ich sage, klar werde, will ich es an einem Beispiel zeigen, welches die gesamte Theorie des Peripatos erschließt.

Wir sprechen von dem Lebewesen abstrakt, nicht von irgendeinem Lebewesen. Lebewesen bedeutet nun in diesem Fall nicht Rind, nicht Pferd, nicht Mensch, nicht Gott noch irgend etwas anderes Existierendes, sondern Lebewesen abstrakt. In diesem Begriff „Lebewesen“ hat die Idee jedes einzelnen Lebewesens ihr Prinzip. Ursache für alle in Spezie entstandenen Lebewesen ist dieser Begriff Lebewesen ohne Spezies, das in Wirklichkeit nicht existiert. Der Mensch ist nämlich ein Lebewesen, dessen Prinzip in jenem Begriff Lebewesen liegt, und ebenso hat das Pferd den Begriff Lebewesen zum Prinzip. Das Pferd, das Rind, der Hund und jedes andere Lebewesen hat sein Prinzip in jenem abstrakten Begriff „Lebewesen“, der keines von all diesen Dingen ist.

Wenn nun aber jener Begriff „Lebewesen“ nicht ein wirklich existierendes Lebewesen ist, so ist nach Aristoteles die Existenz der Dinge aus Nichtexistierendem entstanden; das Lebewesen, von dem die einzelnen genommen sind, ist ein bloßer Begriff; das Nichtexistierende ist das Prinzip der bestehenden Dinge. Wer diese Wesenheit zur Grundlage für die später entstandenen Dinge gemacht hat, werden wir besprechen, wenn wir an die einschlägige Stelle gekommen sind.

Die Substanz ist in drei Teile geteilt, wie ich sagte, in Genus, Spezies und Individuum; wir haben den Begriff Lebewesen als Genus gesetzt, den Menschen als Spezies, die von der Gesamtheit der Lebewesen schon geschieden, aber noch unbestimmt und noch nicht zur Spezies eines persönlichen Seins gestaltet ist; wenn ich nun den vom Genus genommenen Menschen durch den Namen konkretisiert, ihn Sokrates oder Diogenes oder sonstwie genannt und so den Menschen, der Spezies des Genus ist, mit einem Namen erfaßt habe, so nenne ich dieses Wesen Individuum. Das Genus ist nämlich in die Spezies geteilt worden, die Spezies ins Individuum; das mit einem Namen erfaßte Individuum ist seiner Natur nach nicht mehr weiter teilbar, wie wir es mit den zwei anderen Begriffen getan. Dies nennt Aristoteles im ersten, eigentlichsten, eminenten Sinne Substanz, die nicht von einem Subjekt ausgesagt wird noch in einem Subjekt ist. Von einem Subjekt ausgesagt wird beispielsweise das Genus; ich habe den Begriff Lebewesen genannt. „Lebewesen“ kann von allen unter diesen Begriff fallenden Lebewesen in gleicher Weise ausgesagt werden, vom Rind, vom Pferd und sonst noch. Es ist richtig, daß der Mensch ein Lebewesen, das Pferd ein Lebewesen, das Rind usw. ein Lebewesen ist; das bedeutet das „von einem Subjekt ausgesagt werden“, nämlich daß eines von vielen, in bezug auf die Spezies verschiedenen Dingen in gleicher Weise ausgesagt werden kann. In nichts unterscheidet sich das Pferd vom Menschen, soweit es Lebewesen ist, in nichts das Rind; die Definition Lebewesen paßt nämlich auf alle Lebewesen in gleicher Weise. Ja, was ist denn ein Lebewesen? Wenn wir es definieren, so muß die gemeinsame Definition alle Lebewesen umfassen. Das Lebewesen ist also eine beseelte, gefühlbegabte Substanz wie das Rind, das Pferd, der Mensch usw. „Im Subjekt seiend ist“ nach Aristoteles, „was in einer Sache nicht als Teil existiert, was außerhalb der Sache, in der es ist, nicht existieren kann“, so jegliches Akzidens der Substanz, Qualität genannt, der gemäß wir als „so oder so beschaffen“ bezeichnet werden, als weiß, schwarz, gerecht, ungerecht, weise u. dgl. All dies kann nicht für sich allein entstehen, sondern es muß in etwas sein. Wenn nun weder der Begriff „Lebewesen“, den ich von jedem einzelnen Lebewesen aussage, noch die Akzidentien, die sich in allen entsprechenden Substanzen finden, aus sich selbst Existenz haben können, wenn andererseits aus ihnen die Individuen sich zusammensetzen, so besteht die Substanz in ihren drei Teilen aus Nichtexistierendem und ist nicht aus anderem hervorgegangen. Wenn also das, was in erster Linie und vorzugsweise und hauptsächlich Substanz genannt wird, aus diesen Dingen besteht, so stammt die Substanz nach Aristoteles aus Nichtexistierendem.

In bezug auf den Begriff Substanz dürfte das jetzt Gesagte genügen. Substanz wird aber nicht nur Genus, Spezies, Individuum genannt, sondern auch Materie, Form und Privation. Da hierbei die gleiche Teilung bleibt, besteht kein Unterschied. Bei dieser Auffassung von der Substanz teilt er das All auf folgende Weise ein. Die Welt besteht aus mehreren verschiedenen Teilen; der Teil, der sich von der Erde bis zum Monde erstreckt, ist ohne Voraussicht, ohne Regierung, durch seine eigene Natur befriedigt; der Teil hinter dem Monde aber ist bis zur Oberfläche des Himmels geordnet in bezug auf Regelmäßigkeit, Voraussicht und Leitung; die Oberfläche des Himmels, eine fünfte Substanz, ist von allen Naturelementen, aus denen die Welt besteht, losgelöst, und so ist diese Substanz nach Aristoteles die fünfte, gewissermaßen eine überweltliche Substanz. Und so hat er gemäß der Teilung der Welt seine Abhandlung eingeteilt. Er hat eine Abhandlung über die physischen Dinge verfaßt; darin hat er die Dinge zwischen Erde und Mond bearbeitet, die durch blinde Naturkraft und nicht durch Überlegung geleitet werden. Er hat aber auch nach den physischen Dingen ein eigenes weiteres Werk verfaßt, das über die Dinge hinter dem Mond handelt und demgemäß Metaphysik betitelt ist; ein weiteres Buch hat er über die fünfte Substanz verfaßt, seine Theodicee. Solcher Art ist die Einteilung des Alls im ganzen genommen und die der aristotelischen Philosophie. Seine Abhandlung über die Seele ist dunkel. Sie umfaßt drei Bücher; doch weiß man nicht, was er über die Seele denkt. Leicht ist es anzugeben, welche Definition er von der Seele gibt, was aber die Definition bedeutet, ist schwer zu ergründen. Nach ihm ist nämlich die Seele die Entelechie des organischen physischen Körpers, was aber diese ist, bedarf vieler Ausführungen und langer Untersuchung. Gott aber, der Urheber alles Guten, ist noch schwieriger zu erkennen als die Seele, auch für den, der gar lange forscht. Die Definition, die Aristoteles von Gott gibt, ist nicht schwer kennen zu lernen, aber unmöglich zu verstehen. „Er ist“, so sagt er, „der Gedanke des Gedankens“, und dies ist absolut etwas Nichtexistierendes. Die Welt ist nach Aristoteles unzerstörbar, ewig; sie hat nichts Fehlerhaftes an sich, da sie von Vorsehung und Natur geleitet wird. Aristoteles hat aber nicht nur über Natur, Welt, Vorsehung und Gott Abhandlungen geschrieben, sondern er hat auch ein Werk über Ethik geliefert unter dem Titel: Ethische Bücher, durch die er bessernd auf die schlechte Moral der Hörer einwirkt.

Wenn man nun den Basilides darauf ertappt, wie er nicht nur dem Sinne nach, sondern sogar mit denselben Ausdrücken und Namen die Lehren des Aristoteles in unsere evangelische Erlöserlehre einschmuggelt, was können wir da anderes tun, als das fremde Gut abzugeben und seinen Schülern klarzumachen, daß ihnen als Heiden Christus nicht nützen werde.

Basilides also und Isidor, sein leiblicher Sohn und sein Schüler, behaupten, Matthias habe ihnen Geheimlehren mitgeteilt, die er vom Heiland bei Spezialunterweisungen gehört habe. So sehen wir, wie offen Basilides im Verein mit Isidor und der ganzen Sippschaft nicht etwa nur den Matthias verleumdet, sondern auch den Erlöser selbst. „Es war“, sagt er, „als nichts war, aber auch das Nichts war nichts Existierendes, sondern es war einfach und ohne Hintergedanken und Sophisma absolut nichts. Wenn ich aber ‚Es war‘ sage, sage ich nicht, daß es war, vielmehr um kund zu tun, was ich aufzeigen will, sage ich, daß absolut nichts war. Dieses sogenannte Nichts ist nicht ganz unaussprechlich, denn wir nennen es doch unaussprechlich, jenes (das wirklich Unaussprechliche) aber können wir nicht einmal so nennen. Denn das, was nicht einmal ‚unaussprechlich‘ ist, wird nicht unaussprechlich genannt, sondern es entzieht sich jeder Namengebung. Nicht einmal für die Welt genügen die Namen, so vielfältig ist sie; ihrer sind zu wenig; auch kann ich nicht für alles die richtigen Namen finden, sondern man muß aus den Namen der benannten Dinge ihr Wesen, ohne daß es zum Ausdruck kommt, erkennen. Der Gleichklang der Worte hat Verwirrung und sachliche Verwechslungen verschuldet.“ Dies nehmen sie als erstes Plagiat und erste Unterschlagung vom Peripatos und täuschen die Unverständigen, die sich um sie scharen. Denn Aristoteles, der um viele Generationen älter ist als Basilides, hat in seinen Kategorien die Abhandlung über die Homonyme verfaßt, und nun posaunen sie die Sache als ihr Eigengut aus und als etwas Neues und als eine von den Geheimlehren des Matthias.

Als nun nichts existierte, weder Stoff, noch Wesenheit, noch Wesenloses, noch Einfaches, noch Zusammengesetztes, noch Unfaßbares, noch Unfühlbares, weder Mensch, noch Engel, noch Gott, noch überhaupt etwas Benennbares, das man mit dem Gefühl oder dem Verstand wahrnimmt, als vielmehr alles absolut im eigentlichsten Sinne nicht vorhanden war, entschloß sich der nichtexistierende Gott, den Aristoteles „Gedanke des Gedankens“ nennt, Basilides und seine Schule aber den Nichtexistierenden, ohne Gedanken, ohne Empfindung, ohne Ratschluß, ohne Plan, ohne Leidenschaft, ohne Begierde die Welt zu schaffen. Wenn ich „er wollte“ sage, so sage ich es, meint Basilides, der Verständlichmachung wegen, er wollte ohne Wille, ohne Gedanke, ohne Gefühl; unter „die Welt“ verstehe ich nicht jene, die später durch die Ausdehnung und Scheidung entstand und auseinanderging, sondern den Weltsamen. Der Weltsamen enthielt alles in sich, wie das Senfkorn im kleinsten zusammengefaßt alles enthält: die Wurzeln, den Stamm, die Zweige, die unzähligen Blätter und die von der Pflanze hervorzubringenden Samen und alle weiter entstehenden Pflanzen und ihre Samen. So schuf der nichtexistierende Gott eine nichtexistierende Welt aus Nichtexistierendem, indem er ein Samenkorn hervorbrachte, das den Gesamtsamen der Welt in sich hatte. Zum besseren Verständnis der Lehren jener Leute diene folgendes: Wie das Ei eines bunten Vogels, z. B. des Pfaues oder eines noch vielfarbigeren, obwohl es nur eines ist, doch die Grundlagen vielförmiger, vielfarbiger und vielfacher Substanzen in sich hat, so hat der vom nichtexistierenden Gott hervorgebrachte, nichtexistierende Samen den vielförmigen und vielfältigen Gesamtsamen der Welt in sich.

Was immer man nun aufzählen oder auch, weil man es nicht entdeckt, übersehen mag, was sich der aus dem Samen entstehenden Welt anfügen sollte, die in naturnotwendigem Wachstum in bestimmten Zeiträumen durch die Tätigkeit eines überaus großen, mächtigen Gottes, dessen Erhabenheit kein Geschöpf aussprechen oder gedanklich erfassen kann, sich mehr und mehr ausdehnte, das befand sich im Samen aufgespeichert, gleich wie wir an einem neugeborenen Kinde erst in späterer Zeit die Zähne wahrnehmen, sowie das väterliche Wesen und den Charakter und was alles Neues an dem allmählich aus dem Kindesalter heranwachsenden Menschen sich entwickelt. Da man doch unmöglich behaupten kann, eine Hervorbringung des nichtexistierenden Gottes werde ein Nichtsein — Basilides scheut durchaus und hat eine Abneigung gegen die Substanzen der Dinge, diedurch Hervorbringung entstehen —, zu was braucht man denn überhaupt eine Hervorbringung, zu was die Annahme von Materie, auf daß Gott die Welt mache wie die Spinne ihr Netz, oder wie der sterbliche Mensch Erz oder Holz oder sonst ein Material zur Arbeit nimmt? Basilides aber sagt: „Er sprach und es ward“, und das Wort bei Moses: „Es werde Licht, und es ist Licht geworden“ bedeutet dasselbe, wie jene Leute sagen. Woher kam das Licht? Aus dem Nichts. Es steht nämlich nicht geschrieben, woher, sondern nur soviel: aus der Stimme des Redenden; der Redende aber existierte nicht und auch nicht das Gewordene. Aus Nichtexistierendem ist der Weltsamen geworden, das Wort, das gesprochen ward: „Es werde Licht“, und hiervon reden die Evangelien: „Er war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt.“ Er nimmt seinen Ursprung aus jenem Samen und wird erleuchtet. Dies ist der Samen, der in sich die ganze Samenfülle birgt, von dem Aristoteles sagt, er sei das in unzählige Artea geteilte Genus, wie wir den Begriff Lebewesen in das Rind, das Pferd, den Menschen geteilt haben; der Begriff ist aber ohne Existenz. Da nun der kosmische Same als Grundlage vorliegt, so sagen jene: „Frage nicht nach dem Ursprung der Dinge, von denen ich sage, daß sie nachher entstanden sind.“ Der (Ur)samen hatte nämlich alle Samen in sich aufgespeichert, gleichsam als nichtexistierende und vom nichtexistierenden Gott zur Existenz vorherbestimmt. Wir wollen nun sehen, was nach den Basilidianern als erstes, was als zweites und was als drittes aus dem kosmischen Samen entstanden ist. Es war, so sagt Basilides, im Samen selbst eine dreifache Sohnschaft, dem nichtexistierenden Gott durchaus wesensgleich, aus dem Nichtexistierenden erzeugt. Ein Teil dieser dreifach geteilten Sohnschaft war ganz leicht, der andere schwer, der dritte reinigungsbedürftig. Im Augenblick, als die erste Hervorbringung des Samens durch den nichtexistierenden Gottstattfand, entfloh der ganz feine Teil, stieg eilends mit einer schöpferischen Schnelligkeit von unten nach oben

„wie ein Flügel oder ein Gedanke“
und gelangte zum Nichtexistierenden; nach ihm strebt jedes Wesen wegen seiner überaus großen Schönheit und Anmut; aber jedes auf seine Weise. Das allzu Schwere bleibt aber noch im Samen und konnte, obwohl es Nachahmungstrieb hatte, nicht aufsteigen; diese Sohnschaft war viel zu wenig leicht im Gegensatz zu der, die durch sich selbst aufstieg, und blieb unten. Nun versah sich also die allzu schwere Sohnschaft mit solchen Flügeln, wie sie Plato, der Lehrer des Aristoteles, im Phaidros der Seele gibt. Basilides nennt sie nicht Flügel, sondern Heiliger Geist; wenn die Sohnschaft ihn angetan hat, übt sie Wohltaten und erhält solche. Sie übt eine Wohltat, weil die Flügel für sich allein, vom Vogel getrennt, nicht in die Höhe steigen könnten und andererseits der Vogel ohne Flügel nicht in die Höhe steigen könnte; eine ähnliche Beziehung hatte die Sohnschaft zum Heiligen Geist und der Heilige Geist zur Sohnschaft. Die Sohnschaft wird vom Heiligen Geist wie von Flügeln emporgetragen, und sie trägt die Flügel empor, d. i. den Geist; da sie aber der ganz feinen Sohnschaft und dem nichtexistierenden Gott, der aus Nichtexistierendem geschaffen hat, nahe gekommen war, konnte sie den Geist dort nicht festhalten. Denn er war der Sohnschaft nicht wesensgleich noch hatte er dieselbe Natur wie sie; vielmehr war dem Heiligen Geiste, wie den Fischen die reine, trockene Luft gegen die Natur und zum Verderben ist, jener Ort des nichtexistierenden Gottes und der Sohnschaft wider die Natur, jener Ort, der unaussprechlicher als das Unaussprechliche und über alle Namen erhaben ist. Die Sohnschaft ließ also den Geist nahe bei dem seligen, alle Begriffe und Ausdrucksmöglichkeiten übertreffenden Ort zurück, aber doch nicht gänzlich einsam und von der Sohnschaft getrennt; vielmehr, wie wenn in ein Gefäß eine stark duftende Salbe eingelassen und es dann noch so sorgfältig entleert wird, doch auch nach Entfernung der Salbe ein Duft zurückbleibt und das Gefäß den Salbenduft auch ohne Salbe behält, so bleibt zwar der Heilige Geist der Sohnschaft unteilhaftig und von ihr fern, doch behält er seine Kraft, den Wohlgeruch der Sohnschaft, in sich wie einen Salbenduft. Dies bedeutet das Wort: „Wie die Salbe auf dem Haupte, die in den Bart Aarons herabfließt“. Die Salbe ist der Duft, der vom Heiligen Geiste oben bis zu unserer Gestaltlosigkeit und unserem weiten Abstand herabkam, von wo die Sohnschaft ihren Aufstieg nahm, gleichsam auf den Flügeln eines Adlers und auf seinem Rücken getragen. Alles strebt nämlich von unten zur Höhe, vom Schlechteren zum Besseren; nichts, was bei den besseren Dingen weilt, ist so töricht, daß es hinabsteige. Die dritte, reinigungsbedürftige Sohnschaft blieb im großen Haufen der Samenfülle, Wohltaten spendend und empfangend. Auf welche Weise sie dies tut, werden wir später an der entsprechenden Stelle ausführen.

Es erfolgte also der erste und zweite Aufstieg der Sohnschaft, und der Heilige Geist blieb, wie gesagt, als Firmament zwischen der Oberwelt und der Welt zurück. — Das Sein wird nämlich von Basilides in zwei Haupt- und Grundteile geteilt; der eine heißt Welt, der andere Oberwelt; was aber zwischen der Welt und der Oberwelt liegt, heißt der dazwischen liegende Geist, der eben der Heilige Geist ist und der den zurückgebliebenen Duft der Sohnschaft in sich trägt. Da nun das Firmament existierte, das über dem Himmel sich befindet, ward vom kosmischen Samen und der Samenfülle des Haufens der große Archon erzeugt und trat heraus, das Haupt der Welt, von unsagbarer Schönheit, Größe und Kraft. Er ist ja unaussprechlicher als das Unaussprechliche, mächtiger als die Mächtigen, weiser als die Weisen und, aller Ausdrucksmöglichkeit zum Trotz, schöner als alle Schönheit. Da er erzeugt war, schwang er sich auf, stieg empor, kam hinauf bis zumFirmament und blieb dort stehen; er meinte, das Firmament schließe jeden weiteren Aufstieg und jede weitere Höhe aus und hinter dem Firmamente befinde sich gar nichts mehr; er wurde nun zwar weiser, mächtiger, hervorragender, glänzender als alles, was Kosmisches unter ihm lag, er ward das eminent Schöne; nur die noch in der Samenfülle zurückgelassene Sohnschaft übertraf er nicht; er war in Unkenntnis darüber, daß sie weiser, mächtiger, vorzüglicher sei als er. Und da er sich für den Herrn und Gebieter und weisen Baumeister hielt, wandte er sich der Weltschöpfung im einzelnen zu. Als erstes beschloß er, nicht allein zu sein, und erzeugte aus den unter ihm gelegenen Dingen einen Sohn, der weit besser und weiser als er selbst war. Das alles hatte der nichtexistierende Gott vorherbestimmt, als er die Samenfülle hervorbrachte. Beim Anblick des Sohnes faßte den großen Archon Bewunderung, Liebe und Erstaunen; so schön erschien ihm der Sohn; und er setzte ihn zu seiner Rechten. Das ist die von den Basilidianern angeführte Achtzahl; dort hat der große Archon seinen Sitz. Der Demiurgos, der große Weise, hat also die ganze himmlische Schöpfung, d. i. die ätherische, erstellt; Kraft und Gedanken hierzu gab ihm sein Sohn, der viel weiser ist als der Demiurg selbst.

Die Entelechie des physischen, organischen Körpers nach Aristoteles ist die Seele, die im Körper tätig ist, ohne die der Körper aktionsunfähig ist; sie übertrifft den Körper an Größe, Vorzüglichkeit, Macht und Weisheit. Diese Ansicht über Seele und Leib formulierte Aristoteles zuerst, Basilides erklärt sie am großen Archon und seinem Sohn. Nach Basilides hat nämlich der Archon den Sohn gezeugt, Aristoteles sagt, die Seele sei Werk und Wirkung, die Entelechie des physischen, organischen Körpers. Wie nun die Entelechie den Körper leitet, so leitet der Sohn den über alles unaussprechlichen Gott; alles Ätherische, bis zum Monde, wird also von der Entelechie des großen Archon vorhergesehen und angeordnet; dort ist nämlich die Scheidungslinie zwischen Luft und Äther. Nachdem alles Ätherische geordnet war, stieg ein weiterer Archon aus der Samenfülle auf, größer als alles, was unter ihm lag, mit Ausnahme der zurückgebliebenen Sohnschaft, viel geringer aber als der erste Archon. Sie nennen ihn auch „Unaussprechlich“. Und dieser Ort wird Siebenzahl genannt; er ist Leiter und Bildner aller unter ihm liegenden Dinge, und auch er schuf sich einen Sohn aus der Samenfülle, der klüger und weiser als er selbst ist, genau so wie der erste Archon. Das aber, was in dem hiesigen Raume sich befindet, ist der Haufe selbst und die Samenfülle, und es besteht das Bestehende seiner Natur nach, wie oben gesagt, durch den, der die Entstehung der zukünftigen Dinge zur richtigen Zeit, in der richtigen Auswahl und auf die richtige Weise beschließt. Und diese haben keinen Vorsteher, keinen Leiter und Regierer. Ihnen genügt jener Ratschluß, den der Nichtseiende bei der Schöpfung faßte.

Die ganze Welt und die Oberwelt war vollendet und nichts mangelhaft; die dritte Sohnschaft aber, die zum Wohltatenspenden und Wohltatenempfangen im Samen zurückgelassen worden war, war in der Samenfülle noch übrig, und doch sollte auch sie geoffenbart und nach oben gebracht werden über den dazwischenliegenden Geist zur leichten und nachahmbaren Sohnschaft und zum Nichtseienden, wie geschrieben steht: „Und die Schöpfung selbst stöhnt und kreißt in der Erwartung der Offenbarung der Söhne Gottes“. Die Söhne sind wir, die geistigen, sagt er, die wir hier gelassen sind, um die Seelen zu leiten, zu formen, zurechtzurichten und zur Vollendung zu bringen, deren Natur es ist, in dieser Entfernung zu bleiben, „Bis zu Moses von Adam an herrschte die Sünde“, steht geschrieben; es herrschte nämlich der große Archon, der bis an das Firmament grenzte und meinte, er sei der einzige Gott und über ihm sei nichts; alles ward nämlich durch ein geheimes Schweigen behütet. Das ist das Geheimnis, das den früheren Geschlechtern nicht bekannt ward; es war ja in jenen Zeiten der große Archon, die Achtzahl, scheinbar König und Herr. Die Siebenzahl war aber auch König und Herr in diesem Umkreis; die Achtzahl ist unaussprechlich, die Siebenzahl kann man aussprechen. Der Archon der Siebenzahl ist’s, der zu Moses sprach: „Ich bin der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, und den Namen Gottes habe ich ihnen nicht kund getan“ — so soll nach ihnen geschrieben stehen —, d. h. (den Namen) des unaussprechlichen Gottes, der Achtzahl, des Archon. Alle Propheten vor dem Erlöser haben ihre Offenbarung von jenem. Als wir, die Söhne Gottes, geoffenbart werden sollten, um derentwillen die Schöpfung seufzt und kreißt in Erwartung der Offenbarung, kam das Evangelium in die Welt und durchschritt jede Herrschaft und jede Macht und jede Gewalt und jeden Namen, der genannt wird. Es kam wirklich, obwohl nichts von oben herabkam und obwohl die selige Sohnschaft vom unfaßbaren und seligen, nichtseienden Gotte nicht schied. Sondern wie das indische Naphta aus weiter Entfernung das Feuer an sich zieht, so dringen von unten aus dem gestaltlosen Haufen die Kräfte hinauf bis zur Sohnschaft. Der Sohn des großen Archon, der Achtzahl, zieht und nimmt nach Jägerart die Gedanken der seligen Sohnschaft hinter dem Zwischenraum an sich, wie das indische Naphta. Die Kraft, die mitten im Heiligen Geist an den Grenzen der Sohnschaft sich befindet, teilt dem Sohn des großen Archon die fließenden und wallenden Gedanken der Sohnschaft mit.

Das Evangelium ging also zuerst von der Sohnschaft über den zur Seite des Archon sitzenden Sohn zum Archon; er erfuhr, daß er nicht der Gott des Alls sei, sondern daß er erzeugt sei und über sich den ruhenden Schatz des unaussprechlichen und unnennbaren Nichtseienden und der Sohnschaft habe. Da kam er zur Einkehr und fürchtete sich, da er seinen Irrtum einsah. Dies bedeutet das Wort: „Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des Herrn“. Er fing an, weise zu werden, von Christus, der ihm zur Seite sitzt, belehrt, wer der Nichtseiende sei, wer die Sohnschaft, wer der Heilige Geist, was die Schöpfung des Alls und wo es wiederhergestellt würde. Das ist die Weisheit, die in Geheimnisrede verkündet wird, von der die Schrift sagt: „Nicht in gelehrten Worten menschlicher Weisheit, sondern in der Gelehrsamkeit des Geistes“. Aufgeklärt und belehrt bekannte der Archon voll Furcht die Sünde, die er durch seine Überhebung begangen. Dies ist der Sinn des Wortes: „Ich erkannte meine Sünde und erkannte mein Vergehen an, ich will es bekennen in Ewigkeit“. Nach der Belehrung des großen Archon ward auch jedes Geschöpf der Achtzahl aufgeklärt, und das Geheimnis ward den Himmlischen kund; nun mußte das Evangelium auch noch zur Siebenzahl kommen, auf daß der Archon der Siebenzahl auf gleiche Weise aufgeklärt und belehrt würde. Der Sohn des großen Archon brachte dem Sohn des Archons der Siebenzahl das Licht, das er oben von der Sohnschaft genommen hatte, und der Sohn des Archons der Siebenzahl ward erleuchtet; und es wurde dem Archon der Siebenzahl das Evangelium verkündet, und wie eben erzählt, geriet auch er in Furcht und bekannte. Es wurde also auch alles in der Siebenzahl Enthaltene erleuchtet und ihm das Evangelium verkündet. (Nach ihrer Meinung sind in den Räumen selbst unzählige Schöpfungen, Herrschaften, Kräfte und Gewalten. Darüber wird gar viel bei ihnen geredet; sie sprechen auch von dreihundertfünfundsechzig Himmeln und daß ihr großer Archon Habrasax sei, weil sein Name die Zahl 365 ergibt, so daß die Zahl des Namens alles umfasse und darum das Jahr aus ebensoviel Tagen bestehe.) Nachdem dies so vor sich gegangen war, sollte auch die Gestaltlosigkeit bei uns erleuchtet und der in der Gestaltlosigkeit wie eine Fehlgeburt zurückgelassenen Sohnschaft das Geheimnis erschlossen werden, das den früheren Geschlechtern nicht kund ward, wie es geschrieben steht: „Das Geheimnis ward mir durch Offenbarung kund“, und: „Ich hörte geheime Worte, die dem Menschen auszusprechen nicht zusteht“. Von der Siebenzahl kam also das Licht, das von der Achtzahl oben zum Sohn der Siebenzahl herabgestiegen war, auf Jesus, den Sohn Mariens, herab, und er war erleuchtet und durchglüht vom Lichte, das in ihm aufleuchtete. Dies bedeutet das Wort: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“, der, welcher von der Sohnschaft durch den dazwischenliegenden Geist zur Achtzahl und Siebenzahl kam bis zu Maria, „und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten“, die Kraft der Salbung vom Gipfel oben über den Demiurgen bis zur Schöpfung, d. i. bis zum Sohn. Die Welt bestehe weiter, bis die ganze Sohnschaft, die, um den Seelen in der Gestaltlosigkeit Gutes zu tun und um Gutes zu empfangen, unten gelassen worden war, umgestaltet, Jesus folge und gereinigt aufsteige; sie wird ganz leicht werden, um aus eigener Kraft aufsteigen zu können, wie die erste. Sie hat nämlich ihre ganze Kraft in Verbindung mit dem Licht, das von der Höhe in die Tiefe strahlt.

Wenn nun die ganze Sohnschaft ans Ziel gelangt ist und sich über dem dazwischenliegenden Geiste befindet, dann wird der Schöpfung Barmherzigkeit widerfahren; sie stöhnt ja bis zum heutigen Tage und liegt in Wehen und erwartet die Offenbarung der Söhne Gottes, damit alle Sohnschaftsmenschen dort hinauf gelangen. Hierauf wird Gott über die ganze Welt die große Unwissenheit kommen lassen, auf daß alles bei seiner Natur verharre und nichts anstrebe, was gegen die Natur ist. Aber alle Seelen in dieser Zone, die derartig veranlagt sind, daß sie nur in dieser Zone unsterblich sind, werden in Unkenntnis darüber bleiben, daß es etwas Anderes und Schöneres als diese Zone gibt, und es wird keinerlei Kunde noch irgendeine Kenntnis von den darüberliegenden Dingen zu den darunterbefindlichen kommen, auf daß nicht die Seelen im Streben nach Unmöglichem sich quälen wie der Fisch, der im Gebirge mit den Schafen weiden möchte; ein solches Streben würde für sie den Untergang bedeuten. Alles, was an seinem Orte bleibt, stirbt nicht; es stirbt aber, wenn es über seine Natur hinaus will. So soll der Archon der Siebenzahl nichts von den Dingen ober ihm wissen; es wird nämlich auch über ihn die große Unwissenheit kommen, auf daß Trauer und Schmerz und Klage von ihm ablasse; da er nicht nach Unmöglichem streben wird, wird er auch keinen Schmerz empfinden. Auch über den großen Archon der Achtzahl wird diese Unwissenheit kommen und über alle unter ihm befindlichen Geschöpfe gleichfalls, damit auch wirklich gar nichts nach Unnatürlichem strebe und Schmerz leide; und so wird die Wiederherstellung eintreten für alle Dinge, deren natürliche Grundlage im Anfang in den Allsamen gelegt worden war, und die, jedes zu seiner Zeit, wiederhergestellt werden sollen. Daß aber jedes Ding seine Zeit hat, bezeugt der Erlöser mit treffenden Worten: „Noch ist meine Stunde nicht gekommen“, wie auch die Magier, da sie ihren Stern sahen; auch er (der Erlöser) war nämlich im großen Haufen bei der Entstehung der Sterne und mit der Stunde der Wiederherstellung vorherbestimmt. Er ist nach ihrer Auffassung der innerliche, pneumatische Mensch im psychischen — die Sohnschaft, die hier die Psyche verließ, die nicht sterblich war, aber hier ihrer Natur nach verblieb, wie oben die erste Sohnschaft den Heiligen Geist, den dazwischenliegenden, an seinem Orte ließ —, der dann seine eigene Psyche annimmt. Um aber nichts von ihrer Lehre auszulassen, will ich darlegen, was sie bezüglich des Evangeliums lehren. Die frohe Botschaft ist nach ihnen die Kenntnis der Überwelt, wie sie oben geschildert wurde, die der große Archon nicht kannte. Da ihm nun kund ward, daß es auch den Heiligen Geist, d. i. den dazwischenliegenden, und die Sohnschaft und den nichtseienden Gott, den Urheber alles dieses, gebe, freute er sich über diese Worte und frohlockte; das ist nach ihrer Auffassung die frohe Botschaft. Jesus ist nach ihnen erzeugt worden, wie wir es schon gesagt; nachdem diese Zeugung so erfolgt war, geschah alles auf den Erlöser Bezügliche, wie es in den Evangelien geschrieben steht. Dies geschah aber, damit Jesus den Uranfang der Stammesscheidung der vermengten Dinge werde. Da nun die Welt in die Achtzahl geteilt ist, die das Haupt der ganzen Welt ist — das Haupt der ganzen Welt ist der große Archon —, und in die Siebenzahl — das Haupt der Siebenzahl ist der Bildner der darunterliegenden Dinge —, und in unsere Zone der Gestaltlosigkeit, so war es notwendig, das Vermengte durch die Teilung Jesu in Klassen zu sondern. Das Körperliche an ihm, das aus der Gestaltlosigkeit stammte, hat gelitten und kam wieder zur Gestaltlosigkeit; das Psychische an ihm, das aus der Siebenzahl stamme, ist auferstanden und kam zu ihr; das, was aus der Höhe vom großen Archon stammte, hat die Auferstehung bewirkt und blieb beim großen Archon. Das, was vom dazwischenliegenden Pneuma kam, bewirkte die Himmelfahrt und blieb im dazwischenliegenden Pneuma. Die dritte Sohnschaft, die zurückgelassen worden war, um Wohltaten zu spenden und Wohltaten zu empfangen, wurde durch Jesus gereinigt und stieg durch all dies hindurch zur seligen Sohnschaft empor. Ihr ganzes Argument besteht in der Vermengung des Samenhaufens und in der Scheidung nach dem Ursprung und in der Zurückbringung der vermengten Dinge auf ihren ursprünglichen Platz. Jesus ward also der Uranfang der Scheidung, und auch sein Leiden hatte keinen anderen Zweck, als das Vermengte zu scheiden. Die Sohnschaft, die in der Gestaltlosigkeit zurückgelassen worden war, um Wohltaten zu spenden und zu empfangen, müsse auf dieselbe Art und Weise geschieden werden, wie auch die Scheidung in Jesus sich vollzog. Solche Dinge ersinnt Basilides, der bei den Ägyptern in die Schule ging; er nahm von ihnen gar tiefe Weisheit auf, und das brachte solche Früchte.

Saturneilos, der zur selben Zeit wie Basilides blühte — er lebte aber zu Antiochien in Syrien —, lehrte dasselbe wie Menander. Er behauptete, es gebe einen allen unbekannten Vater, der die Engel, Erzengel, Kräfte und Gewalten erschaffen habe. Von sieben Engeln stamme die Welt und alles, was darin sei, und der Mensch selbst sei das Werk der Engel; oben von der Urheberschaft her sei ein leuchtendes Bild erschienen; sie konnten es aber nicht festhalten, weil es sofort wieder hinaufgestiegen sei; so haben sie sich mit den Worten angeeifert: „Lasset uns den Menschen machen nach dem Bild und nach dem Gleichnis!“ Das Gebilde entstand, konnte sich aber wegen der Schwäche der Engel nicht aufrichten und mußte wie ein Wurm kriechen; da erbarmte sich seiner die Kraft von oben, da es nach ihrem Bilde gemacht war, und sandte einen Lebensfunken herab, der den Menschen erweckte und lebendig machte. Dieser Lebensfunke kehrt nach dem Tode zu dem ihm Wesensgleichen zurück, und das übrige, aus dem der Mensch besteht, löst sich gleichfalls in Verwandtes auf. Nach Saturneilos ist der Erlöser unerzeugt, unkörperlich und ohne Gestalt; dem Schein nach ist er als Mensch erschienen. Der Judengott ist ein Engel, und weil der Vater alle Archonten stürzen wollte, ist Christus erschienen, um den Judengott zu stürzen, und um die zu erlösen, die ihm folgen würden; das sind aber die, welche den Lebensfunken in sich haben. Zwei Menschenarten haben die Engel gemacht, eine gute und eine böse; die Dämonen helfen den bösen Menschen; so ist der Erlöser zum Sturz der bösen Menschen und der Dämonen und zur Erlösung der Guten gekommen; das Heiraten und Kindererzeugen ist vom Satan; die Mehrzahl der Anhänger des Saturneilos enthält sich animalischer Kost; sie verlocken viele durch ihre vorgebliche Askese; die Prophezeiungen rühren teils von den weltschaffenden Engeln, teils vom Satan her; letzteren rechnet er auch zu den Engeln; doch arbeitet Satan den Weltengeln und am meisten dem Judengott entgegen. Soweit Saturneilos.

Markion aus Pontus, noch viel verrückter als die Saturneilaner, stellte, ohne auf die allermeisten Dings einzugehen, mit noch größerer Schamlosigkeit zwei Prinzipien des Alls auf, ein gutes und ein böses. Er bildete sich ein, er hätte etwas Neues eingeführt und gründete eine Schule voll Widersinn und hündischen Lebens; er war ein Streithans. Er hoffte, die große Masse werde nicht merken, daß er nicht Christi, sondern des Empedokles Schüler sei; so lehrte er, wie jener, es gebe zwei Ursachen des Alls, Haß und Liebe. Wir haben nun schon einmal die Lehre des Empedokles besprochen, doch wollen wir sie auch jetzt der Häresie des Plagiators gegenüberstellen. Empedokles sagt, es gebe im ganzen sechs Elemente, aus denen die Welt entstanden sei und bestehe: zwei stoffliche, Erde und Wasser, zwei werkzeugliche, mittels derer der Stoff geordnet und umgestaltet werde, Feuer und Luft, zwei aber, die mittels dieser Werkzeuge den Stoff bearbeiteten und bildeten, Haß und Liebe; er äußert sich folgendermaßen:

„Nunmehr vernimm vorerst der Welten vierfache Wurzeln:
Zeus der Leuchtende, Here die Nahrung gibt, Aidoneus,
Nestis sodann, die mit Tränen die irdische Dürre befeuchtet“.

Zeus ist das Feuer, die Nahrung spendende Here die Erde, welche die zum Leben notwendigen Früchte bringt, Aidoneus die Luft, weil wir, obwohl wir alles durch sie sehen, sie allein nicht wahrnehmen, Nestis das Wasser; dies ist nämlich allein die Grundlage, welche die Nahrung für alle Nahrungsbedürftigen hervorbringt; das Wasser für sich allein kann ihnen keine Nahrung bieten. Wenn es Nährwert hätte, würden die Lebewesen nie dem Hunger anheimfallen, da es immer Wasser genug gibt. Deswegen nennt er das Wasser Nestis, weil es, obwohl es die Nahrung hervorbringt, doch die Nahrungsbedürftigen nicht nähren kann. Das ist, um es im Umriß wiederzugeben, die ganze Grundlage der Welt: Wasser und Erde, aus denen alles stammt, Feuer und Lufthauch, Werkzeuge und Triebkräfte, Haß und Liebe, die planmäßig gestalten. Die Liebe ist Friede und Eintracht und Güte, die die Welt einig, vollkommen und vollendet machen will, der Haß aber zerteilt die einige Welt immerfort und macht aus dem Einen die Vielheit. Der Haß ist die Ursache der ganzen Schöpfung, er ist nach Markion „Ulomenos“, d. h, verderblich; es liegt dem Haß nämlich daran, daß die Welt durch alle Zeit so weiter bestehe; der Haß, der verderbliche, ist der Bildner und Schöpfer jeden Entstehens; die Liebe aber Ursache des Vergehens der Weltdinge, ihrer Veränderung und ihrer Zurückführung in das Eine; daß sie beide unsterblich und unerzeugt und ohne jeglichen Anfang sind, sagt Empedokles an einer anderen Stelle:

„Denn in der Tat sie bestanden, sie werden besteh’n und ich meine,
Niemals wird die unendliche Welt dieser beiden entraten“.

Welcher „beiden“ denn? Des Hasses und der Liebe; sie haben nämlich keinen Anfang genommen, sondern haben von jeher bestanden und werden immer bestehen, weil sie, nicht erzeugt, dem Untergang nicht unterliegen können. Feuer, Wasser, Erde, Luft vergehen und erstehen wieder. Wenn nämlich das durch den Haß Entstandene zugrunde geht, nimmt es die Liebe auf und vereinigt es mit dem All, auf daß das All eine Einheit bleibe, durch die Liebe gleichheitlich und gleichförmig gestaltet. Wenn aber die Liebe aus dem Vielen das Eine gemacht und das Losgetrennte dem Einen verbunden hat, so reißt es der Haß wieder von der Einheit los und macht eine Vielheit daraus, d. i. Feuer, Wasser, Erde, Luft, und die aus ihnen entstehenden Lebewesen und Pflanzen und alle sichtbaren Bestandteile der Welt. Über die Erscheinungsform der Welt, wie sie von der Liebe erstellt wird, sagt Empedokles folgendes:

„Nimmer am Rücken entsteht aufschießend ein doppelt Geäste,
Füße nicht, und nicht eilende Knie, noch zeugende Teile,
Sondern es ist ringsum eine durchaus sich rundende Kugel“.

Die Liebe arbeitet an dieser gar schönen und einheitlichen Weltgestaltung; der Haß aber, der Urheber der Teilung, reißt von diesem Einen los und arbeitet an der Vervielfältigung. Dies gilt nach Empedokles auch von seiner eigenen Entstehung:

„Ich auch bin vor Gott auf der Flucht und geh‘ in die Irre“,

d. h. er nennt Gott das Eine und die Einheit, in der er sich befand, bevor er vom Haß losgerissen wurde und in die durch den Haß geschaffene Vielheit kam; „im Vertrau’n auf den rasenden Haß“. Empedokles nennt nämlich den „rasenden Haß“, den verwirrten und unstäten, den Schöpfer dieser Welt. Über die Verdammung und den Zwang der Seelen, die der Haß von dem Einen losreißt und gestaltend bearbeitet, drückt sich Empedokles so aus:

„Der nach begangener Tat einen falschen Eid hat beschworen,
Und die Dämonen, die langen Lebens teilhaftig geworden“.

Langlebige Dämonen nennt er die Seelen, weil sie unsterblich sind und lange Zeiträume durchleben:
„Dreißigmal tausend Jahr von den Seligen ferne sie irren“.

Selig nennt er die, die durch die Liebe aus der Vielheit in die Einheit der geistig erkennbaren Welt zurückgeführt wurden. Von den anderen sagt er, sie gingen in die Irre und:

„Und in der Zeit werden allerlei Menschengebilde geboren,
Die des Lebens schwierige Pfade im Wechsel beschreiten“.

Schwierige Wege sind nach ihm die Verwandlungen und Umbildungen der Seelen im Körper. Das sagt er so: „Die des Lebens schwierige Pfade beschreiten“. Es wechseln nämlich die Seelen Körper um Körper, der Haß gestaltet sie um, straft sie und läßt sie nicht in der Einheit bleiben. Es werden aber die Seelen, die Körper um Körper wechseln, mit allen Strafen durch den Haß gezüchtigt.

„Eine ätherische Kraft, die jagt die Seelen zum Meere,
Doch es wirft sie das Meer auf die Erde, es treibt sie die Erde
In die Strahlen der Sonne; die schleudert sie in den Äther;
Eines empfängt sie vom andern, doch alle von Haß sind erfüllet“.

Dies ist die Strafe, mit welcher der Demiurg straft, gleichwie der Schmied das Eisen umgestaltet und aus dem Feuer ins Wasser eintaucht; der Äther ist nämlich Feuer, aus dem der Schöpfer die Seelen ins Meer taucht, die Erdscheibe ist Erde; deshalb sagt er: Aus dem Wasser auf die Erde, von der Erde in die Luft. Das bedeuten seine Worte: „es treibt sie die Erde in die Strahlen der Sonne; die schleudert sie in den Äther; eines empfängt sie vom andern, doch alle von Haß sind erfüllet.“ Die in dieser Welt gehaßten und gequälten und gestraften Seelen vereinigt nach Empedokles die Liebe; denn sie ist gütig und fühlt Erbarmen wegen derenGestöhn und der ungeordneten und schlimmen Tätigkeit des „rasenden Hasses“ und trachtet, sie möglichst bald aus der Welt zu führen und dem Einen nahezubringen, damit alles unter ihrer Leitung zur Einheit komme. Empedokles befiehlt seinen Schülern, aller animalischen Kost sich zu enthalten wegen des Waltens des verderblichen Hasses. Er sagt nämlich, die Körper der eßbaren Tiere seien die Wohnstätten der gestraften Seelen; er lehrt weiter, daß seine Anhänger sich vom Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht enthalten sollen, damit sie nicht Mitarbeiter und Mitschuldige an den Werken werden, die der Haß schafft, der das Werk der Liebe auflöst und zerreißt. Empedokles sagt, dies sei das größte Gesetz der Weltregierung und drückt dies so aus:

„Ding der Notwendigkeit ist es, uralte Satzung der Götter,
Ewig mit Eiden, mit unwandelbaren, verbrieft und gesiegelt“.

Die „Notwendigkeit“ nennt er die Verwandlung des Einen in die Vielheit durch den Haß und die Verwandlung der Vielheit in das Eine; „Götter“ — wie ich schon sagte — die vier sterblichen Wesen und die zwei unsterblichen, ungezeugten, sich durchwegs feindlichen, Haß und Liebe; der Haß tue immer Unrecht, sei habsüchtig, reiße das, was der Liebe gehöre, los und teile es sich zu; die Liebe aber sei gütig und für die Einheit besorgt, rufe immer und überall das, was vom All losgerissen und vom Demiurgen in der Schöpfung gequält und gestraft werde, zu sich zurück, um es zur Einheit zu bringen. So beschreibt uns Empedokles das Entstehen und Vergehen der Welt und ihre Zusammensetzung aus Gutem und Bösem. Nach ihm gibt es aber noch eine dritte vernunftbegabte Kraft, die man aus diesen erkennen könne. Empedokles drückt sich folgendermaßen aus:

„Wenn du sie mit reinen Gedanken wohlwollend beobachtest,
so werden sie dir alle die Ewigkeit hindurch zur
Verfügung stehen; und viele andere kommen herab
von ihnen entstammt; sie wachsen von selbst,
ihrer eigenen Anlage nach, so wie die Natur
des einzelnen beschaffen ist. Wenn du aber
verschiedenartigen Dingen nachjagst, wie es
ja unter den Menschen unzählige, elende gibt,
die die Sorge des Geistes abstumpfen, so werden sie
dich im Wechsel der Zeit schnell verlassen, um zu
ihrem eigenen teuren Geschlechte zurückzukehren.
Alles nämlich, so wisse, ist weisheit- und vernunftbegabt.“

Wenn nun Markion oder einer seiner Hunde uns etwas über den Demiurgen vorbellen, indem sie Gründe aus der Gegenüberstellung des Guten und Bösen beibringen, so muß man ihnen sagen, daß dies weder Paulus, der Apostel, noch Markus mit dem Fingerstummel — von all diesem steht nichts im Markusevangelium —, sondern Empedokles, der Sohn des Meton aus Agrigent, verkündet hat; diesen hat Markion ausgebeutet und hat vermeint, er könne bis zum heutigen Tage unerkannt bleiben; er hat nämlich die Grundlage seiner ganzen sizilianischen Häresie in die Evangelien mit gleichlautenden Worten übertragen. Paß auf, Markion, wie du die Gegenüberstellung von Gut und Bös gemacht hast, so will auch ich heute eine Gegenüberstellung machen, indem ich den von dir ersonnenen Lehren folge. Du sagst, der Weltschöpfer sei böse; und du schämst dich nicht, die Lehren des Empedokles der Kirche vorzutragen! Du sagst, Gott, der die Werke des Demiurgen vernichtet, sei gut; und bringst du damit nicht offenkundig das Evangelium von der empedokleischen Liebe denen, die das Gute hören wollen? Du verbietest Heirat, Kinderzeugung, Genuß von Speisen, die Gott zum Genuß für die Gläubigen, die die Wahrheit erkannt haben, geschaffen hat; du lehrst heimlich die Katharmen des Empedokles. Ganz und gar in dessen Fußstapfen lehrst du deine Schüler, Speisen zurückzuweisen, damit sie nicht von etwas äßen, was ein Überbleibsel einer von Demiurgen gestraften Seele wäre. Du lösest die von Gott verbundenen Ehen nach den empedokleischen Lehren, auf daß dir der Liebe Werk einig und unzerteilt bleibe; die Ehe zerreißt nämlich nach Empedokles das Eine und macht eine Vielheit, wie wir es dargelegt haben.

Die Häresie des Markion in ihrer ersten und ursprünglichsten Form stammt mit ihrem aus Gut und Böse aufgebauten System offenbar von Empedokles. Ein Markionist, ein gewisser Prepon aus Assyrien, hat nunmehr etwas Neues erfunden, das er schriftlich dem Armenier Bardesianes übermittelt hat; so soll auch davon die Rede sein. Er nahm ein drittes Prinzip an, das Gerechte, das in der Mitte zwischen Gut und Böse liegt, und auch so konnte Prepon nicht an den Lehren des Empedokles vorbeikommen. Empedokles sagt, es gebe eine Welt, die vom bösen Hasse regiert werde, und eine zweite, geistig wahrnehmbare, die von der Liebe regiert werde, und es seien dies die zwei entgegengesetzten Prinzipien, Gut und Böse; in der Mitte zwischen diesen Prinzipien liege der gerechte Logos, durch den die vom Haß getrennten Dinge gesammelt und mit Hilfe der Liebe dem Einen verbunden werden. Diesen gerechten Logos, der mit der Liebe zusammenarbeitet, nennt Empedokles Muse und ruft ihn selbst für sich zum Helfer mit folgenden Worten an:

„Muse, unsterbliche, wenn es denn wirklich am Herzen dir lieget,
Daß die Erkenntnis der Dinge, der sterblichen, zu uns gelange,
Stehe denn, Kalliopeia, dem Bittenden bei, der daran geht,
Über die seligen Götter die wahre Lehre zu künden“.

Hiernach verwarf Markion durchaus die Zeugung unseres Erlösers, er hielt es für widersinnig, daß der Logos, der der Liebe, d. i. dem Guten beistehen sollte, als Gebilde des ganz verderblichen Hasses gekommen sei; er sei vielmehr ohne Zeugung „im fünfzehnten Jahre der Herrschaft des Kaisers Tiberius“ von oben herabgekommen, die Mitte haltend zwischen Gut und Böse und habe „in den Synagogen“ gelehrt. Wenn er die Mitte hält, ist er fern von der Wesenheit des Übels; der Demiurg und seine Werke sind nämlich böse. Deswegen kam Jesus ungezeugt herab, auf daß er fern von jeglichem Bösen sei. Fern ist er aber auch von der Wesenheit des Guten, auf daß er die Mitte halte, wie Paulus sagt, und wie er selbst bekennt: „Was nennt ihr mich gut; einer ist gut“. Das sind die Lehren des Markion; unter Benutzung der Lehren des Empedokles täuschte er viele und begründete unter Anpassung der von jenem ersonnenen Philosophie an seine Lehre eine gottlose Ketzerei. Ich meine, sie genügend widerlegt und alles angeführt zu haben, wodurch die Markionisten unter Entwendung griechischen Gutes die Jünger Christi um ihren guten Ruf bringen, als ob sie Derartiges gelehrt hätten. Den Markionismus haben wir wohl genügend dargestellt; nun wollen wir sehen, was Karpokrates lehrt.

Karpokrates behauptet, die Welt und was darin sei, sei von Engeln, die tief unter dem ungezeugten Vater ständen, geschaffen worden; Jesus sei aber von Joseph gezeugt worden; er sei zwar ein Mensch gewesen, aber gerechter als die übrigen; seine Seele, stark und rein von ihrer Entstehung an, habe das im Gedächtnis behalten, was sie bei ihrem Zusammensein mit dem unerzeugten Vater gesehen habe, und deswegen sei ihr von ihm eine Kraft gesandt worden, um durch sie den Weltschöpfern zu entgehen; sie sei durch sie alle hindurch gegangen und in allen befreit worden und dann zum Vater emporgestiegen, wie es jede Seele mit gleichem Streben tun kann. Die Seele Jesu sei zwar gesetzmäßig in den jüdischen Traditionen erzogen worden, habe sie aber verachtet und deshalb Kräfte erhalten, wodurch sie die Leidenschaften vernichtet habe, die den Menschen zur Strafe sind; die Seele, die nun wie die Seele Christi die weltschaffenden Archonten verachten kann, erhalte Kraft zu gleichem Tun. Es gingen dann manche in ihrem Hochmut so weit, daß sie behaupteten, einige seien Jesu gleich, andere seien in gewisser Hinsicht noch mächtiger, andere wieder noch hervorragender als seine Jünger Petrus und Paulus und die übrigen Apostel; sie stünden in nichts hinter Jesus zurück. Ihre Seelen stammten von der oberen Kraft, und deswegen verachteten sie die Weltschöpfer ebenso; sie würden mit derselben Kraft begnadigt und kämen an denselben Ort; wenn einer aber das Irdische noch mehr verachte als Jesus, so könne er ihn noch übertreffen. Sie bedienen sich der magischen Künste und der Beschwörungen, der Liebestränke und feiern, der Gespenstererscheinungen und der Traumgeister und der übrigen schwarzen Künste, und behaupten dabei, sie hätten die Macht, über die Archonten und Schöpfer der Welt zu herrschen, ja über alle Geschöpfe in ihr; sie sind vom Satan in die Welt gesetzt zur Lästerung des göttlichen Namens der Kirche im Angesicht der Heiden; die Menschen, die ihre Lehren bald so, bald anders vorgetragen hören, meinen, wir seien alle aus demselben Holz, und verschließen ihre Ohren vor der Verkündigung der Wahrheit; ja, wenn sie deren Treiben sehen, lästern sie uns. So lange müßten, so sagen sie, die Seelen durch die Körper wandern, bis sie alle Sünden verübt hätten; wenn aber nichts mehr übrig ist, dann gehe die befreite Seele zu dem über den weltschaffenden Engeln thronenden Gott; auf diese Art würden alle Seelen erlöst. Einige Seelen machen schon bei ihrem ersten Erscheinen eilig alle Sünden durch und wandern dann nicht mehr, sondern sie werden nach Begleichung jeglicher Schuld von weiterer Wanderung befreit. Einige brennen ihren Schülern ein Zeichen an der Rückseite des Ohres ein. Auch verfertigen sie Bilder Christi mit der Angabe, sie seien seinerzeit von Pilatus hergestellt worden.

Kerinthos, in ägyptischer Wissenschaft geschult, behauptete, die Welt sei nicht von dem ersten Gott gemacht worden, sondern von einer Kraft, die, von der Urkraft getrennt, den über alles erhabenen Gott nicht einmal kannte. Jesus sei nicht aus einer Jungfrau geboren, er sei vielmehr wie alle übrigen Menschen erzeugt worden, und zwar von Joseph und Maria, nur sei er gerechter und weiser als die übrigen. Nach der Taufe sei Christus von der Urkraft aus auf ihn in Gestalt einer Taube herabgestiegen, daraufhin habe er den unbekannten Vater verkündet und Wunder gewirkt; am Ende aber sei Christus von Jesus gewichen, Jesus habe gelitten und sei auf erweckt worden, Christus sei vom Leiden unberührt geblieben, da er pneumatisch war.

Die Ebionäer geben zu, die Welt sei vom wahren Gott geschaffen. In bezug auf Christus fabulieren sie ebenso, wie Kerinthos und Karpokrates. Sie leben nach jüdischer Sitte und behaupten, sie würden durch das Gesetz gerechtfertigt, wie auch Jesus durch Gesetzesbefolgung gerechtfertigt worden sei. Deswegen sei er auch der Gesalbte Gottes genannt worden, da kein anderer das Gesetz erfüllt habe; wenn nun aber ein anderer die Vorschriften des Gesetzes erfüllt hätte, so wäre er der Gesalbte. Bei gleichen Taten könnten auch sie Gesalbte werden; Jesus sei ein Mensch wie ein anderer.

Ein gewisser Theodotos aus Byzanz führte eine neue Häresie ein; über den Ursprung des Alls lehrte er teilweise in Übereinstimmung mit der wahren Kirche, daß alles von Gott geschaffen sei; von Christus aber behauptet er, unter Entlehnung aus der Schule der Gnostiker, des Kerinthos und der Ebionäer, er sei auf folgende Art erschienen: Jesus sei ein Mensch, aus der Jungfrau geboren nach dem Ratschluß des Vaters; er habe wie die übrigen Menschen gelebt und sei überaus gottesfürchtig gewesen; später bei der Taufe im Jordan sei Christus über ihn in Gestalt einer Taube herabgekommen; daher seien in ihm nicht eher die Kräfte tätig gewesen, als bis sich der Geist von oben in ihm zeigte; dieser Geist soll der Christus sein. Die Theodotianer lassen ihn bei der Herabkunft des Geistes Gott geworden sein, andere nach seiner Auferstehung von den Toten.

Da nun unter ihnen verschiedene Fragen auftauchten, wollte einer, der auch Theodotos hieß, seines Zeichens ein Geldwechsler, behaupten, Melchisedech sei die größte Kraft und er sei größer als Christus, der sein Abbild sei; sie behaupten, wie die vorerwähnten Theodotianer, Jesus sei ein Mensch und Christus sei in ihn eingegangen.

Mannigfach sind die Ansichten der Gnostiker; wir hielten es nicht der Mühe wert, ihre albernen Lehren aufzuzählen, es sind viele, unsinnige und lästerliche; ihre gar anmaßende, von den Griechen stammende Philosophie wurde schon widerlegt. Nikolaus, einer der sieben von den Aposteln aufgestellten Diakonen, hat sie gar viel Böses gelehrt; er fiel von der orthodoxen Lehre ab und behauptete, auf Lebensführung und Speise käme es nicht an; Johannes beschuldigte dessen Jünger, Frevler am Heiligen Geiste, in der Apokalypse als Hurer und Verzehrer von Opfertierfleisch.

Kerdon ging von ihnen und von Simon aus und behauptete, der Gott, der von Moses und den Propheten verkündet sei, sei nicht der Vater Jesu Christi. Jener sei bekannt, der Vater Christi sei unbekannt, jener sei gerecht, dieser gut. Dieser Lehre trat Markion bei, ging an seine Antithesen, schmähte nach Herzenslust den Schöpfer aller Dinge. Ebenso trieb es sein Schüler Lukianos.

Apelles, der sich an diese anlehnt, lehrt folgendes: Es gibt einen guten Gott, den auch Markion annahm; der aber, der alles erschaffen, der alles Entstandene gemacht hat, ist gerecht; es gibt noch einen dritten, den nämlich, der mit Moses gesprochen hat, und dieser ist aus Feuer; es gibt aber auch einen vierten, den Urheber des Bösen; er nennt diese Götter Engel. Er schmäht das Gesetz und die Propheten und behauptet, die Schrift sei Menschenwerk und Trug; aus dem Evangelium und dem Apostel nimmt er, was ihm gefällt. Er hält sich an die Aussprüche einer gewissen Philumene wie an die Offenbarungen einer Prophetin. Der Christus sei von der Kraft von oben, d, i. von dem Guten herabgekommen, und er sei dessen Sohn; er sei nicht aus der Jungfrau geboren worden, und doch sei er bei seinem Erscheinen nicht körperlos gewesen; vielmehr habe er sich Teile aus dem Stoff des Alls genommen und einen Leib gebildet, d. h. aus Heißem, Kaltem, Flüssigem und Festem, und in diesem Leibe hätten die kosmischen Kräfte gewohnt, so lange er auf der Welt lebte; von den Juden gekreuzigt, sei er gestorben und, nach drei Tagen auferweckt, den Jüngern erschienen; er habe die Male der Nägel und seiner Seite gezeigt und sie davon überzeugt, daß er es selbst sei und kein Gespenst, daß er es sei mit Fleisch und Blut1. Nachdem er seinen Leib habe sehen lassen, gab er ihn der Erde zurück, von der er stammte; er nahm nichts Fremdes an sich, sondern alles, was er zeitweise benützte, gab er, als er das Band des Körpers löste, dem Seinigen zurück, dem Warmen das Warme, dem Kalten das Kalte, dem Flüssigen das Flüssige, dem Festen das Feste; dann ging er zum guten Vater, indem er den Samen des Lebens auf der Welt durch seine Jünger den Gläubigen zurückließ.

Es dürfte dies nun genugsam auseinandergesetzt sein. Wir wollen keinerlei Lehrmeinungen übergehen; wollen wir uns also die Erfindung der Doketen ansehen.

Buch VIII.

Inhalt

1. Der Inhalt des achten Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

2. Die Ansichten der Doketen, die ihre Lehre aus der Naturphilosophie geschöpft haben.

3. Die Faseleien des Monoimos, der sich an die Dichter, Geometer und Arithmetiker hält.

4. Die Abhängigkeit der Lehren des Tatianus von denen des Valentinus und des Markion; die Benutzung der Lehren des Sokrates — nicht Christi — durch Hermogenes.

5. Der Irrtum derer, die um die Osterfeier am vierzehnten Tage streiten.

6. Der Irrtum der Phryger, die Montanus, Priscilla und Maximilla für Propheten halten.

7. Der falsche Ruhm der Enkratiten, die ihre Lehren nicht aus den heiligen Schriften, sondern nach eigenen Heften und nach den Schriften der indischen Gymnosophisten zusammengestellt haben.

Da diese Vielen den Rat des Herrn sich nicht zunutze machen und mit dem Balken im Auge zu sehen behaupten, während sie mit Blindheit geschlagen sind, so wollen wir auch ihre Lehre nicht mit Schweigen übergehen, damit sie doch, durch unsere Widerlegung beschämt, aus sich selbst des Heilands Rat verstehen lernen, zuerst seinen Balken herauszuziehen und dann den Splitter in dem Auge des Bruders zu betrachten. Wir haben nun die Ansichten der Mehrzahl der Häretiker in den sieben vorhergehenden Büchern zur Genüge auseinandergesetzt; nun wollen wir ruhig weitergehen, die Freigebigkeit des gnadenspendenden Heiligen Geistes aufzeigen und diejenigen, die durch Grübeln sichere Lehren sich angeeignet zu haben vermeinen, widerlegen; sie nennen sich Doketen und lehren, es gebe einen ersten Gott, der dem Samen des Feigenbaumes gleich sei, von absoluter Kleinheit, von unendlicher Macht, in unzählbarer Menge, zeugungsfähig, Zuflucht derer, die sich fürchten, Kleidung den Nackten, Schleier der Scham, die gesuchte Frucht, zu der der Suchende dreimal kam und die er nicht fand; deswegen fluchte er dem Feigenbaum, weil er jene süße gesuchte Frucht an ihm nicht fand; Gott ist also, kurz gesagt, nach ihrer Lehre von solcher Beschaffenheit und Ausdehnung, d. i. klein und unansehnlich; die Welt entstand, wie sie meinen, ungefähr auf folgende Weise: Nachdem die Zweige des Feigenbaumes zart geworden waren, kamen die Blätter hervor, wie es zu sehen ist, hernach die Frucht, in der der unendliche und unzählbare Same des Feigenbaumes aufgespeichert liegt. Drei Dinge sollen zuerst aus dem Feigensamen entstanden sein: der Stamm, das ist der Feigenbaum selbst, die Blätter und die Frucht, die schon erwähnte Feige. So sind drei Äonen entstanden, Prinzipien aus dem Urprinzip des Alls, und dies hat auch Moses verkündet, wenn er sagt, die Logos‘ Gottes seien drei: „Finsternis, Dunkel, Wirbel und er fügte nichts hinzu“. Gott hat nämlich nichts zu den drei Äonen hinzugefügt, sondern sie selbst haben allen erzeugten Dingen alles gewährt und gewähren es weiter. Die Gottheit ruht in sich selbst in weitem Abstand von den drei Äonen. Nach ihrer Entstehung wuchsen sie bald und wurden groß und vollkommen. Nach der Meinung der Doketen ist die Zahl Zehn das Vollkommene. Die Äonen wurden an Zahl und Vollkommenheit einander gleich; ihre Gesamtzahl beträgt dreißig, da jeder in einer Dekade zur Fülle gelangte. Sie sind voneinander verschieden, aber die drei haben einen und denselben Rang, da sie sich lediglich durch ihren Platz unterscheiden, indem einer der erste, ein anderer der zweite, wieder ein anderer der dritte ist. Ihr Platz nun gab ihnen einen Machtunterschied; derjenige nämlich, welcher seinen Platz in nächster Nähe des ersten Gottes, der gleich einem Samen ist, erhielt, hat eine stärkere Zeugungskraft als die anderen, indem er, selbst unermeßlich, sich zehnmal in bezug auf seine Größe maß; derjenige, welcher durch die Stellung des ersten der zweite wurde, erfaßte sich, selbst unfaßbar, sechsmal; der dritte, der in einen unendlichen Abstand wegen des Wachstums der Brüder kam, stellte sich selbst dreimal in Gedanken vor und band sich gleichsam als Einheitsband für die Äonen.

Das bedeutet nach ihnen des Heilands Wort; „Es ging der Sämann aus zu säen, und das, was auf die schöne und gute Erde fiel, brachte teils hundert, teils sechzig, teils dreißig“. Und deswegen sagte er: „Wer Ohren hat, der höre“, weil nicht alle darauf hören. Alle Äonen, sowohl diese drei als auch die gesamten von ihnen stammenden unzähligmal unzähligen, sind männlich-weiblich. Nachdem sie nun gewachsen und groß geworden sind und alle aus jenem einen ersten Samen entstanden sind, der ihren Zusammenklang und ihre Einheit darstellt, vereinigten sie sich in dem einen, in der Mitte liegenden Äon, und sämtliche zeugten ein gemeinsames Kind aus einer Jungfrau, den Erlöser, der in der Mitte aller sich befindet, gleich mächtig wie der Feigensamen, nur daß er gezeugt ist, während das erste Samenkorn, aus dem der Feigenbaum entstand, ungezeugt ist. Nachdem nun die drei Äonen mit aller Tugend und Heiligkeit geschmückt worden waren, wie jene Lehrer meinen, und zugleich jener eingeborene Sohn (er allein von allen den unzähligen Äonen entstand nämlich aus dem Dreifacherzeugten, die drei unmeßbaren Äonen erzeugten ihn in Übereinstimmung), wurde die ganze, nichts bedürfende, geistig wahrnehmbare Natur reich geschmückt; jene geistig wahrnehmbaren und ewigen Dinge waren Licht, aber nicht ein gestaltloses oder unwirksames Licht noch eines, das eines Helfers bedarf; es hatte vielmehr entsprechend der Menge jener unzählbar unzähligen Äonen unzählige Ideen von dort in großer Mannigfaltigkeit existierenden Lebewesen wie der Feigenbaum in sich und leuchtete hinunter in das darunterliegende Chaos. Dieses aber wurde durchleuchtet und durch jene vielfältigen Ideen von oben gestaltet, wurde fest und erhielt alle Ideen von oben durch den dritten Äon, der sich selbst verdreifachte. Dieser Äon sah nun, daß alle seine Eigenschaften auf einmal in das unten liegende Dunkel herabgezogen wurden; er kannte die Macht der Finsternis und die Einfalt und Freigebigkeit des Lichtes wohl, und so litt er es nicht lange, daß die Lichtmerkmale von oben von der Finsternis herabgerissen würden; er legte nunmehr das Himmelsgewölbe unter die Äonen, und „er trennte die Finsternis und das Licht und nannte das Licht, das über dem Firmament war, Tag, und die Finsternis nannte er Nacht“. Nachdem nun, wie gesagt, alle die unzähligen Ideen des dritten Äons in der untersten Finsternis eingefangen worden waren, wurde mit den übrigen Bildern auch das dieses Äons ausgeprägt, lebendes Feuer vom Lichte erzeugt; aus ihm entstand der große Archon, von dem Moses sagt: „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“. Moses nennt ihn den feurigen Gott, der aus dem Dornstrauch geredet habe, dies ist aus der finsteren Luft. — (Batos ist nämlich die gesamte unter der Finsternis liegende Luft) —, Batos, sagte Moses, weil alle Lichtideen von oben nach unten durchgingen, da für sie die Luft durchdringbar war. Ebenso können auch wir das Wort aus dem Dornstrauch vernehmen; der Schall nämlich, der ein Wort verständlich macht, ist bewegte Luft, ohne welche die menschliche Rede nicht vernommen werden kann. Nicht nur das gesprochene Wort gibt uns vom Dornstrauche aus, d. i. durch die Luft, Gesetze und weilt bei uns, sondern auch Gerüche und Farben machen sich uns durch die Luft kund.

Dieser feurige, lichterzeugte Gott hat die Welt gemacht, wie Moses erzählt; während er selbst ohne Wesenheit ist, benützt er die Finsternis als Substanz, indem er immerfort den Äonenmerkmalen, die von oben und unten aufgenommen werden, Schmach antut. Bis zur Erscheinung des Heilands gab es eine große Irrung der Seelen durch den Gott des feurigen Lichtes, den Demiurgen — die Ideen werden nämlich Seelen genannt, weil sie, oben erkaltet, in der Finsternis bleiben, von Körper in Körper verwandelt, die der Demiurg bewacht. Daß dies sich so verhalte, findet sich auch bei Job: „Und ich irre herum und gehe von Ort zu Ort und von Haus zu Haus“, und in den Worten des Heilands: „Und wenn ihr ihn aufnehmen wollt, er selbst ist Elias, der da kommen soll. Wer Ohren hat zu hören, höre“. — Seit des Heilands Zeit hat die Seelenwanderung aufgehört, der Glaube wird verkündet zur Vergebung der Sünden. So wollte jener eingeborene Sohn die Ideen der Äonen von oben, die er in finstere Körper verwandelt sah, durch seine Herabkunft retten. Da er aber wußte, daß nicht einmal die Äonen es ertragen, die Fülle der Gesamtäonen auf einmal zu sehen, sondern daß sie vor Schreck, zerstörbar, wie sie sind, der Vernichtung anheimfallen würden, durch die Größe und Herrlichkeit der Kraft überwältigt, so schloß er sich, wie ein mächtiger Blitz, in den kleinsten Körper ein, ja noch eher wie das Licht, das im Auge von den Lidern eingeschlossen wird, bis zum Himmel gelangt und sich, nachdem es die Sterne dort berührt, nach Belieben wiederum hinter den Lidern des Auges einschließt. Wenn das Augenlicht, das überall und alles ist, dies tut, so können wir das nicht wahrnehmen, wir sehen nur die Augenlider, die hellen Winkel, die schlaffe, faltige, aderige Haut, den hornartigen Mantel, darunter die traubenförmige, netzartige, rundliche Pupille, und noch allenfallsige sonstige Umhüllungen des Augenlichtes, durch die es verborgen bleibt. So, sagt er, war der eingeborene ewige Sohn von oben mit jedem einzelnen Äon des dritten Äons umkleidet und, da er in der Dreißigzahl der Äonen entstanden war, kam er in diese Welt und war, wie wir es dargestellt, verborgen, unbekannt, ohne Ruhm, ohne Gläubige. Er sollte nun auch, sagen die Doketen, mit der äußeren Finsternis — dem Fleische — bekleidet werden; ein Engel, der ihn herabgeleitete, verkündete also Maria die frohe Botschaft, wie es geschrieben steht. Und so geschah die Erzeugung gemäß der Schrift. Er selbst nahm das Erzeugte an, vom Himmel kommend, und es ging alles so vor sich, wie es in den Evangelien geschrieben steht, er wusch sich im Jordan, durch diese Waschung nahm er im Wasser das Bild und den Abdruck des aus der Jungfrau geborenen Leibes an, auf daß, wann der Archon sein eigenes Gebilde dem Tod, dem Kreuze überantworte, die Seele, die in dem Körper gewohnt, nach Aufgabe des Leibes, nach Anheftung an das Kreuz und nach dem hiedurch errungenen Triumph über die Herrschaften und Gewalten nicht nackt erfunden werde, sondern sich mit dem Körper bekleide, der, als er getauft wurde, im Wasser zum Ersatze jenes Fleisches gebildet wurde. So sagt der Heiland: „Wenn einer nicht geboren wird aus Wasser und Geist, wird er nicht in das Himmelreich eingehen; weil das aus dem Fleische Geborene Fleisch ist“. Er hat sich mit dreißig von den dreißig Äonen stammenden Ideen umkleidet. Deswegen war jener Ewige bis zu dreißig Jahren auf der Erde, da jeder Äon durch ein Jahr eigens in Erscheinung trat. Alle Ideen der sämtlichen dreißig Äonen sind aber auch zurückgehaltene Seelen; jede ist so geartet, daß sie den Jesus, der ihrer Natur entspricht, erkennt, mit dem sich jener Eingeborene und Ewige, von den ewigen Orten Stammende umkleidete; da gibt es natürlich eine große Verschiedenheit. Deswegen suchen so viele Häresien Jesus mit großem Eiferund er gehört allen an, jeder von einem anderen Orte aus anders erscheinend; eine jede stürzt sich hin in der Meinung, der sei der einzige, der ihr Verwandter und ihr Mitbürger ist und den sie beim ersten Anblick als leiblichen Bruder erkannte, während sie die anderen für unecht hielt. Wer nun aus den unteren Orten seine Natur hat, der kann die über diesen liegenden Ideen des Heilands nicht sehen; wer aber von oben, von der mittleren Dekade und der besten Achtzahl stammt, von der sie selbst sich herleiten wollen, der kennt Jesus, den Heiland, nicht nur zum Teil, sondern vollständig, und oben sind nur die Vollkommenen, die andern aber kennen ihn nur zum Teil.

Ich meine, die Wohlgesinnten könnten daraufhin die wirre, unwissenschaftliche Häresie der Doketen durchschauen; sie machten über die Unfaßbarkeit und Unverständlichkeit der Materie kühne Worte und nannten sich selbst Doketen; ihre Meinung, sie bedeuteten etwas mit ihrem Unsinn, machen wir uns nicht zu eigen, wir widerlegen vielmehr vollständig den Balken aus so viel Wust, den sie im Auge tragen, in der Hoffnung, sie könnten ihn vielleicht bemerken; wenn nicht, so sollen sie doch andere nicht verblenden; ihre Lehre haben vor alters die griechischen Sophisten schon zum großen Teil vorgebracht, wie man sich durch Lektüre überzeugen kann. — Dies sind also die Lehren der Doketen. Jetzt kommen die des Monoimos an die Reihe.

Monoimos, der Araber, hat sich weit von der Ansicht des hochberühmten Dichters entfernt; er hält den Anthropos (Menschen) für das, was der Dichter im Okeanos sieht, wenn er sagt:

„Okeanos, Ursprung der Götter und Ursprung der Menschen“.

Er verändert diesen Ausspruch und behauptet, der Mensch sei das All, nämlich das Prinzip aller Dinge, ungezeugt, unsterblich, ewig; der Sohn dieses Menschen sei gezeugt, leidensfähig, nicht in der Zeit, ohne Absicht und ohne Voraussicht entstanden. So groß sei die Macht jenes Menschen. Auf Grund dieser Macht sei der Sohn entstanden, schneller als ein Gedanke oder ein Willensakt. Und dies soll in den Schriften gesagt sein: „Er war und wurde.“ Das bedeutet: Es war der Mensch und es wurde der Sohn, wie wenn jemand sagen würde: Es war Feuer und es wurde Licht, ohne Zeitfolge und ungewollt und unvorhergesehen im gleichen Augenblick mit der Existenz des Feuers. Dieser Mensch nun ist eine Monas, nicht zusammengesetzt, nicht getrennt, zusammengesetzt, getrennt, durchaus freundlich, durchaus friedlich, durchaus kriegerisch, durchaus gegen sich selbst feindlich, unähnlich ähnlich, wie eine musikalische Harmonie, die alles in sich faßt, was immer einer sagt oder, ohne daran zu denken, übergeht, alles aufweisend, alles erzeugend. Sie ist Mutter, sie ist Vater, die zwei unsterblichen Namen. Monoimos sagt: Stelle dir beispielshalber das treffendste Bild des vollkommenen Menschen, das Jota, die Eins, den einen Punkt vor, der ein nicht zusammengesetzter einfacher Punkt ist, eine reine Einheit, durchaus nicht zusammengesetzt und doch zusammengesetzt, vielgestaltig, vielgespalten, vielteilig. Jener eine ungeteilte Punkt ist der eine Punkt des Jota, mit vielen Antlitzen und unzähligen Augen und unzähligen Namen, und ist das Bild jenes vollkommenen, unsichtbaren Anthropos.

Es ist nun die Einheit, der eine Punkt, zugleich eine Zehnheit. Eine solche Kraft ist in dem Jota des einen Punktes…, sowohl eine Zweizahl, als eine Dreizahl, als eine Vierzahl, als eine Fünfzahl, als eine Sechszahl, als eine Siebenzahl, als eine Achtzahl, als eine Neunzahl bis zu den Zehn; dies sind nämlich die vielgespaltenen Zahlen, die in jenem einfachen und nichtzusammengesetzten Punkt des Jota wohnen. Dies bedeutet das Wort: „Weil es gut schien, daß die ganze Fülle im Menschensohn körperlich wohne“; diese derartigen Zahlenzusammensetzungen aus dem einfachen und unzusammengesetzten einzigen Punkte sind körperliche Hypostasen. Es entstand aus dem vollkommenen Menschen der Menschensohn, den niemand erkannte; die gesamte Schöpfung stellt sich den Sohn als Zeugungsprodukt eines Weibes vor, ohne ihn zu kennen; seine tief dunklen Strahlen nähern sich dieser Welt, halten Veränderung und Zeugung auf und verhindern sie. Die Schönheit jenes Menschensohnes ist bis heute für alle Menschen unfaßbar, so viele sich in bezug auf das Zeugungsprodukt des Weibes geirrt haben. Von jenem Menschen nun ist keines der irdischen Dinge gemacht worden noch wird dies je geschehen. Alles Entstandene ist nicht vom ganzen Menschensohn, sondern nur von einem Teil des Menschensohnes geschaffen worden. Der Menschensohn ist nämlich das eine Jota, der eine Punkt, der von oben ausgegangen ist, erfüllt und alle erfüllend, in sich habend, was immer der Mensch, der Vater des Menschensohnes, hat.

Die Welt wurde also, wie Moses sagt, in sechs Tagen gemacht, das heißt in den sechs Kräften, die in dem einen Punkt des Jota sind; die siebente, Ruhe und Sabbat, wurde von der Siebenzahl dort gemacht… der Erde, des Wassers, des Feuers, der Luft, aus welchen die Welt durch den einen Punkt geschaffen wurde. Die Kubus nämlich und die Oktaeder und die Pyramiden und alle ähnlichen Gebilde, aus welchen Feuer, Luft, Wasser, Erde besteht, sind entstanden durch die in jenem einfachen Punkte des Jota enthaltenen Zahlen, welcher ist der vollkommene Sohn des vollkommenen Menschen. Wenn also Moses von dem Stabe spricht, der verschiedentlich zu den ägyptischen Plagen, den allegorischen Symbolen der Schöpfung erhoben wurde, so formt er den Stab, der dieser eine Punkt ist, gerade nur für zehn Plagen. Dieser Punkt, verdoppelt, vervielfältigt, ist die zehnfach geschlagene, irdische Schöpfung. Wenn nämlich etwas geschlagen wird, zeugt es und bringt Frucht, gleichwie die Weinstöcke. „Der Mensch bricht aus dem Menschen hervor und wird weggerissen, durch einen Schlag getrennt“, auf daß er entstehe und das Gesetz verkünde, das, von Gott überkommen, Moses gab. Gemäß jenem einen Punkte ist das Gesetz der Dekalog, der allegorisch die göttlichen Geheimnisse der Worte andeutet. Die ganze Wissenschaft der gesamten Dinge nämlich, so sagt er, besteht aus zehn Schlägen und zehn Worten, die niemand von denen kennt, die sich über das Zeugungsprodukt des weiblichen Wesens geirrt haben. Oder wenn du sagst, der Pentateuch sei das ganze Gesetz, so kommt er von der in dem einen, Punkte enthaltenen Fünfzahl. Das ganze ist aber für diejenigen, die nicht einen ganz vollkommenen Verstand haben, ein Geheimnis, ein neues und nicht alterndes Fest, ein gesetzliches, immerfort bis zu unseren Tagen währendes Ostern Gottes des Herrn, von denen, die sehen können, beim Anbruch des zehnten Tages beobachtet, welcher der Anfang der Dekade ist, von der aus sie rechnen. Die Einheit nämlich bis zur vierzehnten (Zahl) ist die Summe des einen Punktes der vollkommenen Zahl. Die Eins, Zwei, Drei, Vier wird Zehn, und das ist der eine Punkt. Zwischen der vierzehnten und der einundzwanzigsten liegt eine Siebenzahl (Woche) in dem einen Punkt, die ungesäuerte Weltschöpfung an allen diesen (Tagen). Was hätte, so sagt er, der eine Punkt einer Substanz wie des Sauerteigs von außen bedurft zum Osterfest des Herrn, zum ewigen Fest, das für alle Geschlechter gegeben ist; die ganze Welt und alle Ursachen der Schöpfung sind ewiges Ostern, Fest des Herrn. Gott freut sich nämlich der Entwicklung der Schöpfung, die durch die zehn Schläge des einen Punktes bewirkt wird, welcher der von Gott in die Hand des Moses gegebene Stab ist, mit dem er auf Ägyptens Erde schlug und die Körper verwandelte, das Wasser in Blut und die übrigen Dinge ebenso; Heuschrecken, d. h. Heu, nennt er die Verwandlung der Elemente in Fleisch: „Jedes Fleisch ist nämlich Heu“, sagt er. Nichtsdestoweniger nehmen diese Leute auch das ganze Gesetz so an, vielleicht Griechen folgend, die behaupten, es gebe eine Substanz und ein „Wie beschaffen“, „Wie groß“, „Wozu“, „Wo“, „Wann“, „Gelegensein“, „Haben“ und „Erleiden“.

Monoimos sagt daher im Brief an Theophrast ausdrücklich: „Ohne Gott und Schöpfung und derartiges zu suchen, suche ihn bei dir selbst“ und trachte zu erkennen, wer denn in dir sich alles vollständig zueignet und spricht: Mein Gott, mein Geist, mein Verstand, meine Seele, mein Leib, und trachte zu erkennen, woher es komme, daß man ohne zu wollen betrübt sei, sich freue, liebe, hasse, wache, schlafe, sich erzürne, Wohlwollen hege, und, so sagt er, wenn du dies genau untersucht hast, wirst du ihn in dir selbst finden, einfach und vielfach, entsprechend jenem Punkte, der von sich selbst seinen Anfang nimmt. Soweit jene. Wir brauchen das, was bei den Griechen schon früher ausgedacht worden ist, nicht zum Vergleich anzuführen, da des Monoimos Äußerungen offenbar aus der geometrischen und arithmetischen Wissenschaft herstammen; nur haben die Schüler des Pythagoras sie sachgemäßer behandelt, wie es unsere Leser an den Stellen ersehen können, wo wir die ganze Weisheit der Hellenen dargestellt haben. Nachdem nun auch die Lehre des Monoimos genügend widerlegt ist, wollen wir sehen, was die übrigen zusammenbrauen, um einen hohlen Namen berühmt zu machen.

Tatianus teilt nicht die Ansichten Justins des Märtyrers, seines Lehrers, sondern er versucht sich mit Neuem und spricht von gewissen unsichtbaren Äonen, ähnlich wie die Schüler des Valentinus fabulierend. Wie Markion nennt er die Ehe Unzucht. Er behauptet, Adam werde nicht gerettet, weil er der Rädelsführer des Ungehorsams gewesen. Soweit Tatianus.

Auch ein gewisser Hermogenes bildete sich ein, neue Gedanken zu haben und sagte, Gott habe alles, aus ihm gleichewiger und ungezeugter Materie gemacht; es sei nämlich unmöglich, daß Gott nicht aus schon Bestehendem das Werdende mache. Gott sei aber immer Herr und Gestalter, die Materie immer Sklavin und in Entwicklung begriffen, aber nicht in ihrer Gesamtheit. Gott habe nämlich die wild und regellos sich bewegende Materie auf folgende Weise geordnet. Da er sie wie Mark über dem Feuer wallen sah, schied er sie in Teile, entnahm ihr einen davon und bändigte ihn; den anderen überließ er seiner regellosen Bewegung; der gebändigte Teil ist die Welt, der andere bleibt wild und heißt ungeordnete Materie. Sie ist die Substanz aller Dinge, behauptet er, als wenn er seinen Schülern damit eine neue Lehre brächte; er bedachte dabei nicht, daß diese Fabel sokratischen Ursprungs ist und von Plato weit besser ausgebaut ward als von Hermogenes. Er bekennt, daß Christus der Sohn Gottes, der alles geschaffen, sei, und daß er aus der Jungfrau und dem Geiste geboren sei in Übereinstimmung mit dem Zeugnis der Evangelien; er sei, nach seinem Leiden auferweckt, den Jüngern körperlich erschienen und habe beim Aufstieg in den Himmel seinen Leib in der Sonne zurückgelassen, sei selbst aber zum Vater gekommen. Er beruft sich auf ein Zeugnis des Psalmisten David in der Meinung, er könne sich hierauf stützen. „In die Sonne hat er sein Gezelt gesetzt und wie ein Bräutigam, der aus seinem Gemach hervorkommt, jauchzt er auf wie ein Riese, seinen Weg zu durcheilen“. Solche Dinge vertrat Hermogenes.

Andere wieder, streitsüchtiger Natur, ohne jede wissenschaftliche Bildung und recht auf Händel erpicht, stellen auf, man müsse Ostern am vierzehnten Tag des ersten Monats halten nach der Offenbarung des Gesetzes, auf was immer für einen Tag es falle; sie haben dabei den Spruch im Gesetze im Auge, daß verflucht sein solle, wer es nicht so halte, wie es vorgeschrieben ist. Sie beachten nicht, daß das Gesetz für die Juden gegeben war, die das wahre Ostern aufheben sollten, das zu den Heiden gekommen ist und gläubig verstanden wird und das jetzt nicht nach dem Buchstaben gehalten wird. Sie halten sich an diese eine Vorschrift und berücksichtigen das nicht, was der Apostel gesagt hat: „Ich bezeuge jedem Menschen, der sich beschneidet, daß er Schuldner ist zur Erfüllung des ganzen Gesetzes“. Im übrigen stimmen sie mit der apostolisch-kirchlichen Überlieferung überein.

Andere, die eine noch häretischere Anlage haben, Phryger der Abstammung nach, haben geirrt, indem sie sich von Weibern einnehmen ließen, von einer gewissen Priszilla und Maximilla, die sie für Prophetinnen halten. Sie behaupten, der Parakletgeist sei in diese eingegangen; auch feiern sie auf ähnliche Art ihren Vorgänger, einen gewissen Montanus, als Propheten; im Besitze unzähliger, von jenen verfaßter Bücher gehen sie in die Irre, da sie weder deren Aussprüche vernünftig beurteilen noch sich an die Urteilsfähigen halten, sondern kritiklos sich in blindem Vertrauen führen lassen; dabei erklären sie, sie hätten durch jene mehr gelernt als aus dem Gesetz und den Propheten und den Evangelien. Sie schätzen diese Weibsbilder höher als die Apostel und jedes Charisma; ja manche wagen zu behaupten, es wohne etwas Größeres in ihnen als Christus. Sie erkennen den Vater als den Gott des Universums und Schöpfer aller Dinge in Übereinstimmung mit der Kirche an und auch, was die Evangelien über Christus bezeugen; sie führen aber neue Fasten und Feste, Trockenschmaus und Rübenschmaus mit Berufung auf die Weibsbilder ein. Einige von ihnen schließen sich der Irrlehre der Noetianer an und sagen, der Vater selbst sei der Sohn und habe das Gezeugtwerden, Leiden und Sterben über sich ergehen lassen. Über sie will ich noch genauere Auskunft geben; für viele wird nämlich ihre Häresie zum Unheil. Wir meinen, daß das, was wir über die vorhergenannten gesagt haben, genügt, nachdem wir kurz ihre vielen törichten Bücher und Betätigungen allen als unhaltbar und keines Wortes wert nachgewiesen haben; an die soll sich niemand halten, der einen gesunden Kopf hat.

Andere wieder, die sich Enkratiten nennen, bekennen sich zu dem, was auf Gott und Christus Bezug hat, in gleicher Weise wie die Kirche; in bezug auf die Lebensführung sind und bleiben sie aufgeblasen; in der Meinung, sich durch die Wahl ihrer Speisen einen Namen zu machen, enthalten sie sich animalischer Nahrung, trinken Wasser, verhindern die Ehe und führen im übrigen ein gar hartes Leben; sie haben eher für Kyniker als für Christen zu gelten, sie, die das, was durch den Apostel Paulus über sie vorausgesagt worden ist, außer acht lassen, der, nichtige zukünftige Neuerungen von Seiten gewisser Leute prophezeiend, sich so äußerte: „Der Geist spricht klar: In den letzten Zeiten werden einige von der gesunden Lehre abfallen und sich an Irrtumsgeister und Teufelslehren halten, in der Heuchelei von Lügnern, die ein abgebrühtes Gewissen haben, die das Heiraten verhindern, von Speisen sich zu enthalten (gebieten), die Gott zum Genusse mit Danksagung für die Gläubigen und Wahrheitsfinder geschaffen, weil jedes Gottesgeschöpf gut und nichts zu verwerfen ist, was unter Danksagung genossen wird. Es wird nämlich durch Gottes Wort und Gebet geheiligt“. Diese Äußerung des heiligen Paulus ist zur Widerlegung derer geeignet, die so leben und sich als Gerechte brüsten, und zum Erweis, daß auch dies Irrlehre ist. Wenn man noch andere Irrlehren nennt, wie die der Kainer,Ophiten und Nochaiten und andere mehr, so habe ich es doch nicht für notwendig gehalten, ihre Worte oder Taten auseinanderzusetzen; es könnten sonst vielleicht die einen oder anderen meinen, eines Wortes der Widerlegung wert zu sein. Nachdem aber das sie Bezügliche hinzureichen scheint, wollen wir zum Unheilsherd für alle übergehen, zur Häresie der Noetianer, ihre Wurzel aufdecken, das darin befindliche Gift offen legen. So möchten wir diejenigen, die von einem gewalttätigen Geiste wie von einem Gießbache mitgerissen werden, von diesem Irrtum abstehen machen.

Inhalt [1-5]

1. Der Inhalt des neunten Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

2. Die gotteslästerliche Torheit des Noetus, der den Lehren des Heraklitus, des dunklen, anhing, nicht den Lehren Christi.

3. Die Gründung einer neuen Sekte durch Kallistus, der ein Gemengsel aus der Irrlehre des Kleomenes, des Schülers des Noetus, und der des Theodotus machte, sowie dessen Lebenslauf.

4. Die jüngste Ankunft des wunderbaren Dämonen Elchasaï, dessen scheinbare Gesetzestreue der Deckmantel seiner Irrtümer war, der aber in Wirklichkeit den Lehren der Gnostiker, der Astrologen und der Magier anhing.

5. Die Sitten der Juden und deren Verschiedenheit.

Nachdem wir einen großen Kampf gegen alle Häresien geführt und keine unwiderlegt gelassen haben, steht uns noch der größte bevor, nämlich die zeitgenössischen Häresien darzustellen und zu widerlegen; denn einige kecke Nichtswisser sind daran gegangen, die Kirche zu zerreißen und haben dabei größte Verwirrung unter alle Gläubigen auf der ganzen Welt gebracht. Wir wollen nun die Lehre, die die Ursache dieser Übel ist, aufs Korn nehmen und ihre Grundlagen genau erforschen, auf daß so ihre Ableger, allen kenntlich, der Verachtung anheimfallen.

Es trat ein Mann, namens Noetus, auf, seiner Herkunft ein Smyrner. Er führte eine den Lehren des Heraklitus nachgebildete Ketzerei ein. Sein Diener und Schüler ward ein gewisser Epigonus, der nach Rom kam und dort seine gottlose Lehre ausstreute; dessen Schüler ward Kleomenes, unkirchlich in seinem Leben wie in seiner Denkart; er festigte die Lehre zur Zeit, da Zephyrinus die Kirche zu leiten vermeinte; dieser, ein ungebildeter, nach schmutzigem Gewinn gehender Mann, ließ sich durch Geldspenden gewinnen, denjenigen, die sich an ihn wandten, zu gestatten, des Kleomenes Schüler zu werden; ja mit der Zeit fand er selbst Geschmack an dieser Lehre und gab sich mit ihr ab; Berater und Helfershelfer war ihm Kallistus, dessen Leben und dessen Irrlehre wir bald darlegen werden. In der Folgezeit blieb des Kleomenes Schule bestehen, befestigte sich und wuchs, weil Zephyrinus und Kallistus ihnen die Stange hielten; wir freilich machten den Anhängern des Kleomenes nie Konzessionen, vielmehr stellten wir uns ihnen gar oft entgegen und widerlegten sie gründlich und zwangen sie, gegen ihren Willen der Wahrheit die Ehre zu geben; eine Zeitlang gaben sie, aus Scham und von der Wahrheit bezwungen, nach, nach kurzer Zeit aber wälzten sie sich wieder in demselben Kot.

Wir haben nun ihre Abhängigkeit voneinander dargelegt. Jetzt soll die Verderbtheit ihrer Lehrsätze auseinandergesetzt und, nach Vorführung der Meinungen des dunklen Heraklit, bewiesen werden, daß ihre eigenen Lehre heraklitisches Gut sind; möglicherweise wissen die derzeitigen Vorsteher der Sekte nicht, daß diese Lehren dem „Dunklen“ zugehören, und bilden sich ein, es seien die Lehren Christi. Wenn sie dies lesen, werden sie sich doch schämen und von diesen gottlosen Lästerungen abstehen. Wenn wir auch schon früher die Lehre des Heraklitus in den Philosophumena auseinandergesetzt haben, so ist es doch gut, sie zum Vergleich daneben zu stellen; so werden durch einen bündigeren Beweis diejenigen, die Christi Schüler zu sein vermeinen, klar darüber unterrichtet, daß sie dies nicht sind, sondern Schüler des „Dunklen“ sind.

Heraklitus sagt, das All sei geteilt und ungeteilt, erzeugt und unerzeugt, sterblich und unsterblich, Logos, Äon, Vater, Sohn, gerechter Gott. „Diejenigen, die nicht auf mich, sondern auf das Wort hören, tun weise daran, zu erkennen, daß alles eins sei“, sagt Heraklitus, und weil nicht alle dies wissen und zugeben, so rügt er sie ungefähr so: „Sie verstehen nicht, wie es auseinanderstrebend ineinander geht: gegenstrebige Vereinigung, wie beim Bogen und der Leier“. Daß das Wort ewig ist, da es das All und durch das All ist, drückt er folgendermaßen aus: „Für dies Wort aber, obgleich es ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis, weder, ehe sie es vernommen, noch sobald sie es vernommen. Alles geschieht nach diesem Wort und doch gebärden sie sich wie die Unerfahrenen, so oft sie sich versuchen in solchen Worten und Werken, wie ich sie künde, ein jegliches nach seiner Natur zerlegend und ausdeutend, wie sichs damit verhält“. Daß das All ein Knabe sei und durch die Ewigkeit ein ewiger König aller Dinge, sagt er auf folgende Weise: „Die Zeit ist ein spielender Knabe, der die Brettsteine hin und her setzt: Knabenregiment“. Daß der Vater aller entstandenen Dinge gezeugt, ungezeugt, Schöpfung, Schöpfer sei, hören wir von ihm, wenn er sagt: „Der Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König, und er macht die einen zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien“, Daß aber….. „Vereinigung wie beim Bogen und der Lyra“. Daß Gott verborgen, unsichtbar, den Menschen unbekannt ist, sagt er mit folgenden Worten: „Verborgene Vereinigung ist besser als offenkundige“. Er preist und bewundert mehr als das Erkennbare das Unerkannte an ihm und das Verborgene seiner Kraft. Daß er aber für die Menschen erkennbar und nicht unerforschlich sei, sagt er mit diesen Worten: „Alles, was man sehen, hören, lernen kann, das ziehe ich vor“. Das ist das Sichtbare dem Unsichtbaren….. aus derartigen Äußerungen ist dies leicht abzunehmen: „Es irren die Menschen, was die Kenntnis der sichtbaren Dinge anlangt, ähnlich wie Homer, der doch der weiseste aller Griechen war. Ihn foppten nämlich Buben, die auf Läuse Jagd machten, mit den Worten: Was wir sahen und ergriffen, das lassen wir los; was wir nicht sahen und nicht ergriffen, das holen wir“.

So setzt und schätzt Heraklit das Offenbare und das Verborgene gleich, als ob das Sichtbare und das Verborgene fraglos ein und dasselbe wäre. „Es ist nämlich“, sagt er, „verborgene Vereinigung besser als offenkundige“, und: „Alles, was man sehen, hören, lernen kann“, d. i. (durch) die Organe, „das ziehe ich vor“, er zieht also nicht das Unsichtbare vor. Und so sagt Heraklit, daß Dunkel und Licht, Böses und Gutes nicht verschiedene Dinge, sondern ein und dasselbe seien. Er tadelt den Hesiod, daß er Tag und Nacht nicht kennt; Heraklit sagt nämlich, daß Tag und Nacht ein und dasselbe seien: „Die meisten haben Hesiod zum Lehrer; sie sind überzeugt, daß er gar viel weiß, er, der Tag und Nacht nicht erkannt hat; sie sind ja doch eines“. Ebenso Gut und Böse: „Fordern doch die Ärzte, wenn sie schneiden, brennen und die Kranken durchweg arg quälen, noch Lohn dazu, obwohl sie keinen von den Kranken zu erhalten verdienen, da sie dasselbe, Gutes und Krankheiten, bewirken“. Auch das Gerade und das Krumme ist dasselbe: „Der Walkerschraube Weg, gerade und krumm“ — die Drehung des Instrumentes, das in der Walkerwerkstätte Schraube heißt, ist gerade und gewunden; es geht nämlich aufwärts und im Kreise — „ist ein und derselbe“. Und Oben und Unten ist eins und dasselbe. „Der Weg nach oben und unten ist, ein und derselbe“. Und das Unreine, sagt er, und das Reine ist ein und dasselbe und das Trinkbare und das Untrinkbare ein und dasselbe. „Das Meer istdas reinste und das scheußlichste Wasser, für die Fische genießbar und lebenerhaltend, für die Menschen untrinkbar und tödlich“. Er behauptet auch, das Unsterbliche sei offenbar sterblich und das Sterbliche unsterblich. „Unsterbliche sterblich, Sterbliche unsterblich: sie leben gegenseitig ihren Tod und sterben ihr Leben“. Er lehrt auch die Auferstehung des sichtbaren Leibes, in dem wir zur Welt kamen, und weiß, daß Gott der Urheber dieser Auferstehung ist: „Vor ihm aber, der dort ist, erhöben sie sich und wach würden die Wächter der Lebendigen und der Toten“. Er lehrt auch, daß das Gericht der Welt und alles dessen, was in ihr ist, durch Feuer erfolge: „Alles steuert der Blitz“, d. h. er lenkt es; unter Blitz versteht er das ewige Feuer. Er sagt weiter, dieses Feuer sei vernunftbegabt und Ursache der Weltregierung; er nennt es aber „Mangel und Fülle“; nach ihm ist die Weltbildung Mangel, der Weltbrand Fülle: „Über alles nämlich wird das Feuer kommen und es richten und verdammen“. In diesem Kapitel hat er seine ganze Auffassung auseinandergesetzt, zugleich aber auch den Geist der Irrlehre des Noetus, von dem ich kurz nachgewiesen habe, daß er nicht Christi, sondern des Heraklit Schüler sei. Heraklit nennt die geschaffene Welt ihren eigenen Gestalter und Schöpfer: „Gott ist Tag und Nacht, Winter und Sommer, Krieg und Frieden, Fülle und Hunger“ — lauter Gegensätze: das ist seine Meinung — , „er wandelt sich aber wie das Feuer, das, wenn es mit Räucherwerk vermengt wird, nach eines jeglichen Wohlempfindung so oder so benannt wird“. Klar ist es allen, daß die tollen Nachfolger des Noetos und die Vorsteher seiner Sekte mit Annahme seiner Ansichten sich die des Heraklitus zu eigen machen, wenn sie auch, wie sie vorbringen, nicht des Heraklit Hörer waren. Dies nämlich behaupten sie: ein und derselbe Gott sei der Gestalter und Vater aller Dinge, er sei nach seinem Gutdünken den ersten Gerechten erschienen, obwohl er unsichtbar war; wenn er nämlich nicht gesehen wurde, war er unsichtbar; wenn er gesehen wurde, sichtbar; unfaßbar, wenn er nicht erfaßt sein wollte, und faßbar, wenn er erfaßt wurde: so ist er aus demselben Grunde unüberwindlich und überwindlich, unerzeugt und erzeugt, unsterblich und sterblich. Wie sollen diese Leute nicht als des Heraklit Schüler erwiesen werden? Hat nicht „der Dunkle“ mit denselben Worten philosophiert? Daß Noetos behauptet, ein und derselbe sei Sohn und Vater, weiß jeder. Er sagt so: „Als nämlich der Vater noch nicht erzeugt war, wurde er mit Recht Vater genannt, als er sich aber entschloß, eine Zeugung über sich ergehen zu lassen, wurde er bei der Zeugung sein eigener Sohn, nicht der eines anderen. So bildet er sich ein, die Monarchia (Einheit) zu beweisen, indem er behauptet, ein und dasselbe sei der Vater und der sogenannte Sohn, nicht ein anderer aus einem andern, sondern er selbst aus sich, dem Namen nach zwar Vater und Sohn genannt gemäß der Zeitenfolge. Dieser eine, welcher erschienen sei, der die Geburt aus der Jungfrau auf sich genommen und als Mensch unter Menschen geweilt habe, bekannte sich den Augenzeugen gegenüber als Sohn wegen der erfolgten Zeugung; denen aber, die es faßten, verbarg er es nicht, daß er der Vater sei. Ihn, der an das qualvolle Kreuz geheftet ward und sich selbst seinen Geist übergab, der starb und nicht starb, und sich selbst am dritten Tage auferweckte, der im Grabmal beigesetzt und mit der Lanze und den Nägeln durchbohrt ward, von diesem sagen Kleomenes und sein Anhang, er sei der Gott des Alls und der Vater, und bringen so das Dunkel des Heraklitus über viele.

Diese Irrlehre befestigte Kallistus, ein im Bösen wohlerfahrener und im Irreführen geschickter Mann, der dem bischöflichen Sitze nachjagte. Den Zephyrinus, einen ungelehrten und ungebildeten Mann, der die kirchlichen Verordnungen nicht kannte, Geschenken zugänglich und geldgierig war, brachte er, zu was er wollte, indem er ihn durch Geschenke und verbotene Forderungen gewann. So bewog er ihn, immer Streitigkeiten unter den Brüdern zu erregen; er selbst aber wußte sich dann beide Parteien mit schlauen Redensarten geneigt zu machen, indem er bald die Rechtgläubigen damit täuschte, daß er für seine Person, wie sie zu denken vorgab, bald wieder dieselbe Versicherung Anhängern des Sabellius gab. Letzteren hat er am Gewissen, denn Sabellius hätte noch zurecht kommen können. So oft wir den Sabellius zurechtwiesen, war er nicht verstockt; bei Einzelverhandlungen mit Kallistus aber wurde er von letzterem dazu gebracht, sich auf die Seite des Kleomenes zu neigen, da dieser des Kallist Ansichten vertrete. Sabellius durchschaute damals des Kallistus Schurkerei nicht, später erkannte er sie, wie ich es bald erzählen werde. Kallist übte auf Zephyrin einen Druck aus und veranlaßte ihn, offiziell zu erklären: „Ich kenne einen Gott Jesus Christus und außer ihm keinen anderen gezeugten und leidensfähigen“. Kallist erklärte dann wieder: „Nicht der Vater ist gestorben, sondern der Sohn.“ So unterhielt er immerwährenden Streit im Volke. Da wir seine Ansichten kennen gelernt hatten, fügten wir uns nicht, sondern leisteten Widerstand um der Wahrheit willen; da kam er ganz von Sinnen, weil wir uns dem Heuchler nicht anschlossen im Gegensatz zu allen anderen, und nannte uns ohne Bedenken Ditheisten und spie so kräftig den Giftsaft aus, den er im innersten Herzen trug. Es scheint uns wünschenswert, seinen Lebenslauf darzulegen; er war unser Zeitgenosse; durch Aufdeckung seines Lebenswandels wird die von ihm gegründete Sekte leicht durchschaut und von denen, die gesunden Menschenverstand haben, alsbald verworfen werden. Dieser Mann bestand ein Martyrium unter dem römischen Stadtpräfekten Fuscianus. Sein Martyrium spielte sich freilich folgendermaßen ab.

Er war Sklave eines gewissen Karpophorus, eines Christen aus der Hofhaltung des Kaisers. Karpophorus vertraute ihm als Christen eine nicht unbeträchtliche Geldsumme an und trug ihm auf, Bankgeschäfte zu machen. Er nahm das Geld und errichtete ein Wechselgeschäft in der sogenannten Piscina publica. Es wurden ihm im Laufe der Zeit viel Depositengelder von Witwen und Brüdern auf den guten Namen des Karpophorus hin anvertraut. Er brachte alles durch und kam in Schwierigkeiten. Es fand sich einer, der dieses Gebaren dem Karpophorus hinterbrachte; dieser sagte nun, er werde Rechnungslegung von Kallistus verlangen. Da Kallistus dies erfuhr und die ihm von seinem Herrn drohende Gefahr voraussah, machte er sich aus dem Staub und floh dem Meere zu; da er in Portus ein Schiff klar zur Abfahrt traf, bestieg er es, um die Fahrt, gleichviel wohin, mitzumachen. Aber auch so gelang es ihm nicht, unbemerkt zu bleiben; es fand sich nämlich einer, der die Sache dem Karpophorus hinterbrachte. Dieser kam auf diese Kunde zum Hafen und versuchte, auf das Schiff zu gelangen. Das Schiff aber ankerte in der Mitte des Hafens. Da der Kapitän (mit der Abfahrt) zögerte und Kallistus von weitem seinen Herrn sah, und zugleich einsah, daß er (auf dem Schiff) gefangen sei, sagte er dem Leben Valet und stürzte sich ins Meer, in der Meinung, nun sei es zu Ende. Die Schiffsleute sprangen aber in die Kähne und zogen ihn gegen seinen Willen unter großem Geschrei der Leute am Strande heraus; so wurde er seinem Herrn übergeben und nach Rom zurückgebracht; der aber schickte ihn in die Tretmühle. Im Laufe der Zeit kam es dazu, daß Brüder zu Karpophorus gingen und ihm zuredeten, er solle dem flüchtig gegangenen Sklaven die Strafe erlassen, da er angebe, er habe bei gewissen Leuten Gelder stehen. Karpophorus nun, der ja ein frommer Mann war, sagte, auf das Seinige wolle er gern verzichten, die Depositen aber drückten ihn — viele sagten ihm unter Tränen, sie hätten auf seinen guten Namen hin dem Kallistus Gelder anvertraut —, und so ordnete er auf diese Bitten hin an, daß Kallistus herausgelassen würde. Da dieser nun doch nichts hatte, um Ersatz zu leisten und, unter Bewachung stehend, nicht wieder entlaufen konnte, ersann er ein künstliches Mittel, um zu sterben, und unter dem Vorgeben, sich zu Schuldnern zu begeben, rannte er eines Sabbats zur Synagoge der Juden während des Gottesdienstes und erregte dort einen Tumult. In ihrer Erregung beschimpften und schlugen ihn die Juden und schleppten ihn zu Fuscianus, dem damaligen Stadtpräfekten, und brachte folgendes vor: Die Römer haben uns gestattet, die vaterländischen Gesetze in öffentlicher Versammlung vorzulesen; der aber ist bei uns eingedrungen und hat uns daran gehindert; er hat einen Tumult erregt und sich dabei gerühmt, ein Christ zu sein. Fuscianus, der zu Gerichte saß, ärgerte sich sehr über Kallistus auf die Anklagen der Juden hin; da hinterbrachte jemand dem Karpophorus, was vorging. Der lief zum Richterstuhl des Präfekten und rief: „Ich bitte dich, Herr Fuscianus, glaube ihm nicht, er ist ja kein Christ; er hat mir viel Geld durchgebracht; nun sucht er eine Gelegenheit zu sterben; dafür werde ich den Beweis erbringen.“ Die Juden hielten dies für einen Schwindel des Karpophorus, um Kailist unter diesem Vorwand frei zu bekommen und schrien noch wütender auf den Präfekten ein. Der gab ihnen nach, ließ ihn geißeln und schickte ihn in die sardinischen Bergwerke; dort waren noch andere Bekenner. Markia, die ein gutes Werk tun wollte — sie war fromm, Konkubine des Kommodus —, ließ einige Zeit darauf den seligen Viktor, der damals Bischof der Kirche war, zu sich kommen und frug nach, was für Bekenner in Sardinien seien. Er gab die Namen aller an, nicht aber den des Kallistus, da er wußte, was er alles angestellt hatte. Markias Wunsch ward durch Kommodus erfüllt; sie gab also das Freilassungsdekret einem Eunuchen, dem Priester Hyacinthus; der nahm es an sich, fuhr nach Sardinien hinüber und übergab es dem dortigen Statthalter und befreite die Bekenner mit Ausnahme des Kallistus. Der fiel nun auf die Knie und flehte unter Tränen, man möchte doch auch ihn freilassen. Hyacinthus ließ sich erweichen und stellte diese Bitte an den Statthalter unter Hinweis, daß er Erzieher der Markia gewesen, und unter Garantie für dessen Sicherheit; der ließ sich überreden und gab auch den Kallistus frei. Als dieser nun ankam, war Viktor über die Sache sehr ärgerlich; gutherzig, wie er war, schlug er jedoch nicht Lärm; da er aber die Vorwürfe vieler Leute befürchtete — denn des Kallistus Manipulationen lagen noch nicht weit zurück — und da auch noch Karpophorus protestierte, wies er dem Kallistus Antium als Aufenthaltsort an und warf ihm eine monatliche Pension als Unterhaltsbeitrag aus. Nach Viktors Heimgang nahm Zephyrinus den Kallistus als Mitarbeiter bei der Organisation des Klerus und zeichnete ihn zu seinem eigenen Schaden aus. Er ließ ihn von Antium kommen und berief ihn in das Coemeterium. Durch seine ständige Anwesenheit und seine Augendienerei, wie ich eben vorher gesagt habe, richtete Kallist den Zephyrinus zugrunde, der weder beurteilen konnte, was gesagt wurde, noch des Kallistus Intriguenspiel durchschaute, der ihm alles zu Gehör redete. Kallist exkommunizierte, da er nach dem Tod des Zephyrinus das erlangt zu haben glaubte, auf das er Jagd gemacht hatte, den Sabellius als nicht rechtgläubig; er fürchtete mich nämlich und meinte, sich so von dem Vorwurf bei den Kirchen reinigen zu können, als ob er nicht korrekt denke. Er war eben ein Schwindler und ein Ränkeschmied und mit der Zeit zog er viele mit sich. Er trug sein Gift tief im Herzen und hatte lauter falsche Ansichten; zugleich scheute er sich, die Wahrheit zu sagen; denn er hatte uns geschmäht und offiziell ausgesprochen: „Ihr seid Ditheisten“; ja es wurde ihm von Sabellius ständig vorgeworfen, daß er seinen ursprünglichen Glauben verlassen habe. So erfand er denn folgende Häresie: Er behauptete, der Logos selbst sei Sohn, derselbe sei auch Vater dem Namen nach, in Wirklichkeit sei der ungeteilte Geist einer; nicht etwas anderes sei Vater, etwas anderes Sohn, sondern ein und dasselbe; das All sei erfüllt mit dem göttlichen Geiste, Oberwelt und Unterwelt; und der Geist, der aus der Jungfrau Fleisch angenommen, sei nichts anderes als der Vater, vielmehr ein und dasselbe. Das bedeute das Wort: „Glaubst du nicht, daß ich im Vater und der Vater in mir ist?“ Das Sichtbare, was ja Mensch sei, das sei der Sohn, der Geist, der im Sohne Wohnung genommen habe, der sei der Vater: „Denn“, so sagt er, „ich will nicht zwei Götter bekennen, Vater und Sohn, sondern einen.“ Nachdem der Vater im Sohne Fleisch angenommen hatte, vergöttlichte er es durch die Vereinigung mit sich und machte eine Einheit, so daß Vater und Sohn ein Gott genannt würden, und, da dies eine Person sei, so könnten es nicht zwei sein und so habe der Vater mit dem Sohne mitgelitten; er will nämlich nicht aufstellen, daß der Vater gelitten habe und daß es nur eine Person gebe, vielmehr möchte er, der dumm-schlaue Mensch, der Lästerung gegen den Vater auskommen, er, der nach allen Richtungen Lästerungen verbreitete; um wenigstens scheinbar der Wahrheit gemäß zu lehren, scheut er sich nicht, bald in die Lehre des Sabellius zu verfallen, bald in die des Theodotus. Nachdem er sich solcher Dinge erkühnt, gründete er mit dieser Lehre eine Schule im Gegensatz zur Kirche und wagte es als erster, den Leuten Dinge, die zur Befriedigung der Lüste dienen, zu erlauben, und erklärte, allen würden von ihm die Sünden nachgelassen. Wenn einer, der einer anderen Gemeinschaft angehört und dort den christlichen Namen erhalten hat, eineSünde begangen hat, so wird ihm — so behaupten sie — die Sünde nicht angerechnet, wenn er nur der Schule des Kallistus zuläuft.

Kallists Dekret gefiel gar manchen, die von Gewissensbissen gequält und überdies aus vielen Sekten ausgestoßen waren, ja es waren einige darunter, die durch Urteilsspruch von uns aus der Kirche ausgeschlossen worden waren; so gingen sie zu ihnen über und füllten des Kallistus Schule. Er war der Ansicht, daß ein Bischof nicht abgesetzt werden müsse, wenn er sündige und sei es auch zum Tod. Von dieser Zeit an begann man zwei- und dreimal verheiratete Bischöfe, Priester und Diakonen zu den Weihen zuzulassen, und wenn einer geweiht eine Ehe eingehe, so bleibe ein solcher im Klerus, als ob er nicht gesündigt hätte; hierüber handle, wie er behauptet, der Ausspruch des Apostels: „Wer bist du, der du über den fremden Knecht Urteil sprichst?“ Ja auch die Parabel vom Unkraut, sagt er, beziehe sich hierauf: „Laßt das Unkraut wachsen mit dem Weizen“, das ist die Sünder in der Kirche. Ja er sagte, auch die Arche Noah sei ein Gleichnis für die Kirche, in der sich Hunde und Wölfe und Raben, alles Reine und Unreine fand, und so soll es in der Kirche sein; was er noch in diesem Betreff herbeibringen konnte, hat er so ausgelegt, und seine Hörer, denen diese Ansichten gefallen, fahren fort, sich selbst und viele (andere) zum Besten zu haben, die scharenweise zu dieser Schule strömen. Gerade wegen der Lüste, die Christus nicht erlaubt hat, nahmen sie immer zu, auf ihren Massenanhang stolz. Christum verachten sie und hindern keine Sünde, indem sie aufstellen, er verzeihe denen, die guten Willens sind. Auch hat er Frauen vornehmen Standes, die unverheiratet in noch jugendlichem Alter heiratsüchtig waren, ihren Rang durch eine gesetzmäßige Ehe aber nicht einbüßen wollten, erlaubt, einen Beischläfer nach ihrer Wahl zu haben, sei es einen Sklaven, sei es einen Freien, und diesen, auch ohne rechtmäßige Ehe, für ihren Mann anzusehen. Und so begannen sogenannte Christinnen, empfängnisverhütende Mittel zu gebrauchen und sich zu schnüren, um die Leibesfrucht abzutreiben, weil sie wegen ihrer hohen Geburt und ihres Riesenvermögens kein Kind von einem Sklaven oder einem gewöhnlichen Mann haben wollten. Seht, wie weit der Ruchlose in seiner Gottlosigkeit gekommen ist! Er lehrt Ehebruch und Mord zugleich. Und auf all das hin gehen diese Ausgeschämten daran, sich „katholische Kirche“ zu nennen und manche laufen ihnen zu, in der Meinung, recht zu handeln. Um diese Zeit wagten sie zuerst, eine zweite Taufe zu spenden. Das hat der höchst merkwürdige Kallistus getan, dessen Schule weiter besteht und ihr Herkommen und ihre Überlieferung hütet; ohne Urteil darüber, mit wem man Gemeinschaft haben kann, bietet sie allen ohne Prüfung Mitgliedschaft an; von Kallistus haben sie auch ihren Beinamen erhalten und heißen nach ihrem Gründer Kallistianer.

Dieses Menschen Lehre verbreitete sich über die ganze Welt. Alkibiades, ein geriebener, durch und durch schlechter Mann, in Apamea in Syrien wohnhaft, sah diese Machination und kam, da er sich für einen noch gewandteren und genialeren Betrüger als Kallist hielt, mit einem Buch nach Rom, das angeblich Elchasaï, ein gerechter Mann, aus Serri in Partien erhalten und einem gewissen Sobiai weitergegeben habe; das Buch sei von einem Engel inspiriert, dessen Höhe 24 Schönen = 96 Meilen, dessen Breite 4 Schönen beträgt und der von Schulter zu Schulter 6 Schönen mißt. Seine Fußlänge betrage 3½, was 14 Meilen gleichkommt, die Breite 1½ Schönen, die Höhe ½. Es befinde sich bei ihm auch ein weibliches Wesen, dessen Maße mit den obengenannten übereinstimmten; das männliche Wesen sei Gottes Sohn, das weibliche werde Heiliger Geist genannt. Diese Wundergeschichten tischt er auf und will die Dummen mit der Behauptung kirre machen, es sei den Menschen eine neue Sündenvergebung im dritten Jahre der Regierung Trajans verkündigt; er setzt eine Taufe fest, über die ich noch handeln werde; ja er sagt, daß die, die sich mit jeglicher Lüsternheit und Befleckung und Gesetzlosigkeit, selbst noch als Christen, besudelt haben, wenn sie sich bekehren und auf das Buch hören und ihm glauben, durch die Taufe Nachlassung der Sünden erlangen. Solche Freveltaten zu vollführen scheute er sich nicht, hatte er doch die Anregung hiezu von der vorerwähnten Schule erhalten, der Kallistus vorstand. Da er (Alkibiades) merkte, daß viele an einer solchen Verheißung Wohlgefallen hatten, fand er es opportun, an die Sache heranzugehen. Wir aber traten dem entgegen und duldeten nicht, daß noch länger so viele verführt würden; wir taten dar, daß dies das Wirken eines falschen Geistes und der Einfall eines aufgeblähten Herzens sei und daß Alkibiades gleich einem Wolf gegen viele irrende Schafe gehetzt sei, die Kallist verführt und zerstreut hatte. Nachdem wir nun einmal begonnen, wollen wir auch dieses Mannes (Alkibiades) Lehren nicht mit Schweigen übergehen; nachdem wir sein Leben ans Licht gezogen und gezeigt haben, daß seine vermeintliche Askese vorgespiegelt ist, werden wir die Hauptpunkte seiner Lehre danebenstellen, damit, wer seine Schriften liest, wisse, welcher Qualität die von ihm ins Leben gerufene Irrlehre sei.

Er wirft die Befolgung des Gesetzes als Köder aus und behauptet, es müssen sich die Neuchristen beschneiden lassen und nach dem Gesetze leben, in teilweiser Anlehnung an die vorher besprochenen Häresien. Von Christus behauptet er, er sei Mensch geworden wie alle anderen, er sei aber nicht jetzt zum erstenmal aus einer Jungfrau geboren worden, sondern es sei schon früher und oftmals geschehen und es geschehe noch; er erscheine und lebe, indem er die Zeugungen ändere und in andere Körper wandere, wobei Alkibiades die bekannte Lehre des Pythagoras benützt. So weit überheben sie sich, daß sie in die Zukunft zu schauen vorgeben, indem sie die Maße und Zahlen der eben erwähnten pythagoreischen Lehre als Grundlage benützen. Sie beschäftigen sich auch ganz ernsthaft mit mathematischen, astrologischen und magischen Dingen. Damit verwirren sie die Unverständigen, so daß diese meinen, sie besäßen Zauberworte. Beschwörungen und Sprüche lehren sie für die vom Hund Gebissenen und die Besessenen und die mit anderen Krankheiten Behafteten; es soll auch das nicht verschwiegen werden. Nachdem wir nun genugsam die Grundlagen und die Ursachen ihres Unterfangens dargetan, will ich zur Besprechung der Schriften dieser Leute übergehen; da werden die Leser ihr Geschwätz und ihre gottlosen Anschläge innewerden.

Die Taufe erklärt er denen, die sich von ihm führen und täuschen lassen, auf diese Weise: „Kinder, wenn einer mit einem Tiere oder einem Manne oder seiner Schwester oder seiner Tochter gesündigt hat, oder wenn er die Ehe gebrochen oder Hurerei getrieben hat und er will Nachlassung seiner Sünden erlangen, so soll er, sobald er von diesem Buch gehört, sich ein zweites Mal taufen lassen im Namen des großen und höchsten Gottes und im Namen seines Sohnes, des großen Königs, und er soll gereinigt und gewaschen werden und er soll sich die sieben in diesem Buch aufgezeichneten Zeugen zum Zeugnis aufrufen: den Himmel und das Wasser und die heiligen Geister und die Gebetsengel und das Öl und das Salz und die Erde.“ Das sind die wunderbaren, geheimnisvollen und großen Mysterien des Elchasaï, die er den würdigen Schülern mitteilt. Damit aber begnügt sich der Schurke nicht, sondern vor zwei oder drei Zeugen besiegelt er seine Schlechtigkeiten, indem er weiter sagt: „Wiederum sage ich, ihr Ehebrecher und ihr Ehebrecherinnen und ihr falschen Propheten, wenn ihr euch bekehren wollt, auf daß euch die Sünden nachgelassen werden, wird euch Frieden und Anteil bei den Gerechten, sobald ihr von diesem Buch gehört und zum zweiten Male in eueren Kleidern getauft werdet.“ Wir haben aber auch gesagt, sie benützten Beschwörungen für die vom Hund Gebissenen und für andere; wir wollen es nun erhärten; spricht er doch: „Wenn ein tollwütiger Hund, in dem der Geist des Verderbens ist, einen Mann oder ein Weib oder einen Jüngling oder ein Mädchen gebissen oder ihnen die Kleider zerrissen oder sie berührt hat, so soll sich der Betreffende also gleich mit der ganzen Gewandung in eiligen Lauf setzen und er soll in einen Fluß oder in eine Quelle, wo immer eine Tiefe ist, steigen und mit seiner ganzen Gewandung untertauchen und den großen und höchsten Gott in herzlichem Glauben anrufen und dann zum Zeugnis ausrufen die sieben in diesem Buch aufgeschriebenen Zeugen: ‚Siehe, ich rufe zu Zeugen den Himmel und das Wasser und die heiligen Geister und die Gebetsengel und das Öl und das Salz und die Erde. Diese sieben Zeugen rufe ich zum Zeugnis, daß ich nimmermehr sündigen, nicht mehr ehebrechen, nicht mehr stehlen, nicht mehr Unrecht tun, nicht mehr betrügen, nicht mehr Feindschaft haben, niemand mehr verachten, nicht mehr an irgend etwas Lasterhaftem Freude haben werde.‘ Unter solchen Worten soll er mit seiner ganzen Gewandung im Namen des großen und höchsten Gottes untertauchen.“

Noch gar viel anderes fabelt er so und lehrt, man solle dasselbe zu den Lungenkranken sagen und sie in kaltem Wasser vierzigmal sieben Tage lang untertauchen, auf gleiche Weise auch die Besessenen. O über die unnachahmliche Weisheit und die machtvollen Beschwörungen! Wer wird nicht über so mächtige Worte staunen! — Wir haben weiterhin behauptet, er benütze auch die trügerische Astrologie; nun wollen wir es aus seinen eigenen Worten erweisen. Er sagt nämlich: „Es gibt böse Sterne der Gottlosigkeit. Dies ist euch jetzt gesagt worden, ihr Frommen und ihr Schüler; hütet euch vor der Macht der Tage, an denen sie herrschen, und setzet nicht den Anfang eurer Werke an ihren Tagen und taufet weder Mann noch Frau in den Tagen ihrer Herrschaft, wann der Mond durch sie durchgeht und mit ihnen wandelt. Vor diesem Tage gerade hütet euch, bis daß (der Mond) sie verläßt, und dann tauchet unter und beginnt jegliches Beginnen eurer Werke. Noch aber sollt ihr vor dem Tag des Sabbats ehrfürchtige Scheu haben, denn es ist einer ihrer Tage. Aber auch am dritten Tag nach dem Sabbat hütet euch, einen Anfang zu machen, weil, wenn wieder drei Jahre seit der Unterwerfung der Parther unter die Herrschaft des Kaisers Trajan voll geworden sind, nach Ablauf von drei Jahren also der Krieg zwischen den Engeln der Gottlosigkeit des Nordens entbrennt; dadurch werden alle Reiche der Gottlosigkeit erschüttert.“

Er hält es für töricht, diese großen und verborgenen Geheimnisse mit Füßen treten oder unter die Menge werfen zu lassen; so rät er, sie wie kostbare Perlen zu behüten und sagt: „Dieses Buch leset nicht allen Menschen vor, und diese Lehren hütet wohl, weil nicht alle Männer gläubig sind und nicht alle Frauen rechtschaffen.“ Solche Dinge haben nicht einmal die ägyptischen Weisen in ihren Tempeln, noch der Weise der Griechen, Pythagoras, erfaßt. Wenn nämlich zu jener Zeit Elchasaï aufgetreten wäre, wie wäre es für Pythagoras oder Thales oder Solon oder den weisen Plato oder die übrigen griechischen Weisen nötig gewesen, Schüler der ägyptischen Priester zu werden, die nach Alkibiades, dem wunderbaren Interpreten des unglücklichen Elchasaï, eine so große Weisheit besitzen. Das über diesen Unsinn Gesagte mag wohl denen, die gesunden Sinnes sind, zur Beurteilung genügen; deswegen sollen nicht noch weitere Aussprüche verwertet werden, es gäbe allerdings noch recht viel und recht lächerliche. Nachdem wir nun die zeitgenössischen wie auch die der Vergangenheit angehörigen Ereignisse besprochen haben, so wollen wir der Vollständigkeit halber von den Sitten der Juden und ihren Verschiedenheiten handeln. Das ist noch unerledigt; ich werde daraufhin zur Darstellung der wahren Lehre übergehen, damit wir nach dem langen Geisteskampf mit allen Häresien der Krone des Königreichs zueilen und mit frommem Sinn im wahren Glauben uns nicht verwirren lassen.

Die Juden hatten von alters her ein Recht, ein Lehrer war ihnen von Gott gegeben worden, Moses, und durch ihn ein Gesetz, eine Wüste und ein Berg, der Sinai; sie hatten einen Gesetzgeber, Gott. Nachdem sie aber den Jordan überschritten und das schwererkämpfte Land erhalten hatten, zerrissen sie auf verschiedene Weise das Gesetz Gottes, da jeder das Gesagte anders auffaßte, und so gingen sie auseinander, nachdem sie sich Lehren aufgestellt und Sonderlehren erfunden hatten, deren Verschiedenheiten ich auseinandersetzen werde. Sie haben sich in eine Unmenge von Sekten gespalten; ich will die hauptsächlichsten zur Darstellung bringen. Die Lernbegierigen werden hiedurch auch mit den übrigen leicht bekannt. Drei Richtungen kann man bei ihnen unterscheiden: Anhänger der ersten sind die Pharisäer, der zweiten die Sadduzäer, die dritten sind die Essener. Die letzteren führen ein ziemlich ernstes Leben in gegenseitiger Liebe und in Enthaltsamkeit, scheuen jedes Werk der Begierlichkeit, ja sie wollen nicht einmal von solchen hören; sie verzichten auf die Ehe, nehmen fremde Kinder an, machen sie zu den ihrigen und erziehen sie zu ihren eigenen Anschauungen, ziehen sie auf und unterweisen sie in den Wissenschaften, hindern sie aber nicht am Heiraten, sie selbst aber enthalten sich der Ehe. Frauen nehmen sie nicht auf, auch wenn solche sich ihrer Richtung anschließen wollen, da sie ihnen durchaus mißtrauen.

Sie verachten den Reichtum und lassen die Bedürftigen gern an ihrem Vermögen teilhaben, ja bei ihnen besitzt keiner mehr als der andere. Es ist nämlich bei ihnen Gesetz, daß, wer zu ihrer Sekte geht, seinen Besitz verkauft und (den Erlös) der Gemeinschaft übergibt; der Vorsteher nimmt ihn entgegen und teilt einem jeden nach Bedürfnis zu. So gibt es keine Armen unter ihnen. Sie benützen kein Öl, da sie es für eine Befleckung halten, sich zu salben. Es werden Verwalter aufgestellt, die für das gemeinsame Gut sorgen; alle sind sie immer weiß gekleidet.

Sie haben nicht eine Stadt (als Wohnsitz), sondern in jeder wohnen ihrer viele als Hintersassen. Und wenn jemand aus der Sekte aus einer anderen Stadt kommt, so kann er alles als Gemeingut ansehen, und wie Hausgenossen und alte Bekannte nehmen sie Leute auf, die sie vorher nicht gekannt haben. Sie durchwandern, immer unterwegs, das heimatliche Land, und führen nichts bei sich als Waffen. Sie haben auch in jeder Stadt einen Vorsteher, der das zu diesem Zweck gesammelte Geld dazu verwendet, sie mit Nahrung und Kleidung zu versehen. Ihre Kleidung und ihr Benehmen ist sittsam; zwei Leibröcke oder zwei Paar Schuhe kaufen sie sich nicht; wenn aber die ihrigen abgenützt sind, dann dürfen sie andere erhalten. Sie kaufen und verkaufen gar nichts; was einer hat, gibt er dem, der es nicht hat, und nimmt das, was er nicht hat.

Sie beten mit Ordnung und Ausdauer schon am frühen Morgen und sprechen nicht, bevor sie nicht ihrem Gott im Gesang ihre Verehrung bezeigt haben; dann geht ein jeder aus, wohin er will, und arbeitet, und, wenn sie bis zur fünften Stunde gearbeitet haben, ruhen sie. Dann kommen sie wieder an einem Ort zusammen, umgürten sich mit leinenen Lendentüchern, um die Scham zu verdecken und waschen sich so in kaltem Wasser; nach dieser Reinigung gehen sie zusammen in einen Raum (keiner aber kommt mit einemAndersgläubigen in dem Haus zusammen) und gehen an das Mittagsmahl. Nachdem sie sich nach der Ordnung niedergelassen haben, essen sie in Ruhe Brot, dann ein Gericht, von dem jeder einen genügenden Anteil erhält. Keiner nimmt aber eher etwas zu sich, als bis der Priester seinen Segen gesprochen hat. Nach der Mahlzeit betet er wieder, und so preisen sie am Anfang wie am Ende Gott. Dann ziehen sie die Kleider, die sie im Hause zur gemeinschaftlichen Mahlzeit angelegt haben, als geweihte Gewänder wieder aus — sie sind linnen — und nehmen die im Vorraum liegenden wieder und gehen an die ihnen zusagende Arbeit bis zur Dämmerung. Dann nehmen sie genau auf die eben beschriebene Weise die Abendmahlzeit ein. Keinen hört man je schreien, noch vernimmt man sonst eine lärmende Stimme. Jeder spricht leise; der eine läßt dem anderen rücksichtsvoll das Wort, so daß denen, die draußen sind, das Schweigen der drinnen befindlichen wie ein Geheimnis vorkommt. Sie sind immer nüchtern, da sie nur mit Maß essen und trinken.

Alle schätzen ihren Vorsteher hoch, und seine Befehle sind ihnen Gesetz. Sie nehmen sich voller Erbarmen der Elenden an und helfen ihnen. Vor allem aber hüten sie sich vor Leidenschaft und Zorn und allem Derartigen, da sie solches für schädlich halten. Bei ihnen werden keine Eide geleistet; man glaubt dem bloßen Wort mehr wie einem Schwur. Sollte einer aber einen Eid leisten, so wird er verurteilt, wie einer, dem man nicht trauen kann. Eifrig lesen sie das Gesetz und die Propheten wie auch Schriftstücke von Gläubigen. Besonders interessieren sie sich für Pflanzen und Steine, ganz besonders für deren Kräfte, da, wie sie sagen, dies alles seine Bedeutung habe.

Denen, die sich ihnen anschließen wollen, eröffnen sie ihre Lehre erst nach einer Probezeit; ein Jahr lang wohnen jene in einem anderen Hause; es werden ihnen zwar die gleichen Speisen vorgesetzt, aber nicht im gemeinschaftlichen Speiseraum; man gibt ihnen eine kleine Axt, ein linnenes Lendentuch und ein weißes Gewand. Wenn einer nun diese Zeit hindurch Beweise für seine Enthaltsamkeit gibt, so darf er sich ihrer Lebensführung mehr angleichen und wird reiner abgewaschen als vorher; noch aber nimmt er nicht am gemeinsamen Mahle teil. Sein Charakter wird nach der ersten Prüfung bezüglich seiner Enthaltsamkeit noch einer weiteren zweijährigen Probe unterworfen; besteht er sie, so wird er aufgenommen. Bevor er aber das gemeinsame Leben aufnimmt, läßt man ihn schauerliche Schwüre schwören, vor allem die Gottheit zu ehren, dann Gerechtigkeit gegen die Menschen zu üben, auf keinerlei Weise jemand Unrecht zu tun, niemand, auch keinen Übeltäter und keinen Feind, zu hassen, vielmehr für solche zu beten, den Gerechten immer beizustehen, allen die Treue zu halten, besonders aber der Obrigkeit — niemand komme zur Herrschaft ohne Gott —; sollte einer selbst Vorgesetzter werden, nie sich in seiner Machtstellung zu überheben, noch verschwenderisch zu sein, noch sich mit mehr als standesgemäßem Aufwand zu kleiden; wahrheitsliebend zu sein, den Lügner zu überführen, nicht zu stehlen noch sein Gewissen mit unredlichem Gewinn zu besudeln, vor seinen Glaubensgenossen kein Geheimnis zu haben, den anderen nichts zu verraten, und wenn eine solche Aussage selbst mit Todesqualen erzwungen werden sollte. Überdies schwört er, die Lehren nicht anders weiter zu geben, als wie er sie selbst empfangen hat.

Durch solche Eide binden sie die Eintretenden. Wenn aber einer einer Verfehlung überführt wird, wird er aus dem Orden ausgestoßen, der Ausgestoßene stirbt nicht selten eines elenden Todes. Denn wer durch diese Eide und Regeln gebunden ist, darf auch nicht an anderer Leute Tisch teilnehmen. So richten sie manchmal den Leib durch Hunger zugrunde, in der äußersten Not erbarmen sie sich wohl auch gar mancher, die schon am Sterben sind, indem sie die Strafe bis hart an den Tod für genügend erachten.

In bezug auf Rechtsprechung gehen sie sehr gewissenhaft und gerecht vor; sie urteilen in einem Konzilium von mindestens hundert Teilnehmern; gegen deren Spruch gibt es keine Berufung. Nächst Gott gilt ihre Verehrung dem Gesetzgeber; wenn einer gegen ihn lästert, wird er bestraft. Man lehrt sie, den Vorstehern und den Alten zu gehorchen; wenn sich zehn am selben Orte niedersetzen, so redet wohl keiner, wenn die andern neun nicht einverstanden sind. Sie vermeiden es, in die Mitte oder auf die rechte Seite zu spucken; mehr als alle (anderen) Juden halten sie darauf, sich am Sabbat der Arbeit zu enthalten. So bereiten sie sich nicht nur tags zuvor die Speisen, um kein Feuer anzuzünden, sie rücken nicht einmal ein Gefäß von der Stelle oder verrichten ihre Notdurft, manche stehen nicht einmal vom Bett auf. An den anderen Tagen aber, wenn sie ihre Notdurft verrichten wollen, graben sie ein fußgroßes Loch mit ihrer Hacke (diesem Zweck dient nämlich die Axt, die denjenigen, die ihre Schüler werden wollen, gegeben wird), verhüllen sich mit ihrem Mantel und kauern dann, weil man, wie sie sagen, das Licht nicht beleidigen soll. Dann werfen sie die ausgehobene Erde wieder in das Loch, und zwar tun sie dies an abgelegenen Orten. Nach dieser Verrichtung waschen sie sich gleich ab, als ob die Entleerung beflecke.

Im Laufe der Zeit haben sie sich in vier Parteien gespalten, von denen jede ihre eigene Lebensführung hat. Die einen übertreiben die Vorschriften in dem Maße, daß sie nicht einmal eine Münze anrühren mit der Begründung, man dürfe ein Bild weder tragen noch ansehen noch verfertigen. Sie gehen auch in keine Stadt, auf daß keiner durch ein Tor schreite, auf dem Bildsäulen ständen; denn sie halten es für unrecht, unter Bildwerken durchzugehen. Wenn einer von der zweiten Richtung hört, daß jemand über Gott und seine Gesetze spricht und dabei unbeschnitten ist, lauert er ihm, wenn dieser allein ist, irgendwo auf und droht ihm mit dem Tod, wenn er nicht sich beschneiden läßt; wenn dieser nicht gehorchen will, so kennt er keine Schonung, sondern bringt ihn um. So haben sie dieser Sache halber den Namen Zeloten angenommen; manche nennen sie Sikarier. Die Angehörigen einer anderen Richtung nennen niemand Herr außer Gott, selbst wenn sie einer marterte oder sogar tötete. — So sehr sind die späteren von der Lebensstrenge abgewichen, daß diejenigen, die bei den ursprünglichen Sitten geblieben sind, sie nicht einmal berühren; sollten sie sie aber berührt haben, so waschen sie sich sofort, als ob sie einen Ausländer berührt hätten. Die meisten sind langlebig; sie werden selbst über hundert Jahre alt. Sie sagen, der Grund ihrer ausnehmenden Frömmigkeit und des Eifers für das Martyrium sei der Umstand, daß sie enthaltsam und leidenschaftslos seien. Den Tod verachten sie und freuen sich, wenn sie guten Gewissens sterben. Auch wenn jemand diese Leute marterte, damit sie das Gesetz schmähen oder Opferfleisch essen, so wird es keiner tun, sondern Tod und Martern aushalten, um nicht gegen das Gewissen zu handeln.

Festgehalten wird bei ihnen an der Lehre von der Auferstehung; sie bekennen, daß auch das Fleisch nach der Auferstehung unsterblich sein werde, wie es die Seele schon jetzt sei; von ihr behaupten sie, daß sie nach der Trennung vom Leibe an einem luftigen hellen Ort bis zum Gericht ausruhe; diesen Ort haben die Griechen, nachdem sie von ihm gehört, der Seligen Inseln genannt. Aber auch andere ihrer Meinungen haben sich viele Griechen angeeignet und ihre eigenen Anschauungen daraus gebildet. Es ist nämlich ihr (der Juden) Gotteskult älter als der aller anderen Völker, und alle, die über Gott oder über die Schöpfung gesprochen haben, haben nachweisbar ihre Grundlagen gerade aus der Gesetzgebung der Juden hergenommen; dies haben vorzugsweise Pythagoras und die Anhänger der Stoa, von den Ägyptern unterrichtet, getan. — Die Essener sagen auch, es werde ein Gericht stattfinden und ein Weltbrand, und die Ungerechten würden für dieEwigkeit gestraft werden. Sie verlegen sich auch auf Wahrsagerei und auf das Vorhersagen der Zukunft.

Es besteht noch ein anderer Kreis von Essenern, die sich an dieselben Gebräuche und dieselbe Lebensführung halten, die aber bezüglich einer Sache, der Ehe, eine andere Meinung vertreten; sie behaupten, daß die, welche die Ehe abgeschafft hätten, etwas Unmenschliches getan hätten. Das wachse sich zur Lebensvernichtung aus und man dürfe nicht das Entstehen von Kindern unterbinden, weil, wenn alle dieses Sinnes wären, leicht das ganze Menschengeschlecht ausgerottet würde. Sie beobachten und prüfen die Verlobten während dreier Jahre; wenn sie aber dreimal die Reinigung durchgemacht haben zum Beweis, daß sie Mütter werden können, so verheiraten sie dieselben. Mit Schwangeren verkehren sie nicht und zeigen so, daß sie nicht der Lust, sondern der Kindererzeugung wegen heiraten. Die Frauen waschen sich, mit einem linnenen Gewand angetan, wie sich die Männer mit dem Gürteltuch waschen. So viel, was die Essener anlangt.

Auch noch andere befolgen der Juden Gebräuche und werden nach ihrer Herkunft und ihren Gesetzen Pharisäer genannt, die überall den größten Bruchteil derer bilden, die sich Juden nennen. Wegen ihrer Sondermeinungen tragen sie Spezialnamen. Sie halten die alte Überlieferung fest und disputieren beständig über das, was nach dem Gesetz rein und unrein ist; sie kommentieren das Gesetz und bilden Lehrer hiefür aus. Sie behaupten, es gebe ein Schicksal, manches richte sich nach dem menschlichen freien Willen, manches nach dem Schicksal, es hänge somit manches von uns ab, und manches sei Sache des Schicksals; Gott sei der Grund aller Dinge und nichts geschehe ohne seinen Willen. Sie glauben auch an die Auferstehung des Fleisches, an die Unsterblichkeit der Seele, an das zukünftige Gericht und an den kommenden Weltbrand, auch daran, daß die Gerechten nie zugrunde gehen, die Bösen in Ewigkeit in unauslöschlichem Feuer gestraft würden.

Dies sind die pharisäischen Ansichten. Die Sadduzäer leugnen das Fatum und erklären, daß Gott nichts Böses vollführen oder vorausbestimmen könne; die Wahl zwischen Gutem und Bösem liege in der Hand des Menschen. Sie leugnen nicht nur die Auferstehung des Fleisches, sondern glauben auch nicht an ein Fortleben der Seele; es gebe nur ein Dasein hier, und für dieses Leben sei der Mensch geschaffen; darin werde die Lehre von der Auferstehung erfüllt, daß man beim Sterben Kinder hinterlasse; nach dem Tod sei weder Gutes noch Schlimmes zu erwarten, es trete die Auflösung der Seele und des Körpers ein und der Mensch sinke in das Nichtsein wie die übrigen Lebewesen. Wenn nun ein Mensch in seinem Leben Schlimmes verübt und nicht entdeckt wird, so ist es für ihn von Vorteil, da er der Strafe der Menschen entkommt; wenn er gute Geschäfte macht und sich großen Reichtums rühmen kann, so ist es vorteilhaft für ihn; Gott kümmert sich nicht um die Angelegenheiten der einzelnen. Die Pharisäer sind Altruisten, die Sadduzäer Egoisten. Die Lehre der Sadduzäer ist in Samaria sehr verbreitet. Auch sie halten sich an die Vorschriften des Gesetzes; sie sagen, man solle ein würdiges Leben führen und Kinder auf der Erde zurücklassen. Auf die Propheten halten sie nichts, auch nicht auf irgendwelche andere Weise, das Gesetz Mosis allein ausgenommen; sie kommentieren es aber nicht. Das sind die Anschauungen der Sadduzäer.

Wir wollen nun nach Darlegung der bei den Juden existierenden Verschiedenheiten auf ihren Kult zu sprechen kommen. Alle Juden betätigen sich auf vierfache Weise in bezug auf den Dienst Gottes: theologisch, natürlich, ethisch und kultisch. Sie sagen, es gebe einen Gott, Schöpfer und Herr des Alls, der alles gemacht habe, das vorher nicht war, und zwar nicht aus einer gleichzeitig vorliegenden Substanz, sondern durch seinen Schöpferwillen; es existierten Engel, und zwar seien sie erschaffen worden, um der Schöpfung Dienste zu leisten, es gebe auch einen mächtigen Geist, der immer bei Gott zu seiner Verherrlichung verbleibe; alles habe in der Schöpfung Empfinden und nichts sei unbeseelt. Die Juden streben nach einer würdigen und vernünftigen Lebensführung, wie sie in den Gesetzen vorgezeichnet ist. Diese ist von alters her bei ihnen genau festgesetzt, da sie das Gesetz aus der Vorzeit erhalten haben, so daß der Leser über die fürsorgliche Vernunft in der für den Menschen gesetzlich festgelegten Lebensführung billig erstaunt ist. Der liturgische Dienst ist bei ihnen außerordentlich ausgebildet, der Gottheit geziemend angepaßt; wenn man das darüber handelnde Buch liest, kann man sich leicht darüber unterrichten, wie würdig und fromm sie Gott die Erstlinge der von ihm zum Gebrauch und Nutzen der Menschen gegebenen Dinge zum Opfer bringen und auf sein Geheiß genau nach der Vorschrift den Dienst verrichten. Einige Punkte erkennen die Sadduzäer nicht an; sie wollen nichts von der Existenz von Engeln oder Geistern wissen. Alle aber stimmen in der Erwartung Christi überein, dessen Ankunft das Gesetz und die Propheten vorausgesagt haben; die Zeit seiner Ankunft haben sie freilich nicht anerkannt und halten sie hartnäckig daran fest, daß das, was über seine Ankunft gesagt worden ist, nicht eingetroffen sei; so erwarten sie den kommenden Christus, werden verwirrt, wenn sie die Zeichen der Zeiten sehen dafür, daß er schon erschienen ist, scheuen sich aber, zuzugestehen, daß er gekommen sei; sie haben ihn ja in der Erbitterung getötet, weil sie von ihm des Ungehorsams gegen die Gesetze überführt wurden. Sie behaupten, er sei nicht der von Gott gesandte Messias; es werde ein anderer kommen, der noch nicht existiere; auf ihn sollen einige, aber nicht alle Zeichen, welche das Gesetz und die Propheten vorhergesagt haben, zutreffen; denn über mehrere haben sie irrige Anschauungen; sie sagen zwar, er werde aus dem Geschlecht David stammen, aber nicht aus einer Jungfrau und dem Heiligen Geiste, sondern aus einem Weibe und einem Manne, weil es ein allgemeines Gesetz sei, aus Samen erzeugt zu werden; sie lehren, er werde ihr König sein, ein kriegerischer und mächtiger Mann, der nach Vereinigung des gesamten Judenvolkes und Bekriegung aller Völker ihnen die Königstadt Jerusalem wieder herstellen werde; dort werde er das ganze Volk versammeln und wiederum zu den alten Sitten zurückführen; es werde herrschen und seinen Gottesdienst feiern und lange Zeit inSicherheit wohnen, dann werde gegen sie ein Koalitionskrieg entbrennen. In diesem Krieg werde der Messias durch das Schwert fallen, bald darauf folgen Weltende und Weltbrand und so würden ihre Ansichten über die Auferstehung in Erfüllung gehen und jedem nach seinen Taten vergolten werden.

Nun haben wir wohl die Lehren der Hellenen und der Nichtgriechen genügend auseinandergesetzt und alle Philosopheme und alle Ketzerlehren widerlegt; aus dem Dargelegten geht klar hervor, daß die Häretiker aus dem, was die Griechen ausgearbeitet haben, einiges entlehnt und zusammengestellt und es dann als göttliche Lehre vorgelegt haben. Wir haben also mit vieler Mühe in den neun Büchern die gesamten Lehren durchgegangen und dargelegt, und damit hinterlassen wir allen eine kleine Hilfe fürs Leben, den bildungsdurstigen Zeitgenossen bieten wir nicht geringe Anregung. Nun soll aber noch als Höhepunkt des Ganzen eine Darstellung der Wahrheit gegeben und im zehnten Buch niedergelegt werden, auf daß der Leser nicht nur die, welche Ketzereien zu gründen gewagt, in ihrer Nichtigkeit verachte, sondern auch in der Erkenntnis der Macht der Wahrheit durch einen Gottes würdigen Glauben sein Heil wirke.

Buch X.

Inhalt

1. Der Inhalt des zehnten Buches der Widerlegung aller Häresien ist folgender:

2. Die Zusammenfassung aller Philosophen.

3. Die Zusammenfassung aller Häresien.

4. Hierauf die wahre Lehre.

Nachdem wir das Labyrinth der Häresien nicht mit Gewalt durchbrochen, sondern durch Widerlegung und durch die Kraft der Wahrheit aufgelöst haben, gehen wir an den Beweis der Wahrheit. Dann wird die Unhaltbarkeit der kunstvollen Sophismen des Irrtums in Erscheinung treten, wenn der Wahrheitsinhalt aufgezeigt worden ist; sie hat ihren Ursprung nicht aus griechischer Weisheit genommen noch hat sie sich in den ägyptischen Geheimlehren, die, obwohl eitel, bei den Griechen mit gläubigem Vertrauen hochgehalten werden, unterrichten lassen, noch ist sie von den neugierigen, unwissenschaftlichen Chaldäern betört noch durch den törichten Wahnwitz der Babylonier mit Hilfe der Dämonen verblüfft worden. Die wahre Lehre vielmehr setzt sich in ihrer Einfachheit durch und widerlegt den Irrtum durch sich selbst. Wir haben ja vielfach schon Beweise für sie beigebracht und ihre Richtlinien gründlich aufgezeigt; nun soll aber doch nach allen Lehrmeinungen der Griechen und der Häretiker als Schlußstein der Bücher im zehnten der Wahrheitserweis gegeben werden.

In vier Büchern haben wir also alle Lehren der griechischen Weisen, in fünf die der Häretiker zusammengefaßt; in einem Buche wollen wir nach Wiederholung der Lehren aller Genannten die wahre Lehre darstellen. Die griechischen Lehrer nahmen eine Dreiteilung in der Philosophie vor und so widmeten sich die einen der Naturlehre, die anderen der Ethik, die dritten der Dialektik. Diejenigen, die sich auf die Naturlehre verlegten, dozierten folgendermaßen: Die einen sagten, das All sei aus Einem entstanden, die anderen, das All stamme aus einer Mehrzahl von Dingen; von denen, die eine einzige Ursache annehmen, sagen die einen, sie sei eigenschaftslos, die anderen, sie sei von einer bestimmten Beschaffenheit; von letzteren wieder sagen die einen, alles sei aus Feuer, die anderen, alles sei aus Luft, — aus Wasser, — aus Erde; von denjenigen, die für mannigfaltige Ursachen eintreten, sagen die einen, sie seien zählbar, die anderen, sie seien unzählbar; von denen, die für zählbare Ursachen sind, sagen die einen, es gebe zwei, die anderen vier, wieder andere fünf, wieder andere sechs, und von denen, die für das Vorhandensein unzähliger Ursachen sind, meinen die einen, diese Ursachen seien Dinge gleich den existierenden, die anderen meinen, sie seien diesen ganz unähnlich; diese zuletzt genannten Ursachen werden wiederum von den einen für empfindungsunfähig, von den anderen für empfindungsfähig gehalten. Aus einem eigenschaftslosen und dabei einzigen Stoff leiteten die Stoiker die Entstehung des Universums her. Nach ihnen ist der Grund aller Dinge die eigenschaftslose, unbeschränkt verwandlungsfähige Materie; durch ihre Umwandlung entsteht Feuer, Luft, Wasser, Erde. Daß alles aus einem, und zwar bestimmten Stoffe entstanden ist, behaupten die Schüler des Hippasos, des Anaximandros und des Thales aus Milet. Hippasos aus Metapontien und Herakleitos aus Ephesos nahmen den Ursprung aus Feuer an, Anaximandros aus Luft, Thales aus Wasser und Xenophanes aus Erde: „Aus Erde nämlich ist alles, und alles endigt in der Erde“.

Daß das All aus mehreren, zählbaren Dingen, nämlich aus zweien, Erde und Wasser, entstanden ist, sagt der Dichter Homer mit folgenden Worten:

„Ursprung der Götter ist Okeanos und Thetis die Mutter“,

und weiterhin:
“Möchtet doch alle ihr euch in Wasser und Erde verwandeln!“

Mit ihm scheint der Kolophonier Xenophanes übereinzustimmen; er sagt nämlich:

„Denn wir sind ja doch alle aus Erde und Wasser entstanden“.

Aus Erde und Äther meint Euripides, wie man aus den Worten entnehmen kann:

„Äther und Erde besing‘ ich als aller Dinge Erzeuger“.

Aus vier Empedokles:

„Nunmehr vernimm vorerst der Welten vierfache Wurzeln:
Zeus, der leuchtende, Here, die Nahrung gibt, Aïdoneus,
Nestis sodann, die mit Tränen die irdische Dürre befeuchtet“.

Aus fünf aber der Leukaner Okellos und Aristoteles; zugleich mit den vier Elementen nahmen sie ein fünftes an, und zwar einen kreisförmig bewegten Stoff, aus dem die himmlischen Dinge entstanden sein sollen. Die Schüler des Empedokles erklärten die Entstehung des Universums aus sechs Elementen. Wenn Empedokles sagt: „Nunmehr vernimm vorerst der Welten vierfache Wurzeln“, so setzt er die Entstehung aus vier; wenn er aber hinzufügt:

„Außer diesen der Haß, der verderbliche, überall gleiche,
Und die Liebe mit ihnen, die gleich in der Länge und Breite“,

so gibt er sechs Ursachen für die Gesamtheit der Dinge an, und zwar vier stoffliche, Erde, Wasser, Feuer, Luft, und zwei wirkende, Liebe und Haß. Daß das All aus unzählbaren Dingen entstanden sei, meinten die Schüler des Anaxagoras aus Klazomenä, des Demokritos und des Epikuros und gar viele andere, deren wir schon zum Teil gedachten. Anaxagoras aber meinte, aus homogenen Dingen sei das All entstanden, die Schüler des Demokritos und Epikuros aus heterogenen und empfindungslosen Dingen, das ist aus den Atomen, die Schüler des pontischen Herakleides und des Asklepiades aus heterogenen, aber empfindungsbegabten, wie aus einer Masse entgegengesetzter Dinge, die Schüler des Platon aus dreien, diese drei seien Gott, Stoff und Urbild. Den Stoff aber teilt Plato in vier Elemente, Feuer, Wasser, Erde, Luft; Gott sei der Baumeister, das Urbild aber der Verstand.

Überzeugt, daß sich bei allen diesen (Philosophen) zweifellos nur eine ungenügende Grundlage der Physiologie finden läßt, wollen wir von den Urbildern der Wahrheit, die da ist und an die wir glauben, unerschrocken reden; vorher wollen wir summarisch die Lehren der Häresiarchen auseinandersetzen und so durch offene Gegenüberstellung all dieser Ansichten die Wahrheit klar erweisen.

9. So wollen wir denn mit den Schlangenanbetern beginnen. Die Naassener nennen den Menschen den ersten Urgrund des Alls, sie nennen ihn auch Menschensohn; sie zerlegen ihn in drei Teile. Er hat einen rationellen, einen physischen und einen stofflichen. Sie nennen ihn Adam und glauben, seine Erkenntnis sei der Anfang des Erkenntnisvermögens Gottes. Und alles dieses Rationelle und Psychische und Stoffliche habe sich in Jesus vereinigt, und zugleich hätten die drei Substanzen durch ihn zu den drei Geschlechtern gesprochen. Im All, sagen sie, gebe es drei Geschlechter, die Engelwelt, das Psychische und das Stoffliche, und es gebe drei Kirchen, die Engelskirche, die psychische und die stoffliche; ihre Namen seien die Auserwählte, die Berufene, die Gefangene. Das sind, kurz gefaßt, die Hauptpunkte ihrer Lehre. Sie sagen, Jakobus, der Bruder des Herrn, habe dies der Mariamne mitgeteilt und verleumden so die beiden.

Die Peraten aber, Adamas, der Karystier, und Euphrates, der Peratiker, sagen, es gebe eine Welt (und zwar die unsrige) in dreifacher Teilung. Das erste Drittel ist gewissermaßen der einzige Urgrund wie eine große Quelle, die mit dem Verstand in unzählige Teile teilbar ist. Der erste und vornehmste Teil ist nach ihrer Lehre eine Dreiheit; (ein Teil von ihr) wird das vollkommene Gut, die väterliche Größe, genannt; der zweite Teil der Trias ist gleichsam eine unzählbare Vielheit, der dritte etwas Spezielles; und der erste Teil ist das unerzeugte Gute, der zweite ist das selbstgezeugte Gute, der dritte ist gezeugt; so reden sie klar von drei Göttern, drei Logos‘, drei Menschen. Jedem einzelnen, getrennten Teil der Welt geben sie Götter und Logos‘ und Menschen und so fort. Von oben aus der Unerzeugtheit und dem ersten Teil der Welt sei, nachdem die Welt zur Vollendung gekommen war, zur Zeit des Herodes ein Mensch mit drei Naturen und drei Körpern und drei Kräften herabgestiegen, Christus genannt, der von den drei Teilen der Welt alle Zusammensetzungen und Kräfte in sich habe. Und dies sollen nach ihnen die Worte bedeuten: „In welchem die gesamte Fülle der Gottheit körperlich wohnt“. Von den zwei darüberliegenden Welten, der ungezeugten und der selbstgezeugten, seien aller Kräfte Samen in unsere Welt heruntergebracht worden. Christus sei von der Unerzeugtheit von oben herabgekommen, auf daß durch seine Herabkunft alles, was dreifach geteilt, gerettet werde. Was nämlich von oben herabgekommen ist, wird durch ihn hinaufkommen, was dem, was herabgekommen ist, nachgestellt hat, wird weggeworfen, bestraft und verbannt. Die zwei oberen Teile würden vom Untergang gerettet, der dritte, die sogenannte besondere Welt, werde zugrundegehen. Soweit die Peraten.

Die Sethianer meinen, das All habe drei genau abgegrenzte Urelemente. Jedes Element…… könne werden, wie in der menschlichen Seele jede Kunst gelehrt werden könne; ein Kind komme zu einem Flötenspieler und könne dann Flöte spielen, oder es komme zu einem Geometer und lerne Geometrie treiben und so fort. Die Wesenheiten der Elemente seien Licht und Dunkel; zwischen ihnen sei das unvermischte Pneuma. Das Pneuma, das in der Mitte zwischen dem Dunkel unten und dem Licht oben sich befindet, ist nicht ein Hauch wie ein gewaltiger Wind oder wie eine zarte Luftströmung, die man fühlen kann, sondern es ist wie der feine Duft einer Salbenmischung oder eines Wohlgeruches, ein durchdringender, feiner und dabei überaus starker Duft. Da nun das Licht oben und die Finsternis unten ist und das Pneuma in der Mitte zwischen ihnen liegt, so leuchtet das Licht wie ein Sonnenstrahl von oben in das darunterliegende Dunkel; der Duft des Pneumas in der Mitte aber breitet sich aus und dringt vor, so wie sich der Geruch des Räucherwerkes über dem Feuer ausbreitet. So ist die Wirksamkeit der dreigeteilten Dinge; die Wirksamkeit des Pneuma und des Lichtes zugleich erstreckt sich nach unten in das darunter befindliche Dunkel. Das Dunkel ist ein fürchterliches Wasser; das Licht wird mit dem Pneuma in dasselbe heruntergezogen und zu gleicher Wesenheit verwandelt. Das Dunkel ist verstandbegabt und weiß, daß, wenn ihm das Licht genommen wird, es ein wüstes, lichtloses, glanzloses, kraftloses, unwirksames, armseliges Dunkel bleibt; so bemüht es sich mit aller Geisteskraft und allem Verstand, den glänzenden Lichtfunken mit dem Duft des Pneuma in sich festzuhalten. — Sie bringen hiefür folgendes Bild, indem sie sagen: Wie die Pupille des Auges durch das darunterliegende Wasser dunkel erscheint, durch den Geist aber erhellt wird, so strebt das Dunkel nach dem Pneuma, es hält aber alle die Kräfte, die wegkommen und fliehen wollen, bei sich. Diese sind unzähligemal unzählige und aus ihnen wird alles gebildet nach Art von Siegelabdrücken. Wie nämlich ein Siegel, das mit Wachs in Berührung gebracht wird, ein Bild schafft, während es selbst bleibt, was es war, so schaffen auch diese Kräfte alle die unzähligen Arten von Lebewesen. Nach dem ersten Zusammenstoßen der drei Elemente sei das Abbild eines großen Siegels entstanden, nämlich Himmel und Erde; es habe das Aussehen eines Mutterschoßes mit dem Nabel in der Mitte. So seien auch die übrigen Gebilde des Universums ausgeprägt worden, wie Himmel und Erde, die einem Mutterschoß gleichen. Aus dem Wasser aber sei ein ersterzeugtes Element, ein starker und heftiger und alle Erzeugung verursachender Wind entstanden, der eine gewisse Wärme und Bewegung durch die Bewegung des Wassers in der Welt hervorruft. Diesen aber vollende….. ,dem Zischen einer geflügelten Schlange ähnlich, bei diesem Anblick stürzt sich die Welt begierig in die Zeugung wie ein Mutterleib, und hievon soll die Entstehung aller Dinge kommen. Sie sagen, dies sei der Windgeist und er sei als vollkommener Gott aus dem Duft der Wasser und des Pneuma und aus dem Glanz des Lichtes geboren und sei Erzeugnis des Weibchens Nus; der von oben gekommene Funken habe sich unten mit körperlichen Zutaten vermischt und strebe zu entfliehen, entfliehend gehe er von hinnen und könne doch die Befreiung wegen der Bindung an die Wasser nicht erlangen. Deswegen habe er nach dem Psalmisten aus der Mischung der Wasser gerufen. Das ganze Bestreben des Lichtes oben ist, den Funken, der unten ist, vom Vater, der unten ist, vom Winde, der Hitze und Unruhe erregt, zu befreien; der Vater hat sich den Nus zum Sohn gemacht, obwohl er ihm nicht eigen ist. Da ihn der vollkommene Logos des Lichtes von oben sah, ist er in eine Schlange verwandelt in den Mutterleib eingegangen, auf daß er jenen Nus, den Funken aus dem Licht, hinaufnehmen könne. Und dies bedeuteten die Worte: „Der, da er Gott gleich war, es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm“. Dies sei die Knechtsgestalt, so wollen es die teuflischen, pesthauchenden Sethianer. So lehren sie.

Der ganz gescheite Simon aber spricht folgendermaßen: Es gibt eine unendliche Kraft, die die Wurzel der gesamten Dinge ist. Diese unendliche Kraft ist das Feuer; er hält es aber nicht für etwas Einfaches wie viele andere, welche die vier Elemente für einfach halten, auch das Feuer als einfach annehmen. Die Natur des Feuers ist nach ihm zweifach; er nennt den einen Teil dieser zweifachen Natur den verborgenen, den anderen den sichtbaren. Der verborgene „Teil des Feuers“ sei in dem sichtbaren enthalten und der sichtbare sei aus dem verborgenen entstanden. Alle Teile des Feuers aber, die sichtbaren und die unsichtbaren, gelten für verstandbegabt. Die erzeugte Welt stammt aus dem ungezeugten Feuer; sie begann folgendermaßen zu entstehen: Sie, die vom Urelement, von jenem Feuer erzeugt worden war, nahm sechs Wurzeln, und zwar die ersten des Prinzips des Werdens; diese Wurzeln sind nämlich durch Paarungen aus dem Feuer entstanden; Simon nennt sie Nus und Epinoia, Phone und Onoma, Logismos und Enthymesis. In diesen sechs Wurzeln liege zu gleicher Zeit die unendliche Kraft, von der er sagt, sie sei der, welcher steht, gestanden ist und stehen wird; dieser werde, wenn er in jenen sechs Kräften abgebildet ist, in bezug auf Wesenheit, Macht, Größe, Vollendung ein und derselbe, wie die ungezeugte und unendliche Kraft sein, durchaus in nichts geringer als jene ungezeugte und unwandelbare und unendliche Kraft; wenn er aber nur virtuell in diesen sechs Mächten bleibt und nicht ausgeprägt wird, so verflüchtigt er sich und wird vernichtet, so wie das grammatische oder geometrische Können, das in der Menschenseele liegt, wenn sie nicht einen geschulten Lehrer erhält. Sich selbst aber nennt Simon den, der steht, gestanden ist und stehen wird; er sei die Kraft, die über alles geht. Soweit also Simon.

Valentinus aber und seine Anhänger sagen, der Urgrund des Alls sei der Vater, gehen dann aber in ihren Meinungen auseinander. Die einen nämlich glauben, er sei allein und dabei fortpflanzungsfähig, die anderen, er sei ohne weibliches Wesen fortpflanzungsunfähig und geben ihm als Gattin Sige, während sie ihn selbst Bythos nennen. Von ihm und seiner Gattin sind nach einigen sechs Sprößlinge entstanden, Nus und Aletheia, Logos und Zoe, Mensch und Kirche; diese Achtzahl sei erzeugend; die innerhalb des Horos entstandenen Absonderungen wurden auch als innerhalb des Pleroma bezeichnet, die anderen als außerhalb des Pleroma, die dritten als außerhalb des Horos; deren Zeugungsprodukt sei das Hysterema. Aus dem im Hysterema entstandenen Äon stamme ein Wesen, der Demiurg. Valentinus läßt ihn aber nicht den ersten Gott sein, er lästert ihn vielmehr und diejenigen, die von ihm geschaffen sind; Christus sei aber aus dem inneren Pleroma herabgestiegen zur Rettung des verirrten Pneuma, das in unserem inneren Menschen wohnt, der um dieser Innewohnung willen gerettet wird. Der Leib soll nicht gerettet werden, er nennt ihn den ledernen Leibrock und den dem Untergang geweihten Menschen. Dies habe ich zusammenfassend vorgebracht; ihr Lehrsystem ist nämlich sehr ausgedehnt und sie haben viel verschiedene Meinungen. So lehrt des Valentinus Schule.

Basilides sagt, es gebe einen nichtseienden Gott, der aus Nichtseiendem eine nichtseiende Welt geschaffen habe; er habe einen nichtseienden Samen herabgeworfen gleich dem Samen der Senfstaude, der in sich den Stamm, die Blätter, die Zweige, die Frucht habe, oder gleich dem Pfauenei, das in sich die vielen verschiedenen Farben habe; das ist der Samen der Weit, aus dem alles entstanden ist. Er hat das All als nichtseiend und als vom nichtseienden Gott zum Dasein vorausbestimmt in sich. In dem Samen selbst war nämlich eine dreifache Sohnschaft, in allem dem nichtseienden Gott wesensgleich, aus Nichtseiendem erzeugt. Von dieser dreigeteilten Sohnschaft war ein Teil fein, der andere schwer, der dritte der Reinigung bedürftig. Der feine entwich sofort, sobald der Samen vom Nichtseienden abgeworfen wurde, und stieg aufwärts und kam zum Nichtseienden. Nach ihm strebt nämlich jedes Wesen wegen seiner wunderbaren Schönheit, jedes auf seine Art. Der schwere Teil der Sohnschaft blieb noch im Samen, als nachbildbar, und konnte nicht aufsteigen (er steht nämlich tief unter der aus feinen Teilchen bestehenden), sie beschwingte sich aber mit dem Heiligen Geiste; die mit ihm angetane Sohnschaft tut ihm nämlich Gutes und empfängt Gutes. Die dritte Sohnschaft bedarf der Reinigung; sie blieb in dem Haufen des Gesamtsamens und tut Gutes und empfängt Gutes. Es gibt eine sogenannte Welt und eine Oberwelt. Basilides scheidet nämlich alles in zwei Hauptteile. Das Zwischending zwischen beiden nennt er den dazwischenliegenden Heiligen Geist, der den Duft der Sohnschaft hat. Aus der Gesamtheit des Weltsamenhaufens entwich bei seiner Zeugung der große Archon, das Haupt der Welt, von unaussprechlicher Schönheit und Größe. Dieser erhob sich bis zum Firmament und meinte, über ihm sei nichts anderes mehr, und wurde leuchtender und mächtiger als alles, was darunter lag, mit Ausnahme der zurückgelassenen Sohnschaft; er wußte aber nicht, daß sie weiser war wie er. Er wendete sich nun zur Schaffung der Welt und erzeugte sich einen Sohn, der mächtiger ist als er, und setzte ihn zu seiner Rechten; und das ist die Achtzahl. Dieser nun schafft die gesamte himmlische Welt. Ein anderer Archon erstand aus dem Gesamtsamen, größer als alles, was darunter liegt außer der zurückgelassenen Sohnschaft, viel geringer jedoch als der frühere; sie nennen ihn Siebenzahl. Er ist aller der Dinge, die unter ihm sind, Schöpfer und Gestalter und Leiter, er schuf sich einen klügeren und weiseren Sohn,.Alles dies bestehe nach einem vorgefaßten Plan jenes Nichtseienden; es gebe aber unzählige Welten und Räume. Jesus, der Sohn Mariens, habe die Kraft des Evangeliums in sich aufgenommen, die über den Sohn der Achtheit und der Siebenheit herabkam und sie erleuchtete, um die zurückgelassene Sohnschaft zu erleuchten, zu scheiden und zu reinigen, die den Seelen Gutes tun und sich Gutes tun lassen sollte. Und die Basilidianer selbst seien Söhne, die um deswillen in der Welt seien, auf daß sie durch ihre Lehre die Seelen reinigten und zugleich mit der Sohnschaft zu dem Vater oben hinaufsteigen, von wo die erste Sohnschaft herabkam; und so lange wird nach ihnen die Welt bestehen, bis alle Seelen mit der Sohnschaft (hinauf) gekommen sind. Und Basilides schämt sich nicht, solche Wundermären zu erzählen.

Justinus, der Ähnliches aufbringt, lehrt folgendermaßen: Es gebe drei Prinzipien des Alls, und zwar ungezeugte, zwei männliche und ein weibliches. Von den männlichen wird das eine Prinzip „der Gute“ genannt, es wird allein so genannt und weiß alle Dinge voraus; das andere der Vater alles Erzeugten, es ist ohne Vorherwissen, ohne Erkenntnis, ohne Sehvermögen und wird Elohim genannt. Das weibliche Prinzip ist ohne Vorherwissen, zornmütig, hat zwei Seelen und zwei Leiber, wie wir es in unserer Abhandlung genau ausgeführt haben; der obere Teil des Körpers bis zur Weiche ist der einer Jungfrau, der untere Teil von der Weiche abwärts der einer Schlange. Es heißt Edem und Israel. Dies sind nach Justinus die Prinzipien des Universums, von denen alles stammt. Elohim ist ohne Voraussicht in Begierde nach der Halbjungfrau geraten und hat im Verkehr mit ihr zwölf Engel gezeugt. Deren Namen……, die väterlichen Engel begleiten den Vater, die mütterlichen die Mutter. Sie seien……, da Moses das, was im Gesetz geschrieben steht, allegorisch gesagt habe. Alles ist von Elohim und der Edem geschaffen worden, und zwar die Tierwesen mit den übrigen Dingen aus dem tierischen Teil, der Mensch aber aus den Teilen über der Weiche. Und die Edem hat in die Menschen die Psyche gelegt, die ihre Kraft war, Elohim aber das Pneuma. Er ist, nachdem er aufgeklärt worden war, zum Guten aufgestiegen und hat die Edem zurückgelassen; deswegen stellt sie voll Zorn auf alle Weise dem Pneuma Elohims nach, das er in die Menschen gelegt. Und aus diesem Grunde hat der Vater den Baruch gesandt, der den Propheten Weisungen gab, damit er das Pneuma des Elohim befreie, alle sind aber von der Edem nach unten gezogen worden. Aber auch von Herakles sagt Justinus, er sei ein Prophet gewesen, er sei aber von Omphale besiegt worden, d. i. von Babel, die sie Aphrodite nennen. Später aber in den Tagen des Herodes ist Jesus, der Sohn Marias und Josephs, erschienen, zu dem Baruch gesprochen hat; ihm hat die Edem nachgestellt, hat ihn aber nicht verführen können, und hat deshalb bewirkt, daß er gekreuzigt wurde; sein Pneuma ist zum „Guten“ aufgefahren. Und das Pneuma aller jener, die all diesen törichten und inhaltslosen Lehren Glauben schenken, wird gerettet, der Leib und die Psyche der Edem, die der tolle Justinus auch Erde nennt, wird im Stich gelassen.

Die Doketen lehren folgendes: Der erste Gott sei wie der Same des Feigenbaumes, aus ihm seien drei Äonen hervorgegangen, wie der Stamm und die Blätter und die Frucht; diese hätten dreißig Äonen hervorgebracht, jeder zehn; sie alle vereinigten sich dekadenweise und unterschieden sich lediglich durch ihre Rangordnung, indem die einen früher sind als die anderen…. Es seien aber unzählige Male unzählige Äonen hervorgebracht worden und alle seien männlich-weiblich. Diese seien auf gemeinsamen Beschluß zusammengekommen und hätten mit dem mittleren Äon aus der Jungfrau Maria den Heiland aller erzeugt, der dem ersten Gebilde im Feigensamen ganz gleich ist, nur insofern geringer, als er gezeugt ist; der Samen aber, von dem der Feigenbaum stammt, ist ungezeugt. Es bestand also das große, gesamte Licht der Äonen, das keine weitere Ausstattung aufnahm und das die Ideen aller Lebewesen in sich hatte; dieses stieg in das darunterliegende Chaos und ward den gewordenen und seienden Dingen Daseinsgrund und, von oben herabgekommen, drückte es die Formen der ewigen Ideen unten im Chaos aus. Der dritte Äon, der sich selbst verdreifacht hat, sah alle seine Kennzeichen in dies unten liegende Dunkel hinuntergezogen; er kannte die Furchtbarkeit des Dunkels und die Einfalt des Lichtes wohl, so schuf er den Himmel und schied nach Festmachung des Zwischenraumes Licht und Dunkel. Aller Ideen des dritten Äons…. und vom Dunkel wird sein eigenes Bild überwunden, das als lebendes Feuer, vom Lichte stammend, auftrat; hieraus stammt der große Archon. Moses sagt von ihm, er sei ein feuriger Gott und ein Demiurg, der die Ideen aller Dinge, d. i. die Seelen, immerfort in Körper verwandle; darum ist der Erlöser noch dazu erzeugt worden, um den Weg zu weisen, auf dem die besiegten Seelen fliehen könnten; Jesus ist mit jener eingeborenen Kraft bekleidet gewesen; deswegen hat er von niemand gesehen werden können wegen des überaus großen Glanzes. Es habe sich aber alles bei ihm so zugetragen, wie es in den Evangelien steht.

Die Schüler des Arabers Monoimos sagen, der Urgrund des Alls sei der Urmensch und der Menschensohn, und die entstandenen Dinge seien, wie Moses sagt, nicht durch den ersten Menschen entstanden, sondern durch den Sohn des Menschen, und zwar nicht durch den ganzen, sondern durch einen Teil. Es sei aber der Sohn des Menschen das Jota, die Dekade, die Herrscherzahl, in der die Wesenheit der Gesamtzahl liegt, durch die jede Zahl besteht und der Ursprung des Alls, Feuer, Luft, Wasser, Erde. Er ist also ein Jota und ein Punkt, vollkommen aus dem Vollkommenen, der aufwärts steigende Punkt, hat alles in sich, was auch der Mensch, der Vater des Menschensohnes, hat; — Moses sagt nun, die Welt sei in sechs Tagen gemacht worden, dies ist in sechs Kräften, aus denen die Welt von jenem einzigen Punkte her stammt. Die Kubus‘ und die Oktaeder und die Pyramiden und alle derartigen Figuren, aus denen Feuer, Luft, Wasser und Erde bestehen, sind aus den Zahlen entstanden, die in jenem einfachen Punkt des Jota, im Menschensohn, eingeschlossen sind. Wenn nun Moses von dem Stabe spricht, der sich gegen Ägypten wendete, so spricht er allegorisch von den Plagen der Welt durch das Jota; auch bildete er nicht mehr als zehn Plagen. Wenn du aber, sagt Monoimos, das All begreifen willst, so frage in dir selbst, wer es ist, der spricht: meine Seele, mein Fleisch, mein Verstand, und wer jedes einzelne Ding zu dem seinigen macht, wie ein anderer die Dinge zu den seinigen; erkenne diesen als den Vollkommenen aus dem Vollkommenen, der alles, die sogenannten nichtseienden Dinge und die seienden, für sein eigen hält. Dies ist die Meinung des Monoimos.

Tatianus sagt, ähnlich wie Valentinus und die anderen, es gebe unsichtbare Äonen; durch einen von ihnen, einen untergeordneten, sei die Welt gebildet worden. Er führt ein Leben genau wie die Kyniker und unterscheidet sich fast nicht von Markion, was seine Lästerungen und seine Ehegesetzgebung anlangt.

Markion, der Pontier, und Kerdon, sein Lehrer, definieren, es gebe drei Prinzipien des Alls, den Guten, den Gerechten und die Materie; einige ihrer Schüler fügen ein viertes Prinzip hinzu und sprechen vom Guten, vom Gerechten, vom Bösen und von der Materie. Alle aber lehren, der Gute habe gar nichts geschaffen, die einen nennen den Gerechten den Bösen, die andern aber nennen ihn nur den Gerechten; sie sagen, er habe das All aus der vorhandenen Materie gemacht; er habe es nicht in Güte, sondern ohne Vernunft geschaffen; es müßten ja die geschaffenen Dinge dem Schöpfer ähnlich sein. Und so wenden sie auch die evangelischen Parabeln an: „Nicht kann ein guter Baum schlechte Früchte tragen usf.“, und er behauptet, damit würden seine eigenen verkehrten Ansichten ausgedrückt. Christus sei der Sohn des Guten und sei von ihm zur Rettung der Seelen gesandt worden; Markion nennt ihn den innerlichen Menschen und behauptet, er habe Mensch geschienen, obwohl er es nicht war, und habe scheinbar Fleisch angenommen und sei doch nicht Fleisch geworden; er habe sich nur dem Scheine nach gezeigt und habe weder Geburt noch Leiden auf sich genommen, sondern alles nur dem Scheine nach. Nach Markion soll das Fleisch nicht auferstehen; er sagt, die Ehe sei Unzucht und hält seine Schüler zu einem Leben, genau wie das der Kyniker ist, an und meint, er ärgere den Demiurg, wenn er sich der von ihm geschaffenen und zum Gebrauch bestimmten Dinge enthalte.

Apelles, des Markion Schüler, legte, da ihm die eben geschilderten Lehren seines Meisters nicht zusagten, seiner neuen Lehre das Dasein von vier Göttern zugrunde, von denen er den einen den Guten nennt; ihn hätten nicht einmal die Propheten gekannt, sein Sohn sei Christus; den zweiten nennt er den Baumeister des Alls, der aber nach ihm nicht Gott ist; den dritten den Feurigen, der sich gezeigt hat; den vierten den Bösen, er nennt sie Engel und fügt noch Christus als fünften hinzu. Er hält große Stücke auf ein Buch, das er „die Offenbarungen der Philumene“ nennt, die er für eine Prophetin hält. Christus habe nicht aus der Jungfrau Fleisch angenommen, sondern aus der vorliegenden Weltsubstanz. So hat er Werke gegen Gesetz und Propheten geschrieben, um sie als lügenhaft und ohne Gotteserkenntnis hinzustellen; daß das Fleisch zugrunde gehe, lehrt er ähnlich wie Markion.

Kerinthos, in Ägypten ausgebildet, läßt die Welt nicht durch den ersten Gott entstanden sein, sondern durch eine Engelskraft, die in weitem Abstand von der allüberragenden Herrscherkraft und ohne Kenntnis von Gott ist, der über allen Dingen steht. Jesus ist nach ihm nicht aus einer Jungfrau entsproßen, er ist vielmehr Josephs und Marias Sohn, gleichen Ursprungs wie die übrigen Menschen, nur vor allen andern durch Gerechtigkeit, Weisheit und Verstand ausgezeichnet. Nach seiner Taufe sei auf ihn Christus aus der allüberragenden Herrscherkraft in Gestalt einer Taube herabgekommen und er habe dann den unbekannten Vater verkündet und gewaltige Taten vollbracht, am Ende des Leidens sei Christus von Jesus weggeflogen; gelitten habe Jesus; Christus sei leidenslos geblieben, da er das Pneuma des Herrn sei.

Die Ebionäer sagen, die Welt sei vom wirklichen Gott gemacht worden, in bezug auf Christus reden sie wie Kerinthos. Sie leben ganz nach dem Gesetz des Moses und sagen, so würden sie gerechtfertigt.

Nach Theodotos‘, des Byzantiers, Häresie ist die Welt zwar durch den wirklichen Gott entstanden, Christus aber ist ungefähr so erschienen, wie es die vorerwähnten Gnostiker lehren; Christus ist ein Mensch wie die anderen, unterscheidet sich dadurch von ihnen, daß er nach dem Ratschluß Gottes aus einer Jungfrau geboren sei, die der Heilige Geist überschattete, doch hat er nicht in der Jungfrau Fleisch angenommen, später bei der Taufe ist Christus auf Jesus in Gestalt einer Taube herabgekommen, weswegen, wie sie sagen, die Kräfte nicht früher in ihm gewirkt hätten. Nach ihm ist Christus nicht Gott. Soweit Theodotos.

Andere schließen sich in allem den Vorerwähnten an, unterscheiden sich einzig und allein dadurch, daß sie den Melchisedech für eine Kraft halten, und sagen, er stehe über jeder anderen Kraft; nach ihnen soll Christus sein Bild wiedergeben.

Die Phryger, zu deren Irrlehre ein gewisser Montanus und Priszilla und Maximilla die Grundlagen gelegt haben, halten diese Weiblein für Prophetinnen und Montanus für einen Propheten; sie haben wohl richtige Ansichten über den Urgrund und die Erschaffung des Alls und auch ihre Christologie ist nicht falsch; sie irren aber in bezug auf die eben erwähnten Persönlichkeiten, halten sich mit Unrecht mehr an deren Aussprüche als an das Evangelium und führen neue, sinnlose Fasten ein.

Andere folgen der Häresie der Noetianer, während sie mit den Phrygern in bezug auf die Weiblein und Montanus übereinstimmen; sie lästern den Vater des Alls, indem sie sagen, er sei Sohn und Vater, sichtbar und unsichtbar, gezeugt und ungezeugt, sterblich und unsterblich; sie gehen von Noetos aus.

Noetos von Geburt ein Smyrner, ein schwatzhafter, listiger Mensch, brachte eine Häresie auf, ähnlich wie die, welche Kleomenes von einem gewissen Epigonos überkommen hatte und die sich unverändert bis heute bei seinen Nachfolgern erhielt; er sagte, es gebe einen Vater und Gott des Universums; dieser Allschöpfer sei für die existierenden Wesen verborgen gewesen, wenn er wollte; er sei in Erscheinung getreten dann, wenn er wollte; er sei unsichtbar, wenn er nicht gesehen werde, und sichtbar, wenn er gesehen werde;ungezeugt, wenn er nicht gezeugt werde, gezeugt, wenn er aus der Jungfrau gezeugt werde; leidensunfähig und unsterblich, wenn er nicht leide und sterbe, wenn er sich Leiden unterziehe, leide und sterbe er. Diesen Vater halten sie zugleich für den Sohn, der zeitweise je nach den Umständen bald den einen, bald den anderen Namen führe. Ihre Häresie unterstützte Kallistus, dessen Leben wir sorgfältig dargelegt haben, da er ja auch selbst zum Sektengründer ward. Er ging von ihnen aus und lehrte gleichfalls, einer sei der Vater und Gott; er sei der Bildner des Alls, und er sei auch der Sohn, so würde er dem Namen nach bezeichnet, wesenhaft gebe es nur einen Geist; der Geist, Gott, ist, wie sie sagen, nichts anderes als der Logos, oder der Logos nichts anderes als Gott. Diese Person sei eine, durch die Benennung zwar geschieden, nicht durch die Wesenheit. Er sagt nun, daß dieser Logos der eine Gott sei und behauptet, er habe Fleisch angenommen. Und der, welcher dem Fleische nach gesehen und gefangen genommen wurde, ist nach ihm Sohn, der innewohnende, Vater; so geriet er bald in die Lehre des Noetos und bald in die des Theodotos, da er nichts festhielt. So viel von Kallistus.

Ein gewisser Hermogenes wollte auch etwas von sich geben und behauptete, Gott habe das Universum aus gleichewiger, vorhandener Materie gemacht; es sei ein Ding der Unmöglichkeit, daß Gott nicht aus Bestehendem die geschaffenen Dinge gemacht habe.

Einige andere wieder suchten sich gleichsam als etwas Neues aus allen Häresien etwas zusammen, nachdem sie ein wunderliches, nach einem gewissen Elchasaï genanntes Buch verfertigt hatten; sie sagen, daß die Prinzipien des Alls von Gott stammen, einen Christus aber bekennen sie nicht, vielmehr gebe es einen in der Höhe, und dieser sei oftmals und in viele Körper eingegangen, und zwar zur Zeit in den Jesu, ebenso sei er bald einmal aus Gott entstanden, bald einmal Geist geworden, bald aus einer Jungfrau entsprossen, dann wieder nicht; er ergieße sich nachher immer wieder in Körper und zeige sich zeitenweise in vielen. Sie gebrauchen Beschwörungen und Waschungen unter Anrufung der Elemente. Sie bilden sich etwas auf ihre Astrologie, ihre Mathematik und ihre magischen Künste ein. Sie nennen sich Seher der Zukunft.

….. [Abraham] wanderte [auf] Gottes [Befehl] aus Mesopotamien aus der Stadt Charran in das jetzt Palästina und Judäa, damals Chanaan genannte Land, über welches wir auch schon gründlich in anderen Büchern geredet haben. Es begann die Vermehrung des Volkes in Judäa, welches seinen Namen von Juda, dem vierten Sohn des auch Israel genannten Jakob erhielt, weil von ihm das Königsgeschlecht stammt. Abraham wandert aus Mesopotamien aus; mit 100 Jahren zeugt er den Isaak; Isaak aber zeugt den Jakob mit 60 Jahren; Jakob aber zeugt den Levi mit 86 Jahren; Levi aber zeugt den Kaath mit 40 Jahren; Kaath war aber vier Jahre alt, als er mit Jakob nach Ägypten kam. Es beträgt also die gesamte Zeit, während welcher Abraham und sein ganzes von Isaak stammendes Geschlecht in dem damals Kanaan genannten Lande auf der Wanderschaft war, 215 Jahre. Sein (Abrahams) Vater ist Thare, dessen Vater Nachor, dessen Vater Sarug, dessen Vater Reu, dessen Vater Phaleg, dessen Vater Heber, woher es auch kommt, daß (die Juden) mit dem Namen Hebräer bezeichnet werden;….. es waren somit 72 Stämme, deren Namen wir auch in den anderen Büchern aufgezeichnet haben. Wir haben auch diese Sache an ihrem Platze behandelt, da wir den Lernbegierigen zeigen wollten, welche Liebe wir für die Gottheit und die sichere Wahrheitserkenntnis haben, die wir uns mit vieler Mühe erworben haben. Dieses Heber Vater ist Sale, dessen Vater Kainan, dessen Vater Arphaxad, dessen Vater Sem, dessen Vater Noe, zu dessen Zeit die Flut auf der ganzen Welt entstand, deren weder Ägypter noch Chaldäer noch Griechen gedenken, bei denen an einzelnen Orten jene Überflutungen zur Zeit des Ogyges und Deukalion statthatten. Es sind dies wieder fünf Generationen und 495 Jahre. Da Noe überaus fromm und ein Freund Gottes war, so entkam er allein mit Frauen und Söhnen und deren drei Frauen der Flut, indem er in einer Arche gerettet wurde, deren Maße und Überbleibsel, wie wir es dargelegt haben, bis auf den heutigen Tag im sogenannten Araradgebirge gezeigt werden, das gegen das Land der Adiabener zu liegt. Es können also die, welche sorgfältige Forschungen anstellen wollen, erkennen, wie klar nachgewiesen worden ist, daß das Geschlecht der Gottesverehrer älter ist als alle Chaldäer, Ägyptier und Griechen. Was ist es nun nötig, die frommen Gottesverehrer, die vor Noe lebten, aufzuzählen, da für das vorliegende Thema das Zeugnis über den Altersvorrang genügt?

Doch dürfte es nicht zwecklos sein, nachzuweisen, daß die Völker, die sich um die Weisheit bemüht haben, jünger sind als die Gottesverehrer, somit ist es sachdienlich, mitzuteilen, woher sie stammen; und daß sie zur Zeit ihrer Einwanderung in diese Gegenden ihren Namen nicht von diesen Gegenden selbst erhielten, sondern ihn sich selbst gaben nach denen, die von Uranfang sie bewohnt hatten. Dem Noe wurden drei Söhne geboren, Sem, Cham und Japhet; von diesen stammt das Menschengeschlecht in seiner Gesamtheit und jegliches Land ist durch sie besiedelt worden; das von Gott zu ihnen gesprochene Wort ist in Erfüllung gegangen: „Wachset und vermehret euch und erfüllet die Erde“. Auf Grund dieses einen Wortes wurden von diesen drei Männern zweiundsiebzig Kinder gezeugt, von Noe fünfundzwanzig, von Japhet fünfzehn und von Cham zweiunddreißig. Unter den zweiunddreißig Söhnen Chams befanden sich folgende: Chanaan, von dem die Chanaaniter, Mesraim, von dem die Ägypter, Chus, von dem die Äthiopier, Phuth, von dem die Libyer stammen. Diese nennen sich bis auf den heutigen Tag in ihrer Sprache nach dem Namen ihrer Voreltern, auf Griechisch haben sie die jetzt gebräuchlichen Namen. Wenn nun deren Landstriche früher nicht bewohnt waren noch auch das Menschengeschlecht nachweisbar früher entstanden ist, diese aber Söhne des gottesfürchtigen Noe sind, der selbst Jünger gottesfürchtiger Männer gewesen ist, weswegen er der großen damaligen Wassergefahr entrann: Wie wären die Gottverehrer nicht älter als alle Chaldäer, Ägypter, Griechen, deren Ahnherr von jenem Japhet stammt, Javan genannt, von dem die Hellenen und die Jonier stammen? Wenn nun die Völker, die sich viel mit Philosophie beschäftigen, nachweislich viel jünger sind als das Geschlecht der Gottesverehrer und als die Flut, wie sollten die Barbarenvölker und alle sonstigen bekannten oder unbekannten nicht jünger sein als diese? Diese Lehre eignet euch an und lernet von uns, ihr Hellenen, Ägypter, Chaldäer und du ganzes Menschengeschlecht, was die Gottheit und wie wohlgeordnet ihre Weltleitung ist, von uns, den Freunden Gottes, die wir dies nicht nur so obenhin gepflegt, sondern die wir im Streben nach der Wahrheit und in Übung der Tugend zum Beweise Gottes Abhandlungen verfassen.

Ein Gott, der erste und einzige und der Schöpfer und Herr aller Dinge, hat nichts Gleichewiges gehabt, nicht das unendliche Chaos, nicht das unermeßliche Wasser oder die feste Erde, nicht dichte Luft, nicht heißes Feuer, nicht feines Pneuma, nicht des Himmels blaues Dach; er war vielmehr einer und allein für sich selbst, der durch seinen Willensentschluß die existierenden Dinge, die früher nicht existierten, schuf, nur weil er sie schaffen wollte, er, der der zukünftigen Dinge kundig ist; er verfügt nämlich über Vorauswissen. Verschiedene Elemente der zukünftigen Dinge schuf er zu Anfang, Feuer und Pneuma, Wasser und Erde; aus diesen machte er seine Schöpfung, indem er Dinge, die aus einer Substanz bestehen, bildete wie auch solche aus zwei und drei und vier Substanzen zusammenfügte. Die aus einer Substanz bestehenden Dinge waren unsterblich — es erfolgt nämlich keine Auflösung; das Einfache wird nämlich niemals aufgelöst —, was aber aus zwei oder drei oder vier Elementen besteht, ist auflösbar, und wird darum auch sterblich genannt. Die Auflösung zusammengesetzter Dinge wird nämlich Tod genannt. Ich glaube nun für Wohlgesinnte schon genügend Aufschluß gegeben zu haben; sie können, wenn sie noch mehr Kenntnisse verlangen und wenn sie über die Wesenheit dieser Dinge und über die Grundlagen der gesamten Weltleitung weiter forschen wollen, sich durch die Lektüre unseres Buches: „Über die Wesenheit des Alls“ weiter unterrichten. Für diesmal sind die Ursachen genugsam auseinandergesetzt, in deren Unkenntnis die Griechen die Teile der Schöpfung mit geistreichen Worten verherrlicht haben, den Schöpfer aber nicht erkannten. Von ihnen gingen die Häresiarchen aus und änderten mit ähnlich lautenden Reden das von den Griechen Vorgebrachte um und erfanden ihre lächerlichen Irrlehren.

Dieser Gott, einzig und über alles, hat den Logos zuerst durch gedankliche Operation gezeugt, nicht einen Logos wie einen Laut, sondern als innerliche Überlegung über das All. Diesen allein hat er aus Seiendem erzeugt; das Seiende nämlich war der Vater selbst, aus dem das Erzeugte (stammt). Der Grund für das, was geschaffen wurde, war der Logos, der in sich selbst den Willen des Erzeugers trug und den Gedanken des Vaters wohl kannte. Im Moment des Hervorgehens aus dem Erzeuger, als ersterzeugter Laut, hat (der Logos) in sich selbst die im Gedanken des Vaters ruhenden Ideen; auf den Befehl des Vaters, daß die Welt entstehen sollte, führt sie der Logos im einzelnen zum Wohlgefallen Gottes aus. Und, was durch Geburt sich vermehrt, machte er zu Männchen und Weibchen; was aber zur Hilfe und zum Dienst bestimmt ist, entweder zu Männchen, die der Weibchen nicht bedürfen, oder zu geschlechtslosen Wesen. Die ersten Substanzen der Dinge, die aus Nichtseiendem entstanden sind, Feuer und Pneuma, Wasser und Erde, sind weder männlich noch weiblich, noch können aus einer dieser (Substanzen) Männchen oder Weibchen hervorgehen, es sei denn Gott befehle die Mitwirkung des Logos. Ich bin der Ansicht, daß die Engel aus dem Feuer stammen und daß es bei ihnen keine weiblichen Wesen gibt. Weiter habe ich die Meinung, daß Sonne, Mond und Sterne gleicherweise aus Feuer und Pneuma stammen und weder männlich noch weiblich sind; die schwimmenden und geflügelten Tiere, Männchen und Weibchen, aber stammen aus dem Wasser. So hat es Gott angeordnet, nach dessen Ratschluß die Substanz des Wassers fruchtbar sein soll. In gleicher Weise stammen die Kriechtiere und die wilden Tiere und alle sonstigen Tierarten, Männchen und Weibchen, aus der Erde; dies lag nämlich in der Natur der geschaffenen Dinge. Was immer er wollte, das hat Gott gemacht. Er machte es durch den Logos, und es konnte nicht anders werden, als es wurde. Nach der Schöpfung gab er den Dingen Namen. Hernach schuf er aus allen Substanzen den Herrn aller Dinge; er wollte nicht einen Gott oder einen Engel schaffen und griff fehl — ich will nicht irre führen —, sondern eben einen Menschen. Wenn er nämlich dich zum Gott machen wollte, konnte er es; du hast das Beispiel vom Logos; da er einen Menschen machen wollte, machte er dich zum Menschen; wenn du aber auch Gott werden willst, so gehorche dem, der dich geschaffen, und widersetze dich ihm hienieden nicht, damit dir, in Kleinem treu erfunden, auch das Große anvertraut werden könne. Sein Logos allein ist aus ihm selbst; aus diesem Grunde auch Gott, da er Gottes Wesenheit ist; die Welt aber ist aus nichts, deswegen nicht Gott; sie unterliegt auch der Auflösung, wann es der Schöpfer will. Gott hat beim Schaffen das Böse nicht gemacht noch macht er es; das Ehrbare und das Gute macht er, der Schaffende, der selbst gut ist. Der Mensch war ein Wesen mit freier Selbstbestimmung; er hatte nicht einen beherrschenden Verstand und beherrschte nicht alles durch Klugheit, Kraft und Macht, sondern er hat einen untergeordneten Verstand und alles gegen sich. Da er aber freie Selbstbestimmung hat, erzeugt er nachderhand das Böse, das eine Zufälligkeit ist, da es ein Nichts ist, wenn es eben nicht vollbracht wird; wenn man nämlich etwas Böses will und meint, so wird dies das Böse genannt, es ist nicht von Anbeginn da, sondern es entsteht nachträglich. Da er freie Selbstbestimmung hat, so ist ihm von Gott mit gutem Grund ein Gesetz gegeben worden; wenn nämlich der Mensch das Wollen und Nichtwollen nicht in seiner Gewalt hätte, wozu wäre ein Gesetz gegeben worden? Das Gesetz wird doch dem unvernünftigen Tiere nicht gegeben, sondern Zaum und Peitsche, dem Menschen aber Gebot und Strafe für die Tat und die Unterlassung. Ihm war das Gesetz vor alters durch gerechte Männer gegeben, näher an unserer Zeit wurde durch Moses, den frommen und gottgeliebten Mann, ein bedeutungsvolles, gerechtes Gesetz gegeben. Das All aber leitet der Logos Gottes, der erstgeborene Sohn des Vaters, die vor dem Morgenstern aufleuchtende Stimme. Es sind dann gerechte Männer, Freunde Gottes, aufgestanden; sie sind Propheten genannt worden, weil sie die Zukunft ankündigten. Sie sprachen nicht nur zu einer bestimmten Zeit, sondern durch alle Geschlechter waren ihre Stimmen laut vernehmlich: nicht nur dann, wann sie den Zeitgenossen Aufschluß gaben, sondern für alle Geschlechter kündigten sie die Zukunft an; indem sie das Vergangene berichteten, riefen sie es der Menschheit ins Gedächtnis; indem sie auf die Gegenwart wiesen, arbeiteten sie gegen den Leichtsinn; indem sie die Zukunft vorherverkündigten und jeder einzelne von uns das lang Vorherverkündigte sah, flößten sie uns Furcht ein und wir waren weiter der Zukunft gewärtig. Diesen Glauben haben wir, ihr Menschenkinder alle, wir, die wir nicht leeren Worten glauben noch von plötzlichen Stimmungen des Herzens hingerissen noch von einschmeichelnd schönen Worten berückt werden, sondern die wir auf die mit göttlicher Kraft gesprochenen Worte vertrauen. Dies war Gottes Befehl an den Logos. Der Logos hat sich aber in Worten vernehmen lassen, durch die er die Menschen vom Ungehorsam bekehrte, nicht dadurch, daß er sie mit Zwangsgewalt knechtete, sondern dadurch, daß er sie durch freiwilligen Entschluß zur Freiheit berief. Diesen Logos hat späterhin der Vater gesandt; er wollte nicht mehr durch die Propheten reden noch den Angekündigten nur dunkel ahnen lassen; sondern er sollte sichtbarlich erscheinen und reden, auf daß die Welt bei seinem Anblick heilige Scheu ergreife, wenn er nicht mehr durch die Person der Propheten Vorschriften gebe noch der Seele durch einen Engel Furcht einflöße, sondern wenn er, der gesprochen habe, selbst käme.

Wir haben erkannt, daß er aus einer Jungfrau Fleisch angenommen und den alten Menschen in einem neuen Gebilde getragen, daß er im Leben durch jedes Lebensalter gegangen sei, damit er selbst jedem Lebensalter zum Gesetz würde und allen Menschen sich selbst in seiner Menschheit als Ziel vor Augen halte und durch sich selbst beweise, daß Gott nichts Böses geschaffen habe und daß der Mensch mit freier Selbstbestimmung ausgestattet das Wollen und Nichtwollen in seiner Gewalt habe und zu beidem fähig sei; wir wissen, daß dieser Mensch aus demselben Stoffe wie wir entstanden ist. Wenn er nämlich nicht aus demselben geworden wäre, so gäbe er vergeblich das Gesetz, ihn als Lehrer nachzuahmen. Wenn nämlich jener Mensch eben aus einer anderen Substanz wäre, wie kann er mir, dem von Natur Schwachen, Ähnliches befehlen, wie er es getan, und wieso ist er gut und gerecht? Auf daß er aber uns gleich geachtet würde, so hat er Arbeit auf sich genommen, wollte hungern, hat Durst gelitten, hat im Schlafe geruht, sich Leiden nicht widersetzt, hat dem Tod gehorcht, ist sichtbarlich auferstanden, hat seine eigene Menschheit in diesem allen zum Erstlingsopfer gebracht, auf daß du im Leiden nicht den Mut verlierest, sondern dich als Menschen bekennend auch das erwartest, was ihm der Vater gegeben.

Dies ist die wahre Lehre von der Gottheit, ihr Griechen und Nichtgriechen, Chaldäer und Assyrer, Ägypter und Libyer, Inder und Äthiopier, Kelten und ihr Latiner, die ihr die Herrschaft führt, und ihr Bewohner alle von Europa, Asien und Libyen; ich bin euer Berater, der ich Schüler des menschenliebenden Logos bin und selber die Menschen liebe, auf daß ihr zu uns kommt und den wahren Gott und seine wohlgeordnete Weltregierung kennen lernet, und euch nicht an die Spitzfindigkeiten kunstvoller Abhandlungen haltet noch an die eitlen Versprechungen sich mit fremden Federn schmückender Ketzer, sondern an die einfache Erhabenheit prunkloser Wahrheit; durch deren Kenntnis werdet ihr der herannahenden Bedrohung durch das Feuer des Gerichtes entfliehen und dem lichtlosen Antlitz des dunklen Tartarus, das von der Stimme des Logos nicht erhellt wurde, und der Glut des ewigen Pfuhls der Flammenhölle und dem ewig dräuenden Antlitz der den Tartarus bewohnenden gezüchtigten Engel und dem Wurm, der sich dem Leibe, dem glühenden Körper, wie einer Speise naht. Dem wirst du entfliehen, wenn du über den wahren Gott unterrichtet bist, ja du wirst einen unsterblichen Leib und zugleich eine unzerstörbare Seele haben und wirst das Himmelreich erwerben, der du in deinem Erdenleben den himmlischen König kennen gelernt hast; du wirst ein Vertrauter Gottes und Miterbe Christi, der nicht mehr Begierlichkeiten, Leidenschaften und Krankheiten unterworfen ist. Du wirst Gott. Was für Leiden du auch als Mensch ausgestanden hast, die hat Gott dir gegeben, weil du Mensch bist; was immer aber Gott zusteht, dies hat Gott dir zu gewähren versprochen, wenn du vergöttlicht, unsterblich geworden bist. Dies ist das „Erkenne dich selbst“, wenn du Gott, den Schöpfer, anerkennst. Wer nämlich sich selbst erkennt, der wird von Gott erkannt, der ihn beruft. So streitet denn nicht mehr miteinander, ihr Menschen, und zaudert nicht umzukehren. Christus ist ja der Gott über alles, der beschloß, die Sünde von dem Menschen wegzuwaschen und aus dem alten Menschen einen neuen zu machen, er, der ihn am Anfang sein Bild genannt hatte; im Gleichnis zeigte er seine Liebe zu dir; wenn du seinen erhabenen Vorschriften folgst und des Guten guter Nacheiferer wirst, so wirst du ihm ähnlich und von ihm geehrt. Gott, der auch dich zu seiner eigenen Ehre zum Gott gemacht hat, ist kein Bettler.

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