An Scapula

Von Tertullian

Vorliegende Schutzschrift für die Christen ist nicht durch Furcht vor der Verfolgung oder eigenes Interesse eingegeben.

Wir empfinden fürwahr weder Schrecken noch Furcht vor dem, was wir von den Unwissenden zu erdulden haben; denn wir sind ja unserer Genossenschaft mit der Bedingung beigetreten, daß wir uns verpflichteten, Kämpfe wie die gegenwärtigen selbst mit Daransetzung unseres Lebens aufzunehmen, nur erfüllt von dem Wunsche, der Verheißungen Gottes teilhaftig zu werden, und von der Furcht vor denjenigen Leiden, welche er uns androht für den Fall, daß wir ein anderes Leben führen. So nehmen wir denn gegen all eure Grausamkeit den Kampf auf, indem wir sogar aus freien Stücken dagegen auftreten, und freuen uns mehr, wenn wir verurteilt, als wenn wir freigesprochen werden. Und so habe ich dieses Schriftchen nicht aus Besorgnis für uns überreicht, sondern aus Besorgnis für euch und alle unsere Feinde, nicht etwa für unsere Freunde. Denn unser Lehrsystem befiehlt uns, auch unsere Feinde zu lieben und zu beten für die, welche uns verfolgen, und darin besteht die uns eigentümliche und vollkommene Güte, die nicht die gewöhnliche ist. Denn die Freunde zu lieben ist Brauch bei allen; die Feinde, nur bei uns Christen allein. Da uns also eure Unwissenheit Kummer und Schmerz bereitet und wir Mitleid haben mit den Irrtümern der Menschen, da wir die Zukunft vorausahnen und deren Vorzeichen jeden Tag dräuen sehen, so ist es notwendig, auch auf diese Weise einen Ausfall zu machen und euch Dinge zu sagen, die ihr öffentlich nicht hören wollt.

Die Christen mit Gewalt zur Annahme des Heidentums zwingen zu wollen, ist unvernünftig. Abwehr des Vorwurfs der Reichsfeindschaft.

Wir verehren nur einen Gott, den ihr alle von Natur aus kennt, vor dessen Blitz und Donner ihr zittert und an dessen Gaben und Wohltaten ihr euch erfreut. Ihr glaubt auch noch an weitere Götter, welche, wie wir jedoch wissen, Dämonen sind. Jedoch es ist ein Menschenrecht und eine Sache natürlicher Freiheit für jeden, das zu verehren, was er für gut hält, und die Gottesverehrung des einen bringt dem andern weder Schaden noch Nutzen. Nicht einmal Sache der Gottesverehrung ist es, zur Gottesverehrung zu zwingen, da sie von freien Stücken unternommen werden muß und nicht aus Zwang; denn auch Opfer werden nur von einer willigen Gesinnung gefordert. Wenn ihr uns also auch wirklich zum Opfern treiben wollt, so würdet ihr euren Göttern keinen Dienst damit erweisen. Denn von Widerwilligen werden sie wohl keine Opfer verlangen, es sei denn, daß sie händelsüchtig wären; händelsüchtig aber ist Gott nicht. Der, welcher der wahre Gott ist, gewährt alle seine Gaben den Gottlosen sowohl als seinen Anhängern in gleicher Weise, und darum hat er auch ein ewiges Gericht angeordnet für die Dankbaren und die Undankbaren, – Ihr haltet uns für Heiligtumsschänder, habt uns aber noch niemals bei einem Diebstahle betroffen, geschweige denn bei einem Tempelraub. Alle die, welche Diebstähle in den Tempeln verüben, schwören bei den Göttern und verehren sie; sie sind keine Christen, werden aber doch auf Tempelraub ertappt. Es wäre zu weitläufig, wenn wir wiederholen wollten, auf wie vielfache Weise sämtliche Götter sonst noch von ihren eigenen Verehrern verhöhnt und beschimpft werden.

Ähnlich werden wir auch in Hinsicht der kaiserlichen Majestät verleumdet, obwohl doch niemals Christen gefunden werden konnten, die Anhänger des Albinus, Niger oder Cassius gewesen wären, sondern es waren eben dieselben Leute, die tags zuvor noch bei deren Genien geschworen hatten, die für das Wohlergehen derselben Opfer veranstaltet und Gelübde gemacht hatten; Leute, welche schon oft Christen verurteilt hatten, wurden als Feinde der Kaiser erkannt. Die Christen sind niemandes Feinde, am wenigsten des Kaisers. Da sie wissen, daß derselbe von ihrem Gott eingesetzt worden ist, so müssen sie ihn notwendig lieben, fürchten, ehren und seine Erhaltung wünschen mit der des gesamten römischen Reiches, solange die Welt steht. Denn so lange wird letztere auch bestehen. Wir verehren daher den Kaiser, aber auf eine Weise, wie es uns erlaubt ist und ihm selbst nützt, als einen Menschen, der nach Gott der zweite ist; der, was er ist, von Gott erhalten hat und nur Gott nachsteht. Das wird auch wohl sein eigener Wunsch sein. Denn dann ist er größer als alle, wenn er allein geringer ist als der wahre Gott. Dann ist er sogar größer als die Götter selber, da diese sich ja in seiner Gewalt befinden. Daher bringen wir denn auch für das Wohl des Kaisers Opfer dar, aber nur unserem Gotte, der auch der seinige ist und, so wie es Gott vorgeschrieben hat, mit bloßem Gebet. Denn Gott, der Schöpfer des Weltall, bedarf keiner Wohlgerüche oder irgendwelches Blutes; dies ist das Futter der Dämonen. Die Dämonen aber verwerfen wir nicht allein, sondern wir überführen und beschämen sie auch jeden Tag und treiben sie aus den Leuten aus, wie vielen bekannt ist. So beten wir in besserer Weise für das Wohlergehen des Kaisers, indem wir es von demjenigen erbitten, der es geben kann. Es könnte euch fürwahr klar sein, daß wir handeln, wie es die göttliche Langmut lehrt, wenn eine so große Menge von Menschen wie wir, fast die größere Hälfte in jeder Stadt, ruhig bleiben und uns loyal verhalten. Als Einzelpersonen sind wir vielleicht mehr bekannt als in unserem Gemeinschaftsleben, und wir sind auch an nichts anderem zu erkennen als an der Ablegung unserer früheren Fehler. Es sei fern von uns, daß wir das mit Widerwillen ertrügen, was wir ja zu leiden begehren, oder daß wir auf irgendeine Wiedervergeltung von unserer Seite sännen, die wir vielmehr von Gottes Hand erwarten.

Der Zorn Gottes gegen die Verfolger bleibt nicht aus und die Anzeichen davon sind vorhanden.

Jedoch, wie oben bemerkt, die Sache muß uns dennoch Kummer machen; denn keiner Stadt wird die Vergießung unseres Blutes ungestraft hingehen. So geschah es auch unter dem Statthalter Hilarianus, als man schrie: „Sie sollen keine Äcker haben!“ und unsere Totenäcker damit meinte. Damals hatten sie selber keine Äcker; d. h. sie gaben keine Ernten. Aber auch das, woran die Regengüsse des verflossenen Jahres das Menschengeschlecht erinnern sollten, wurde klar, nämlich daran, daß es in früherer Zeit wegen des Unglaubens und der Gottlosigkeit der Menschen einmal eine Sündflut gegeben hat. Was der Feuerschein, der vor kurzem nachts über den Stadtmauern von Karthago hing, angedroht hat, das wissen die, welche ihn gesehen haben, und was die vorangegangenen Donnerschläge bedeuteten, ist denen bekannt, die sich dagegen verhärtet haben. Das alles sind Anzeichen des bevorstehenden Zornes Gottes, welchen wir gehalten sind, auf jede uns mögliche Weise zu verkündigen, zu predigen und durch unsere Bitten zu einem vorläufig bloß lokalen zu machen. Denn den universellen, größten Zorn Gottes werden seinerzeit diejenigen fühlen, welche die Vorbilder desselben falsch deuten. Auch die bekannte Erscheinung an der Sonne bei der Versammlung zu Utica, wobei ihr Licht beinahe erlosch, war darum ein Vorzeichen, weil sie nicht infolge einer gewöhnlichen Finsternis stattfinden konnte, da die Sonne sich gerade auf ihrer Höhe und in ihrem Hause befand. Ihr habt ja Astrologen.

So können wir dir auch die Schicksale einiger Präsidenten vorführen, welche sich am Ende ihres Lebens erinnerten, darin gefehlt zu haben, daß sie die Christen bedrückten. Vigelius Saturninus, der hier zuerst das Schwert gegen uns in Tätigkeit setzte, erblindete, Claudius Lucius Herminianus in Kappadozien war ungehalten darüber, daß seine Gemahlin zu unserer Genossenschaft übergegangen war, und behandelte die Christen deshalb grausam. Als er nun, ganz allein in seinem Prätorium liegend, von der Pest ergriffen, noch lebend von Würmern wimmelte, sagte er: „Niemand soll es erfahren, damit nicht die Christen sich freuen oder die Christinnen Hoffnung schöpfen“. Später sah er seinen Fehler ein, einige durch seine Foltern von ihrem Vorsatze abwendig gemacht zu haben, und starb beinahe als ein Christ. Caecilius Capella rief bei dem bekannten Falle von Byzanz aus: „Freuet euch, ihr Christen!“ Diejenigen aber, welche sich schmeicheln, daß es ihnen ungestraft hingegangen sei, werden am Tage des göttlichen Gerichtes erscheinen müssen. Auch in Betreff deiner wünschen wir, daß es eine bloße Vermahnung für dich gewesen sei, daß diese deine Plage, das Blutbrechen auf dem Fuße folgte, als du den Mavilus von Adrumet zu den wilden Tieren verurteiltest, wie auch jetzt aus gleicher Ursache. Aber denke an die Zukunft!

Die Prokonsuln können stets Mittel und Wege finden, die Verfolgungsedikte milde und menschlich auszuführen, wenn sie nur wollen. Will Scapula dagegen rücksichtslose Strenge gebrauchen, so soll er sich wenigstens innerhalb der Schranken des Gesetzes halten.

Wir, die wir selbst nichts fürchten, wollen dich nicht erschrecken. Aber ich wünschte, daß wir imstande wären, alle zu retten durch die Ermahnung „nicht gegen Gott zu kämpfen“. Es wäre dir möglich, die Obliegenheiten deines Richteramtes zu erfüllen und doch der Menschlichkeit eingedenk zu bleiben, schon darum, weil auch ihr unter dem Gesetze des Schwertes stehet. Denn, was ist dir strenger anbefohlen, als die Schuldigen, die bekannt haben, zu verurteilen, hingegen die, welche leugnen, auf die Folter zu bringen? Da seht ihr also, wie ihr selbst gegen die Vorschriften handelt, indem ihr Leute, die bekannt haben, zum Leugnen zwingen wollt! Ihr gesteht damit selber zu, daß wir eigentlich schuldlos sind, da ihr uns nicht gleich auf unser Geständnis hin verurteilen wollt. Wenn ihr aber darnach strebt, uns zu vernichten, dann bekämpft ihr also die Unschuld.

Wie viele Präsidenten, und selbst strengere und grausamere, haben in Rechtssachen dieser Art durch die Finger gesehen! So z. B. Cincius Severus, der zu Thysdrus selbst das Auskunftsmittel angab, wie die Christen antworten sollten, um entlassen zu werden. So Vespronius Candidus, der, um seine Bürger zu befriedigen, einen Christen als Ruhestörer bestrafte und dann entließ. So Asper, der einem Menschen, welcher nach schwacher Anwendung der Folter sogleich wankend wurde, nicht zum Opfern zwang, nachdem er vorher vor seinen Advokaten und Beisitzern geäußert hatte, es tue ihm leid, mit dieser Sache zu tun bekommen zu haben.

Auch Pudens5 setzte einen ihm zugeschickten Christen, nachdem er aus dem Protokoll ersehen, daß derselbe durch den Kniff der concussio in Anklagestand geraten war, in Freiheit und zerriß das Protokoll mit den Worten, gemäß den amtlichen Bestimmungen verhöre er keinen Menschen ohne Ankläger.

Alles dieses kannst du von der Beamtenschaft erfahren und sogar von denselben Advokaten, die selber von Christen Wohltaten genossen hatten. Sie stimmen freilich, wie sie Lust haben. Denn auch der Schreiber eines gewissen Herrn wurde, als er an dämonischer fallender Sucht litt, befreit; auch ein Verwandter und ein Knäblein gewisser Leute und weiß Gott wie viele angesehene Männer – von den gemeinen Leuten spreche ich gar nicht – sind von Dämonen oder von Krankheiten geheilt worden! Er selber sogar, Severus, der Vater des Antoninus, war der Christen eingedenk. Er ließ nämlich den Christen Proculus mit dem Beinamen Torpation, Verwalter bei der Evodia, der ihn einmal durch Anwendung von Öl gesund gemacht hatte, aufsuchen und behielt ihn bei sich in seinem Palaste bis an dessen Tod. Ihn hat auch Antoninus, der mit christlicher Milch aufgezogen ist, sehr gut gekannt. Auch tat Severus vornehmen Männern und Frauen, obwohl er wußte, daß sie dieser Genossenschaft angehörten, nicht nur nichts zuleide, sondern ehrte sie sogar mit seinem Zeugnisse und widerstand offen dem Pöbel, der gegen uns wütete. Marc Aurel erlangte auf seinem Feldzuge in Deutschland bei großem Wassermangel Regen durch die an Gott gerichteten Gebete der christlichen Soldaten. Wann ist einmal unsern Kniebeugungen und Fasten zum Trotz nicht die Dürre gewichen? Alsdann rief auch das Volk zum Gott der Götter, der allein mächtig sei, und legte unter dem Namen des Jupiter für unsern Gott Zeugnis ab.

Außerdem leugnen wir keinem das uns Anvertraute ab, greifen in niemandes eheliche Rechte ein, handeln milde gegen die Waisen, erquicken die Dürftigen und vergelten keinem Böses mit Bösem. Immerhin mag es Leute geben, die die Zugehörigkeit zu unserer Genossenschaft nur heucheln, solche weisen auch wir zurück. Wenn es sich endlich bei einem von den Unsern um eine Anklage handelt, wird etwa einer unter einem andern Titel angeklagt? Keine andere Affäre hat der Christ auszuhalten, als nur die, daß er seiner Genossenschaft angehört, obwohl sie nach so langer Zeit noch von niemand weder der Blutschande noch grausamer Handlungen überführt worden ist. Es ist unsere Schuldlosigkeit, unsere große Rechtschaffenheit, unsere Gerechtigkeit , Keuschheit, Treue, Wahrheitsliebe, es ist der lebendige Gott, um dessentwillen wir verbrannt werden, eine Strafe, die nicht einmal den wirklichen Tempelräubern, den Staatsfeinden und der ganzen Masse von Majestätsverbrechern auferlegt zu werden pflegt. Denn auch im gegenwärtigen Augenblicke wird der christliche Name von den Präsidenten von Numidien und von Mauretanien verfolgt, aber doch nur bis zur Anwendung des Schwerter, welche Art Strafe von Anfang an gegen solche Leute anzuwenden gesetzlich befohlen worden ist. Indessen, je schlimmer der Kampf, desto herrlicher die Belohnung.

Grausamkeit wird ihren Zweck nicht erreichen. Bitte um Schonung für die Christen.

Eure Grausamkeit ist unser Ruhm, Siehe, ob wir nicht, gerade weil wir dergleichen dulden, darauf allein losgehen, zu beweisen, daß wir diese Dinge nicht fürchten, sondern sie sogar von freien Stücken fordern. Als Arrius Antoninus in Asien eine heftige Verfolgung betrieb, stellten sich sämtliche Christen der Stadt vor seinem Tribunal auf und bildeten einen Trupp. Darauf ließ er einige abführen und sagte zu den übrigen: „Elende, wenn ihr sterben wollt, so habt ihr ja Abgründe und Stricke.“ Falls es uns einfiele, das auch hier zu tun, was würdest du anfangen, wenn so viele tausend Menschen, so viele Männer und Frauen, Personen jedes Geschlechtes, jedes Alters, jedes Standes sich dir darbieten würden? Wie viele Scheiterhaufen, welche Menge von Schwertern würdest du nötig haben! Was würde Karthago selbst zu leiden haben, da es von dir dezimiert werden müßte, wenn ein jeder welche von seinen Verwandten, von seinen Hausgenossen darunter erblicken würde, wenn man da auch vielleicht sogar Männer von deinem Range, Matronen und gerade die angesehensten Personen, auch Verwandte oder Freunde deiner Freunde erblicken würde?! Schone also deiner, wenn du unser nicht schonen willst! Schone Karthagos, wenn du deiner nicht schonst! Schone der Provinz, in der ein jeder, nachdem man deine Absicht erkannt hat, tückischen Anklagen der Soldaten oder seiner Feinde verfallen ist!

Wir haben niemand zum Meister als Gott allein. Dieser steht vor dir und läßt sich nicht verbergen, und zwar ein Gott, dem du nichts anhaben kannst. Diejenigen aber, welche du für deine Meister hältst, sind nur Menschen, und sie werden einst auch sterben. Diese unsere Genossenschaft aber wird darum nicht zugrunde gehen. Du weißt, daß sie dann mehr gedeiht, wenn sie niedergemetzelt zu werden scheint. Denn jeder, der eine solche Dulderkraft gesehen hat, der wird, wie von einem Stachel getrieben, veranlaßt, zu untersuchen, um was es sich eigentlich handle, und wenn er die Wahrheit erkannt hat, so geht er sofort denselben Weg.

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